Integration in Deutschland 3/2005, 21.Jg., 20. September 2005

ARBEITSPLATZ DEUTSCHLAND

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt

Die Hürden sind hoch:
Wenig Chancen auf Beschäftigung

Beschäftigungsmöglichkeiten sind für Flüchtlinge und Asylbewerber von hoher psychologischer, ökonomischer und sozialer Bedeutung. Die Möglichkeit, im Zufluchtsland eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ist grundlegend für die persönliche Stabilisierung, eine - zumindest teilweise - Unabhängigkeit von staatlicher Alimentierung und den Prozess der gesellschaftlichen Integration. Doch die Rahmenbedingungen hierzu sind in Deutschland äußerst schlecht.


Auch wenn die Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht wesentlich besser werden, nehmen Flüchtlinge Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung gerne in Anspruch – auch um dem tristen „Lageralltag“ zu entkommen. So hat auch Evgenija Barinova (Foto) ein Praktikum absolviert, um den deutschen Berufsalltag kennen zu lernen.

Während Flüchtlinge in der Anfangsphase ihres Aufenthalts in Deutschland vorwiegend mit der Antragstellung und einer ersten Orientierung in dem fremden Land beschäftigt sind, folgt nach etwa drei bis sechs Monaten die Phase der Zukunftsorientierung: Dies bedeutet in erster Linie die Suche nach Beschäftigung.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen schränken den Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge jedoch stark ein: Frühestens nach einem Jahr dürfen Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung einen Antrag auf Arbeitserlaubnis stellen. Im Rahmen des Arbeitserlaubnisverfahrens (Vorrangprüfung) wird geprüft, ob für die auszuübende Tätigkeit keine bevorrechtigten Arbeitnehmer (z.B. Deutsche, EU-Ausländer, Ausländer mit einer Aufenthaltsberechtigung etc.) zur Verfügung stehen, ob die Beschäftigung des Ausländers keine negativen Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt hat und ob der Ausländer nicht zu ungünstigeren Bedingungen beschäftigt wird als deutsche Arbeitnehmer.

Diese hohen Hürden zu überwinden, ist in der Mehrzahl der Fälle unmöglich. Der restriktiv geregelte Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt soll so genannte "Wirtschaftsflüchtlinge" abhalten. Für die bereits hier ansässigen Flüchtlinge bedeutet er jedoch eine individuell oft nicht nachvollziehbare Härte.

Der Wunsch nach Beschäftigung...

Im Rahmen des EQUAL-Netzwerkes SEPA (Saarländische Entwicklungspartnerschaft Asylbewerber und Flüchtlinge) hatte isoplan in der ersten Förderperiode die wissenschaftliche Begleitung übernommen. Einen Schwerpunkt bildete diesbezüglich die Untersuchung der Beschäftigungssituation von im Saarland lebenden Flüchtlingen.

Im Rahmen dieser Untersuchungen bestätigten zahlreiche Experten, dass so gut wie alle arbeitsfähigen Flüchtlinge auch arbeitswillig sind, d.h. die große Mehrzahl befindet sich auf der Suche nach Arbeit. Der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erweist sich jedoch als sehr problematisch.

Bedingt durch die Vorrangprüfung stehen Flüchtlingen nur einige wenige Branchen offen. Vergleichsweise gute Chancen, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu finden, bestehen im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Reinigungsgewerbe und beispielsweise bei Zulieferbetrieben für Kebap-Imbisse, lediglich vereinzelt noch im Baugewerbe. Relativ gute Chancen - insbesondere für Türken und Kurden - bietet auch die ethnische Ökonomie.

Die Beschäftigungsaufnahme im Bereich der gering oder unqualifizierten Tätigkeiten gelingt dann vergleichsweise gut, wenn muttersprachliche Kenntnisse und/oder Kenntnisse zum Beispiel der heimischen Küche vorliegen (z.B. Chinarestaurants).

Bei deutschen Betrieben unerlässlich sind deutsche Sprachkenntnisse, Verlässlichkeit, ein souveränes Auftreten und gewisse Grundqualifikationen für die jeweilige Tätigkeit.

...trifft auf die harte Realität

Wenn es in Ausnahmefällen gelingt, legal eine Beschäftigung aufzunehmen, ist der Zusammenhang zwischen der Qualifikation und der ausgeübten Tätigkeit in der Regel sehr gering. Ausnahmefälle sind - wenn überhaupt - im Bausektor zu finden (z.B. Heizungsbauer). Bei der Suche nach Beschäftigung steht das Ziel im Vordergrund, überhaupt Arbeit zu finden. Die Art der Beschäftigung ist, zumindest in den ersten Jahren des Aufenthalts, sekundär.
Darüber hinaus schafft nur ein sehr geringer Prozentsatz überhaupt den Sprung auf den legalen deutschen Arbeitsmarkt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch nur ein geringer Prozentsatz der Flüchtlinge beschäftigt ist: Vergleichsweise viele finden eine Beschäftigung ohne Sozialversicherungsnachweis, arbeiten "schwarz".

