Ausländer in Deutschland 3/2000, 16.Jg., 30. September 2000

Antirassismus

Nicht alles dem Staat überlassen

Beim Kampf gegen Rechtsextremismus ist jeder gefragt

Seit Wochen melden die Medien fast täglich neue Gewalttaten gegen Ausländer in Deutschland. Das Image von Städten und Gemeinden in Ost und West, die als Schauplätze rechtsextremer Gewalt negativ in die Schlagzeilen geraten, wird durch diese Anschläge schwer beschädigt.

Bund und Länder haben aus den jüngsten fremdenfeindlichen Gewalttaten Konsequenzen gezogen und sich auf einen gemeinsamen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus verständigt, der sowohl vorbeugende als auch repressive Maßnahmen umfassen soll. Darüber hinaus rufen Politiker aller Parteien die Bevölkerung zu mehr Zivilcourage auf, um der oftmals stillschweigenden Duldung von Gewalt in der Bevölkerung und extremistischen Kräften aktiv entgegenzutreten. Handeln kann man auf vielerlei Art, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Prominente "Vorbilder"...


Setzen Sie ein Zeichen gegen Gewalt und Rechtsextremismus - auf Ihrem Bildschirm (Bildschirmschoner zum Download: www.bundesregierung.de/
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"Gesicht zeigen" lautet auch das Motto einer Kampagne gegen Rechtsextremismus, die der Sprecher der Bundesregierung, Uwe-Karsten Heye, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel und dessen Stellvertreter, Michel Friedmann, als private Initiative ins Leben gerufen haben. Prominente "Vorbilder" sollen sich vor Ort im Streitgespräch mit dem Rechtsradikalismus auseinandersetzen und ihren Mitbürgern Mut machen, sich aktiv aufzulehnen. Ihre Mitarbeit haben unter anderem Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf, Schauspielerin Veronica Ferres und Fernsehjournalist Günther Jauch zugesagt. Weitere Meinungsführer aus allen Bereichen der Gesellschaft sollen gewonnen werden. Die Initiatoren wollen einen Verein gründen und Spenden sammeln, um örtlichen Initiativen gegen Rechtsradikalismus finanzielle Mittel und öffentliche Resonanz zu geben. Mit dem für Ende September geplanten offiziellen Start des Projekts soll ein flächendeckendes Schneeballsystem in Gang gesetzt werden.

Übrigens: In Schweden wurde im letzten Jahr eine solche Kampagne mit umgekehrtem Vorzeichen durchgeführt: Die vier größten Tageszeitungen outeten 62 wichtige Akteure der rechtsradikalen Szene. Auch wenn die Aktion anfangs umstritten war, Erfolge sind nicht von der Hand zu weisen: Ca. 15 der Geouteten verabschiedeten sich von ihrer braunen Vergangenheit, mit ihnen, so Polizeischätzungen, sagten sich weitere 200 bis 300 Gesinnungsgenossen vom Rechtsextremismus los. Die Berliner taz ist dem schwedischen Beispiel gefolgt und hat kürzlich 22 prominente Akteure der rechtsradikalen Szene in Deutschland in Wort und Bild geoutet.

...Medien...

Deutsche Medien haben erstmals eine Internet-Offensive gegen die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts im Web gestartet. Die Idee: mit journalistischen Mitteln ein Zeichen gegen Hass und Gewalt setzen. Medien verbünden sich, um ein Informationspotential gegen Rechtsextremisten zu betreiben. Am 13. August ging die Aktion der Zeitung DIE WOCHE, der sich zahlreiche deutsche Zeitungen, u.a. DIE WELT, die "Süddeutsche Zeitung", der "Spiegel" sowie das ZDF und zahlreiche Radiosender angeschlossen haben, unter www.netzgegenrechts.de ins Web. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Internet, das ein solches Portal gegen Rechtsextremismus, das die Berichterstattung aller beteiligten Redaktionen bündelt, zu Stande kommt.
Logo unter: www.netzgegenrechts.de/download.html

...Sportprofis und Sponsoren...

Bereits beim ersten Spiel der Bundesligasaison zeigten 15 "Fans" auf dem Weg zum Dortmunder Westfalenstadion den Hitlergruß und sangen rechtsradikale Lieder. Dabei sind Fußballfans mit Sicherheit nicht mehr oder weniger rechtsextrem als der Rest der Bevölkerung. Für Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle Fanprojekte bei der Deutschen Sportjugend (KOS) ist das Stadion ein Ort, an dem Ansichten lediglich deutlicher zum Vorschein kommen. "Beim männerdominierten Fußball und fast ausschließlich mit deutschen Zuschauern fühlen sich Fans mit rechtem Gedankengut geschützt. Sie haben das Gefühl, dass sie dort aussprechen können, was sie sonst nicht sagen dürfen und was ganz viele andere denken", so Gabriel.

Mit einer Anti-Gewalt-Kampagne wollen der FC Bayern München und sein Hauptsponsor Opel Gewalt gegen Ausländer, Randgruppen und Minderheiten die rote Karte zeigen. Gleichzeitig soll die große Bedeutung von Menschen anderer Kulturen herausgestellt werden, die diese für Deutschland haben: So sind im Bayern-Team Fußballer aus 13 Ländern, bei Opel arbeiten Menschen aus über 40 Ländern. Auftakt zur gemeinsamen Kampagne war eine ganzseitige Anzeige zum Bundesligastart, die in großen überregionalen Tageszeitungen erschien.

Fortgesetzt wurde die Aktion beim 9. und 10. Lauf der Deutschen-Tourenwagen-Masters (DTM) im August auf dem Nürburgring, wo Joungster Timo Schneider auf seinem Opel V8 Coupé vor rd. 40.000 Fans an der Strecke und mehr als 15 Millionen TV-Zuschauern mit dem Motto "Nicht mit uns - Opel und FC Bayern München gegen Gewalt und Intoleranz" antrat. Der Anlass war passend, denn fast die Hälfte der 20 DTM-Fahrer stammen nicht aus Deutschland.

...und Sie?


steht für Zivilcourage

Obwohl bei der überwiegenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung radikale Parolen und Taten weder Rückhalt noch Verständnis finden - einer im Juli 2000 vom Meinungsforschungsinstitut Emnid durchgeführten Umfrage zufolge befürworten 81% der Deutschen die geplanten Maßnahmen gegen Rechtsextremismus - , wird die Gewalt einer extremistischen Minderheit noch allzu häufig stillschweigend geduldet, wird weggeschaut. Die jüngsten Kampagnen sollen all diejenigen ermutigen, die bisher nur vereinzelt Rechtsextremismus entgegengetreten sind oder sich bislang einfach nicht getraut haben.


Autorin: Hanne Johé-Kellberg, isoplan

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