Ausländer in Deutschland 1/2000, 16.Jg., 31. März 2000

RECHT

Aktuelle Urteile und Publikationen

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Das Scheinehen-
Phantom

 

Die Hoffnung, in Deutschland heiraten zu können, hatten Martina und Emeka irgendwann aufgeben müssen. Die Beschaffung der nötigen Papiere hatte sich so lange verzögert, bis die Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen war. Nun gut, sagten sie sich, heiraten wir eben in Nigeria, Emekas Herkunftsland. Jetzt auf in´s Eheglück? Denkste.

Die Hochzeit lag nun hinter ihnen, Martina war zurück in Deutschland, und sie waren zuversichtlich, bald miteinander leben zu können. Doch nach monatelanger Wartezeit war Martina mit den Nerven am Ende. "Verdacht auf Scheinehe", lautete die Diagnose der deutschen Botschaft in Lagos, nachdem sie dort das Visum zur Familienzusammenführung beantragt hatten. Und damit wurde eine Maschinerie in Gang gesetzt, von deren Existenz Martina nichts geahnt hat. Das Landeskriminalamt an ihrem Wohnort in Deutschland lud sie zu einer Anhörung vor, aus der sie gedemütigt und beschämt herausging. Immer wieder neue Papiere, doppelt und dreifach beglaubigt, musste ihr Mann beschaffen, ein Fass ohne Boden, so schien es, bis die Behörden schließlich keine Handhabe mehr hatten, um ihm die Einreise zu verweigern.

Ein Gespenst geht um - nicht nur in Deutschland, nein, in ganz Europa. Die Angst vor unkontrollierter Einwanderung hat binationale Paare unter Generalverdacht gestellt. Die Entschließung C 382 des Europäischen Rates vom 16.12.1997 über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen ist ein Ergebnis davon. Sie fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, die ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen zu ergreifen, um eben solche Scheinehen zu verhindern.

Das Generalsekretariat des Europäischen Rates hat nun eine Umfrage unter den Mitgliedsstaaten durchgeführt, um zu überprüfen, ob und in welcher Form die Scheinehenentschließung in den einzelnen Ländern umgesetzt wurde. Die meisten der befragten Länder gaben an, bereits vor der Entschließung ausreichende Maßnahmen zur Verhinderung von Scheinehen getroffen zu haben. Bestanden diese bislang nur in Form von Verwaltungsvorschriften, seien manche Parlamente nun - von Brüssel ermutigt - dazu übergegangen, entsprechende Gesetzesänderungen vorzunehmen. Als wichtigste Überprüfungsinstrumente wurden Befragungen der Ehewilligen insbesondere bei der Visabeantragung in den Auslandsvertretungen sowie die mehrfache Prüfung ausländischer Dokumente genannt. Als Hauptkriterien zur Feststellung einer Scheinehe in der Praxis gelten die kurze Zeit der Bekanntschaft vor der Eheschließung, die fehlende Kenntnis der persönlichen Daten des Partners, der Bestand einer früheren Ehe, ein großer Altersunterschied.

Im migrationspolitischen Zusammenhang hat die Ehe also eine ungeahnte Bedeutung erhalten, durchaus zum Leidwesen der Betroffenen. Viele Paare würden unter anderen Umständen nämlich keinen Gedanken an Heirat verschwenden; durch den unsicheren Aufenthaltsstatus des einen Partners werden sie dazu gezwungen, oftmals schneller als ihnen lieb ist. Doch genau diese nach außen übereilt wirkende Eheschließung gilt als Verdachtsmoment. Und während die Ehe im Westen schon lange nicht mehr als einzig mögliche Verbindung zwischen zwei Menschen gilt, wird sie in dem Moment, in dem sie ein Aufenthaltsrecht begründet, wieder zur heiligen Institution: Wer sie zweckentfremdet, verstößt gegen Recht und Anstand. Doch wo beginnt der Zweck - und wo der Schein der Ehe? Was binationale Paare empört, ist auf der einen Seite, dass sie in den letzten Jahren zunehmend unter Verdacht geraten sind, obwohl nur ein verschwindend kleiner Teil der Ehen tatsächlich "zum Schein" geschlossen wurde. Auf der anderen Seite ist es die doppelte Moral, die sich auch darin noch einmal ausdrückt, wie tatsächliche Scheinehen bewertet werden. Heiratete ein Christ eine Jüdin, um sie vor der Verfolgung der Nazis zu schützen, genoss er später den Ruhm eines Widerstandskämpfers. Zweckehen über die deutsch-deutsche Mauer hinweg zeugten - auf westlicher Seite - von hoher moralischer Integrität und Zivilcourage. Wehe aber, wenn der zu Rettende heute Asylbewerber aus Nigeria ist - dann versagen alle Ansprüche an Menschlichkeit und Nächstenliebe, dann wird die gute Tat zur kriminellen Handlung.

