Integration in Deutschland 2/2005, 21.Jg., 15. Juni 2005

SCHWERPUNKT: HÄUSLICHE GEWALT

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Studien zu "Gewalt im Leben von Frauen und Männern"

 

Gewalt gegen Frauen und Mädchen gehört zu den schweren Menschenrechtsverletzungen. Im Rahmen des 1999 vorgelegten Aktionsplans der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen wurden drei Studien initiiert, die Ende 2004 vorgelegt wurden.

Häusliche Gewalt wird zumeist zu Hause angewendet, also dort, wo eigentlich Sicherheit und Geborgenheit gesucht werden. Häusliche Gewalt wird in etwa 80 % der Fälle von Männern ausgeübt. Schätzungen zufolge wird etwa jede dritte bis fünfte Frau Opfer häuslicher Gewalt. Häusliche Gewalt umfasst verbale Beeinträchtigungen wie Bedrohungen, Erniedrigungen und Beleidigungen als auch körperliche Gewalt jeder Art und Intensität (z.B. Schläge, sexuelle Gewalt, Vergewaltigung, Totschlag, Mord). Häusliche Gewalt wird in allen sozialen Schichten unabhängig vom Bildungsgrad oder den Einkommensverhältnissen angewendet.

Folgen dieser Gewaltanwendung können Herzrasen, schweißnasse Hände, Panikattacken, Schlaflosigkeit, Selbstmordgedanken oder ähnliches sein. Diese Folgen können von den Opfern häufig nicht mehr aus dem Alltag ferngehalten werden und das soziale Umfeld und selbst die Arbeitstätigkeit gefährden. Die Täter können den Opfern das Leben zum Alptraum machen. Um den Opfern häuslicher Gewalt wieder ein normales Leben zu ermöglichen, ist zum 1. Januar 2002 das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) in Kraft getreten. Es gibt den Opfern die Möglichkeit, gegen ihre Peiniger vorzugehen.

In der im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erstellten Studie "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland" wurden auch Migrantinnen gesondert befragt. 49 % der türkischen und 46 % der osteuropäischen Migrantinnen haben seit dem 16. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. In der Hauptuntersuchung lag der Durchschnitt bei der weiblichen Bevölkerung bei 40 %. Im Einzelnen erleben türkische Migrantinnen mehr körperliche (46 % gegenüber 37 % der Frauen insgesamt) und osteuropäische Migrantinnen mehr sexuelle Gewalt (17 % versus 13 %). Beide erleiden zudem häufiger Verletzungen. Tendenziell sind türkische Migrantinnen eher Opfer von Gewalt in Paarbeziehungen und in der Familie sowie von massiveren Formen sexueller Gewalt, während Osteuropäerinnen stärker von sexueller Gewalt durch fremde oder kaum bekannte Täter, auch am Arbeitsplatz, betroffen sind.

Eine besondere Problematik stellen Zwangsheiraten dar. Von den 143 befragten Türkinnen, die mit einem Türken verheiratet sind oder waren, hat etwa ein Viertel (25 %) den Partner vor der Heirat nicht kennenlernen können. Bei der Hälfte der 143 Frauen wurde der Partner von Verwandten ausgewählt. 75 % dieser Frauen waren mit der Wahl einverstanden, 23 % hätten den Partner lieber selbst ausgewählt. Etwa ein Viertel der Frauen, deren Partner durch Verwandte ausgewählt worden war, war nicht nach ihrer Meinung gefragt worden. 17 % hatten bei der Heirat das Gefühl, zur Ehe gezwungen zu werden. Eine höhere Betroffenheit zwangsverheirateter Frauen durch Partnergewalt konnte nicht festgestellt werden.

Von einem besonders hohen Ausmaß an Gewalt in verschiedenen Gewaltformen und -kontexten betroffen sind Flüchtlingsfrauen. "Es ist problematisch, dass diese oftmals bereits in der Heimat und auf der Flucht viktimisierten und hoch traumatisierten Frauen auch in Deutschland in so hohem Maße körperlicher (51 %), sexueller (25 %) und psychischer (79 %) Gewalt ausgesetzt sind", heißt es. Über die Hälfte der befragten Flüchtlingsfrauen, die in einer Beziehung leben, sind von Gewalt durch den aktuellen Partner betroffen. Es handelt sich oft um Gewalt von hoher Intensität und Frequenz. Besorgnis erregend sind auch Gewalt und rassistische Übergriffe durch Mitbewohner/innen sowie deutsches Personal in Wohnheimen und im Kontext psychosozialer Betreuung. (esf)

Mehr Informationen 
zu den Studien finden sich in: http://www.bmfsfj.de/Kategorien/
Forschungsnetz/forschungsberichte.html
 

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Folgerungen aus den Studien

 

Berlin/Osnabrück. Mit einem internationalen Kongress am 23. September 2004 in Osnabrück hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wurde erstmals ein Forum geschaffen, auf dem das Thema "Gewalt gegen Frauen und Männer" gemeinsam betrachtet werden konnten. Über 700 Teilnehmende diskutierten über die Ergebnisse von drei Studien des Ministeriums: die Studie "Gemeinsam gegen häusliche Gewalt - Kooperation, Intervention, Begleitforschung", die Studie "Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland" (siehe vorangehenden Artikel) und die Pilotstudie: "Gewalt gegen Männer".

Wenngleich die Bekämpfung von Gewalt heute eines der vordringlichsten Ziele der Bundesregierung ist, wurde doch auch deutlich, dass trotz vieler Errungenschaften und Bemühungen in den letzten 30 Jahren - von der Gründung der Frauenhäuser bis zum Gewaltschutzgesetz - noch viel Arbeit bleibt. Die Kräfte von staatlichen Stellen und freien Trägern seien zu bündeln, um von Gewalt betroffenen Frauen früh zu helfen, hieß es. Die viel versprechenden Schulungen von Fachkräften in Ärzteschaft, Polizei und Justiz; gelte es weiter auszubauen.

