Integration in Deutschland 2/2005, 21.Jg., 15. Juni 2005

EDITORIAL

„Alles bleibt anders“ lautet der Titel eines Grönemeyer-Songs und einer Veranstaltungsreihe, mit dem der Saarbrücker Verein Ramesch Interesse für Migrationsthemen wecken will. Der Titel verweist darauf, dass Unterschiede toleriert werden können und sollten. Und dass das Leben aus Veränderungen besteht. Manchmal muss man sich wandeln. Probleme wie demographischer Wandel, die Finanzierung der sozialen Sicherung und Arbeitsmarktfolgen der EU-Erweiterung wurden lange vernachlässigt. Das Zuwanderungsthema immerhin ist angegangen worden. Mit Blick auf eine mögliche neue Bundesregierung fragt sich, ob es Änderungen geben wird – oder ob alles so bleibt?

In den 50 Jahren seit der ersten Anwerbevereinbarung haben grundlegende Probleme der Integration – fehlende Deutschkenntnisse, Bildungsdefizite und erschwerter Zugang zum Arbeitsmarkt, Segregation oder auch häusliche Gewalt – nicht die nötige Aufmerksamkeit gefunden. Dabei sind die meisten Herausforderungen gar nicht spezielle Probleme der Migrantengruppen. Allerdings: hier werden die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte besonders deutlich. Wir alle sind gefordert, uns ihnen zu stellen. Man darf ihnen nicht ausweichen.

Erst seit kurzem wird konzentriert an konstruktiven Lösungen gearbeitet, werden die Potenziale von Zuwanderern in den Vordergrund gerückt. In diesem Jahr wird beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, parallel zur Umsetzung der Integrationskurse, an einem Integrationsprogramm gearbeitet. Das Bundesamt hat darauf hingewiesen, dass Integrationspolitik nicht allein Sache von Behörden und Fachöffentlichkeit sei, sondern wesentlich in der Aufnahmegesellschaft stattfinden müsse: Auch die Bürger müssen sich engagieren. Immerhin ist das Thema durch die Gesetzesdebatte in das Zentrum deutscher Gesellschaftspolitik gelangt, meint auch der Migrationsforscher Prof. Klaus Bade und betont, dass dies ein historischer Schritt sei. Aber ob der parteiübergreifende Konsens ausreicht, Wahlkämpfer davon abzuhalten, mit Fragen der Einwanderung auf populistischen Stimmenfang zu gehen? Das wäre einmal etwas anderes. Es wäre freilich eine Illusion zu glauben, dass man einmal Erreichtes unverändert behalten könnte, zum Beispiel die alte Bundesrepublik unter dem Einfluss der Globalisierung. Es bleibt alles anders, weil es schon immer anders (also verschieden) war: die Löhne in West und Ost, religiöse Wertvorstellungen, auch das Verhältnis zwischen Mann und Frau. Oder lässt sich doch etwas verändern?

Die Haustür auf unserem Titel zierte lange ein schwarzer Mann, bedrohlich irgendwie. Dann kam die rote Frau dazu. Eine Beziehung entstand - und eine neue Aussage. Schaut man jetzt hin, sieht man eine Gewaltszene. Weiß man aber, dass der Mann erst alleine war, kriegt er eins auf den Kopf - witzig. Unser Schwerpunktthema ist dagegen ernst. Wir wollen Gelassenheit in die aufgeregte Debatte bringen: Nein, häusliche Gewalt ist kein migrantenspezifisches Thema. Aber eins, bei dem aufgrund besonderer Ausprägungen und Problemlagen noch viel zu tun bleibt.

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