Die Lobbyverbände von Binationalen in den europäischen Mitgliedstaaten, die sich in der European Conference of Binational/Bicultural Relationships (ECB) zusammengeschlossen haben, sind der Scheinehenhysterie schon lange überdrüssig. So hat die Organisation "Alliances sans frontière" eine umfangreiche Dokumentation über Scheinehenkontrollen in Frankreich vorgelegt, die massive Eingriffe in das Privatleben der Paare belegt. "Dass sich der Staat Einblicke in das Privatleben seiner Bürger erlaubt, ist in Frankreich eigentlich unvorstellbar. Bei Paaren, von denen ein Partner eingewandert ist, sollen die demokratischen Grundrechte der Freiheit und Gleichheit auf einmal nicht mehr gelten!", empört sich Beate Collet, die Vorsitzende von Alliances sans frontière. Auch die Mitgliedsverbände in den Niederlanden, Belgien oder Deutschland beklagen die seit langem die voranschreitende Beschneidung von Grundrechten, wie sie mit der faktischen Verhinderung von Eheschließungen stattfindet. ECB, deren Vorsitz für ein Jahr an den Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., nach Deutschland gegangen ist, hat nun eine umfangreiche Stellungnahme zur Mehrfachdiskriminierung von Binationalen erarbeitet, die sie in die Diskussion um eine europäische Grundrechtecharta eingebracht hat.


Autorin: Veronika Kabis-Alamba, iaf e.V.

[ Seitenanfang ]


EntScheidungsHilfe

 

Essen. Die Bezirksverbände Niederrhein und Mittelrhein der Arbeiterwohlfahrt haben einen Leitfaden "EntScheidungsHilfe" erstellt, der Hilfen für Migranten in Trennungssituationen gibt. Neben juristischen werden auch kulturelle und psychosoziale Fragen einer Scheidung erörtert. Mit der 60-seitigen Publikation soll auch ein Beitrag zur interkulturellen Öffnung der Dienste der sozialen Versorgung geleistet werden. 

Bezug:
AWO Bezirksverband Niederrhein
Lützowstr. 32
45141 Essen
Tel.: 0201/3105-202, Fax: -253

[ Seitenanfang ]

Umsetzung des Staatsbürger-
schaftsrecht

 

Berlin. Die Innenstaatssekretäre von Bund und Ländern haben sich im Dezember 1999 über die Umsetzung des am 1.1.2000 in Kraft getretenen neuen Staatsbürgerschaftsrechts verständigt. Das Verfahren zur Überprüfung der geforderten Verfassungstreue soll den Ländern überlassen bleiben. An die deutschen Sprachkenntnisse sollen höhere Anforderungen als bisher gestellt werden. Unter anderem wird von denjenigen Antragstellern, die nicht mindestens vier Jahre eine deutsche Schule mit Erfolg besucht haben, künftig erwartet, dass sie einen Zeitungsartikel "lesen, verstehen und den wesentlichen Inhalt mündlich wiedergeben" können. Das Land Berlin bietet seit dem 1. März einen Schnelltest für einbürgerungswillige Ausländer an. 

[ Seitenanfang ]

Islam-Unterricht erlaubt

 

Berlin. An den öffentlichen Schulen in Berlin kann künftig islamischer Reliogionsunterricht erteilt werden. Am 22. Februar 2000 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts, wonach die Islamische Föderation als Religionsgemeinschaft im Sinne des Berliner Schulgesetzes anerkannt wird und einen Anspruch auf Erteilung von Islam-Unterricht hat (vgl. AiD 2/99). Zunächst müssen jedoch noch die Lehrpläne geprüft werden (AZ 6 C 5.99).

