Integration in Deutschland
3/2004, 20.Jg., 28. September 2004
EDITORIAL |
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Liebe Leserin, lieber Leser, |
kaum war der Theaterdonner um das endlich verabschiedete Zuwanderungsgesetz verhallt, schallten mit enormen Echo im Sommerloch aus allen Gazetten moralingetränkte Kommentare über die Festsetzung der Cap Anamur nach der Rettungsaktion bei Lampedusa, und eine Woge der Entrüstung brandete auf nach der von Innenminister Schily formulierten Idee der Schaffung von EU-Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge in Nordafrika. Wie umsetzungsfähig solche Ideen angesichts der innenpolitischen Lage in den potenziellen Aufnahmeländern Afrikas auch immer sein mögen, hat die durch Schily angestoßene Diskussion und sein Verweis darauf, dass es sich bei der Bekämpfung der illegalen Migration um ein europäisches Problem handelt, doch erneut deutlich gemacht, dass die Zeit der nationalen Alleingänge in Sachen Migrations-, Integrations- und Reintegrationspolitik vorbei ist. Und: Wie der Blick auf die Entwicklung der Ausländerpolitik bei etlichen unserer europäischen Nachbarn zeigt, sind neue Konzepte dringend gefragt, stehen doch gerade die vor einem integrationspolitischen Scherbenhaufen, die noch vor einigen Jahren als Musterschüler galten. Dies gilt für die Niederlande, für Dänemark und vor allem für Frankreich, das in jüngster Zeit - so Regierungssprecher Jean-François Capé - zur Problematik der Integration von Einwohnern aus den ehemaligen französischen Kolonien zugestehen musste: „die Integration dieser Menschen ist total gescheitert“. In der Tat scheint der französische Traum der Assimilation von Migranten ausgeträumt (vgl. hierzu den Artikel auf S. 15). Die Ereignisse in den Ghettos von Paris, Lyon, Marseille, Straßburg und anderen Städten zeigen leider auch, wie schnell interkulturelle Konflikte in Kriminalität umschlagen können. Es ist ein schwieriges Thema, das wir uns als Schwerpunkt dieser AiD-Ausgabe ausgesucht haben, ein Thema mit unendlich vielen Facetten, überfrachtet mit stammtischgeräucherten Vorurteilen und leider wenig wirklich aussagefähigen Fakten und Analysen. Einige davon möchten wir Ihnen in diesem Heft näher bringen. ... Frankreich, Migration, Konflikte ..., da muss ich an meine Kindheit denken, im damals noch französischen Saarland nach dem letzten Krieg. Nicht wenige Arbeiter der unter französischer Regie stehenden Gruben und Eisenwerke kamen aus Marokko und Algerien. „Mokscher“ wurden sie beschimpft und allen war klar, dass sie es waren, wenn ein Diebstahl geschah und dass sie, abgesehen davon, ständig deutsche Mädchen belästigten. So machten wir als Kinder immer einen großen Bogen, wenn eine Gruppe „Mokscher“ gesichtet wurde. Mindestens ebenso deutlich in Erinnerung sind mir aber aus diesen Jahren auch die Bilder einer riesigen aufgebrachten Menschenmenge vor dem größten Versammlungssaal der Stadt, die mit immer größerer Aggression „der Dicke muss weg“ skandierte und anschließend zum tätlichen Angriff auf die französischen „Flics“ überging und deren Autos in Brand steckte. „Der Dicke“, auf Tausenden kleiner Aufkleber auch als „Joho, der Kohlenklau“ tituliert, war Johannes Hoffmann, offiziell „Président du Conseil de la Sarre“ und Verfechter einer europäischen Lösung für das Saarland. In der Volksabstimmung 1955 wurde diese Möglichkeit mit überwältigender Mehrheit abgelehnt und das Saarland kehrte (wieder einmal) „heim ins Reich“. Die Bilder prügelnder Saarländer und brennender Autos habe ich nie vergessen; an prügelnde Marokkaner kann ich mich nicht erinnern. Was natürlich nicht heißt, dass ... Na ja, es ist halt ein schwieriges Thema, das nur mit sehr viel Kompetenz und Sensibilität behandelt werden kann; alte Vorurteile sollen nicht verstärkt werden. Ich hoffe, die Beiträge in diesem Heft entsprechen diesem Anspruch. In diesem Sinn grüßt Sie Ihr Dr. M. Werth, Herausgeber |
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