Integration in Deutschland 1/2004, 20.Jg., 15. April 2004

PORTRAITS


Maria Forsling Janke

Die schwedische Künstlerin Maria Forsling Janke (34) lebt und studiert seit über zehn Jahren in Deutschland. Sie ist freilich keine "ewige Studentin", sondern entwickelt sich sehr gezielt weiter. 1993 kam Maria Forsling im Rahmen eines Fachpraktikums nach Thüringen und begann im Folgejahr an der Burg Giebichenstein - Hochschule für Kunst und Design Halle (HDK) ein Studium Plastik/Keramik. 1997 erhielt sie den DAAD-Preis für hervorragende Leistungen ausländischer Studierender an der HDK, heiratete 1998 einen Deutschen, machte ihr Diplom und begann 1999 ein Aufbaustudium. Nach einer Babypause von 2000 bis 2002 setzt sie nun ihr Studium fort. Ob es die Erfahrungen bei der Geburt ihrer Tochter waren, die sie zu ihrem Kissenprojekt inspiriert haben? "Ein Krankenhausaufenthalt bedeutet für die meiste Menschen, die ihn erleben, einen Einschnitt im Leben - etwas Fremdes und Unbekanntes kommt auf sie zu", erläutert sie. "Egal, ob jemand in fremder Umgebung an das Bett ‚gebunden' oder im gewohnten Umfeld ist, kann das Kissen etwas Besonderes sein: Es drückt für viele Geborgensein aus, ein ‚Zuhause'. Wie das Kind sein eigenes Kissen hat und es seinen Geruch trägt, wird das Kissen zum Zeichen des Schutzes und der Sicherheit." Ihre Installation mit 50 Kissen hat sie an Draht in fünf Meter Höhe aufgehängt. Jedes ist mit einem Wort bestickt: "Heimweh", "gut", "Angst", "ordentlich", "Langeweile" oder "Enttäuschung". (esf)

[ Seitenanfang ]


Kerim Arpad

"Mit der Türkei, dem Islam und den typischen Migrationsthemen wollte ich mich früher eigentlich nicht befassen", sagt Kerim Arpad (27), in Stuttgart geborener Sohn einer deutsch-türkischen Ehe. "Ich habe mich nie in einer der beiden Kulturen fremd gefühlt". Es sei eher das Umfeld gewesen, dass ihn da "reingezogen" hat, erzählt er. Freunde, die nach dem EU-Beitritt der Türkei fragen oder Islamismusdebatten an der Uni. So begann er, sich näher zu informieren. Seit 1999 engagiert er sich im "European Assembly of Turkish Academics" (EATA). Dieses europaweite Netzwerk türkischstämmiger Studierender und Akademiker versucht eine Brücke zwischen deutscher und türkischer Kultur und Politik zu bilden. Darin unterscheidet sich EATA von anderen Vereinen, die oft entweder in der "türkischen Nische" bleiben oder sich von dieser abgrenzen. Heute wird Kerim auf Tagungen zum Beispiel der Bundeszentrale für politische Bildung eingeladen, hält Referate, organisiert Veranstaltungen und arbeitet studienbegleitend als Assistent im BMBF-Projekt "Regionale Kooperationsnetzwerke für die Qualifizierung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund" (BQN) beim Berufsbildungswerk ENAIP. Nach dem Examen würde er gerne in der Öffentlichkeitsarbeit für vergleichbare Projekte oder NGOs arbeiten. Als zweisprachiger Bildungsinländer scheint er dafür prädestiniert zu sein. Dabei wollte er nach dem Abitur 1996 zunächst Journalist werden. Als Sohn und Enkel von "Cumhuriyet"-Journalisten lag das nahe. Kerim begann bei einer Schülerzeitung und wurde während des Studiums freier Mitarbeiter bei den Stuttgarter Nachrichten und anderen Zeitungen. Es folgte 2002 ein Praktikum bei der Cumhuriyet in Istanbul und Ankara. Aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage zweifelt er nun an seinen Berufschancen. Zunächst gilt es aber, das Studium der Politikwissenschaft und Geschichte abzuschließen. (esf)

[ Seitenanfang ]


Parvina Tadjibaeva

Die Tadschikin Parvina Tadjibaeva (25) weiß genau, was sie will und hat schon viel von der Welt gesehen. In der ehemaligen Sowjetunion begann sie als 6-jährige eine Karriere als Geräteturnerin. Eher gegen ihren Willen ging sie durch die harte Schule der Sportförderung, wurde als Landesmeisterin Mitglied der tadschikischen Nationalmannschaft und hatte auf Wettkämpfen in allen 15 damaligen Teilrepubliken zu turnen. Die besten wurden zur Olympiade geschickt. "Nein sagen konnte man nicht", schildert sie, "es galt als eine Ehre, teilnehmen zu dürfen". Erst mit 14 gelang ihr der Absprung von den Zwängen des Leistungssports. Parallel zu ihrem Betriebsmanagement-Studium im heimatlichen Duschanbe arbeitete sie in einem Transportunternehmen, in einer Werbeagentur und - nach Beendigung des Bürgerkrieges - in der Feldpost der Russischen Friedenstruppen.

