Ausländer in Deutschland 1/2003, 19.Jg., 30. Mai 2003

Portraits

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Parastou Forouhar

 Sie wollte Neues kennen lernen. Nach ihrem Kunststudium an der Universität Teheran ging Parastou Forouhar nach Offenbach und begann 1991 ein Aufbaustudium an der Hochschule für Gestaltung. 1995 bis 1999 war sie Mitglied des dortigen Kunstprojektes C/O Fahradhalle. Als ihre Mutter und ihr Vater - der ehemalige Minister und Oppositionspolitiker Darioush Forouhar - 1998 ermordet werden, beginnt für die Künstlerin eine neue Zeit. Die 41-jährige produzierte mehrere Werke unter dem Titel "Heimat Anschrift". Sie beschriftete Tischtennisbälle und ganze Zimmer (Foto). "Irgendwann, in einer Zeit, die ich auf kein Datum festlegen kann, habe ich angefangen, um den Begriff ‚Heimat' eine Illusionsburg zu bauen", sagt sie. "Und seitdem wächst meine Heimat unsichtbar und schön in meinen Gedanken. Ich suche sie in der Schrift meiner Muttersprache, die sich sanft, rhythmisch und einladend ausbreitet." Wie ein suggestives Netz wirft sie ihre schwebenden Schriftzeichen in durchscheinendem Schwarz über leere Zimmer, einen Gang und alte Wände. Irgendwann will die Offenbacherin atmende Pferde beschriften. Aber erst rechnete sie in zwei Ausstellungen 2002 persönlich mit dem persischen Regime ab. In der Installation "Schuhe ausziehen" verdeutlichen Zeichnungen von Frauen und Männern vor einem Teheraner Stadtplan die Absurditäten eines Systems, das Individuen - vor allem Frauen - in ein Korsett aus Überwachung und Repression zwingt. Ähnliches zeigt ihre Fotografieserie "Blind spot 2", für die sie glatzköpfige Männer in einer Weise in einen Tschador eingehüllt ablichtete, dass anstelle der Gesichter nur Hinterköpfe sichtbar wurden. (esf)

Kontakt: www.parastou-forouhar.de

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Bahman Nirumand

 Wie viele gleichaltrige Iraner ist auch Bahman Nirumand (67) mehrfach zwischen Deutschland und dem Iran hin und her gewandert. Aber kein anderer hat sich über 40 Jahre politisch mit den Entwicklungen beider Heimaten auseinandergesetzt und Einfluss ausgeübt. Schon als Schüler war er nach Deutschland gekommen, machte das Abitur und studierte Germanistik, Philosophie und Iranistik. Nach Abschluss des Studiums kehrte Nirumand 1960 in den Iran zurück, lehrte an der Teheraner Universität Vergleichende Literaturwissenschaften und erlebte am eigenen Leib die Repressionen der Schahzeit. Er verlor seine Arbeit und kehrte 1965 nach Deutschland zurück. Nach einem Jahr in Tübingen kam Nirumand 1966 in einer Zeit gesellschaftlicher Umbrüche nach (West-) Berlin. 1967 erschien sein Buch "Persien, Modell eines Entwicklungslandes oder die Diktatur der Freien Welt". Inhalt und Titel des Buches entsprachen genau den Intentionen der Studentenbewegung. Es wurde zu einer der meistgelesenen Publikationen der "68er". Anders als in den Texten der Illustrierten, die aus dem Iran nur von Sorayas Leid, Farah Dibas Glück und den Eskapaden des Schah berichteten, wurde hier eine andere Wirklichkeit beschrieben. Nirumand schilderte Misswirtschaft, die zerstörerische Wirkung von Korruption und Machtgier sowie den "Ausverkauf der nationalen Reichtümer" durch das Erdölgeschäft. Statt Märchen vom Pfauenthron lasen die Studenten über einen "Kaiser von Amerikas Gnaden" - wenige Wochen vor dem Deutschlandbesuch des Schah. Mit den bekannten Folgen.