Im Rahmen einer Rede über Herausforderungen der künftigen Integrationspolitik sagte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marieluise Beck, am 19. Mai 2005: "Migrantinnen brauchen unsere Unterstützung. Sie werden häufiger Opfer familiärer Gewalt und geraten oft in den Konflikt zwischen den Wertvorstellungen ihrer konservativen, patriarchal geprägten Familien und ihrem Wunsch nach Teilhabe in der modernen Gesellschaft." Mit der Einführung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts, mit der Strafverschärfung bei Zwangsverheiratung und dem Gewaltschutzgesetz seien die Rechte der Frauen gestärkt worden.

Beck betonte jedoch auch, dass Migrantinnen durch gezielte Aufklärungsarbeit in und mit den Migrantencommunities müssen über ihre Rechte informiert werden müssten. Weitere gesetzliche Änderungen, vor allem eine aufenthaltsrechtliche Rückkehrperspektive für Opfer von Zwangsheirat, sind ihr zufolge nötig. "Wir müssen dabei den Fokus auf den Opferschutz legen. Einschränkungen des Ehegattennachzugs würden Zwangsehen dagegen kaum verhindern, sondern die Rechte von Frauen und Familien beschneiden. (esf)

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Dokumentation der Tagung "Verbrechen im Namen der Ehre"

 

Tübingen. Am 9. März 2005 führte die Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin in Zusammenarbeit mit Terre des femmes e.V. eine Fachtagung "Verbrechen im Namen der Ehre" durch. Inzwischen gibt es eine Dokumentation der Fachtagung, die bei Terre des Femmes in gedruckter Form erhältlich ist bzw. elektronisch angefordert werden kann. Ferner ist beim Verein die Publikation "Tatmotiv Ehre" neu erschienen. Sie kann für 9,90 Euro bestellt werden. Die Organisation hat ferner begonnen, ihr bisheriges Engagement mit Blick auf Aufklärungsarbeit an Schulen zu verstärken. Jugendliche werden aufgeklärt zu den Themen Ehrverbrechen, Genitalverstümmelung, Frauenhandel und Zwangsprostitution. Die Bildungsarbeit des Vereins bezieht auch das Lehrpersonal mit ein. (esf)

Bezug: Terre des femmes e.V., Bernadette Einsmann, Referat für Eilaktionen/Einzelfallhilfe, Konrad-Adenauer-Str. 40, D-72072 Tübingen, Tel.: 07071/7973-0, Fax: - 22, www.frauenrechte.de 

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TBB fordert Ächtung von Intoleranz gegenüber Frauen

 

Berlin. Der türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) hat zur Ächtung der Frauen-Diskriminierung in der Gesellschaft aufgerufen. Bei einem "Runden Tisch" am 25. Februar 2005 mit Behörden, islamischen Vereinen und Bildungseinrichtungen legte die Organisation einen Zehn-Punkte-Plan "zur Bekämpfung der Intoleranz gegenüber Frauen" vor. Der Runde Tisch und Berlins Schulsenator Klaus Böger begrüßten die Initiative. Das Treffen war in Reaktion auf den "Ehrenmord" an einer türkischstämmigen Berlinerin und die nachfolgende Debatte über Integrationsdefizite anberaumt worden. In dem Papier wird gefordert, dass alle türkischen und islamischen Organisationen sich öffentlich zum Selbstbestimmungsrecht der Frauen bekennen müssten. Die zwangsweise Verheiratung von Frauen müsste strikter Strafverfolgung unterliegen. An einer Berliner Universität solle ferner ein Lehrstuhl für islamische Theologie eingerichtet werden, an den Schulen soll es Islam-Unterricht geben. In der Schulverwaltung der Hauptstadt wird nach Angaben eines Staatssekretärs geplant, Werteunterricht als Pflichtfach einzuführen. Dies gehe in dieselbe Richtung.

Einmütig betonten alle Teilnehmer, darunter der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky und Schulleiter Volker Steffens von der Neuköllner Thomas-Morus-Oberschule, an der einige Schüler den Mord gutgeheißen hatten, dass Gewalt gegen Frauen nicht geduldet werden könne. Buschkowsky sagte zu dem Fall an der Schule, der bundesweit Schlagzeilen ausgelöst hatte, dieser sei "nicht die berühmte Ausnahme". Solche Sprüche von Schülern seien in bestimmten Gebieten auf fast jedem Schulhof zu hören. Schulleiter Steffens, der für seinen Offenen Brief zu dem Vorgang am Runden Tisch mehrfach Anerkennung und Respekt erhielt, sagte, bei der dem Mord folgenden Debatte sei an seiner Schule "eine Stärkung der demokratisch denkenden Schüler herausgekommen". (esf)

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Viele Betriebsleiter nehmen keine Migrantinnen

 

Berlin. Die immer wieder aufflammende Debatte über Gewalt gegen muslimische Frauen in Deutschland wird nach Ansicht der Migrationsbeauftragten der Bundesregierung, Marieluise Beck, zunehmend zum Integrationshindernis. "Die allgemeine Zuschreibung der Rückständigkeit wird zum absoluten Integrationshemmnis für Migrantinnen", sagte Beck Mitte Mai 2005 in Berlin. Allein in Berlin seien beispielsweise von rund 31 000 Auszubildenden in IHK-Berufen nur 196 Türkinnen. Viele Betriebsleiter nähmen prinzipiell keine Migrantinnen.