Nach dem Diplom wollten ihre Eltern, dass sie heiratet. "Die Zeit bis dahin hatten sie mir gelassen, um mich zu verlieben und eine Auswahl zu treffen - aber dann sollte einer da sein", erzählt sie. Da sie keinen passenden Partner gefunden hatte, empfahlen die Eltern ihr einen Banker. Parvina fand ihn zwar nett, aber wenig romantisch: "Wir sehen uns bei der Hochzeit" sagte er, da er beruflich viel unterwegs war. Sie löste die Verlobung auf und blieb stur - was ihr Vater dann auch verstand. Schon mit einem früheren Freund hatte sie davon geträumt, in Deutschland zu studieren. "Warum nicht auch alleine?", fragte sie sich nun. Immerhin war ihre Schwester schon hier. Sie bewarb sich um einen Studienplatz, durfte das Land aufgrund des Bürgerkriegs jedoch nicht verlassen. So suchte ihre Schwester eine Au-Pair-Familie und Parvina stellte den Antrag kurzerhand von Moskau aus. Während des Au-Pair-Aufenthaltes von Dezember 2000 bis Dezember 2001 im rheinland-pfälzischen Grünstadt entwickelte sie die Idee, für ein Aufbaustudium in Deutschland zu bleiben. Sie bewarb sich an der Universität des Saarlandes und bekam einen Platz für BWL. Da die Eltern sie finanziell nicht unterstützen können, muss sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen. Drei Mal in der Woche kellnert sie nach der Uni in einem indisch-pakistanischen Restaurant und jobbt zudem seit Dezember 2003 an einem Tag als Verwaltungskraft beim Fraunhofer Institut für biomedizinische Technik. Parallel absolviert sie ein Praktikum beim isoplan-Institut. In ihrer Diplomarbeit will sie sich mit der Kreditvergabe an kleine und mittelgroße Unternehmen in Entwicklungsländern befassen. Im Sommer 2004 möchte sie fertig sein. Genug von der Welt gesehen hat sie dann aber noch nicht: "Ich möchte erst für ein halbes Jahr einen Austausch in einem Entwicklungs- oder Transformationsland machen, dann suche ich mir in Duschanbe eine Stelle in der Entwicklungszusammenarbeit". Keine Frage, dass ihr das gelingen wird. (esf)

[ Seitenanfang ]


Manar Mahmoud Omar

"Lamun wa assal", empfiehlt Manar Mahmoud Omar bei Erkältungen: Zitrone und Honig, genauer: ein Löffel Honig, darauf ein bisschen Zitronensaft träufeln. Die Ägypterin war in Deutschland schon einige Male ordentlich verschnupft und griff auf heimatliche Hausmittel zurück. "Ich bin eine Berlinerin", lacht die Germanistin: Ihre Eltern promovierten in den 1970er-Jahren in der damaligen DDR. Manar wurde in Ost-Berlin geboren. In Kairo besuchte sie dann die Deutsche Schule. Trotz ihrer Vorprägung kam sie eher zufällig zur Germanistik. Aufgrund der engen Beziehungen ihrer Universität zu deutschen Institutionen in Kairo erfuhr sie dann von der Möglichkeit, mit einem Promotionsstipendium des DAAD nach Deutschland zu gehen. Einen Monat nach den Anschlägen vom 11. September begann sie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen ihre Arbeit zum Thema "Exotisches und Ästhetisches in ausgewählten Werken der 1990er-Jahre von deutschsprachigen Autoren arabischer Herkunft". Zwar kannte Manar Deutschland sehr gut, dennoch war sie aufgeregt vor ihrem Aufenthalt: "Ich wusste, ich würde neue Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen müssen und weit weg sein von meiner Familie und meinen Freunden. Wegen des Anschlags hatte ich große Angst und überlegte, den Beginn des Aufenthalts zu verlegen," erzählt sie. "Ich wusste nicht, wie man mit mir umgehen würde. Die Leute waren aber extrem freundlich."
"Ich habe untersucht, inwiefern Schriftsteller aus der arabischen Welt die Region in ihren deutschsprachigen Werken widerspiegeln. Ob sie verbreitete Stereotype wiederholen oder Modethemen aufgreifen, um ihre Texte besser verkaufen zu können - oder nicht." Ihr zufolge tendieren viele arabischstämmige Schriftsteller der 1. Generation - wie Rafik Schami - dazu, die Region "in eine magische Welt zu verlagern und die Realität auszublenden." Manche - wie Wadi Soudah - schrieben dann aber doch sehr realistisch, "erfüllen die Lesererwartung ein bisschen, geben dann aber Contra und revidieren die märchenhaften Bilder, gerne auch satirisch". Die deutsch sozialisierte 2. Generation der Literaten - wie Sherko Fatah oder Anis Hamadeh - spiele dagegen nicht mit der Exotik. Sie erzählen, wie Fatah in seinem mit dem aspekte-Preis ausgezeichneten Roman "Im Grenzland" aus einer dritten Perspektive über die Region. Ähnlich der Gewöhnung an Deutschland war auch Manars (Wieder-)Eingewöhnung in Ägypten bei ihrer Rückkehr im Oktober 2003 nicht einfach. "Jedes Mal ist es anders schwierig", sagt sie. Die Literaturwissenschaftlerin beendet zur Zeit an der Cairo University ihre Dissertation. Zur so genannten "Disputation" ihrer Promotion wird ihr Tübinger Betreuer in einigen Monaten nach Kairo kommen. Märchenhafte Bilder von 1001 Nacht wird er von der ägyptischen Hauptstadt sicher nicht (mehr) im Kopf haben. (esf)

