Integration in Deutschland 1/2004, 20.Jg., 15. April 2004

MEDIEN

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Reif fürs große Kino

Filme zu interkulturellen Themen

Spätestens seit dem "Goldenen Bären" für Fatih Akins Film "Gegen die Wand" und der Skandalberichterstattung über die Hauptdarstellerin Sibel Kekilli weiß man, dass hierzulande eine beachtenswerte Generation von Filmemachern mit Migrationshintergrund herangewachsen ist. In den Feuilletons ist viel die Rede vom "neuen deutschen Film". Nachwuchsfestivals wie der Max-Ophüls-Preis zeigen aber auch, dass das Thema Migration und Integration generell "filmreif" geworden zu sein scheint. Endlich, möchte man sagen, gab es doch bislang nur vereinzelt Filme zum Thema.


Fatih Akin

 


Sibel Kekilli mit dem "Goldenen Bären"

Fatih Akin, 1973 als Sohn türkischer Eltern in Hamburg geboren, bescherte dem deutschen Film den ersten Berlinale-Triumph seit 18 Jahren. Seit ähnlich langer Zeit bereits bilden Migrantenfilme Deutschland als das Einwanderungsland ab, das es nicht sein will. Die Filme bewegen sich meist selbstbewusst zwischen den Welten, Erfolg war den meisten jedoch nicht beschieden. Ausnahmen waren Tevfik Basers "40 qm Deutschland" und Hark Bohms "Yasemin". Doch da wurde noch der arme Gastarbeiter als Opfer einer wirtschaftsorientierten Ausländerpolitik bzw. das Schicksal einer von religiösen Traditionen unterdrückte türkische Frau präsentiert. Es hat lange gedauert, ehe deutsch-türkische Migrantengeschichten mit der gleichen Selbstverständlichkeit erzählt werden, wie es zum Beispiel Scorcese und die anderen Italoamerikaner oder die Algerienfranzosen in ihren Filmen machen. Erst mit "Gegen die Wand" wurde ein, wie DIE ZEIT schreibt, "wunderbar freier Blick auf die eigene community" gewagt. Akin pfeife in seinen Milieuschlderungen frech auf jede politische Correctness und Birol Ünel, der zweite Hauptdarsteller, "spielt mit unverhohlener Lust das Klischee des fleißigen Gemüsehändlers von nebenan über den Haufen". Über den Haufen geworfen wurde durch die atemberaubende Doppelmoral der BILD (die Kekilli als frühere Gelegenheits-Pornodarstellerin zur Sünderin stilisierte, zugleich aber die Gelegenheit nutzte, tagelang entsprechende Fotos auf dem Titel abzubilden) das Klischee der in Unfreiheit lebenden jungen türkischen Frau. Die Kampagne machte sie zur bekanntesten Türkin Deutschlands. Im Film geht es, wie in ihrem Leben, darum, das eigene Leben selbst bestimmen zu können - wie die anderen deutschen Mädchen.

"Schneller und näher dran als das Mainstream-Kino" will Regisseur Akin sein. Sein Roadmovie "Im Juli" war vor zwei Jahren schon ein großer Erfolg. Nun kommt auch "Gegen die Wand", die kuriose und sehr kraftvolle und lebensnahe Liebesgeschichte zweier gescheiterter Selbstmörder, ins Kino. Dem Konkurrenzfilm "Die Nacht singt ihre Lieder" von Romuald Karmakar möchte man dies auch wünschen. Beide Filme beeindrucken vor allem dadurch, mit welcher Konsequenz die Geschichten bis zum bitteren Ende erzählt werden. Der emotionalen Achterbahnfahrt beider Filme kann man sich kaum entziehen. Ähnliches galt schon für die Ende der 1990er-Jahre entstandenen Filme "Arkadasler", "Dealer" und "Der schöne Tag" von Thomas Arslan. Oder auch für Züli Aladags Film "Elefantenherz", "Ich Chef, Du Turnschuh" von Hussi Kutlucan, "Lola und Bilidikid" von Kutlug Ataman und "Aprilkinder" von Yüksel Davuz. Zu sehen waren sie jedoch - abgesehen von Filmfestivals - nur in wenigen Programmkinos.