Zwangsheirat sei zwar nach Einschätzung von Beck unter Migranten die Ausnahme, dennoch müsse dagegen verstärkt vorgegangen werden. So müsse das Rückkehrrecht von Migrantinnen nach Deutschland verlängert werden, wenn diese beispielsweise während einer Reise in ihr muslimisches Herkunftsland Opfer einer Zwangsheirat werden, forderte Beck. Türkische Migrantinnen würden nach einer Studie des Bundes mit 46 % öfter Opfer von Gewalt als Frauen in Deutschland insgesamt (37 %). In der Debatte hierüber werde aber oft der falsche Eindruck erweckt, das Ausmaß häuslicher Gewalt sei auf die Gesamtheit der Migranten übertragbar. (esf)

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Schutz von Ehe und Familie gilt auch für ausländische Ehegatten

 

Berlin. Zur Forderung des niedersächsischen Innenministers Schünemann, den Nachzug ausländischer Ehegatten zu beschränken, erklärte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marieluise Beck am 9.Mai 2005: "Der Schutz von Ehe und Familie ist für die Innenminister der unionsgeführten Länder offensichtlich kein sehr hohes Gut. Mit der Forderung des niedersächsischen Innenministers Schünemann nach massiven Einschränkungen des Familiennachzuges wird keine einzige Zwangsehe verhindert, wohl aber wird das Familienleben von Zehntausenden ausländischer und binationaler Familien behindert." Wer den Opfern von Zwangsehen wirklich helfen wolle und "nicht nur Krokodilstränen vergießt", müsse ihnen hier helfen und dürfe sie nicht ihrem Schicksal im Herkunftsland überlassen, so Beck weiter.

Mit dem Ruf nach Mindestalter und Sprachtests für Ehegatten werde vor allem das Zusammenleben von ausländischen und binationalen Familien in verfassungswidriger Weise eingeschränkt. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits vor Jahren Wartezeiten beim Ehegattennachzug "zu Recht als verfassungswidrig abgelehnt". Unter dem Vorwand der Bekämpfung von Zwangsehen solle diese integrationsfeindliche Beschränkung nun "durch die Hintertür" eingeführt werden, sagte die Migrationsbeauftragte. Integrationspolitisch paradox sei es, wenn ausländische Ehegatten nun wegen fehlender Deutschkenntnisse nicht nur von der Teilnahme an Deutschkursen ausgeschlossen, sondern gleich gänzlich am Zusammenleben gehindert werden sollen. Dies führe den integrationspolitischen Kompromiss des Zuwanderungsgesetzes ad absurdum. (esf)

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Berliner Inititiative gegen Zwangsheirat

 

Berlin. Das Land Berlin wird einen eigenen Gesetzentwurf gegen so genannte "Zwangsheiraten" in den Bundesrat einbringen und einen ähnlichen Vorschlag Baden-Württembergs ergänzen. Das teilte Justizsenatorin Karin Schubert am 31. Mai 2005 zu einem entsprechenden Senatsbeschluss mit (FAZ vom 01.06.05). Opfer von Zwangsheiraten sollen straf- und zivilrechtlich sowie in ihren Aufenthaltsrechten gestärkt werden. Die Frauen sollen beraten und geschützt werden. Die zwangsweise Verheiratung von jungen Menschen soll ein Straftatbestand werden. (esf)

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Tipps zum Umgang mit häuslicher Gewalt

 

Zürich. Häusliche Gewalt kommt in allen Kreisen vor - nur in manchen vielleicht etwas häufiger. Was wir aus Polizeistatistiken und Prävalenzstudien lernen können hat die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen in der im Juni 2005 erschienenen Ausgabe 1/2005 der Zeitschrift "Frauenfragen" zusammen getragen. Maja Minder gibt Ratschläge darüber, wie häusliche Gewalt im Migrationskontext professionell angegangen werden kann, wobei das Motto "Kompetenz statt Kulturalisierung" heißt. Unter anderem schildert Carola Reetz die rechtliche Situation gewaltbetroffener Migrantinnen, Julia Betschart-Velazquez berichtet über die Erfahrungen eines Projektes mit Sensibilisierung und Weiterbildung, während Martha Weingartner über die Erfahrungen eines Krankenhauses schreibt. Ferner geben Marlene Eggenberger und Karin Haeberli Tipps, wie Migrantinnen bei häuslicher Gewalt besonders geschützt werden können. (esf)

Bezug: Eidgenössische Kommission für Frauenfragen, Schwarztorstr. 51, CH-3003 Bern, Fax: +41(0)31/3229281, ekf@ebg.admin.ch, www.frauenkommission.ch

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ILO: Zur Zeit 15.000 "Zwangsarbeiter" in Deutschland

 

Berlin. Mindestens 12,3 Millionen Menschen weltweit arbeiten unter Zwang oder sklavenähnlichen Bedingungen. Und das nicht nur in Asien, Afrika oder Lateinamerika, erklärte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) am 11. Mai 2005 in Berlin. Auch in Deutschland gibt es Zwangsarbeiter - vor allem weibliche. Zwei von drei der geschätzt 15.000 Betroffenen in Deutschland seien Frauen, sagte Norbert Cyrus, der für die ILO die Zwangsarbeit in Deutschland untersucht hat. Den Frauen, die häufig unter falschen Versprechungen illegal über die deutsche Grenze gebracht und dann ihrer Papiere beraubt werden, droht in der Regel Zwangsprostitution oder andere Arbeit in der Sexindustrie. Rund 60 % der Zwangsarbeit in Deutschland muss nach Schätzungen von Cyrus in Bordellen oder Nachtclubs geleistet werden. Doch auch auf dem Bau und in der Landwirtschaft werden - vor allem Männer - zur Arbeit gezwungen. Ob die Zahl der Betroffenen in den vergangenen Jahren eher angestiegen oder gesunken ist, konnte Cyrus nicht sagen, da Vergleichszahlen zu den vor zwei Jahren erhobenen Daten fehlten. Auch die Frage, ob der umstrittene Visaerlass zu einer Zunahme der Zwangsarbeit geführt habe, sei nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen, sagte er gegenüber der Tageszeitung (taz vom 12.05.05). Cyrus sieht hier keinen direkten Zusammenhang. Die Erhebung von Daten im Bereich der Illegalität und organisierten Kriminalität sei grundsätzlich problematisch. Auch die genannte Ziffer von 15.000 Zwangsarbeitern in Deutschland ist lediglich eine grobe Schätzung.