[ Seitenanfang ]


Kamil Majchrzak

 

Seit seinem Diplom im September 2003 versucht der polnische Student Kamil Majchrzak (27) vergeblich, für sein Dissertationsvorhaben an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) eine Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. Nach Angaben der Ausländerbehörde soll der Jurist bis zum 31. März 2004 Deutschland verlassen. "Promovieren können Sie in Polen", habe die dortige Sachbearbeiterin gesagt, erzählt Kamil. Sein Dissertationsthema "Staats- und Völkerrechtliche Grundlagen von Auslandseinsätzen der polnischen Streitkräfte" knüpft an seinen erfolgreichen Studienabschluss (magna cum laude) an der Viadrina an. An dieser europäischen Universität, die sich auf die Forschung zu Ost-Europäischem Recht und Kultur ausgerichtet hat, bescheinigte die Juristische Fakultät ein wissenschaftliches und politisches Interesse an dem Dissertationsvorhaben. Dies überzeugt jedoch nicht die Ausländerbehörde. Sie spricht sich weiterhin gegen die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung aus. Verständlich, dass Kamil verärgert ist, dass ihm dies ausgerechnet an der Viadrina passiert. "Die Forderungen des Oberbürgermeisters der Stadt nach ‚Freizügigkeit sofort' erscheinen in diesem Zusammenhang als Feigenblatt der bereits an einer Promotion scheiternden EU-Osterweiterung", formuliert er gestochen scharf. Da er mit seinem Fall nicht alleine dasteht, beschäftigt sich nun auch die Stadtverordnetenversammlung mit dem Thema. Kamil referierte am 15. März im Hauptausschuss. Bei so viel öffentlichem Druck hofft er, dass die Ausländerbehörde ein Einsehen hat.

Sein Studium hat Kamil 1995 als einer der ersten Studierenden der Deutsch-Polnischen Juristenausbildung begonnen. Länger als die Regelstudienzeit hat er, der drei Jahre lang von der Begabtenförderung der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützt wurde, unverschuldet gebraucht. Nach zwei schlimmen Skinhead-Überfällen mit Baseballschläger und Waffe musste er jeweils sein Studium unterbrechen. Sein juristisches Wissen hat er, der seit den Schulzeiten auch sehr an Theater interessiert ist und neben dem Studium als Regieassistent beim Kinofilm "Lichter" mitwirkte, auch schon anderweitig anwenden können. So gab er einem polnischen Off-Theater in seiner Heimatstadt Wroclaw (Breslau) erfolgreich juristischen Beistand, als es um Entschädigungsforderungen von Autoren ging. Zudem gründete er eine der ersten Amnesty-International Gruppen in Polen und beriet dort Asylbewerber. Dieses Engagement stammt noch aus den Jahren des bosnischen Bürgerkriegs, als er Hilfskonvois nach Sarajevo organisierte und später auch durchführte. Aber das ist eine andere Geschichte. So wie die von Sancho Pansa und Don Quichotte, mit denen er die homepage eines Menschenrechtsforums (www.peaceresearch.com), bei dem er mitwirkt, geschmückt hat. Sie kämpfen für die Umsetzung der Menschenrechte. "Mit dem Kampf gegen Technokraten hat das aber nichts zu tun", lacht er. (esf)

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.