Ausländer in Deutschland 2/2003, 19.Jg., 25. Juli 2003

GLOSSE

Made in Germany

 

 "Mit oder ohne?" fragte der Handwerker zum Schluß. - "Mit oder ohne was?" - "Mehrwertsteuer natürlich!" - "Mit bitte, ich kann`s absetzen", stammelte ich und wunderte mich, dass ein deutscher, ich betone, ein deutscher Handwerker sowas fragen kann. Er wunderte sich auch, schüttelte den Kopf und schrieb eine ordentliche Rechnung aus.

Vor den Banktoren huschte etwas Graues, Kahlschwanziges vor meinen Füßen. Ich schrie, sprang hoch und ließ die Überweisung fallen. "Beruhigen Sie sich doch, ist nur eine Ratte", sagten die Passanten. "Nur eine!?" kreischte ich. "Bin ich nicht hier in Deutschland, mitten in Bonn, auf dem schönsten und zentralsten Platz?". "Tun Sie nicht so empfindlich!" sagten sie, "die kennen Sie bestimmt aus Ihrer Heimat". "Nein, bedaure, eben nicht - antwortete ich, - wir haben dort streunende Katzen, dafür aber keine streunende Ratten. Und übrigens, ich bin doch hier im ordentlichsten, saubersten Land der Welt, nicht wahr, wo die Leute gern Steuern zahlen und Politiker Schmiergelder verächtlich ablehnen. So wurde es mir früher jedenfalls beigebracht, und an irgendetwas muß der Mensch ja glauben. Kommt die Bahn hier nicht pünktlich auf die Sekunde? Bekommen die hiesigen Kinder nicht die profundeste aller Bildungen, denn warum sonst werden unsere fremdländischen Abschlüsse nicht akzeptiert? Oder?"

Tja, wir Ausländer lieben ein Deutschland, das funktioniert. Ich kenne die Russin Olga, die die vielen Schilder überall zu schätzen weiß: So muss sie nicht dauernd nach dem Weg fragen. Ich kenne auch Emir aus Bosnien, der sich so gerne beim Autofahren nach den Verkehrsregeln statt nach den Straßenlöchern richtet. Ich kenne schließlich auch Russudana aus Georgien, die das gleißende elektrische Licht dem romantischen Kerzenschein vorzieht, denn davon hatte sie genug, als der Strom ständig ausfiel. Und ach, diese unkaputtbaren Dinger "Made in Germany"... davon konnten wir Osteuropäer nur träumen.

"Wie komisch", sagen meine deutschen Freunde, "all das finden wir so spießig! Wir haben so lange an uns gearbeitet, weißt du, um anders zu werden. Es hat eine Weile gedauert - sorry, übrigens, dass wir wieder zu spät gekommen sind, - aber jetzt sind wir endlich unordentlich, unzuverlässig, unperfekt: liebenswürdig. Wir werfen die Kippe neben die Mülltonne und finden Mathematik bäh". "Aber-aber", stammele ich, "dann gibt es bald keine unkaputtbaren Dinger "made in Germany" mehr, und die pünktlichen Bahnen werden den Bach runtergehen. Woran, um Gottes Willen, soll ich denn glauben?" "Nur locker bleiben, - sagen sie, - wir werden ein paar Ingenieure importieren".


Autorin: Matilda Jordanova-Duda

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