Etwas fundierter ist die Datenbasis bei der weltweiten Untersuchung, die die ILO parallel zu den einzelnen Länderstudien erstellt hat. Diese stütze sich auf ein so genanntes doppeltes Stichprobenverfahren, sagte Beate Andrees vom ILO-Büro in Genf. Die meisten Zwangsarbeiter gibt es danach in Asien - rund 9,5 Millionen Menschen. Grund sei unter anderem die traditionelle "Schuldknechtschaft" in Indien. In Lateinamerika ermittelte die ILO 1,3 Millionen Menschen in Zwangsarbeit, in Afrika rund eine Million. In den Industrieländern schätzt die ILO die Zahl auf 360.000. Fast die Hälfte aller Ausgebeuteten seien Kinder unter 18 Jahren. Der finanzielle Gewinn, der mit diesen Menschen gemacht wird, ist enorm: 44 Milliarden US-Dollar, allein 32 Milliarden davon durch den Menschenhandel.

Um gegen die Zwangsarbeit vorzugehen, fordert die ILO langfristige Präventionsprogramme zur Armutsbekämpfung. So könne Migration in legale Bahnen gelenkt werden. Für Deutschland forderte Cyrus, Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit zu bestrafen. So verringere sich das Drohpotenzial, mit dem Ausbeuter ihre Opfer vor dem Gang zur Polizei warnen. Dass seit Anfang 2005 Menschenhandel stärker bestraft wird, begrüßte die ILO. Die Organisation fordert darüber hinaus die Einführung von Mindeststandards für Arbeitsbedingungen bei informellen Beschäftigungsverhältnissen, wie zum Beispiel bei Haushaltshilfen. Zudem spricht sich die ILO für eine Ausweitung des Entsendegesetzes über die bereits erfassten Berufe - Bauarbeiter, Maler, Dachdecker - hinaus aus. So soll ausländischen Arbeitnehmern, die in Deutschland ihre Dienste leisten, der gleiche Lohn wie Deutschen gezahlt werden.
Seit einiger Zeit gibt es Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel. Bundesweit agierende Einrichtungen wie die Diakonie oder lokale einrichtungen wie "Kobra" in Hannover, die Dortmunder Mitternachtsmission e.V., agisra e.V. in Köln oder Solwodi e.V. in Duisburg unterstützen und helfen Frauen, die zur Prostitutionsausübung gezwungen werden. Dennoch werden Opfer des Menschenhandels noch nicht ausreichend unterstützt. Auch die Täter werden nicht konsequent genug verfolgt. Zudem sollte der Menschenhandel auch in den Herkunftsländern der Opfer besser mit präventiven Maßnahmen - insbesondere Aufklärungsmaßnahmen - bekämpft werden, fordern viele Institutionen. (esf)

Infos: www.solwodi.de, www.agisra.dewww.frauennrw.de, www.diakonie.dewww.bka.de 

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Drogenbericht und Suchtprävention

 

Berlin. Die Zahl der Rauschgifttoten ist im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 1989 gesunken. Gleichwohl nimmt der Konsum illegaler Rauschgifte wie Cannabis und Ecstasy zu. Rückläufig dagegen ist die Zahl der Raucher, vor allem unter den Heranwachsenden. Das geht aus dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung hervor, den die Drogenbeauftragte Caspers-Merk am 17. Mai 2005 in Berlin vorstellte. 2004 seien 1385 Menschen nach dem Konsum illegaler Drogen gestorben. Damit sei der Trend seit dem Jahr 2000 rückläufig. Angaben zu Drogentoten mit Migrationshintergrund macht der Bericht nicht. Es wird jedoch auf den bestehenden Zusammenhang zwischen Migration und Sucht hingewiesen. Die beste Suchtprävention sei die Integration der Migrantinnen und Migranten, heißt es.

Deshalb fördert das Bundesministerium des Innern (BMI) zahlreiche Maßnahmen zur Integration. Hervorgehoben wird hierbei insbesondere das Projekt "Integration durch Sport", das gemeinsam mit dem Deutschen Sportbund seit 1989 durchgeführt wird. Im Jahr 2001 ist das Projekt, das bis zu diesem Zeitpunkt unter dem Titel "Sport mit Aussiedlern" geführt wurde, für weitere Zielgruppen (Ausländer und benachteiligte deutsche Jugendliche) geöffnet worden. Im Haushaltsjahr 2004 wurden hierfür rund 5,7 Mio. Euro bereitgestellt.

Ferner sind im Haushaltsjahr 2004 aus Integrationsmitteln des BMI acht Modellmaßnahmen zur Suchtprävention an acht Standorten, insbesondere für drogengefährdete und -abhängige Aussiedler, gefördert worden. Da Aussiedler die Regelangebote häufig von sich aus nicht nutzen, werden hierbei mittels gezielter sozialpädagogischer Betreuung drogen-gefährdete bzw. -abhängige Aussiedler veranlasst, die Beratungsstellen aufzusuchen und Behandlungs- bzw. Nachsorgemaßnahmen wahrzunehmen.