1979 kehrte Nirumand in den Iran zurück - doch er blieb nur kurz. Zu schnell wurden die Hoffnungen auf Veränderung in seinem Sinne durch Khomeinis Vision eines Gottesstaates zerstört. So kehrte er ein zweites Mal zurück nach Deutschland und war ab 1992 Geschäftsführer der kommunalen Ausländervertretung. Nach einigen Jahren zog Nirumand wieder nach Berlin, wo er heute journalistisch tätig ist. Unter anderem analysiert er für die Heinrich-Böll-Stiftung in der online-Publikation "Iran-Report" den unendlichen Kampf der Reformbewegung gegen die konservativen Machthaber. (esf)

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Katajun Amirpur

"Ich wollte nur Autofahren", erinnert sich Katajun Amirpur mit einem breiten Grinsen, als sie kurz nach dem Abitur ihren Vater zu einer Lesung nach Köln fuhr. Doch die Ausführungen der jüngst verstorbenen Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel über die Poesie der persischen Sprache ließen sie nicht mehr los. "Tja, und wegen ihr wollte ich dann Islamwissenschaften studieren", gesteht die 32-jährige mit einem Lächeln. Knapp ein Jahr erforschte sie dann vor Ort Land und Sprache ihres Vaters und resümiert heute: "Neben allem Religiösem und Politischem sind Iraner wunderbare Menschen, für die es sich lohnt, die öffentliche Meinung zu formen." Aufgewachsen mit den religiösen Geschichten von Anne de Fries und den adaptierten Korangeschichten gehört Katajun Amirpur heute zu jenen Expertinnen, die sich kompetent und ohne die Brille einer einseitigen Orientrezeption den modernen Islamwissenschaften widmet. Nachdem sie über "die Entpolitisierung des Islam - Werk und Wirkung von Abdol Karim Soroush in der islamischen Republik Iran" promoviert hatte, widmet sich Amirpur heute - gefördert über ein Emmy-Noeter Jungprofessorenstipendium - der schiitischen Koranexegese. An die Förderung konnte sie erst glauben, als man es ihr mehrmals telefonisch und später schriftlich mitteilte. So wie damals 1918, als Emmy Noeter, die größte Mathematikerin des 20. Jahrhunderts, nur durch die Worte des Dekans "aber meine Herren, wir sind hier an einer Universität und nicht in einer Badeanstalt" habilitieren konnte; so kann auch Katajun Amirpur ihr Glück noch nicht fassen, da Frauen in den höchsten Rängen der Wissenschaft noch immer eine Rarität sind. "Ja, ich unterrichte gern, ich lese gern und schreibe gern" formuliert die azeristämmige Deutschiranerin in ihrer ruhigen und zugewandten Art ihre Forschungsleidenschaft. Dass die junge Wissenschaftlerin, die an der FU-Berlin lehrt, ein entspanntes Verhältnis zum Islam hat, liegt auch an ihrem zu Hause. Neben der katholischen Erziehung durch ihre deutsche Mutter wurden ihr auch persische Traditionen vermittelt. "Ich hatte ein extrem gemütliches und entspanntes Zuhause. Von beiden Seiten kamen Angebote. Für meinen Vater war das Lesen immer ein Thema und für meine Mutter das Praktische", erzählt die Mutter einer 6-jährigen Tochter. Ob Köln oder Iran - "ich habe das richtige Lächeln"- beurteilt sich Amirpur und verweist auf ihre unproblematische deutsch-iranische Nationalität und Bi-Kulturalität, während sie ihren Scharfblick gegen ein Glas Wein eintauscht. (sk)

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Cyrus Atabay

 