 

Max-Ophüls-Filmfestival

Seit einem Vierteljahrhundert bietet insbesondere das Max-Ophüls-Filmfestival alljährlich im Januar spannende, kuriose und kunstvolle Einblicke in die junge deutschsprachige Filmkultur. 2004 dominierten diese wichtigste Leistungsschau des jungen deutschen Films zum ersten Mal Migrationsthemen. Schon vorher machte sich eine neue Filmbewegung in den Filmhochschulen in Ludwigsburg und anderswo bemerkbar. Nun drängen sie nach vorne. Den deutschen "Nachwuchs-Oscar" erhielt zwar keiner dieser Filme, einen von zwei Preisen für die besten Nachwuchsdarsteller erhielt Stipe Erceg für seine Rolle eines nach Deutschland kommenden Bosnien-Kriegsflüchtlings im Film "Yugotrip" (Foto). Der Film der Regisseurin Nadya Derado stellt die quälende Gegenwart des überstandenen Jugoslawienkrieges im Bewusstsein der Beteiligten dar und lässt in eindrücklichen Bildern die "verdrängte" Erinnerung der Opfer wie der Täter plötzlich aus Alltagssituationen wieder hervorbrechen. Dabei nimmt die Regisseurin die Perspektive des 26-jährigen bosnischen Kriegsverbrechers Dejan ein. Sie schildert die Lage des in einem Kölner Flüchtlingsheim lebenden Täters völlig nachvollziehbar, ohne ihn im geringsten zu entlasten. Den schrecklichen Wahnbildern seiner Erinnerung kann er nicht entrinnen. Der Krieg hat ihn zu sehr geprägt. Als er die 20-jährige unbekümmerte Anna kennen lernt, hofft er, mit ihrer Hilfe aus seinem "Yugotrip" ausbrechen zu können. Irgendwann muss er sich jedoch seinem Inneren stellen. Und das ist sowohl für ihn als auch für Anna schmerzlich.

Stipe Erceg spielte vorher schon in dem auf wahren Begebenheiten basierenden Film "Kiki & Tiger", der Geschichte einer - im Deutschland der 1990er-Jahre unmöglichen - Freundschaft zwischen einem Serben und einem Kosovo-Albaner. Kiki kommt als Flüchtling nach Deutschland, wo der Serbe Tiger zu seinem besten Freund wird. Hier aufgewachsen kann Tiger mit dem Nationalismus in seiner Heimat wenig anfangen. Gemeinsam widerstehen die Freunde dem äußeren Druck.

Eine bemerkenswerte Produktion ist auch "Heimkehr" (Regie: Damir Lukacevic). Auf den materiellen Erfolg fixiert, aber in ihren Emotionen erstarrt, hat sich ein kroatisches Ehepaar in Deutschland von den Söhnen entfremdet. Den Kindern gelingt es, als die Rückkehr nach Kroatien angegangen wird, den innerfamiliären Kreislauf von Lügen und Selbstverleugnungen zu durchbrechen (mehr dazu in gesondertem Text auf dieser Seite).

Beherrschendes Thema des Festivals war die Ost-West-Wanderung. "Mondlandung" von Till Endemann zum Beispiel widmet sich den Spätaussiedlern am Beispiel einer nach Stuttgart emigrierten Familie aus Kasachstan. Der auf ein jugendliches Publikum zielende Film geht das schwierige Thema behutsam und glaubwürdig an. Der Dokumentarfilm "Boatpeople" (Regie: Martin Zawadzki) begleitet eine ohne ihre Eltern als Kind nach Deutschland emigrierte Vietnamesin, die nach drei Jahrzehnten auf die Suche nach ihren Wurzeln in die Heimat reist. "Struggle" (Regie: Ruth Mader) thematisiert den Kampf illegaler Einwanderer ums nackte materielle Überleben. So hastet die junge Polin Ewa, die mit ihrer Tochter nach Österreich geflohen ist, von einem Job zum nächsten. Einen Tag im Akkord Erdbeeren pflücken, am nächsten Puten schlachten, chinesische Importware putzen oder den Pool einer Villa reinigen. Erschöpfung und Isolation machen ihren Kampf ums bloße Überleben immer schwieriger. Immobilienmakler Marold kämpft um grundlegende menschliche Kontakte. Als beide sich treffen, geht Ewa eine Beziehung mit ihm ein. Sie akzeptiert die bizarren sexuellen Vorlieben Marolds, um sich aus ihrem täglichen Daseinskampf zu befreien. Im Swinger Club geht es in etwa so abgestumpft und trostlos zu wie in der Geflügelfabrik. Maders Betrachtung von Konsum, Arbeit und den verschiedenen Formen der Prostitution läuft in langen, oft wortlosen Einstellungen ab und erschafft eine beklemmende Atmosphäre:

Die Helden dieser neuen Filme haben oft Migranten als Eltern. Aber nicht unbedingt. Im aktuell laufenden Kinofilm "Rot und Blau" spielt Hannelore Elsner die Ehefrau eines deutschen Architekten, die in Person von Tochter Ilke (Serpil Turhan) von ihrer Vergangenheit - einer deutsch-türkischen Liebesgeschichte - eingeholt wird. Auch der Film "Karamuk" der deutsch-türkischen Regisseurin Sülbiye V. Günar ist eigentlich eine ganz normale Pubertätsgeschichte. Johanna hat sich in den Kopf gesetzt, in Paris zu studieren. Nur kurz lässt sie sich davon erschüttern, dass ihre Mutter ihr enthüllt: Nicht der langjährige Freund Peter ist ihr Vater, sondern der türkische Restaurantinhaber Cumhur. Anders, als dem üblichen Klischee entsprechend, ist dieser wohlhabend und lebt in geordneten Verhältnissen. Johanna kommt er gerade recht. "Karamuk" heißt Brombeeren und ist das Codewort, mit dem Cumhur ihr den Tresor öffnet und das Studium bezahlt.


Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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"Heimkehr"

Migrationsthemen als Publikumsmagnet? Facettenreich und wirklichkeitsgetreu zeichnete das Max-Ophüls-Festival im Januar 2004 in Saarbrücken das Schicksal von Einwanderern. Einer der Festivalfilme, "Heimkehr" erzählt die Geschichte einer kroatischen Familie, die vor der Rückkehr in die alte Heimat steht.

Vlado (Mustafa Nadarevic) und Anica (Vlasta Knezovic) kamen als junges kroatisches Ehepaar in den 60er Jahren mit der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland. Mit verbissenem Ehrgeiz kämpften sie für ihren Traum: ein eigenes Hotel an der Adriaküste. Die Familie lebt in Stuttgart, der Vater arbeitet als Kranfahrer und am Wochenende zusätzlich schwarz. "Wir haben 35 Jahre nur gearbeitet und gespart", sagt er. Doch darunter litt vor allem die Beziehung zu den drei Söhnen. Lediglich auf den materiellen Erfolg fixiert, erstarrt in seinen Emotionen, hat sich das kroatische Ehepaar in Deutschland von seinen Söhnen entfremdet.

Wie kann es gelingen, den Kreislauf von Lügen und Selbstverleugnungen zu durchbrechen? Kurz vor der Rückkehr nach Kroatien kommt der älteste Sohn Nikola (Rade Radovic) von Berlin nach Stuttgart und konfrontiert seine Eltern mit schmerzhaften Wahrheiten und zwingt sie, sich den Ereignissen der Vergangenheit zu stellen.

Es treffen zwei Generationen aufeinander: die Eltern, die in den 60er Jahren aus Kroatien nach Deutschland kamen und sich nun einen Traum erfüllen wollen - ein kleines Hotel an der Adria - und die Söhne, die in Deutschland geboren sind und wenig Bezug zur Heimat ihrer Eltern haben.

Der älteste Sohn Nikola, der in Berlin lebt und einen Hit mit den "Unknown Pleasures" hatte, legt keinen großen Wert auf Geld. Er lebt von Sozialhilfe. Im Streit mit seinem Vater bezeichnet ihn dieser als "Abschaum". Die heile Fassade und der gute Ruf der Familie wiegen mehr als die Wünsche, Interessen und Gefühle der Kinder. Das Streben der Eltern nach materiellem Erfolg lässt keinen Raum für tiefe Bindungen zu den eigenen Kindern.
Die Familie lebt mit der Lüge, ihr Sohn Branco sei bei einem Unfall ums Leben gekommen. In Wahrheit hat er sich nach der Rückkehr aus dem Krieg in Deutschand das Leben genommen. Auf der Arbeit hat der Vater den Selbstmordturm täglich vor Augen.

Nikola zwingt die Familie, die Augen für das Geschehene zu öffnen, sich den Ereignissen der Vergangenheit zu stellen und das eigene Verhalten zu reflektieren. Vor diesem Hintergrund wird jedes Familienmitglied die Frage "Zurückkehren oder bleiben?" unabhängig von äußeren Zwängen, gemäß den eigenen Gefühlen und Wünschen entscheiden.
Der Regisseur und Co-Autor Damir Lukacevic erzählt seine gut besetzte Generationen-Geschichte mit Tempo, Humor, am Ende auch mit Sentimentalität und dem Zug zum Harmonisieren.

