Ausländer in Deutschland 3/2003, 19.Jg., 15. Oktober 2003

BILDUNG

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Mit Ausbildung zum Erfolg

Kemal Şahin im Gespräch

Immer noch machen nur relativ wenige junge türkische Migranten bei uns eine Lehre. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind daher sehr schlecht. Und es gibt zu wenige türkische Unternehmer, die ausbilden. Eine Ausnahme ist der 1955 bei Konya in der Türkei geborene Kemal Şahin. Dank eines Stipendiums konnte er 1973 in Deutschland studieren. Da er danach als Ingenieur keine Arbeitserlaubnis bekam, gründete er 1982 die Santex Moden GmbH. Heute ist er der größte türkische Arbeitgeber im Ausland. Weltweit erzielt seine Şahinler Holding mit ca. 12.000 Beschäftigten 1,15 Mrd. Euro Umsatz. Im AiD - Interview nimmt er Stellung zu Ausbildungfragen.

AiD: Sie sind Deutschlands größter türkischer Unternehmer. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsrezept?

Şahin: Ich bin arm geboren und musste schon als Grundschüler in den Ferien arbeiten. Später habe ich mir während des Studiums in Aachen deutsche Eigenschaften wie Disziplin, Gründlichkeit, planmäßiges Arbeiten und Zuverlässigkeit angeeignet. Ich habe sie mit Tugenden meiner Heimat verbunden, etwa Freundlichkeit, Kommunikation, Flexibilität, höhere Kreativität. Zusammen mit Weltoffenheit, Toleranz und Respekt ist dies Inhalt meiner Firmenkultur. Sie bildet auch die Basis dafür, dass wir uns international als Modeproduzenten und -verkäufer gut etablieren konnten.

Hat Ihr Erfolg damit zu tun, dass Sie seit 16 Jahren einen Teil Ihrer Fachkräfte selbst ausbilden?

Ausbildung ist Teil meines Erfolgsrezepts. Als mein Unternehmen zu expandieren begann, benötigte ich weitere Fachkräfte. Deutsche Stellensuchende gab es genug. Aber ich brauchte auch junge Türken, von denen damals aber kaum jemand eine Ausbildung hatte. Also legte ich die Ausbildereignungsprüfung ab und begann meine Fachkräfte selbst auszubilden. Heute sind einige von ihnen Manager!

Wie viele Azubis haben Sie zurzeit in Deutschland?

Wir bilden 55 junge Männer und Frauen dem Schwerpunkt nach in kaufmännischen Berufen aus.

Spielt bei Ihren Azubis die gute Beherrschung des Deutschen und des Türkischen eine Rolle?

In unseren deutschen Betrieben suchen wir die Mitarbeiter in den meisten Fällen nach diesem Kriterium aus. In den Büros und im Verkaufsbereich müssen alle perfekt deutsch sprechen. Wenn wir jemanden z.B. zur Produktionssteuerung in der Türkei einsetzen, ist natürlich auch ein gutes Türkisch bedeutsam. Generell gilt, dass alle, die künftig in Deutschland leben wollen, sehr gut Deutsch lernen müssen.

Gute Sprachkenntnisse sind also ein Pluspunkt für junge Migranten beim Start ins Berufsleben?

Natürlich! In Deutschland sprechen aber viele türkische Jugendliche nur schlecht Türkisch. Hier sind drei Punkte wichtig. Es gibt wenige Deutsche, die z.B. Griechisch, Türkisch oder Persisch lernen. Da unsere Geschäfte aber immer globaler werden, benötigen wir Menschen, die andere Sprachen sprechen. Daher sollten junge Ausländer bei uns ihre Muttersprache gut erlernen. Sie eignen sich später meist noch eine andere Sprache an, häufig Englisch. Diese Kenntnisse sind für ihre berufliche Zukunft sehr wichtig. Leider unterschätzen Wirtschaft und Politik in Deutschland die Bedeutung der Muttersprache bei jungen Ausländern. Punkt zwei: Eltern und Lehrer müssen die jungen Menschen dazu motivieren, sich anzustrengen, um mit guten Schulabschlüssen ihre Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu erhöhen. Wer, wenn nicht Eltern und Lehrer können z.B. einem Zehnjährigen begreiflich machen, dass die Schule sehr wichtig ist. Man muss aber auch den Eltern klar sagen, dass sie - egal ob sie Türken oder Griechen sind - nicht in ihre Heimat zurückkehren, sondern hier bleiben werden. Daraus erwächst ihre Verpflichtung, ihren Kindern hier eine vernünftige Schul- und Berufsbildung zu ermöglichen. Punkt drei: Diese Motivation nutzt jedoch nur dann etwas, wenn Politik und Gesellschaft in Deutschland erkennen, dass die Schul-, Aus- und Berufsbildung aller junger Menschen hier ausschließlich ein deutsches Problem darstellt. Erst wenn daraus die Konsequenz gezogen wird, dass man junge Migranten hier tatsächlich und in jeder Beziehung als Inländer betrachtet und behandelt, und dies den jungen Migranten auch vermittelt, werden die Motivationsbemühungen die notwendigen Erfolge haben. Eines ist ja klar: Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen, damit alle Jugendlichen einen Ausbildungsplatz finden, denn sonst sind sie Kandidaten für die Arbeitslosigkeit und werden ein Problem für die Gesellschaft, für ihre Familien und für sich selbst.