Andernorts bestehen selten solche gezielt migrantenspezifischen Angebote. Schon die Grundversorgung ist nicht immer gewährleistet. So ist in der Nacht zum 3. Januar 2005 ein obdachloser Nutzer des ehemaligen Notquartiers des Drogenhilfezentrums Saarbrücken, das im Sommer 2003 ersatzlos aus den Angeboten der Drogenhilfe gestrichen wurde, auf dem Gelände des Güterbahnhofes tot aufgefunden worden. Sein Tod wäre bei einem Überlebenshilfeangebot einer Notschlafstelle höchstwahrscheinlich nicht passiert, so Akzept Saar e.V., Verein für akzeptierende Drogenarbeit und humanitäre Drogenpolitik in einer Presseerklärung. Seit der plötzlichen Schließung der Notschlafstelle des Drogenhilfezentrums drohe obdachlosen Drogenabhängigen der Tod auf der Straße, hieß es weiter. Die Drogenszene habe nachts keinen Zugang mehr zu notwendigen Präventionsmitteln, wie etwa Kondomen, sterilem Spritzbesteck sowie Erster Hilfe bei einer Überdosierung. Noch härter seien die Frauen, die sich nachts auf der Straße prostituieren, von der Schließung des niedrigschwelligen Angebots betroffen: ihnen fehlt zudem die Möglichkeit der notwendigen Hygiene sowie ein Ruhe- und Schutzraum vor gewalttätigen Freiern. Betroffen sind in steigender Zahl auch Drogenkranke aus Migrantenfamilien. So stammt der erste Saarbrücker Drogentote des Jahres 2005 aus einer Aussiedlerfamilie. (esf)

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"kalt gemacht"

 

"Wie definiert man sowas wie mich? Abschaum, Krimineller, kranker Mensch, klar, das wär das leichteste, das wär am coolsten, das wär leicht, dann is die Sache gegessen, alles klar, er hat sein Ruf, er hat sein Stempel, er is krank, er isn Junkie, er isn Krimineller, er is was weiß ich was. (...) ich komm ... nicht klar mit dieser Scheiß-Gesellschaft hier. Wenn ich die schon sehe, die Leute hier, ich krieg das Kotzen. Meine Eltern leben inner Türkei, ich mein, ich hab nie von denen Gefühle gezeigt bekommen, oder doch, die haben Gefühle gezeigt, aber nur Aggression und Schläge. Meine Eltern haben mich nicht aufgeklärt ... oder mich innen Arm genommen, das gab es nicht. Bin ich deswegen vielleicht so kalt? Haben mich die Drogen kalt gemacht? Hat mich das Leben kalt gemacht? Deswegen fühl ich mich zwischen all den Millionen Menschen hier in diesem Scheiß-Land allein."

Aus: Feridun Zaimoglu: "Abschaum. Die wahre Geschichte des Ertan Ongun", Rotbuch Verlag, Berlin 1997, S. 181

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"Hürriyet" startet Aufklärungs-
kampagne

Frankfurt/Main. Die türkische Zeitung "Hürriyet" hat am 22. Mai 2005 mit einer Auftaktveranstaltung im Frankfurter Römer eine Informationskampagne gegen häusliche Gewalt begonnen. Ziel der Aktion ist es, "Gewalt in den Familien, von der zumeist Frauen und Kinder betroffen sind, mit allen ihren verheerenden und bleibenden Schäden für sämtliche Familienmitglieder bloß zu stellen und dazu beizutragen, dass in Familien keine Gewalt mehr herrscht". Der Kommunikationschef der Zeitung, Temucin Tüzecan, verspricht sich davon in der deutschen Öffentlichkeit positive Aufmerksamkeit für sein Haus und hofft, bei den Lesern anzukommen: "Keine andere große Firma hat häusliche Gewalt zum Thema ihres Marketings gemacht." Tüzecan weiß, dass er sich auf schwieriges Terrain wagt: Zum einen gesteht man ein, dass dies ein Thema ist. Zum anderen beharrt er darauf, dass es in türkischen Familien nicht gewalttätiger zugehe als in anderen.

Mit der Aktion handelte sich die Zeitung jedoch zunächst vor allem den Vorwurf der Scheinheiligkeit ein. Schließlich hatte "Hürriyet" nach der Ermordung einer jungen Türkin durch ihre Brüder in Berlin im Februar 2005 wochenlang in herabwürdigender Weise drei türkisch-deutsche Autorinnen kritisiert -Seyran Ates, Serap Cileli und Necla Kelek (vgl. AiD-Interview 1/05) -, die die Ursache in den patriarchalen Strukturen der türkischen Gesellschaft suchten. Kristina Köhler, Islamismus-Berichterstatterin der CDU, findet es "einigermaßen bigott, dass "Hürriyet" eine solche Kampagne startet, auf der anderen Seite aber Autorinnen, die sich des Themas ebenfalls annehmen, massiv angreift".

Gleichwohl war eine ähnliche Kampagne von Oktober bis Dezember 2004 schon erfolgreich in der Türkei gelaufen. Initiiert hatte sie die Tochter des türkischen Medienmoguls Aydin Dogan und Geschäftsführerin der Zeitung, Vuslat Dogan Sabanci. Für sie ist häusliche Gewalt "eines der wichtigsten gesellschaftlichen Probleme in der Türkei". Nach Tüzecans Angaben ließ sie sich der Dogan-Verlag, der die "Hürriyet" herausgibt, 150.000 Euro kosten. Es gab eine Telefon-Hotline, ein Informationsbus fuhr durch Istanbul, 1.600 Menschen nahmen an Trainings zu friedlicher Konfliktlösung teil.

Die Übertragung der Kampagne auf Deutschland war, so Ayhan Can von der Redaktionsleitung der Deutschland-Ausgabe, schon geplant, ehe das Thema hier in die Schlagzeilen kam. Hürriyet wollte für die Kampagne auch die Frauenrechtsorganisation "Terre des femmes" mit ins Boot holen und Bundesfamilienministerin Renate Schmidt als Schirmherrin gewinnen. Nach den Ausfällen gegen Necla Kelek und andere zogen sie ihre Unterstützung jedoch zurück.

In Deutschland tragen 30 ehrenamtliche Multiplikatoren das Thema in türkische Vereine. Von einer Telefonhotline aus werden türkische Frauen, die familiärer Gewalt ausgesetzt sind, an auf Migrantinnen spezialisierte Hilfsorganisationen weitervermittelt. In den Städten Berlin, Frankfurt, Köln, Hamburg und München werden Veranstaltungen organisiert, auf denen Experten (Psychologen, Soziologen, Polizeibeamte) zum Thema referieren. Hürriyet begleitet diese Reihe mit ihrer Berichterstattung vor Ort, um die Informationen der Community zugänglich zu machen. So erschienen zum Beispiel Texte zu "Methoden zur Wutkontrolle" oder "Hinschauen ist angesagt".

