Ausländer in Deutschland 1/2000, 16.Jg., 31. März 2000

RASSISMUS


Rechts-
extremismus im vereinten Deutschland

Erkenntnisse einer Tagung der Friedrich-Ebert-
Stiftung

Die Angst vor Übergriffen rechtsextremer Gewalttäter ist bei vielen ausländischen Mitbürgern ständig vorhanden. Besonders in Ostdeutschland trauen sich viele Migranten wegen Schreckensmeldungen über prügelnde Skinheads und "ausländerbefreite Zonen" kaum noch auf die Straße. Ist die Gewalt im Osten eine "Erblast" des alten DDR-Systems oder ein Hinweis auf einen gesamtgesellschaftlichen Ruck nach rechts? Eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung hat sich im Oktober 1999 in Berlin mit dem Thema "Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im vereinten Deutschland: Erscheinungsformen und Gegenstrategien" beschäftigt.

Die 90er-Jahre standen im Zeichen der Wiedervereinigung Deutschlands. Im Zuge des Zusammenwachsens wurden latente rechtsextreme Einstellungen in breiten Bevölkerungsteilen offenbar, von bisher verborgenem Nationalismus bishin zu unverhohlener Xenophobie. Die kaum für möglich gehaltenen, beschämenden Höhepunkte dieser Entwicklung waren die gewalttätigen Ausbrüche in Hoyerswerda und Rostock. Dort wurden Exzesse der Gewalt gegen Flüchtlinge von der Bevölkerung bejubelt. Erklärungsversuche zu diesen Ereignissen beschränkten sich zumeist auf ein zu gering ausgebildetes Demokratieverständnis in den neuen Bundesländern oder auf die Sozialisation in einem autoritären Staat. Doch wie berechtigt diese Thesen auch sein mögen, in einem wichtigen Aspekt greifen sie zu kurz, denn rechtsextreme Einstellungen sind auch im Westteil der Republik weit verbreitet. Solingen oder Mölln sind unrühmliche Beispiele rechtsextremer Gewalt und wie im Osten Deutschlands gibt es auch in den alten Bundesländern gewaltbereite Jugendliche, die sich Ausländer als Opfer wählen.

Diese Gewalttäter besäßen in der Regel kein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, betonte Prof. Richard Stöss von der FU Berlin. Allerdings sind sie für gesellschaftliche Stimmungen sensibilisiert und verstehen sich als Vollstrecker eines unausgesprochenen "Volkswillens". Die langjährige Debatte um das Asylrecht kann in diesem Zusammenhang als exemplarisch genannt werden. Wenn von einem "Asylproblem" geredet wird, ohne dass die Gründe für Flucht oder Vertreibung benannt werden und wenn Flüchtlinge in der politischen Diskussion als Belastung bezeichnet werden, dann kann diese Terminologie von rechtsextrem orientierten Jugendlichen als Bestätigung ihrer Auffassungen - mithin Asylbewerber als Bedrohung - empfunden werden, ohne dass die eigentlichen Hintergründe der Debatte weiter reflektiert werden.

Das gehäufte Auftreten rechtsextrem motivierter Gewalttaten in Ostdeutschland ist auf die große Subkulturszene der Hooligans und insbesondere der Skinheads zurückzuführen. In den neuen Bundesländern ist das Dazugehören zu solchen Gruppen selbstverständlich, Jugendliche schließen sich dieser Szene an, "weil alle das tun". Darüber hinaus sind die Ausprägungen des Rechtsextremismus in Ostdeutschland militanter und gewalttätiger als im Westen und übertreffen das westliche Pendant im Grad der Politisierung und Mobilisierung.

Im Westen Deutschlands zeichnet sich der Rechtsextremismus durch einen hohen Organisationsgrad aus. Die aus der alten BRD stammenden Organisationen und Parteien sahen nach der Wiedervereinigung ihre Chance, Anhänger in den neuen Bundesländern zu rekrutieren. Doch Skinheadgruppen sind selten straff organisiert und lehnen einen hohen Organisationsgrad ab. Deshalb war der Erfolg dieser Strategie hauptsächlich neonazistischen Vorfeldorganisationen (wie den Jungen Nationalen, der Jugendorganisation der NPD) vorbehalten, die schon Erfahrungen mit solchen Jugendgruppen gesammelt hatten. Die Versuche, die Szene im Osten zu organisieren und instrumentalisieren, blieben dem Verfassungsschutz nicht verborgen. 1992 wurde als Folge hiervon die Deutsche Alternative, die Nationale Offensive und die Nationale Front verboten, 1994 folgte die Wiking Jugend und ein Jahr danach die FAP. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Bemühungen, das rechtsextremistische Potential im Osten zu organisieren, erfolgreich unterbunden werden konnten.