Vielen Dank!

Das Gespräch führte Peter Andratschke

[ Seitenanfang


Überzeugungs-
arbeit im Dortmunder Norden

 

In den Eingangsklassen der Grundschulen in Dortmunds klassischem Einwanderungsviertel, der Innenstadt Nord, sind die Hälfte der Schüler türkische Kinder, die dem Unterreicht wegen fehlender Deutschkenntnisse nicht folgen können. Nun versucht man, die düsteren Berufsperspektiven deutscher wie türkischer Jugendlicher auf Dauer zu verbessern. In dem früher von Kohle und Stahl dominierten Gebiet mit 55.000 Einwohnern und fast geschlossenen türkischen Wohngebieten sind etwa 35% der türkischen Jugendlichen arbeitslos. Deutsche wie türkische Schüler begreifen den Wert einer Berufsausbildung oft nicht: in den Familien gibt es kaum ausgebildete Arbeitnehmer.

Seit dem 1. Januar fördert die EU mit dem Urban-II-Projekt das Viertel besonders. Bei einem der Einzelvorhaben zur Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen -steht die Anne-Frank-Gesamtschule im Zentrum. Projektleiter Nikolai Schaefer beschreibt die Arbeit: "Wir vermitteln die Schüler in Ausbildung, öffnen die Schule hin zum Viertel und leisten Elternarbeit. Wir befassen die Schüler viel früher als in der 9. Klasse mit Ausbildungsfragen und binden die Eltern ein." Veranstaltungen, bei denen diese unkompliziert mit dem Thema vertrauter gemacht werden, gab es mit gutem Erfolg und wird es künftig geben. Eltern und Schüler werden Betriebe mit zukunftsweisenden Berufsbildern besichtigen. Auch sind Sprachkurse für Eltern vorgesehen.

Zwei Ideen werden nicht realisiert: Nach dem Freitagsgebet in der Moschee sollten Gläubige mit Arbeitsamtsvertretern über die Ausbildung sprechen können. Schaefer begründet die Abkehr unter anderem damit, dass das Projekt an die Schule gebunden ist, nur dort dürften Aktionen stattfinden. Dazu Wolfgang Fehl, Leiter der BQN-II in Köln: "Die aufgegebene Idee war ein sehr guter Ansatz. Man muss jede niederschwellige Chance nutzen, um Eltern und Jugendlichen Ausbildungsfragen ausführlich zu beantworten. Zudem gehen in die Moscheen auch Menschen, die sonst unerreichbar sind." Eine zweite Idee war, den Schülern mit zusätzlichen Kurz- oder "Schnupperpraktika" bessere Einblicke in die Berufswelt zu gewähren. Schaefer meint, dies könne die Schule nicht leisten.

Kurzpraktika spielen aber in einem weiteren Projekt in Dortmunds Nordens eine Rolle. Dort sollen ältere Leute mit Berufserfahrung und Sozialkompetenz jungen Migranten helfen, einen Ausbildungsplatz zu suchen, Bewerbungen zu schreiben und sich vorzustellen. Sie werden versuchen, die Eltern von der Wichtigkeit der Ausbildung ihrer Kinder zu überzeugen und sich um Schnupperpraktika und Betriebsbesichtigungen kümmern; zwei Hauptschulen und ein Gewerbeverein haben ihre Kooperation zugesagt. Zudem sollen türkische Unternehmer zur Ausbildung von Azubis motiviert werden.