"Schwarzarbeit" ist am häufigsten in den oben genannten Branchen, d.h. Gastronomie und Reinigungsgewerbe, anzutreffen. Im Gegensatz zu legalen Beschäftigungsverhältnissen jedoch, die Ausländer nicht benachteiligen dürfen, zeichnet sie sich in der Mehrzahl der Fälle durch extrem unattraktive Arbeitsbedingungen aus: Geringe Bezahlung, zu spät ausgezahlte Löhne, weite Anfahrtswege, lange Arbeitszeiten und fehlende Arbeitsplatzsicherheit werden in Kauf genommen, um den Arbeitsplatz zu behalten.

Aus der Sicht von Flüchtlingen...

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass Flüchtlinge, die einer Arbeit nachgehen - sei diese legal oder illegal - sich durchweg sehr positiv über ihre Situation äußern, auch wenn nach objektiven Kriterien durchaus Anlass zur Kritik bestünde.

Arbeit bedeutet für sie "Leben" bzw. "etwas wert zu sein". Positives ziehen sie insbesondere aus Anerkennung durch ihren Chef und Kollegen, ein gutes Betriebsklima, die Möglichkeit, eigenes Geld zu verdienen und nicht von staatlicher Unterstützung abhängig zu sein.

Auf die Frage, was es hingegen bedeutet, nicht zu arbeiten, hieß es: "man wird verrückt", "man ist immer zu Hause und hat schlechte Laune", "man wird nervös und krank, weil man so viel grübelt".

... und aus der Sicht der Gesellschaft

Die Zugangsmöglichkeiten für Flüchtlinge zum deutschen Arbeitsmarkt sind äußerst begrenzt. Viele Experten vertreten daher die Ansicht, dass sich Deutschland vom Potenzial zugewanderter Flüchtlinge verabschiedet hat.

Es gibt aber auch andere Stimmen: Als isoplan seine Arbeiten öffentlich vorstellte, erschien wenige Tage später ein Leserbrief in der regionalen Tageszeitung mit folgendem Tenor: "Was soll der Quatsch von den zur Untätigkeit verurteilten Flüchtlingen? In Deutschland sind, wie wir es nun amtlich wissen, weit mehr als fünf Millionen Deutsche zur Untätigkeit verurteilt... Der so sehr bedauerte Zustand der Flüchtlinge und Asylbewerber ist dagegen einfach und schnell zu beheben. Nicht zuletzt durch eine unverzügliche Abschiebung..."

Auch solchen Realitäten, d.h. Stimmungen in der Gesellschaft, muss man sich wohl oder übel stellen....


Autorin: Vanessa Franz, isoplan

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Islam und Arbeitswelt

 

Düsseldorf. "Naja, einige Kollegen essen kein Schweinefleisch. Aber sonst - nein, sonst weiß ich eigentlich nichts über den Islam oder über die Herkunftsländer meiner Kollegen. Man hört soviel heute überall, aber so richtig einschätzen, kann ich das nicht." Diese Aussage aus einem Seminar des DGB Bildungswerk, Bereich Migration und Qualifizierung, zu Islam und Arbeitswelt spiegelt wider, dass der Bedarf an sachlichen Informationen zum Thema Islam nach wie vor groß ist. Obwohl man im gleichen Büro, in der gleichen Werkshalle arbeitet, weiß man häufig sehr wenig über den Glauben der muslimischen KollegInnen. Auch die meist einseitige Berichterstattung in den Medien - vor allem seit dem 11. September - trägt selten zum Schließen von Wissenslücken bei. Welches Zerrbild da entsteht, ist für den/die Einzelne schwer auszumachen, weil in vielen Medien Islam und Islamismus gleichgesetzt wird.

Orientierung und faktenreiche Information zu diesem Thema bieten zwei Handreichungen, die in der Schriftenreihe Migration & Arbeitswelt des DGB Bildungswerk erschienen sind. Die Publikation "Islam und Arbeitswelt. - Rechte von Arbeitnehmenden in Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung" bietet Sachinformationen zu 35 Staaten, die mehrheitlich muslimisch geprägt sind sowie zur rechtlichen und sozialen Situation von Arbeitnehmenden in diesen Ländern.