Bei einem Bevölkerungsanteil von 21% ist 1998 in den neuen Bundesländern mit 46% aller verübten rechtsextremistischen Gewalttaten weiterhin eine überproportionale Häufung zu verzeichnen. Der Verfassungsschutzbericht 1998 zeigt einen Rückgang rechtsextremer Gewalttaten auf, allerdings macht er auch deutlich, dass die Zahl der Rechtsextremisten weiter steigt. Hieran schließt sich auch das Hauptproblem an: Die gewaltbereiten Subkulturen sind von einem latent rechtsextremen Umfeld umgeben, aus dem sich neue Anhänger rekrutieren lassen. Es ist somit kein Phänomen, das sich auf Jugendliche reduzieren läßt, sondern eines, das aus der "Mitte" der Gesellschaft erwächst.

Inzwischen sind in den Medien die Schreckensmeldungen von prügelnden Skinheadhorden von den nicht weniger beunruhigenden Nachrichten über Wahlerfolge der DVU abgelöst worden. Die nationalsozialistische Partei konnte 1998 mit einem zweistelligen Stimmenanteil in das Landesparlament von Sachsen-Anhalt einziehen und schaffte auch den Sprung in den brandenburgischen Landtag. Zum Teil läßt sich dieser Wahlerfolg auf eine veränderte Strategie zurückführen: der Verzicht, expansionistische Ziele und geschichtsrevisionistische Einstellungen hervorzuheben und verstärkt auf fremdenfeindliche Propaganda zu setzen. Auch scheinen die Versuche zur Organisation des rechtsextremen Potentials vermehrt zu gelingen.

1999 wurde der Gesetzentwurf für das inzwischen in Kraft getretene neue Staatsangehörigkeitsrecht in der Öffentlichkeit breit diskutiert und die Thematisierung versprach eine Belebung des politischen Spektrums. Für viele Migranten ist die Frage einer doppelten Staatsangehörigkeit von großem Interesse. Doch die Auswirkungen der Diskussion waren für viele Ausländer weit weniger erfreulich als erhofft: die Unterschriftenaktion der hessischen CDU gegen den Gesetzentwurf brachte ihr den Wahlsieg und viele beschlich der Verdacht, dass nicht gegen den Gesetzentwurf unterschrieben wurde, sondern gegen Ausländer an sich. Diese Unterschriftenaktion machte deutlich, dass verfestigte fremdenfeindliche Positionen auch in der "Mitte" der westdeutschen Gesellschaft bestehen. In breiten Teilen der Bevölkerung wurden Ressentiments abgerufen, die politisch instrumentalisiert wurden und die den Inhalt des Gesetzes beeinflussten.

Daraus ergibt sich ein Dilemma: Die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Integration von Ausländern soll von einer Gesellschaft vollbracht werden, die in Teilen fremdenfeindliche und rassistische Tendenzen aufweist. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich eine rechtsextremistische Sammlungsbewegung, ähnlich der "Front National" in Frankreich oder der Lega Nord in Italien entwickelt. Darum ist die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu einer dringend notwendigen Aufgabe von Politik und Gesellschaft geworden.

Ein Tagungsbericht ist als Heft 90 der Reihe "Arbeit und Soziales" in der Publikationsreihe des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen. Die 88seitige Publikation kann kostenlos bezogen werden. 

Bezug:
Friedrich-Ebert-Stiftung
Abt. Arbeit und Sozialpolitik
Godesberger Allee 149
53175 Bonn
Tel.: 0228/883-246
Fax: -625


Autor: Dipl. pol. Amir El-Ghussein

Foto: esCon

[ Seitenanfang ]


Gewaltprävention

 

Hoyerswerda. Auf dem 5. Deutschen Präventionstag "Praxis-Forum '99" vom 02. - 04.11.1999 in der Lausitzhalle Hoyerswerda wurden in einer Vielzahl von Tagungsbeiträgen Maßnahmen zur Vorbeugung von Gewalt und Kriminalität vorgestellt. Unter anderem stellte Ulrich Nehls vom Regionalbüro Nord des Vereins "Aktion Courage e.V. - SOS Rassismus" Theorie und Praxis der Konfliktbearbeitung im Bereich der Ausländerfeindlichkeit vor. Im Anschluß an seinen Vortrag zu Grundlagen des modernen Konfliktmanagements stellte das Bundesbüro des Vereins das Projekt Schule ohne Rassismus ("Das Schiff kommt...") vor. 

Auskünfte zur Tagung erteilt das Büro des Deutschen Präventionstages, Aachener Straße 1064, 50858 Köln, Tel: 0221 / 948651-42, Fax: -43, e-mail: DPT@praeventionstag.de , Internet: www.praeventionstag.de .


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.