Cyrus Atabay (1929 - 1996) war ein literarischer Wanderer zwischen den Welten zu einer Zeit, als dies noch ungewöhnlich war. In Teheran geboren, hatte Atabay ein bewegtes Leben. Als zur Familie des Schah gehörend hätte er am Hof aufwachsen können, ging aber ganz bürgerlich ab 1937 in Berlin zur Schule. Sein Vater hatte Medizin bei Sauerbruch studiert. "Deutschland war für ihn das Zukunftsland, so sah es in den dreißiger Jahren aus. Der Knabe mit dem alten Herrschernamen fand im Deutschen seine Muttersprache, Persisch kam danach", schrieb Werner Ross zu seinem Tod (F.A.Z. vom 29.01.1996). Atabay studierte in München Germanistik. Es waren schwere Zeiten, aber in der Sprache fand er seine Heimat. Er emigrierte nach London, lebte in der Schweiz, doch in Deutschland wurden seine Gedichte zuerst gedruckt - 1956. Es folgten etwa im Zwei-Jahres-Rhythmus weitere Gedichtbände und bald auch die ersten Preise und Auszeichnungen. Zurück in München lebte Atabay, so Ross, "die radikale und totale Dichterexistenz". Atabay lebte und dichtete in der Tradition der Sufi und der Mystik sowie des Orients der Dichter Hafis und Omar Khayyam. Er übersetzte die Liebeslieder des einen und den "Rubaijat" des anderen. Über seine eigenen Gedichte schrieb Marie-Luise Kaschnitz, sie seien "von einer beinahe klassischen Ruhe und Einfachheit ... Die neue Sprachheimat wird ernst genommen". 1996 starb Atabay, nicht ohne immer wieder auch den Iran besucht zu haben. (esf)

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Jasmin Tabatabai

1956 auf dem Münchner Oktoberfest haben sich die Eltern der Schauspielerin und Musikerin Jasmin Tabatabai (36) kennengelernt. Geboren wurde die wohl bekannteste Deutsch-Iranerin jedoch in Teheran. Ihre deutsche Mutter war ihrem iranischen Mann in den Iran gefolgt. "Ich hatte eine wunderschöne Kindheit", sagt Jasmin (persisch: "Die Blume"), die als jüngste Tochter einer bürgerlichen Teheraner Großfamilie wohlbehütet aufwuchs. Der erste Bruch in ihrem Leben war, als die Fünfjährige zu hören kriegte: "Du bist ein Mädchen, du darfst das nicht". Ihr Bruder Amir durfte. Jasmin prügelt sich mit ihm und wird ein ruppiges kleines Mädchen. Der zweite Bruch passiert 1978: In den Wirren des Bürgerkrieges vor Khomeinis "islamischem Gottesstaat" schickt der Vater Frau und Kinder ins sichere Deutschland. Als 12-jährige wechselt Jasmin, die sich als "Europäerin" bezeichnet, vom Vater- ins Mutterland. Nach dem Abitur studiert sie Musik und Schauspiel an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Die ersten professionellen Offerten kommen vom Theater. Seit Beginn der 1990er-Jahre ist Tabatabai "zweigleisig" tätig: als Schauspielerin und als Musikerin. Musikalisch beginnt sie 1990 bei der Jazz-Funk-Band "Eskimo's Ecstasy", 1993 gründet sie die Berliner Frauenband "Even Cowgirls Get The Blues", mit der sie zahlreiche Konzerte im gesamten deutschsprachigen Raum absolviert. 1997 verlässt sie diese Band. Schauspielerisch beginnt ihrer Karriere 1991: Tabatabai spielt in "Kinder der Landstraße" ein Zigeunermädchen. In den folgenden Filmen weisen die Frauen, die sie spielt, oft eine sehr individuelle Mischung von Stärke und Gebrochenheit auf. Den ersten kommerziellen Erfolg und auch den Durchbruch ihrer Karriere hat sie mit Katja von Garniers Musik-Road-Movie "bandits", es ist Jasmin Tabatabais "Traumprojekt", hier kann sie Musik und Schauspiel verbinden und "machen, was ich will". Sie komponiert fast den gesamten Soundtrack zu diesem Film und erhält 1997 konsequenterweise eine Goldene Schallplatte. "bandits" ist mit über 600.000 verkauften CDs der erfolgreichste Soundtrack eines europäischen Spielfilms.

