Ausländer in Deutschland 4/1999, 15.Jg., 20. Dezember 1999

GLOSSE

Zahlungsfähige Gastgeber

 

Moment mal, sagt die Beamtin und zieht eine Liste aus der Schublade, da fehlen noch Papiere. - Welche Papiere? zucke ich zusammen. Schließlich habe ich schon eine Einladung mit allen Passangaben geschrieben, eine Krankenversicherung für drei Monate abgeschlossen und einen frischen Gehaltsbogen mitgebracht. Ich weiß ja, dass nur ein zahlungsfähiger Bürger seine Eltern zu Besuch einladen darf. Jedenfalls wenn diese Eltern ein Visum brauchen.

Jetzt soll ich noch den Mietvertrag mit Angabe der Miethöhe bringen. Ach was! jubiliere ich, wir haben doch letztes Jahr ein Haus gekauft! - Aber der Staat hat auch an stolze Hausbesitzer gedacht, sie sollen sich keineswegs übernehmen. Also Grundbuchauszug her, Abgabenbescheid von der Hypothekenbank und die monatlichen Rechnungen für Strom, Gas, Wasser, Müllabfuhr, Kanalreinigung... was haben wir denn noch zu zahlen? Der Rest sind Peanuts: Hundesteuer, ein paar Versicherungen, Elternbeitrag für den Kindergarten des Sohnes; alles bitte in Original und Kopie.

Wir müssen ja nicht nur prüfen, wie hoch Ihr Gehalt ist, sondern auch ob es ausreicht, klärt mich die Beamtin auf. Schließlich müssen Sie ja Ihre Besucher drei Monate durchfüttern. Die kommen aus Bulgarien, und bei der Wirtschaftskrise da unten gibt es nicht viel zu beißen. Und wir wollen doch nicht, dass Sie sich in Unkosten stürzen und zum Fall für die Sozialhilfe werden. - Über soviel Fürsorge bin ich gerührt. Na, dann benötigen Sie aber noch ein paar Angaben, schlage ich vor: Friseurbesuche zum Beispiel oder teure Hobbys und Extremsportarten?

Mal langsam, sagt die Beamtin. Sie wohnen auf 100 Quadratmetern, insgesamt drei Personen und ein großer Hund. Wo wollen Sie denn noch zwei Leute unterbringen? - Oh, das geht, versichere ich, wir sind Kummer gewohnt, wissen Sie! Als ich noch bei meinen Eltern in Sofia lebte, waren wir zu sechst auf 56 Quadratmetern. Vater hat seine Doktorarbeit im Bad geschrieben, weil das der einzige ruhige Raum ... Das ungläubige Entsetzen in ihren Augen bringt meine Kindheitserinnerungen abrupt zum Ende. Ja-ja, sage ich, was war da noch - Lebensmittelpaket für drei Monate und Steuerbescheid für die letzten zehn Jahre? Korrigieren Sie mich bitte, falls ich etwas vergessen habe.


Autorin: Matilda Jordanova-Duda

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.