Integration in Deutschland 1/2004, 20.Jg., 15. April 2004

ARBEITSPLATZ DEUTSCHLAND

*) Dieser Beitrag wurde im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Treffpunkt Konradplatz

Ausländer im deutschen Steinkohlenbergbau 
(Teil 2)

Ohne die Kumpel aus Polen und später der Türkei wäre der deutsche Steinkohlenbergbau schon vor Jahrzehnten zum Erliegen gekommen. Und auch heute noch ist der Anteil ausländischer Arbeitnehmer im Bergbau im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen überdurchschnittlich hoch. Seit Beginn der Zuwanderung haben sich die Gewerkschaften dabei in besonderem Maß die Integration der ausländischen Kolleginnen und Kollegen zum Ziel gesetzt.

Vom Bullenkloster ...

Anfang der 1970er-Jahre belief sich die Zahl der im Steinkohlenbergbau Beschäftigten noch auf knapp über 250.000. Über 10 % - die Mehrheit davon Türken - waren ausländischer Herkunft (vgl. AiD 4/2003). Praktisch alle waren alleine nach Deutschland gekommen mit der Absicht, nur vorübergehend zu bleiben und möglichst viel für die Familie und den Aufbau einer Existenz in der Heimat zu sparen. Die meisten lebten in Sammelunterkünften, die in einer 1995 veröffentlichten Broschüre der bereits 1948 gegründeten "Revierarbeitsgemeinschaft für kulturelle Bergmannsbetreuung" (REVAG) wie folgt beschrieben wird: "Bis heute sind sie berüchtigt, die sogenannten "Bullenkloster" im Ruhrgebiet: die Wohnheime und Lager für junge Bergleute, die nach dem Krieg im Schatten der Fördertürme aus dem Boden gestampft wurden. Die Stimmung dort war denkbar schlecht. Saufgelage und Schlägereien waren an der Tagesordnung. Als die Gastarbeiter angeworben wurden, herrschte praktisch eine ähnliche Situation wie Ende der 1940er-Jahre. Auch die ausländischen Arbeitnehmer wurden zunächst in den "Bullenklostern" untergebracht."

...über die betriebliche Integration...

In den 1970er-und 1980er-Jahren änderte sich die Situation in vielerlei Hinsicht grundlegend. Die nach dem Anwerbestopp 1973 verbleibenden ausländischen Beschäftigten holten ihre Familien nach Deutschland und zogen meist in die Arbeitersiedlungen im Umland der Bergwerke. Die Kohle- und Stahlkrise führte zu einem drastischen Einbruch der Beschäftigung im Bergbau, von der ausländische Kumpel ebenso betroffen waren wie ihre deutschen Kollegen. Wie viele deutsche wurden auch zahlreiche ausländische Bergleute umgeschult und in neue Arbeitsverhältnisse vermittelt, andere gingen in den Vorruhestand, ein - wenn auch kleiner - Teil kehrte in die Heimat zurück.
Heute beläuft sich die Zahl der unter dem Dach der RAG bei der DSK (Deutsche Steinkohle AG) beschäftigten ausländischen Bergleute an Ruhr und Saar auf gerade noch rund 5.000. Dies entspricht etwa 11 % der Gesamtbelegschaft. Dass der Strukturwandel und Personalabbau im Bergbau insgesamt - insbesondere auch hinsichtlich der betroffenen ausländischen Arbeitnehmer - weitgehend "sozialverträglich" und ruhig ablief, dürfte zwei wesentlichen Gründen zu verdanken sein:

(a) der Tatsache, dass der deutsche Steinkohlenbergbau wie kein anderer Wirtschaftszweig ein höchst differenziertes personalpolitisches Instrumentarium entwickelt hat, das es ermöglichte, den notwendigen Personalabbau sozialverträglich zu gestalten und

(b) dem Umstand, dass durch die Gewerkschaften (IGBCE und Deutscher Gewerkschaftsbund) und Institutionen wie die REVAG wesentliche Voraussetzungen für die Integration ausländischer Kolleginnen und Kollegen nicht nur in die Arbeitswelt, sondern auch in das soziale Umfeld geschaffen wurden. (Vgl. hierzu u.a. die Dokumentationen zu der traditionellen "Recklinghauser Tagung" der IGBCE, zuletzt 32. Tagung 2003 zum Thema "Zuwanderungsgesetz" und 31. Tagung 2002 zum Thema "Qualifizierung für Migrantinnen und Migranten als Chance der Integration").