Auch in späteren Rollen macht sie auf sich aufmerksam: Als Intrigantin in Helmut Dietls "Late Show" oder als laszive Sängerin Billie in Xavier Kollers Tucholsky-Adaption "Gripsholm". Schon bald nach "bandits" wird Tabatabai zum Mädchen- und Szene-Star, gilt als wild, ist aber eigentlich schüchtern und nicht ohne Melancholie. "Ich will immer ungewöhnliche, starke, nicht unbedingt toughe Frauen darstellen", begründet Jasmin ihre Rollenwahl. 2002 erschien nicht nur ihr Solo-Debüt-Album "Only Love", zugleich spielte sie die Hauptrolle in Peter Stauchs mehrfach preisgekröntem Kurzfilm "Pieces of my Heart". Seit dem 3. Dezember 2002 ist Jasmin Tabatabai schließlich in einer ganz neuen Rolle zu bewundern: An diesem Tag wurde ihre Tochter geboren, Angelina Sherri Rose. "Schließlich komme ich aus einer persischen Familie, da vergöttert man Kinder", meinte sie in einem Interview der Zeitschrift "Für Sie". (esf)

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Shahram Mortazawi

 

Im Gegensatz zu den Migranten aus den ehemaligen Anwerbestaaten, die meist aus der einfachen Arbeiterschicht stammten, gehören Iraner in Deutschland meist zu der intellektuellen Schicht. Ein Großteil von ihnen bilden Akademiker, die im Bildungs-, Wirtschafts- und Ingenieurswesen tätig sind. Eine Intelligenzia, die schon in den 1950er-Jahren nach Deutschland kam. "Damals gab es nur in Teheran eine Universität. Und die konnte nur 30.000 der insgesamt 100.000 iranischen Abiturienten aufnehmen. So gingen viele nach Deutschland, da es zwischen diesen Ländern ein spezielles Abkommen gab," erinnert sich der 72-jährige Shahram Mortazawi. Andere, die sehr reich waren gingen in die Schweiz. Wie viele sich wie er auf den Weg nach Deutschland machten, weiß der Landwirt nicht mehr. Nur dass 1953/54 etwa 55 Iraner waren, die es an der Kölner Universität gab. Und obwohl diese, wie 99% der anderen Studenten auch, aus wohlhabenden Familien stammten, kamen sie, weil es billiger war, über den Landweg nach Deutschland. Rund zwei Wochen dauerte die Reise per Bus von Teheran bis Bagdad oder Istanbul, per Bahn bis Beirut, per Schiff bis Italien und dann erneut per Zug zur alten Hauptstadt Bonn. "Bonn war sehr beliebt. Wegen der Hauptstadt, aber auch weil man hier Medizin studieren konnte. Und Hamburg, wo auch viele hingingen war als ‚Tor der Welt am Wasser' bekannt. Alle, die sich für einen technischen Beruf entschieden hatten gingen nach Aachen," erzählt Mortazawi, der während seines Studiums seine deutsche Frau kennen lernte und mit ihr über 30 Jahre im Iran lebte und beim Landwirtschaftsministerium arbeitete.

Ausländische Studenten ohne jegliche Sprachkenntnisse aufzunehmen stellte für die Universitäten kein Problem dar. Im Gegenteil "der Dekan in Bonn begrüße uns mit den Worten ‚wir sind stolz, dass wir nach dem Krieg wieder Ausländer hier haben'", erinnert sich Mortazawi nostalgisch mit einem kurzen Seufzer. Denn auch wenn sie in den Hörsälen nichts verstanden, vieles empfanden sie einfach leichter. So wohnte man möbliert zur Untermiete bei Familien für 30-60 D-Mark und durfte Küche und Bad mitbenutzen. Viel Kontakt zu diesen Familien hatte man zwar nicht, dafür aber "waren die deutschen Freundinnen angesagt".(sk)

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Bozorg Alavi

 

Der 1904 in Teheran geborene und 1997 in Berlin verstorbene Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Bozorg Alavi gilt als einer der Begründer der modernen iranischen Prosa. Alavi kam schon als 18-jähriger 1921 nach Deutschland, wo er ein Gymnasium besuchte. Anschließend studierte er - wie viele andere Iraner zu dieser Zeit - in Deutschland. Nach seiner Rückkehr nach Teheran wurde der Pädagoge 1928 Lehrer an einer deutschen Gewerbeschule. 1937 - 1941 kam er als Mitbegründer der kommunistischen Tudeh-Partei in politische Haft. Nach seiner Übersiedlung in die DDR 1953 arbeitete er von 1954 - 1969 als Professor für persische Sprache und Literatur an der Humboldt-Universität Berlin. 1976 trennte er sich von der Tudeh-Partei. Alavi schrieb selber auch Prosa, insbesondere Erzählungen. Besondere Verdienste erwarb er sich jedoch um die Vermittlung persischer Literatur an die Deutschen. Auch als Vorstandsmitglied der Berliner Sektion der Deutsch-Iranischen Gesellschaft setzte er sich für den Kulturdialog ein. (esf)