"Hürriyet" ist mit einer Auflage von 500.000 in der Türkei die größte Tageszeitung; unter Türken in Deutschland ist sie mit 52.000 Exemplaren Marktführer. Die Zeitung hat Boulevard-Charakter, bietet aber auch längere Kommentare. In der Vergangenheit hat die Zeitung immer wieder türkischstämmige Migranten, die die türkische Politik bzw. Gesellschaft kritisierten, in ungewöhnlich starker Form angegriffen. Seit der Ablösung des damaligen Redaktionsleiters im Jahr 2001 wurde der Ton jedoch gemäßigt. (esf)

Hotline in türkischer und deutscher Sprache: 01805 - 227706 (Montag: 10:00 - 13:00 Uhr, Mittwoch: 13:00 - 17:00 Uhr, Freitag: 16:00 - 20:00 Uhr)

Infos: http://www.hurriyet.de/hurriyet/
kampagnede/index.php?navi=ail
 

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Gewalt im Islam?

 

Gewalt gegen Frauen, so aktuelle Untersuchungen, ist in Migrantenfamilien weit verbreitet. So sind zum Beispiel Türkinnen häufiger Opfer von Gewalt als deutsche Frauen. Dennoch wenden sich betroffene Frauen fast nie an Hilfsorganisationen. Damit aber Gewalt und Ehrenmorde nicht weiter zunehmen, brach die Soziologin Necla Kelek mit diesem Tabu (vgl. Interview in AiD 1/05). In Kooperation mit den beiden Kirchen wagte sich dann die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB), im April 2005 eine Tagung zur Gewaltproblematik durchzuführen. Denn seit Kelek mit ihrem Buch über Zwangsehen Aufsehen erregte, sehen sich viele Muslime in einer Verteidigungsposition. Sie stehen auf dem Standpunkt: "Da jetzt alle gegen uns sind, müssen wir erst einmal zusammenhalten und keine Selbstkritik üben". Schließlich hat Kelek behauptet, 50% der muslimischen Frauen würden zwangsverheiratet.

Dass es Gewalt in türkisch-muslimischen Familien gibt und dass Hilfsangebote fehlen, bestätigt die Soziologin Ursula Boos-Nünning. "Aber wir wissen nicht, wie häufig Gewalt in türkischen Familien vorkommt. Und in das Nichtwissen wird einfach behauptet, es käme sehr häufig vor", gibt Boos-Nünning zu bedenken. In einer Befragung zu einer Studie des Bundesfamilienministeriums gab jede zweite Türkin an, dass der Ehepartner von den Eltern ausgesucht wurde. Für Kelek, gegen die in der türkischen Zeitung Hürriyet seit dem Tabubruch eine Diffamierungskampagne läuft, eine Bestätigung ihrer Studie. Boos-Nünning aber verweist auf die familiären Strukturen und unterscheidet zwischen der arrangierten Ehe, die auch abgelehnt werden kann und der Zwangsheirat. Denn 15% der türkischstämmigen Mädchen akzeptieren die arrangierte Ehe, so aktuelle Untersuchungen. Für Marie-Luise Beck, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, steht hingegen fest: "Seit dem die Eingewanderten wissen, dass sie hier bleiben und seit die deutsche Gesellschaft zu verstehen beginnt, dass sie Teil der Gesellschaft sind, werden die Konflikte härter."

Wie viele Zwangsehen es in Deutschland gibt, ist nicht klar. Hierfür fehlen gesicherte Daten bzw. Untersuchungen, die über Gewalt in türkisch-muslimischen Familien im Vergleich zu anderen Gruppen etwas aussagen. Auch wenn religiöse Verbände wie die DITIB durch Experten belegen lassen, dass der Koran keine Gewalt kenne: In der Praxis gibt es sie. Gewalt ist in der muslimischen Gesellschaft mindestens ebenso präsent wie in der Mehrheitsgesellschaft. "Wir haben alle Formen von Gewalt. Doch körperliche Gewalt innerhalb der Ehe ist häufiger als Zwangsverheiratung", bilanziert Rabeya Müller vom Kölner Zentrum für islamische Frauenforschung. Zudem kursierte während der Tagung eine Teilnehmerliste von Frauen, die sich dem Thema gerne in Form eines Arbeitskreises widmen wollte. Und das, obwohl die Theologin und DITIB-Predigerin Zeynep Cesen apodiktisch vorgab, dass es keine Gewalt im Islam gebe. Allerdings räumte der Vorsitzende Ridvan Cakir ein, dass die Sensibilisierungsarbeit innerhalb der Gemeinde erfolgen muss und verwies auf die baldige Einrichtung einer Beratungsstelle für Männer. Und auch Werner Höbsch vom Erzbistum Köln weiß, dass viele muslimische Frauen in seiner Beratungsstelle nach Hilfe suchen. Deshalb kann und will er nicht immer wieder grundsätzlich hören, dass der Islam nicht für Gewalt sei. "Fakt ist, dass Gewalt auch in den islamischen Familien eine Realität ist."

Das Problem allerdings nur zu thematisieren reicht nicht aus, so Müseyen Dreesen, die sich seit über zehn Jahren Frauenthemen in ihrer Gladbecker Moscheegemeinde widmet. Sie fordert, dass die existierenden Beratungsstellen für Frauen von der muslimischen Gemeinschaft auch akzeptiert werden müssten. "Diese Einrichtungen geraten in der muslimischen Gemeinschaft sehr leicht in Verruf, wenn geholfen wird. Nach dem Motto: Sie entfremden die Frauen von ihren Familien." Diese Angst erscheint übertrieben, arbeiten dort doch Frauen, die selbst Migrationshintergrund haben und daher das nötige kulturelle Verständnis aufbringen müssten.