Im Mittelpunkt der zweiten Handreichung, "Islam und Arbeitswelt. Muslimische Arbeitnehmende in der Arbeitswelt - muslimische Organisationen", stehen Informationen zu den Glaubensrichtungen und Glaubensinhalten des Islam. Außerdem werden islamische Verbände in Deutschland vorgestellt. Die Situation von muslimischen Arbeitnehmenden auf dem deutschen Arbeitsmarkt wird in einem abschließenden Kapitel vorgestellt. Dabei geht es sowohl um Möglichkeiten der Religionsausübung als auch um Themen wie Gleichbehandlung und Antidiskriminierung. Ferner bietet das DGB Bildungswerk auch Informationsseminare zum Thema an. (esf)

Infos: 
Michaela Dälken, Öffentlichkeitsreferentin Bereich Migration und Qualifizierung, DGB Bildungswerk, Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf, Tel.: 0211/4301-198, Fax: 0211/4301-134, www.migration-online.de, www.dgb-bildungswerk.de 

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Beckstein für mehr Migranten bei der Polizei

 

Wiesbaden. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein wünscht sich nach Angaben der "Informationen aus der Integrationsabteilung des Hessischen Sozialministeriums" (Nr. 8, August 2005) einen deutlich höheren Migrantenanteil bei der Polizei. Dies stärkt nach seiner Ansicht das Verständnis zwischen Polizei und ausländischen Mitbürgern. Er bedauerte die derzeitige Bewerbungssituation und die geringe Anzahl der Polizeibeamtinnen und -beamten mit Migrationshintergrund, die bei lediglich 83 liegt. (esf)

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Berufliche Förderung von Migrant/innen

 

Im Sommer 2005 hat das EQUAL-Projekt M.A.R.E (Migration und Arbeit Rhein-Main) die Dokumentation einer Fachtagung in Frankfurt/Main zum Thema "Berufliche Förderung von Migrant/innen. Interkulturelle Öffnung als Strategie für die Praxis" herausgegeben. Auf 62 Seiten werden Reden, Beiträge auf verschiedenen Foren sowie einer Podiumsdiskussion am 18. April 2005 dokumentiert. Interessant für die Praxis sind insbesondere Berichte aus den Mare-Teilprojekten. (esf)

Bezug: 
Gemeinnützige Offenbacher Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft mbH, Geschäftsstelle M.A.R.E - Migration und Arbeit Rhein-Main, Lammertstr. 15-19, 63075 Offenbach am Main, Tel.: 069/98648843, simon@goab.de, www.mare-equal.de

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Essen: Interkulturelle Vielfalt am Arbeitsplatz

 

Essen. Das Berufliche QualifizierungsNetzwerk für Migrantinnen und Migranten der BQN Essen hat im Sommer 2005 zahlreiche Ausbildungsbetriebe in Essen angeschrieben, um auf das Thema "Ausbildung für Jugendliche ausländischer Herkunft sowie für Spätaussiedler" aufmerksam zu machen. Viele Arbeitgeber in Essen sehen die Vielfalt der Nationalitäten und Kulturen am Arbeitsplatz bereits als Bereicherung und Chance für ihr Unter-nehmen. Ihre Erfahrung zeigt: diese Jugendlichen tragen durch ihre Mehr-sprachigkeit und Erfahrungen in verschiedenen Kulturen als Arbeitnehmer wesentlich zum Unternehmenserfolg bei. Im Gespräch mit BQN bekräftigt der Unternehmer Heinz-Peter Zeisberg diese Sicht: "Wir haben seit vielen Jahren ganz unterschiedliche Auszubildende, Praktikanten und Mitarbeiter aus europäischen und außereuropäischen Ländern und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Im Handelsgeschäft und im Dienstleistungsbereich hat man Kunden aus unterschiedlichen Ländern. Ein interkulturelles Team ist daher für uns unerlässlich."

Die BQN bietet Unternehmen Beratung und Unterstützung auch im Rahmen von Seminaren an. Hier werden konstruktive Lösungen zum Verständnis interkultureller Unterschiede im Umgang mit Arbeitnehmern oder auch mit Kunden vermittelt. BQN, ein Gemeinschaftsprojekt der Kreishandwerkerschaft Essen und der IHK zu Essen, setzt sich in enger Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsorganisationen, Einrichtungen der Stadtverwaltung, den Selbstorganisationen der Migranten und anderen relevanten Akteuren dafür ein, jungen Menschen mit Migrationshintergrund den Zugang zur Ausbildung zu erleichtern. (mg)

Infos: 
BQN Essen, Postfach, 45117 Essen, Tel.: 0201/1892-0 oder -333, Fax: -172, ihkessen@essen.ihk.de oder wolbeck@essen.ihk.de, www.essen.ihk24.de/bqn

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