Ausländer in Deutschland 4/2002, 18.Jg., 30. Dezember 2002

Anwerbegeschichte

*) Dieser Beitrag wurde im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Die unbekannte Anwerbung

Vor 40 Jahren kamen die ersten Krankenschwestern aus Fernost

Seit den späten 1950er- und 1960er-Jahren, als deutsche Mädchen keine Krankenschwestern mehr werden wollten, haben Krankenhäuser indisches, indonesisches, südkoreanisches und philippinisches Krankenpflegepersonal angeworben. Obwohl ein Großteil von ihnen bis heute hier lebt, weiß man zu diesen relativ kleinen Migrantengruppen nur wenig - mit Ausnahme der Südkoreaner. Im Oktober 2002 feierte der Verein Koreanischer Krankenschwestern in Berlin sein 30-jähriges Bestehen. Die Ankunft der ersten Schwestern jährt sich jedoch schon zum 40. Mal. Einige Publikationen erinnern daran.

Krankenschwestern wurden schon Ende der 1950er-Jahre dringend gesucht. Der wachsende Pflegenotstand führte dazu, dass kirchliche Unternehmen in Korea Krankenschwestern für den Dienst in Deutschland einstellten. Im Laufe der 1960er-Jahre verstärkte sich diese Migration. Am 18. Februar 1970 schloss die Bundesrepublik ein offizielles Abkommen mit der Republik Korea über die Anwerbung von Krankenschwestern, aber auch von Bergleuten. Das offizielle Abkommen wurde somit geschlossen, als die Anwerbung schon in vollem Gange war. Ungewöhnlich war auch, dass erstmals ein solches Abkommen mit einem Land außerhalb des europäisch-mediterranen Raumes geschlossen wurde und dass über den Anwerbestopp 1973 hinaus angeworben wurde.

Bis 1977 kamen insgesamt 18.000 Koreaner nach Deutschland, darunter etwa 10.000 Krankenschwestern und Schwesternhelferinnen sowie 8.000 Bergleute. Dazu kamen bis 1975 rund 7.000 philippinische Krankenpflegekräfte - von denen etwa 2.500 in Deutschland geblieben sind -, sowie rund 6.000 Frauen aus Südindien, die in krankenpflegerischen Berufen angelernt wurden. Eine Besonderheit stellen auch die bis heute über 1.500 auf deutschen Schiffen zur See fahrenden philippinischen und indonesischen Seeleute, für die ein besonderes Aufenthaltsrecht gilt.

Die koreanischen Bergarbeiter gingen ins Ruhrgebiet oder ins Saarland. Nicht alle waren gelernte Bergleute, sondern Studenten oder ehemalige Angestellte. Das lag daran, dass sich die damalige Militärregierung nicht blamieren wollte und die vielen Bewerber strengen Prüfungen in Allgemeinwissen unterzog, wie Christian Schnitzler recherchiert hat (F.A.Z. vom 20.03.02). So kam es, dass die ersten 180 koreanischen Vertragsarbeiter, die 1963 unter Tage in Castrop-Rauxel, Aachen und Duisburg ihre erste Schicht fuhren, zu einem Gutteil aus Akademikern bestand. Ihre Lebenssituation war noch schwieriger als die ihrer weiblichen Landsleute. Einige zogen später nach Berlin, wo bis heute mit "Glück Auf" ein Verein ehemaliger koreanischer Bergleute existiert.

In der Hauptstadt findet sich die wohl größte koreanische Community außerhalb des Ruhrgebietes. Allein 3.000 Krankenschwestern leben und arbeiten dort. "Die helfenden und pflegenden Hände aus Korea wurden zu einer wichtigen Stütze im Gesundheitswesen nicht nur Berlins", betont die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John, bei der Vorstellung einer Broschüre "Korea in Berlin" im Oktober 2002. "Die meisten waren zwischen 20 und 25 Jahre alt, gesund, nicht schwanger und hoch qualifiziert", schreibt Martin Greve, Autor der Publikation. In Korea umfasste ihre Arbeit vor allem medizinische Aufgaben, während die Pflege eher Sache der Angehörigen war. Angeworben wurden sie über Zeitungsinserate oder Schwesternorganisationen in Korea, zum Teil auch über ein dortiges deutsches Krankenhaus. In Kursen wurden sie auf Deutschland vorbereitet. In Zeiten des Kalten Krieges gehörten dazu auch eindringliche Warnungen vor der kommunistischen DDR.