Gewalt im Islam: Das Thema ist dank Necla Keleks Buch auch in den muslimischen Gemeinschaften angekommen. Alle Beteiligten - ob sie wollen oder nicht - müssen sich ihm stellen. Denn gerade über sexuelle Gewalt wird gerne geschwiegen, es wird von Kavaliersdelikten geredet, Statistiken werden angezweifelt, Scherze werden gemacht. Oder aber die Opfer werden beschuldigt.

Semiran Kaya

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Asyl für misshandelte Frau in Spanien

 

Madrid. Erstmals hat Spanien einer Frau Asyl gewährt, um sie vor den Misshandlungen ihres Ehemanns zu schützen. Wie Innenminister José Antonio Alonso Ende Mai 2005 in Madrid mitteilte, war die Mutter von zwei Kindern, in ihrer Heimat von ihrem Mann und dessen Verwandten ständig geschlagen worden. Seit Monaten sei sie in Spanien in psychiatrischer Behandlung. Die 38 Jahre alte Frau aus einem Staat in der Golfregion sei von ihrer Familie zur Heirat gezwungen worden. Die Asyl-Anerkennung stützt sich auf das Gesetz zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, das Ende 2004 verabschiedet wurde. (esf)

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Islamischer Verband verurteilt Zwangsheiraten und Ehrenmorde

 

Köln. Der größte islamische Verband in Deutschland hat Zwangsheiraten türkischer Frauen und Ehrenmorde verurteilt und als unvereinbar mit dem Islam bezeichnet. "Im Islam gibt es keinen Mord und schon gar keinen Ehrenmord", sagte der Vorstandsvorsitzende der Türkisch-Islamischen Union (DITIB). Ridvan Cakir, im Rahmen einer Tagung am 10. April 2005 in Köln. Morde an Frauen auf Grund einer angeblich verletzten Familienehre beruhten auf alten Traditionen, seien aber nicht mit der Religion zu rechtfertigen. Eine gültige Ehe im Islam setzt laut Cakir das gegenseitige Einverständnis beider Ehepartner voraus. "Unser Glaube ist gegen Zwangsheiraten", sagte der DITIB-Vorstandsvorsitzende. Zugleich sprach er sich gegen Zwang oder Vorschriften in der Kopftuchfrage aus. Es müsse jeder Frau freistehen, ob sie das Kopftuch tragen wolle oder nicht. Cakir sprach auf einer Tagung zur Gewaltproblematik in islamischen Familien.

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, forderte, dass innerhalb der türkischen Gemeinschaft mehr über das Tabuthema Gewalt in der Familie gesprochen werden müsse. Außerdem müssten islamische Frauen mit ihren Anliegen verstärkt in die Öffentlichkeit treten. "In die Talkshows müssen endlich die Frauen rein, die für sich selbst sprechen können", betonte Beck. Pastorin Annette de Fallois von der evangelischen Beratungsstelle für christlich-islamische Begegnung in Wuppertal wies darauf hin, dass Gewalt von Männern gegenüber Frauen "kein spezifisch muslimisches Thema" sei. Sie erinnerte daran, dass Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland erst seit 1997 strafbar sei.

Die DITIB hat nach eigenen Angaben mehr als 870 Mitgliedsvereine bundesweit. Sie arbeitet eng mit der türkischen Religionsbehörde in Ankara zusammen und vertritt die offizielle türkische Politik einer Trennung von Staat und Religion. (M-B)

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"Mehmet" zu Jugendstrafe verurteilt

 

München. Der unter dem Name "Mehmet" bekannt gewordene Serienstraftäter ist am 2. Juni 2005 zu einer Jugendstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt worden. Das Münchner Jugendgericht fand den 20-jährigen schuldig, seine Eltern geschlagen und erpresst zu haben. Bei der Verurteilung wurde eine früher verhängte Strafe einbezogen, die zur Bewährung ausgesetzt worden war; ob die jetzt ausgesprochene Gesamtstrafe mit einer Bewährung versehen wird, will das Jugendgericht später entscheiden. "Mehmet" hatte in den 1990er-Jahren bis zu seinem 14. Geburtstag mehr als 60 Straftaten begangen, für die er wegen fehlender Strafmündigkeit nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Er war 1998 in die Türkei abgeschoben worden; obwohl in München geboren, ist er türkischer Staatsbürger. Nach einer langen gerichtlichen Auseinandersetzung konnte er 2002 wieder nach München zurückkehren. Im März 2005 zeigten ihn seine Eltern an, weil er sie verprügelt habe, um Geld von ihnen zu erpressen; im Prozess erschienen sie nichts als Zeugen. (esf)

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Respekt vor den "Ghettokids"

 