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SAID

 

Der in München lebende iranische Lyriker Said ist einer der wenigen einer breiten Öffentlichkeit bekannte Iraner in Deutschland. Dies spätestens, seit er im Mai 2000 zum Präsidenten des PEN-Zentrums Deutschland gewählt wurde. Damit stand erstmals ein ausländischer Autor an der Spitze des Schriftstellerverbandes. Das Pen-Zentrum wollte mit der Wahl des 1947 in Teheran geborenen Offizierssohnes auch ein Zeichen für seinen Einsatz für verfolgte Schriftsteller und Journalisten setzen. Said war 1965 als 17-jähriger erstmals nach München gekommen, um zu studieren. Seine Gegnerschaft zum Schah-Regime machte ihm zunächst eine Rückkehr in den Iran unmöglich. Nach der islamischen Revolution 1979 kehrte er voller Hoffnung zurück, mußte aber eine Enttäuschung erleben, als es statt zur erhofften westlichen Demokratie zu einem theokratischen Staat kam. Said ging wieder nach München und begann sein zweites Exil. Von 1995 bis 1996 war Said Vizepräsident des westdeutschen PEN und leitete dessen "Writers in Prison Committee", eine nach 1945 gegründete Hilfsorganisation für verfolgte Autoren weltweit. Der politisch engagierte Autor schreibt in Deutsch - Lyrik, Prosa, Aufsätze und Hörspiele. "Nicht das Land, nicht das Kreisverwaltungsreferat, sondern die Sprache ist mein Gastgeber", schrieb er einmal. "Sie hat mich erst reingelassen". Wenngleich sein literarisches Werk mit zahlreichen Preisen - darunter der Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis (1991), die Hermann-Kesten-Medaille für seinen Einsatz für verfolgte und inhaftierte Schriftsteller (1997) und die Aufnahme in die Ehrenliste zum österreichischen Jugendbuchpreis (1999) - ausgezeichnet wurde, war es für ihn lange sehr schwer, als Schriftsteller sein Brot zu verdienen.

Dabei ist Said ein durch und durch deutscher Dichter. In seinen Publikationen - zuletzt erschien 2001 "Landschaften einer fernen Mutter" und 2002 der Gedichtband "Außenhaut Binnenträume" - findet sich kaum Persisch-Exotisches. "Kein Wunder, dass die Kollegen ihn zum PEN-Präsidenten wählten: Er ist in der Tat einer von ihnen", schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z. vom 25.02.03).

In "Landschaften einer fernen Mutter" beschreibt Said eine ungewöhnliche Begegnung: Das zweite Wiedersehen mit seiner Mutter, von der er wenige Tage nach seiner Geburt getrennt worden war. Die Scheidung der Eltern hatte sich bereits während der Schwangerschaft vollzogen und es war beschlossene Sache, dass das Kind ausschließlich bei seinem Vater leben sollte. Ein einziges Mal, einen kurzen Nachmittag lang, durfte der Zwölfjährige die Mutter sehen. Jahrzehnte später - Said ist inzwischen 43 Jahre alt und lebt schon seit langem im deutschen Exil - erhält er einen überraschenden Telefonanruf eines Halbbruders aus Teheran. Seine Mutter sei auf dem Weg nach Kanada und möchte ihn, Said, treffen. Nach umständlichen Paß- und Visumsverhandlungen begegnen sich die beiden Fremden in Toronto zum ersten Mal. Drei Wochen verbringen sie in einer Wohnung, drei Wochen, um sich zu begrüßen, sich kennen zu lernen und sich wieder voneinander zu verabschieden. In seinem bisher persönlichsten, bewußt sehr subjektiv gehaltenen Buch beschreibt Said die Begegnung, seine ambivalenten Gefühle, die von Sehnsucht über Trauer bis hin zu Wut reichen, und seinen Verlust der Heimat, die auch von seinem Zufluchtsland Deutschland nicht ersetzt wird. Im Anhang findet sich ein bewegender Epilog, der deutlich macht, welche Wunden diese Trennungen bis heute wirklich schlagen. Dieses tieftraurige Buch ist "das Dokument eines Vertriebenenlebens" und zugleich ein leises, anrührendes, wunderbar komponiertes Prosastück", sagte Dorothea Dieckmann vom NDR Radio 3. "So schenkt Said unserem Vaterland ein einzigartiges Mutterbuch", schreibt Rolf-Bernhard Essig in der Süddeutschen Zeitung (SZ vom 2. März 2001). (esf)