Untergebracht in Schwesternheimen und durch sprachliche Verständigungsprobleme häufig unter Stress arbeitend, war es nicht einfach, Fuß zu fassen. Aber heute gilt die Integration der Koreanerinnen als vorbildlich - was im Übrigen, so John, "diejenigen Lügen straft, die meinen, je entfernter die Kulturen voneinander seien, desto schwieriger sei die Integration". In den Krankenhäusern galten die koreanischen Kolleginnen nicht nur als hochqualifiziert, sondern vor allem auch als auffällig freundlich. Ihre Arbeitsverträge waren zunächst auf drei Jahre begrenzt, wurden dann aber meist verlängert. Nur etwa 5.000 - 6.000 kehrten nach Korea zurück. Viele holten später ihre Ehemänner nach oder heirateten Deutsche. Weit über 5.000 haben sich schon früh einbürgern lassen. Heute sind die ersten koreanischen "Pionierinnen" bereits im Ruhestand. Eine neue Generation ist herangewachsen. "Dass auch sie nicht durch ihre Probleme auffallen, liegt" - so John - "unbedingt auch daran, dass ihre Eltern stets großen Wert auf eine gute Bildung, in der Schule und im Beruf, legten".

Viele Krankenschwestern sind heute aber auch enttäuscht über ihren beruflichen Werdegang. Denn trotz ihrer in der Regel höheren fachlichen Qualifikation gelang nur wenigen der Aufstieg in höhere und besser bezahlte Positionen gelungen. Als Ursache nennt Greve die bei der Anwerbung stark vernachlässigte Sprachschulung und Diskriminierungserfahrungen. Bis heute sprechen viele der 1. Generation kein ausreichendes Deutsch oder haben zumindest ihren starken Akzent nicht ablegen können. Viele empfanden eine latente ethnische Diskriminierung und eine weder fachlich noch sachlich gerechtfertigte Benachteiligung gegenüber deutschen Kolleginnen. Diese habe sich, so Greve, nach der deutschen Einheit noch einmal verschärft.

Durch die Anwerbung über kirchliche Unternehmen erklärt sich auch, dass ein Großteil der Koreaner in Deutschland Christen sind, zumeist Protestanten. Allein in Berlin gibt es über 20 christlich-koreanische Gemeinden. Den Südkoreanern ist es gelungen, sich in Deutschland eine eigene Infrastruktur aufzubauen - besonders in Berlin. Bereits 1968 öffnete hier das erste koreanische Geschäft. Heute gibt es etwa ein Dutzend. Neben Küchengeräten, Kitsch und Souvenirs bieten sie vor allem Lebensmittel. Im Oktober türmen sich hier Chinakohlköpfe, die kräftig gewürzt zu Kimtchi-Kohlsalat verarbeitet werden, der mehrere Monate in einem Fass im kühlen Keller gelagert wird. Unvermeidlich ist Kimtchi auch in den wenigen Restaurants, die ausschließlich koreanische Küche anbieten.

In der durch andere Nationalitäten dominierten Hauptstadt fallen diese Einrichtungen - erkennbar durch Schilder in Hangul, der koreanischen Schrift - jedoch kaum auf. Ein auf ein bestimmtes Viertel konzentriertes öffentliches Leben existiert nicht. Vieles an Kommunikation spielt sich jedoch mittlerweile im Internet ab. So hat der 1997 gegründete Jugendverein Hangaram mit einer eigenen Homepage (www.hangaram.de) eine virtuelle Community geschaffen. Viele Jugendliche wurden noch in Korea geboren, andere in Deutschland. Entsprechend unterschiedlich sind ihre Sprachkenntnisse. Manche Eltern schicken ihre Kinder auf eine der zwei koreanischen Wochenendschulen oder in eine der koreanischen Gemeinden Berlins, um zu verhindern, dass sie ihr Koreanisch verlernen. Andere - wie das 17-jährige in Düsseldorf geborene Fotomodel Mai Ling (Name geändert, siehe Titelbild) - leben wie selbstverständlich in beiden Welten. Die Gehörlose jettet zu Foto-Shootings um die halbe Welt, hat für RTL-Serien und koreanische Kinofilme geschauspielert und schreibt an einem Roman.