Der jüngste Sohn stiehlt, der mittlere prostituiert sich, der älteste ist ein Junkie. Die Mutter der drei Brüder - eine der Türkisch sprechenden Minderheit angehörende Griechin - kann die Miete für die 20-Quadratmeter-Wohnung nicht bezahlen. Von der Sippe ihres verstorbenen Mannes war sie bedroht worden und floh nach Deutschland. Jetzt leben die vier zwischen drei Kulturen, von keiner werden sie akzeptiert. Vor vier Jahren hat die Sonderschullehrerin Susanne Korbmacher den gemeinnützigen Verein Ghettokids - Soziale Projekte e.V. gegründet, um sich um Familien wie diese zu kümmern. Schon wenig später, 2002, lieferte sie den Stoff für einen preisgekrönten Fernsehfilm über das Leben von Kindern und Jugendlichen, die in der Münchner Trabantenstadt Hasenbergl-Nord leben. Ende 2004 hat sie das Theaterprojekt "Bunnyhill" der Münchner Kammerspiele angestoßen und beim Piper Verlag ein Buch veröffentlicht: "Ghettokids- Immer da sein, wo`s weh tut". Die neun Biografien werden zwar mit authentischen Fotos, aber unter geändertem Namen vorgestellt. Die der Straßenkinder am Münchner Hauptbahnhof wie auch Korbmachers eigene. Als Kind hat sie Gewalt und Psychoterror ihres alkoholkranken Vaters erdulden müssen - hinter der Fassade einer hochangesehenen Familie in der Bundesrepublik der 1960er-Jahre. Fassade, Tünche - weg damit, hinschauen wo`s weh tut. Die Selbstachtung, die viele Kinder von ihren Eltern und der Gesellschaft nicht vermittelt bekamen, lernen sie nun im Rap-Lyrik-Seminar, in Breakdance-Kursen, im Chor oder der Disko des Förderzentrums München-Nord. "Respect" - der Begriff aus der Hip-Hop-Kultur, der die meisten jugendlichen Migranten in Deutschland breakdancend oder rappend angehören, bringt auf den Punkt, was sie sich wünschen: "Respektiere dich, so, wie du bist, mit deinen Schwächen - aber respektiere auch die anderen und ihre Kreativität" so Nadja Geer in der ZEIT (23.03.05). Das verstehen auch deutsche Kids, denen das 319-seitige Buch durchaus empfohlen werden kann. (esf)

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Gewaltschutz-
gesetz

 

Gemäß dem 2002 in Kraft getretenen Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz-GewSchG) kann ein Gericht weitreichende Schutzmaßnahmen für das Opfer herbeiführen. In § 1 heißt es: "Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. 2)Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. 3)Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,
- die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
- sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
- zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
- Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
- Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen,
soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist. (esf)

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Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt

 

Eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen, Jugend herausgegebene Broschüre "Mehr Schutz bei häuslicher Gewalt" informiert über die rechtlichen Möglichkeiten, die Opfer häuslicher Gewalt durch das 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz haben. Sie zeigt unter anderem auf, welches Gericht zuständig ist, welche Schutzanordnungen erwirkt werden können und wie die Beweisanforderungen sind. Der Gesetzestext ist im Anhang beigefügt. Die Broschüre kann auf der Webseite des Ministeriums herunter geladen werden (http://www.bmfsfj.de/Kategorien/
Publikationen/Publikationen,did=4978.html
).

Ferner hat das Ministerium 2005 eine Broschüre "Mehr Mut zum Reden - Von misshandelten Frauen und ihren Kindern" herausgegeben. Sie ist als Unterstützung für misshandelte Frauen und Kinder gedacht. Sie müssen aus der Grauzone des Stillhaltens und Schweigens heraustreten können und beginnen, über ihre Situation zu reden. Dazu soll diese Broschüre Mut machen (download unter: http://www.bmfsfj.de/Kategorien/
Publikationen/Publikationen.html
).

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Koordinierungs-
kreis gegen Frauenhandel und Gewalt

 

Der bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V. (KOK) setzt sich gegen den weltweit praktizierten Frauenhandel und für einen würdevollen Umgang mit den betroffenen Frauen ein. Er wurde 1987 gegründet, um die Zusammenarbeit der Frauenorganisationen und Beratungsstellen zu vernetzen,zu stärken und bundesweit zu koordinieren. Das Koordinierungsbüro des KOK wurde 1999 in Potsdam eingerichtet. Es vertritt die Interessen von 34 Frauenorganisationen, Frauenberatungsstellen und Frauen, die im KOK zusammengeschlossen sind, auf nationaler und internationaler Ebene.

Der KOK arbeitet auf allen ihm zugänglichen staatlichen und nichtstaatlichen Ebenen und setzt sich für folgende Ziele ein: Wahrnehmung von Frauenhandel im öffentlichen Bewusstsein; Verurteilung von Frauenhandel als Menschenrechtsverletzung; Verankerung von politischen und rechtlichen Maßnahmen gegen Frauenhandel in den internationalen und nationalen Menschenrechtsdokumenten; Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der in Deutschland lebenden Migrantinnen; Einführung eines Aufenthaltsrechts für Opfer von Menschenhandel und für ausländische Ehepartnerinnen; Entkriminalisierung von Frauen in der Sexindustrie.

Die sechs Schwerpunkte der Arbeit sind: Öffentlichkeits- und Pressearbeit sowie Organisation von Aktionen und Kampagnen gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess; Sensibilisierung der bundesweiten Öffentlichkeit durch Veröffentlichungen zum Thema Frauenhandel und Gewalt an Frauen in der Migration; Organisation und Durchführung von Fachtagungen, Seminaren, Konferenzen und Bildungsveranstaltungen für MultiplikatorInnen; Vertretung gemeinsamer Interessen der Mitgliedsorganisationen in verschiedenen Gremien auf nationaler und internationaler Ebene; Ausbau und Pflege von nationalen und internationalen Kontakten; Austausch und Kooperation mit anderen nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen. (esf)

Kontakt:
KOK - Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess, Behlertstr. 35, 14467 Potsdam, 0331-280330-0, info@kok-potsdam.de, www.kok-potsdam.de

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Frankreich geht gegen Zwangsheiraten vor

 

Paris. In Frankreich liegt das Mindestalter für Heiraten künftig einheitlich für Frauen und Männer bei 18 Jahren. Der französische Senat billigte Ende März 2005 in Paris eine entsprechende Gesetzesänderung. Bislang galt für Frauen ein Mindestalter von 15 Jahren. Mit der Neuregelung sollen erzwungene Ehen unter Migranten verhindert werden. Gleichstellungsministerin Nicole Ameline kündigte an, gemeinsam mit dem Innenminister zudem eine Änderung des Strafrechts auf den Weg bringen zu wollen. Es soll ein Passus neu eingeführt werden, wonach das Erzwingen einer Eheschließung strafbar ist. In Frankreich fanden 2003 rund 70.000 Heiraten von Minderjährigen statt, vor allem aus Einwandererfamilien. (esf)

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