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M. H. Allafi

 

Die Erzählungen von Dr. M.H. Allafi (52) verbindet eine Frage: Welche sozialen Konflikte begleiten die Modernisierung im Iran? Jäh aus der wohligen Traditionsverbundenheit gestoßen, sind dort in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Familien nach heftigen Streit entzwei gegangen. Schier unvereinbar erscheinen die von Allafi beschriebenen Weltbilder der Generationen. Kurz vor der Revolution kam er 1978 nach Deutschland, um in Frankfurt/Main Soziologie zu studieren. Seit dem Abschluss seines Soziologiestudiums 1989 ist der Iraner an der Johann Wolfgang Goethe Universität Lehrbeauftragter. Neben seiner Tätigkeit als Wissenschaftler und Autor hat er sich in den 1990er-Jahren als Übersetzer und Herausgeber zahlreicher Werke moderner iranischer Autoren und Autorinnen einen Namen gemacht. Darüber hinaus übersetzte er Werke wichtiger iranischer Romanciers. Im Oktober 2002 erschien seine jüngste Publikation: "Islam, Gesellschaft und europäische Moderne. Chancen und Hindernisse für Demokratie und Zivilgesellschaft".

In einer Erzählung irrt ein Mann durch Frankfurt wie durch ein unbekanntes Labyrinth. Das ist mal komisch, mal rührend und oft auf eine herbe Weise poetisch. Allafis ironischer und sensibler Blick verwischt die Unterschiede zwischen Deutschland und Iran. Bei dem einsamen Streuner in Frankfurt führt der Blick auf den Main zu der "abgeklärten Einsicht, dass der Gegensatz zwischen Orient und Okzident manchmal aufgehoben wird...", schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

In seinen Büchern geht es Allafi nicht so sehr um die Nationalität seiner Erzählfiguren, sondern vielmehr um ein bestimmtes Bild vom Orient und die Entwicklung der Veränderungen, betont der Autor. Was den einzelnen für sein Leben zeichnet - Allafi erzählt es völlig unspektaklär, nahezu tonlos, jedoch bei weitem nicht unbeteiligt und schon gar nicht kalt. Es ist die Distanz eines Kenners, der auch atmosphärische Natur - und Stadtbeschreibungen beherrscht. Einem Iran-Bild, das sich aus Sensationsnachrichten und Büchern wie Betty Mahmoodys "Nicht ohne meine Tochter" zusammensetzt, hält Allafi die unspektakuläre, präzise Beschreibung alltäglicher Sorgen und Nöte einfacher Leute im Iran entgegen. (esf)

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Sam Rapithwin

 

wurde 1962 im Westen Irans geboren. Als junger Mensch nahm er aktiv an der Massenbewegung teil, die im Februar 1979 zum Sturz des Schahs führte. Wie die Mehrheit der Iraner unterstützte auch er anfangs die neue Regierung. Bereits einige Wochen nach der Revolution schloss er sich jedoch der Opposition an, wofür er dreimal inhaftiert wurde. Zwischen 1982 und 1984 war er im Iran auf der Flucht und musste sich wie Tausende andere im Untergrund aufhalten. Anfang 1984 gelangte er über Pakistan nach West-Berlin und beantragte dort politisches Asyl. Im Rahmen seiner politischen Aktivitäten besuchte er 1985 bis 1986 viele deutsche Asylantenheime. 1987 zog er sich endgültig aus der Politik zurück. Er hat in Deutschland studiert und promoviert. In dieser Zeit beschäftigte er sich intensiv mit der deutschen Literatur. Gegenwärtig ist er als Wissenschaftler tätig. "Mein deutsches Kind" heißt sein bei Glaré erschienener Erzählband. (esf)