Kontakt:
Anne-Frank-Gesamtschule, Tel.: 0231/5029879, urbanii@web.de  sowie Nachbarschaftshaus, Tel.: 0231/8296632, lerndo@nbh-fuerst-hardenberg.de 


Autor: Peter Andratschke

[ Seitenanfang


30 Jahre Schulfach Italienisch in NRW

 

Saarbrücken. Vor 30 Jahren, 1973, kam es in Nordrhein-Westfalen (NRW) zur Einführung des Schulfaches Italienisch. Seit 1981 können Schülerinnen und Schüler Italienisch auch als Leistungskurs belegen. Im Bereich der allgemeinbildenden Schulen hat das Fach nicht nur eine lange, sondern auch eine nicht zu unterschätzende Tradition, betont Dr. Willi Hirt, Italianist an der Universität Bonn. Dass es 1973 zur Einführung des Faches als reguläres Schulfach kam, hat ihm zufolge seinen Ursprung in der Reform der gymnasialen Oberstufe Anfang der 1970er-Jahre. Heute können Schüler unter anderem auch in Bayern und Baden-Württemberg Italienisch lernen. In fünf Bundesländern gibt es Züge mit Italienisch als zweite Fremdsprache in der Regel ab Jahrgangsstufe 7. In anderen Ländern ist Italienisch die dritte Fremdsprache. Die meisten Schüler - gut 6.900 - lernen in NRW Italienisch. (esf)

[ Seitenanfang


Interkulturelle Kommunikation in Kassel

 

Kassel. Die Universität Kassel bietet ein Weiterbildungsstudium "Interkulturelle Kommunikation" insbesondere für Lehrer, Diplompädagogen, Magisterabsolventen und für längere Zeit in der interkulturellen Praxis tätige Personen an. Unterrichtet werden Migrationssoziologie und Interkulturelles Lernen, Deutsch als Zweitsprache einschließlich ihrer Didaktik sowie eine Herkunftssprache von Migranten. Das Studium dauert ein oder berufsbegleitend zwei Jahre und schließt mit einem Zertifikat ab. Zu Beginn des Studiums ist eine einmalige Gebühr von 1.000 Euro zu entrichten. Einschreibungen sind zwischen dem 1. August und dem 16. September 2003 möglich. (esf)

Infos: amoeller@uni-kassel.de 

[ Seitenanfang


Study-Buddy-
Programm

 

Bonn. Um ausländischen Erstsemestern beim Einleben und bei der Orientierung in ihrer neuen Umgebung zu helfen, hat das Akademische Auslandsamt der Universität Bonn 2002 ein Betreuungsprogramm für Studienanfänger ins Leben gerufen. Nach dem Erfolg der letzten Semester wird es auch im Wintersemester 03/04 weiter geführt. Im Rahmen des Programms wird Studienanfänger/innen ein deutscher Studierender während des ersten Semesters mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die deutschen Studenten, die am "Study Buddies" Programm teilnehmen, haben selbst oft ein Jahr im Ausland studiert und kennen viele der auftretenden Probleme und Fragen aus erster Hand. Der "Study Buddy" hilft bei Behördengängen und gibt Tipps zum Leben in Bonn. Er soll nicht nur bei bürokratischen Fragen nützlich sein, sondern auch den ersten Kontakt mit Deutschen erleichtern. Die ersten Erfahrungen haben gezeigt, dass durch das Programm Freundschaften entstehen können und die Teilnehmer/innen etwas über andere Kulturen lernen. Dazu tragen auch Treffen, eine Vielfalt von Veranstaltungen des Internationalen Clubs im Akademischen Auslandsamt und am 7. November eine Weinprobe in der Winzergenossenschaft Mayschoß bei. (esf)

[ Seitenanfang


Buddhistischer Religions-
unterricht

 

Berlin. Ab dem kommenden Schuljahr wird es erstmals in Deutschland einen buddhistischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen geben. Der Berliner Senat hat Mitte Juli 2003 der John-Lennon-Oberschule in Berlin-Mitte und der Schinkel-Grundschule in Berlin-Charlottenburg eine entsprechende Genehmigung erteilt. Den Rahmenlehrplan für die Klassen eins bis 13 habe die Buddhistische Gesellschaft vorgelegt, die auch eine Lehrkraft vorgeschlagen habe, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z. vom 16.07.03). Nach dem Berliner Schulgesetz muss das Land 90 % der Kosten tragen. Der Unterricht soll so gestaltet werden, dass ihn auch Schüler anderer Bezirke besuchen könnten. Als Lehrerin setzt die Gesellschaft eine Studienrätin für Deutsch und Philosophie ein. Nach der Islamischen Föderation und den christlichen Kirchen ist die Buddhistische Gesellschaft als Teil der deutschlandweiten Buddhistischen Union die dritte Religionsgemeinschaft, die dann in der Hauptstadt unterrichtet. Bedenken hätten nicht bestanden, hieß es seitens der Senatsverwaltung. Die Union sei ein seriöser Verein. (esf)

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.