Neben den rund 22.000 Südkoreanern leben auch etwa 1.700 Nordkoreaner in Deutschland, die zumeist noch zu DDR-Zeiten in das sozialistische "Bruderland" gekommen sind. Rund 5.000 junge Koreaner/innen studieren in Deutschland, viele sind aber extra zum Studium gekommen. Ob in Deutschland oder Korea geboren - sie alle feierten im Juni bei der WM in der Heimat begeistert das südkoreanische Überraschungsteam. Bislang verband man hierzulande vor allem den Kampfsport Taekwon-do mit Korea. Vielerorts gibt es Schulen, in denen man den Nationalsport Koreas lernen kann - allein in Berlin ein gutes Dutzend. Dort trainieren jedoch vor allem deutsche und türkische Jugendliche.


Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

Literatur:

  • Greve, Martin: Korea in Berlin von A bis Z, Reihe "Miteinander leben in Berlin", herausgegeben von der Ausländerbeauftragten des Senats, Berlin 2002

  • Hülswitt, Tobias: Auf dem Weg zu den Sternen. In: die tageszeitung, 26.07.2002, S. 15

  • Schmalz-Jacobsen/Hansen, Georg (Hg.): Kleines Lexikon der ethnischen Minderheiten in Deutschland, München 1997

  • Schnitzler, Christian: Deutscher geworden. Vor vierzig Jahren wurden die ersten Koreaner für deutsche Bergwerke angeworben. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 67, 20.03.2002, S. 11

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Initiative für ein Migrations-
museum

 

Köln. Ein Migrationsmuseum als Haus der Geschichte und Kultur der Migration in Deutschland zu errichten ist das erklärte Ziel eines Initiativkreises, der sich Anfang Oktober 2002 in Brühl bei Bonn erstmals traf. "Ein solches Zentrum könnte der Einwanderungsgesellschaft ein historisches Gedächtnis geben und zum kulturellen Dialog zwischen Mehrheitsgesellschaft und Migrant/innen beitragen", sagte Aytac Eryilmaz, Geschäftsführer von DOMiT, dem Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei.

Rund 50 Migrant/innen, Kulturschaffende und Wissenschaftler/innen aus dem In- und Ausland waren der Einladung von DOMiT zu einer gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung organisierten Fachtagung gefolgt. Zwar sei inzwischen unbestritten, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, doch bis heute gebe es weder ein Archiv, noch ein Museum, das die vielfältige Geschichte der Einwanderung dokumentiert und der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich macht, hieß es auf der Tagung. Zwar hätten einige Museen, Forschungseinrichtungen und private Initiativen, oft auf Initiative und unter der Regie von Migranten, erste Impulse für die historische Aufarbeitung dieses wichtigen Teils der Sozialgeschichte der Bundesrepublik geliefert. Doch wenn nicht bald mit dem Aufbau eines Zentrums der Migration begonnen werde, könnten die wenigen privaten Sammlungen der ersten Generation von Einwanderern unwiederbringlich verloren gehen, schließlich seien die meisten schon im Rentenalter. Deshalb kündigte DOMiT an, mit dem Aufbau einer sozial- und kulturgeschichtlichen Sammlung zu beginnen, die nicht nur die Geschichte der Einwanderung aus der Türkei, sondern die gesamte Arbeitsmigration in Deutschland und auch die Vertragsarbeit in der ehemaligen DDR umfassen wird.

Die Initiative für ein Migrationsmuseum gehe zwar von in Deutschland lebenden Migrant/innen aus, es sei aber eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft ein solches Zentrum zu errichten. Der von den Tagungsteilnehmer/innen einmütig ins Leben gerufene Initiativkreis wird sich um prominente Unterstützer aus Politik, Gewerkschaften, Unternehmen, Wohlfahrtsverbänden, Kultur und Medien bemühen. Anfang 2003 sollen erste Konzepte für ein Migrationsmuseum in einem Expertengespräch diskutiert werden, für das die Bundeszentrale erneute Unterstützung angekündigt hat. (DOMiT)

Kontakt:
DOMiT, Dokumentationszentrum und Museum über die Migration aus der Türkei, Bonner Str. 211, 50968 Köln, Tel: 0221/34021-64, Fax: -65, www.domit.de, www.migrationsmuseum.de

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