[ Seitenanfang ]

Infos in 18 Sprachen

 

Solingen. Das Landeszentrum für Zuwanderung NRW hat einen kurzen Info-Text zum neuen Staatsangehörigkeitsrecht erstellt und in 17 Sprachen übersetzen lassen. Das komplette Informationsangebot kann auf den Internetseiten http://www.lzz-nrw.de  unter dem Link 'Aktuell' abgerufen oder beim Landeszentrum bestellt werden. 

Bezug:
Landeszentrum für Zuwanderung NRW
Kelderstr. 6
42697 Solingen
Tel.: 0212-23239-21 bzw. 0, Fax: -18

[ Seitenanfang ]

Sprachkenntnisse

 

Frankfurt/M. Mangelnde Deutschkenntnisse sind kein Grund, ausländischen Arbeitnehmern zu kündigen, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen in einem Urteil vom Januar 2000. Ein Kasseler Autozulieferer hatte zehn ausländischen Arbeitnehmern wegen mangelnder Deutschkenntnisse gekündigt. Es seien ausreichende Deutschkenntnisse nötig, um nach den Qualitätsmanagement-Systemen QS 9000 und VDA 6.1 zertifiziert zu werden. Mit dieser Ansicht konnte sich die Firma vor dem Arbeitsgericht nicht durchsetzen und verlor auch in der nächsten Instanz. In der Begründung des LAG hieß es, selbst wenn für die Zertifizierung besondere Deutschkenntnisse erforderlich seien, hätte das Unternehmen seinen ausländischen Arbeitnehmern entsprechende Fortbildungen anbieten müssen (AZ: 16 Fa1911/98). 

[ Seitenanfang ]

Ausländische Werkvertrags-
arbeitnehmer

 

Berlin. Dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) sind wiederholt Fälle bekannt geworden, in denen in fleischverarbeitenden Betrieben durch Kündigung Werkverträge mit inländischen Firmen durch solche mit ausländischen Firmen ersetzt werden sollten. Inzwischen ist gegenüber der Arbeitsverwaltung klargestellt worden, dass aufgrund der Arbeitsmarktschutzklausel in den internationalen Abkommen ein Personalaustausch zu Lasten inländischer Arbeitnehmer nicht zulässig ist. Die Arbeitsverwaltung lehnt die Erteilung von Arbeitserlaubnissen für ausländische Werkvertragsarbeitnehmer in diesen Fällen ab. Seit Anfang der 90er Jahre bestehen Abkommen mit verschiedenen mittel- und osteuropäischen Ländern, die die Beschäftigung von Werkvertragsarbeitnehmern aus diesen Ländern in einem eng begrenzten Umfang zulassen. Die ausländischen Firmen können nur als Subunternehmer tätig werden. Alle Abkommen enthalten Arbeitsmarktschutzklauseln. Ausländische Werkvertragsarbeitnehmer dürfen danach auch nicht zugelassen werden, wenn in dem Betrieb des deutschen Werkvertragspartners Arbeitnehmer entlassen werden bzw. kurzarbeiten oder die Entlassung bzw. Kurzarbeit beabsichtigt ist. In Arbeitsamtsbezirken mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit (30 v.H. über dem Bundesdurchschnitt) ist die Beschäftigung von ausländischen Werkvertragsarbeitnehmern generell ausgeschlossen. Das BMA appelliert an die Unternehmen der fleischverarbeitenden Industrie, auch bei Betriebserweiterungen die Beschäftigung inländischer Arbeitskräfte einzuplanen. Soweit geeignete Arbeitskräfte nicht vorhanden sind, bietet die Arbeitsverwaltung ein umfassendes Förderinstrumentarium mit finanziellen Hilfen für die Einarbeitung und berufliche Qualifizierung arbeitsloser Arbeitnehmer an.

Dies teilte die BMA-Pressestelle im März mit.


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.