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Hamid Khezri

Hamid Khezri wurde in Quchan geboren, dem Zentrum der Musik Nord-Khorassans. Dort lernte der Musiker und Sänger vor seiner Auswanderung nach Deutschland das wichtigste Instrument dieser Musiktradition kennen: die Dotar, eine zweisaitige Langhalslaute. Heute gehört der seit 1999 in München lebende Iraner zu den bekanntesten "Ethno-Musikern" in Deutschland. Die Stilrichtungen des vielseitigen Musikers spannen sich von der Folklore seiner Heimat, der Sufi-Musik der Wüsten Süd-Khorassans und der Schamanentradition der Berge Nord-Khorassans, über eigene Kompositionen bis hin zu Cross-Over mit den verschiedensten Musikstilen. Als Solist oder mit seinen musikalischen Begleitern besticht er durch seine Virtuosität, hohe Musikalität, starke, abwechslungsreiche Rhythmik und ergreifende Melodien. In Khorassan hat Khezri die großen Meister der Langhalslaute aufgesucht - unter anderem Haji Hossein Yeganeh, Golafruz und Hamra Bakhshi - und musikethnologische Feldforschung betrieben. So eignete er sich nicht nur die verschiedensten Traditionen und Spieltechniken des Nordens, sondern auch des Südens der Provinz an. Durch die tiefgehende Kenntnis der Musik und die eigene Verwurzelung in der Tradition konnte Khezri auf der Dotar eine eigene Spieltechnik entwickeln und seinen eigenen unverwechselbaren Stil entwickeln. Er gilt heute als einziger Dotarmeister in Europa. Die Dotar wird seit 3000 Jahren von Schamanen und Geschichtenerzählern gespielt. Khezri erzählt die alte Königslegende, die er mit seinen eigenen Worten übersetzt und mit eigenen Kompositionen illustriert. Die Geschichte des Königs Bakram zählt zu den ältesten iranischen Mythen und wurde von dem persischen Nationaldichter Ferdowsi überliefert. Tourneen führten Hamid Khezri mit prominenten Künstlern durch die USA, Kanada und Europa. Neben seinen Auftritten leitet er auch Ferien-Workshops. (esf)

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Reza Asghari

 

Prof. Dr. Reza Asghari vom Fachbereich Recht der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel wurde 2002 vom damaligen Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Werner Müller, in die "Deutsch-Iranische Gemischte Wirtschaftskommission" berufen. Der im Iran geborene Jurist lebt seit 1987 in Deutschland. Zu den Themenfeldern des Leiters des Instituts für E-Business und Vorsitzenden des Bundesverbands Mittelstand & Internet e. V. gehört die Frage, wie der Mittelstand bei der Nutzung des Internets unterstützt werden kann. "Nur ein Bruchteil dessen, was in betriebswirtschaftlichen Internetanwendungen aktuell möglich ist, wird tatsächlich von Unternehmen in Anspruch genommen", sagt Asghari. Dabei werde "immer noch außer Acht gelassen, dass die Internetrevolution in dramatischer Weise die Strukturen der Unternehmen verändert". In Publikationen beschäftigt sich Asghari auch mit dem Thema "Ökonomische Entwicklung im Iran". Als Mitglied der Deutsch-Iranischen Wirtschaftskommission möchte er die Bemühungen beider Länder tatkräftig unterstützen. Ein Arbeitsschwerpunkt ist das Thema Bildung. "Hier muss es unser Anliegen sein, junge und interessierte Iraner ingenieur- und wirtschaftswissenschaftlich auszubilden, um die Wirtschaft im Iran zu fördern und damit den sicherlich nicht auf die Schnelle zu realisierenden, aber unbedingt notwendigen Liberalisierungsprozess zu stärken", erklärte er anläßlich seiner Berufung. (esf)

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