Damir Lukacevic wurde 1966 in Zagreb geboren, seit 1970 lebt er in Deutschland. Er studierte in Berlin Publizistik sowie Regie, Dramaturgie, Schauspielführung an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin.


Autorin: Vanessa Franz, isoplan

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Deutsche und ausländische Printmedien in Hessen

 

Fremdsprachige Printmedien sind in der Region Rhein-Main fest verankert. Neben den großen Agenturen und Wirtschaftszeitungen haben sich auch ausländische Regionalzeitungen und Zeitungen von und für Migrant/innen etabliert. Es bedurfte jedoch der Anregung des hessischen Integrationsbeirates, dass sich am 12. Juni 2003 rund 100 Experten dieser Medien in Frankfurt mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und weiteren Medienschaffenden zu einer Konferenz deutscher und ausländischer Printmedien in Hessen zusammenfanden. Sie berichteten aus ihrer Praxis über erfolgreiche Wege ausländischer oder mehrsprachiger Medienangebote. Anfang 2004 ist eine umfangreiche Dokumentation der Konferenz erschienen. Einzelbeiträge sind auch unter www.hessen.de abrufbar. (esf)

Bezug: Hessische Staatskanzlei, Abteilung Information, Referat Kongresse und Öffentlichkeitsarbeit, Postfach 3147,
 65021 Wiesbaden, Tel.: 0611/320-37, 
Fax: -3812, kongresse@stk.hessen.de

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Anregungen zum kritischen Umgang mit Medien

 

Das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA) hat einen Flyer " ‚Gefährlich fremd'? - Anregungen zum kritischen Umgang mit Medien" veröffentlicht. In dem Flyer werden problematische Berichterstattungen in den Medien über Menschen mit Migrationshintergrund thematisiert. Im Anschluss werden Beispiele und Erläuterungen zur kritischen Lektüre von Medienberichten gegeben. Der Autor, ein Mitarbeiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung, erläutert unter anderem den Gebrauch von Vorurteilen und diskriminierenden Äußerungen in den Medien. Er stellt dar, wie Medien Realitäten erzeugen (können) und welchen Einfluss sie auf den alltäglichen Sprachgebrauch haben. Darüber hinaus werden Tipps gegeben, wie Medien kritisch gelesen werden können. Der Flyer eignet sich als begleitendes Seminarmaterial zum Einsatz in Schule und Jugendarbeit. (st)

Bezug: Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. (IDA), Volmerswerther Str. 20, 40221 Düsseldorf, Tel.: 0221 / 1592 55-5, Fax: 0221 / 1592 55-69, Info@IDAeV.de, www.idaev.de

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Ein Jahr Online-Magazin "Kozmopolit"

 

Seit gut einem Jahr erscheint "Kozmopolit", ein zweisprachiges deutsch-türkisches Online-Magazin für Politik, Kunst und Kultur. Unter der Internet-Anschrift www.kozmopolit.com werden seit September 2002 Beiträge deutscher und türkischsprachiger Autoren veröffentlicht. Die Themenbandbreite des Informationsportals reicht von Kultur- und Friedensarbeit über türkische Politik bis zu Zuwanderungsfragen. Genutzt wird das Medium - wie die Einträge im Gästebuch zeigen - vor allem von türkischsprachigen Leserinnen und Lesern. Im Dezember 2003 erschien die 14. Ausgabe. (esf)

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Informations-
angebot zur EU-Erweiterung eingerichtet

 

Am 1. Mai 2004 erhält Europa ein neues Gesicht: Zehn weitere Staaten treten der EU bei. Hiermit sind neue Regelungen, wie z.B. im Bereich der Freizügigkeit, des Aufenthaltsrecht der Unionsbürger und des Status der "neuen" Unionsbürger verbunden. Ein neues Angebot der Internetredaktion des Bundesministerium des Innern (BMI) informiert seit Anfang März 2004 u. a. über solche ausländerrechtlichen Fragen. Es findet sich direkt über die Startseite (www.bmi.bund.de) oder unter dem aktuell eingerichteten Knotenpunkt "Europa" über die Navigationsleiste. (esf/BMI)

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