... zum Konradplatz

Ein gutes Beispiel hierfür ist das Projekt "Treffpunkt Konradplatz" in Lünen, das durch die RAG, die REVAG, die IGBCE, die Stadt Lünen und zahlreiche andere Institutionen unterstützt wird. In dem durch die Wohnungsgesellschaft "Glückauf" getragenen Integrationsprojekt in der "Alten Kolonie" im Lüner Westen, einem Stadtteil mit 40 % Ausländeranteil, werden den ausländischen - meist türkischen - und deutschen Bewohnern der Siedlung in einem renovierten ehemaligen Mietshaus vielfältige Möglichkeiten der gemeinsamen Freizeitgestaltung, aber auch Hilfen wie Sprachkurse, EDV-Kurse, Beratung im Umgang mit Behörden u.a. angeboten.

Von Anfang an hat sich dabei der Treffpunkt auch als politisches Signal gegen Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit verstanden und durch eine Reihe von Aktionen mit politischer Zielsetzung auf sich aufmerksam gemacht. Eine dieser Aktionen war z.B. eine Motorrad-Rallye in die türkische Bergbauregion Zonguldak an der Schwarzmeerküste und - damit zusammenhängend - eine Studienreise von Siedlungsbewohnern der Alten Kolonie in die Türkei. "Kaum eine Einrichtung oder ein Ereignis in Lünen", so betont die Wohnungsgesellschaft, "hat so zum Bekanntheitsgrad der Stadt beigetragen wie der Treffpunkt Konradplatz." Na bitte, möchte man sagen: gutes Stadtmarketing ist eben doch mehr als nur Werbung für den Einzelhandel.

Infos: www.igbce.de, www.revag.de und www.glueckauf.de.


Autor: Dr. Manfred Werth, isoplan

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Asylbewerber auf dem Arbeitsmarkt

SEPA-Studie zur Beschäftigungs-
situation

Die Förderung der beruflichen Integration ist ein hehres Ziel, das sich die EU mit ihrem Programm EQUAL auf die Fahnen geschrieben hat. Innerhalb verschiedener inhaltlicher oder regionaler Gebiete setzen sogenannte Entwicklungspartnerschaften diesbezüglich verschiedene Maßnahmen um. Die saarländische Entwicklungspartnerschaft SEPA hat sich zum Ziel gesetzt, die berufliche Integration von Asylbewerber/innen und Flüchtlingen zu fördern. Doch: Wie stellt sich die Beschäftigungssituation von Asylbewerber/innen und Flüchtlingen im Saarland de facto überhaupt dar? Welche Personen sind besonders benachteiligt? Welche gilt es folglich, verstärkt zu unterstützen?

Im Februar 2004 hat das Isoplan-Institut im Rahmen von SEPA eine Studie zur Beschäftigungssituation von Asylbewerber/innen und Flüchtlingen vorgelegt. Ziel war es, anhand von Bildungsbiografien zu verallgemeinernden Aussagen zum Qualifikationsniveau und zur Beschäftigungssituation in Form verschiedener Typologisierungen (Klassifikation nach bestimmten Merkmalen) zu gelangen. Da statistische Angaben diesbezüglich nicht öffentlich zugänglich sind und folglich nicht ausgewertet werden konnten, wählte das Institut einen anderen Weg: Es wurden insgesamt 53 im Saarland lebende Asylbewerber/innen und Flüchtlinge (darunter auch wenige anerkannte Asylbewerber/innen) hinsichtlich ihrer Schullaufbahn, der Berufsausbildung sowie in der Heimat und in Deutschland ausgeübter Tätigkeiten befragt. Darüber hinaus wurden vertiefende Gespräche mit Experten, darunter Mitarbeiter der SEPA-Partner, geführt. Ergänzend wurde eine Kartei des SEPA-Partners DRK ausgewertet, die alle im Jahr 2003 beratenen Asylbewerber/innen (500 Personen) - u.a. nach den Qualifikations- und Beschäftigungskriterien - erfasst.

Ausgehend von den Gesprächen und den der Kartei zu entnehmenden Informationen lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: Das Qualifikationsniveau ist sehr unterschiedlich. Die meisten Asylbewerber/innen im Saarland verfügen über mehr als 10 Jahre Schulbildung, darunter auch Hochschulabschluss. Auch die im Heimatland erlernten und ausgeübten Berufe decken ein breites Spektrum ab. Zahlreich vertreten sind jedoch niedrig qualifizierte Tätigkeiten, z.B. im Bausektor oder dem Handwerk.

Hinsichtlich der Beschäftigungssituation in Deutschland wurde zwischen "erfolgreich" und "nicht bzw. nicht erfolgreich" beschäftigten Asylbewerber/innen unterschieden. Diesen beiden Kategorien wurden verschiedene Typen zugeordnet (siehe Tabelle):

Beschäftigungssituation von Flüchtlingen und Asylbewerbern im Saarland 2002/2003 - Realtypen

Beschäfti- gungs-
situation

Typen

A:
"erfolgreich"

1

Der Ausbildung entsprechend im Dienstleistungs- sektor beschäftigt

2

Im Dienstleistungs- sektor ohne Sozialversiche- rungsnachweis beschäftigt (sicher)

3

Der Ausbildung entsprechend als Arbeiter/in (Baugewerbe oder Industrie) beschäftigt

4

Noch in einer (erfolgver- sprechenden) Fort- bzw. Ausbildung befindlich

5

Existenzgründer im Dienstleistungs- sektor

B:
"nicht beschäftigt bzw. nicht erfolgreich beschäftigt"

1

Arbeitslose/r mit Berufserfahrung:

a) ausschließlich in der Heimat

b) in der Heimat und in Deutschland

2

Im Dienstleistungs- sektor ohne Sozialversiche- rungsnachweis beschäftigt (unsicher)

3

Nicht der Ausbildung entsprechend oder unsicher als Arbeiter (Baugewerbe oder Industrie) beschäftigt

4

a) Arbeitslose/r ohne Berufserfahrung (abgesehen von Kurzzeitjobs o. Beschäftigung ohne SV-Nachweis)

b) Arbeitslose, Teilnehmer an einer Qualifizierungs- maßnahme ohne günstige Beschäftigungs- perspektive

5

Arbeitslose/r nach gescheitertem Versuch, sich selbständig zu machen

Die Reihenfolge der Typen spiegelt dabei ihre in der Realität anzutreffende Häufigkeit wider. Ein Beispiel für den Typ A 1 ist eine Ägypterin, der es gelang, eine Anstellung als Stylistin zu finden. Bei "sicheren" Beschäftigungsverhältnisse ohne Sozialversicherungsnachweis handelt es sich um Anstellungen von mehr als einem Jahr, beispielsweise im Verkauf. Verhältnismäßig häufig gelingt es Asylbewerber/innen auch, eine Anstellung als Arbeiter, häufig im Baugewerbe zu finden, beispielhaft hierfür steht ein staatenloser Kurde, der auf Baustellen als Baggerfahrer eingesetzt wird.

Der Typ B1 unter den nicht oder nicht erfolgreich beschäftigten Asylbewerbern, sprich der Arbeitslose, ist am häufigsten in der Realität anzutreffen. Beispielhaft hierfür steht ein Iraker, der in seinem Heimatland als Krankenpfleger gearbeitet hat und in Deutschland keine Perspektive hat, in diesem Job eine Anstellung zu finden. Sehr häufig wird darüber hinaus einer "unsicheren" Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis nachgegangen. Typische Einsatzfelder sind die Gastronomie, der Reinigungsbereich oder der Bausektor.

Wenn es Asylbewerber/innen gelingt, eine Beschäftigung zu finden, entspricht diese in der Regel nicht ihren Qualifikationen. 80 bis 90 % scheitern jedoch an einer Arbeitserlaubnis. Die Motivation, in Deutschland Arbeit zu finden und Geld zu verdienen, ist außerordentlich hoch. Einige sind jedoch angesichts ihrer psychischen Verfassung gar nicht in der Lage, einer regulären Beschäftigung nachzugehen. Bei diesen Personen muss die (Wieder-)Herstellung der Beschäftigungsfähigkeit im Vordergrund stehen - auch ein wichtiges Ziel von SEPA. Gerade auf diesem Gebiet kann die Entwicklungspartnerschaft bislang große Erfolge aufweisen - die Abbruchquote dieser Personen in den Maßnahmen tendiert gegen Null.

Im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen wie SEPA ist es außerordentlich wichtig, die tatsächliche Motivation der potenziellen Teilnehmer/innen zu eruieren. Auch die Qualifikation und bisherige Berufserfahrung der Asylbewerber/innen sollten nicht aus dem Auge gelassen werden. Unabhängig von der Tatsache, dass die Qualifizierungsmaßnahmen kurzfristig eine Beschäftigungsperspektive bieten, ist es für den Erfolg der Qualifizierungsmaßnamen außerordentlich wichtig, dass die Teilnehmer von dem Nutzen der Qualifizierung im Hinblick auf Chancen auf dem deutschen oder dem heimischen Arbeitsmarkt überzeugt sind.

Infos: www.equal-sepa.de 


Autorin: Vanessa Franz, isoplan

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