Integration in Deutschland 2/2006, 22.Jg., 30. Juni 2006

EUROPA

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Die EU ist gefordert

Der Wanderungsdruck betrifft ganz Europa

Jeder kennt sie: die Fernsehbilder von Bootsflüchtlingen aus Afrika, die an Südeuropas Küsten stranden oder von der Küstenwache aus dem Meer „gefischt“ werden. Allein 11.000 Afrikaner – rechtlich gesehen illegale Einwanderer – sind von Jahresanfang bis Mitte Juni auf den kanarischen Inseln angekommen, zuletzt 800 an einem Tag. Wie viele die Fahrt über das Meer in den „Nussschalen“ nicht überlebt haben, ist nicht bekannt.

Spanien sieht sich mit diesem Problem bisher allein gelassen. Die Afrikaner drängen nach Europa, nicht nach Spanien, sagen sie; und deswegen sei die ungeregelte Zuwanderung ein europäisches, kein spanisches Problem. Tatsache ist, dass sich an den Küsten Südeuropas nur ein kleiner Teil des großen Nord-Süd-Konflikts abspielt, dessen Wurzeln weit in die Vergangenheit zurückreichen und der durch die Globalisierung nur noch beschleunigt wird.

„Plan Afrika“

Um das sich zuspitzende Problem in den Griff zu bekommen, hat die spanische Regierung im Mai 2006 eine Reihe von Sofortmaßnahmen beschlossen („Plan Afrika“) – eine Art Doppelstrategie, mit der der Zuzug der Bootsflüchtlinge eingedämmt werden soll. Zum einen wurde eine „diplomatische Offensive“ eingeleitet: Regierungsbeamte und Diplomaten wurden in die besonders kritischen Ausgangsländer Westafrikas entsandt, um mit den dortigen Regierungen Lösungen zu suchen. Als „Operationszentrum“ für Kontakte mit dem Ziel der Vorbeugung und Repatriierung soll der Senegal dienen. Ferner will man sich u. a. um Rückführungsabkommen mit einer Reihe von Staaten bemühen.

Auf der einen Seite wurde die Entsendung von Aufklärungsflugzeugen und Patrouillenschiffen vor die westafrikanische Küste angekündigt. Darüber hinaus soll eine Vorbereitungskonferenz für die für Juli in Marokko geplante euro-afrikanische Zusammenkunft von Ministern zum Thema Auswanderung organisiert werden. Um die überfüllten Aufnahmelager der Inseln zu entlasten, bringt die spanische Regierung die Ankömmlinge schnell auf das Festland. Doch erweist sich eine Repatriierung meist als unmöglich, weil die Betroffenen keine Ausweise mitführen und Angaben über ihre Herkunftsländer verweigern.

Dass die EU die Mittelmeerländer mit dem Problem der illegalen Einwanderung nicht alleine lassen kann – diese Einsicht scheint sich in Brüssel durchzusetzen. In der Vergangenheit gab es praktisch keine gemeinschaftliche Einwanderungs- und Integrationspolitik, vielmehr stand die nationale Souveränität in Fragen der Staatsangehörigkeit und der Einbürgerung sowie wie das Subsidiaritätsprinzip im Vordergrund. Die dramatische Entwicklung im Süden Europas und die kleinen oder großen humanitären Katastrophen, die mit der illegalen Einwanderung verbunden sind, haben in jüngster Zeit zu einer Meinungsänderung geführt. Die Überzeugung setzt sich durch, dass es sich nicht um das Problem einzelner Länder, sondern des ganzen Kontinents handelt.

Bausteine einer EU- Integrationspolitik

Am 25. April 2006 befasste sich der Ausschuss für bürgerliche Freiheit, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments in einer öffentlichen Anhörung mit der „Integration von Einwanderern in Europa“. Verhandelt wurden mehrere Dokumente, die einerseits das schwache Engagement der Union in der Vergangenheit in Fragen der Migration und Integration feststellen und andererseits eine konsistente europäische Einwanderungs- und Integrationspolitik fordern.

Ein kleines Zahlenspiel beleuchtet die bisher geringe Bedeutung der Integrationspolitik: Rund 40 Millionen außerhalb der EU geborene Zuwanderer leben in den 25 Ländern der Gemeinschaft, nicht eingerechnet ihre hier geborenen Kinder. Diese 40 Millionen machen sozusagen den 26. Mitgliedsstaat aus, der nach der Bevölkerung auf Rang 7 der EU läge. Nun fragt sich, was die Union zu deren Integration unternimmt? Während für die Integration der Beitrittskandidaten hunderte von Beamten tätig sind und Milliarden Euro aufgewendet werden, ist für Fragen der Integration von Zuwanderern nur eine kleine Arbeitseinheit zuständig. Seit 1990 wurden gerade einmal 15 Millionen Euro für Zwecke der Integration aufgewendet: Das sind umgerechnet weniger als 50 Cent pro legalem Zuwanderer.

Zu lange herrschte der Grundsatz vor „integration is local“. Zwar stimmt der Satz im Hinblick auf die praktische Umsetzung: Integrationsmaßnahmen finden an der Basis – in der Stadt, am Wohnort, in Schule und am Arbeitsplatz – statt. Diese Sicht greift aber zu kurz, wenn man an die Ursachen der Migration und an die Folgen der Integration denkt – zumal dann, wenn sie nicht erfolgreich verläuft und weitgehend fehlschlägt: dann drohen Arbeitslosigkeit, Entfremdung und Radikalisierung, die zu einer Schwächung der gesamten Gesellschaft führen können.

Staatssekretär Peter Altmaier (Bundesministerium des Innern) betonte bei einem anschließenden Podiumsgespräch: „Diese Veranstaltung kommt zum richtigen Zeitpunkt. Überall in Europa wird das Thema Integration jetzt diskutiert.“ Überall seien in den letzten 20, 30 Jahren schwere Fehler gemacht worden. Es habe eine mehr oder weniger umfangreiche Politik der Migration gegeben, aber „keine inhärente Integrationspolitik.“

Das soll sich nun ändern. Der Entwurf einer künftigen europäischen Integrationspolitik sieht mehrere Elemente vor, die dieser Politik Durchsetzungskraft verschaffen sollen:

  • Ein Europäischer Fonds für die Integration von Drittlandzuwanderern soll die finanzielle Grundlage für den Zeitraum 2007 bis 2013 bilden (Umfang 1,7 Milliarden Euro).

  • Ein Rahmenplan der legalen Migration soll Leitlinien zur Einwanderung von Hochqualifizierten, von Saisonarbeitskräften und von Trainees vorgeben.

  • Beispiele guter Integration (Best practice) sollen über das Internet verbreitet werden.

  • Die Koordination der verschiedenen Politikfelder in der Kommission soll durch stärkere Kooperation der Generaldirektionen verbessert werden.

  • Die Beteiligung der Zuwanderer selbst soll durch die Einrichtung eines europäischen Integrationsforums verbessert werden, dem Migranten aus allen Mitgliedsstaaten angehören.

  • Die Mitgliedsstaaten sollen einen klaren Weg zur Einbürgerung vorzeichnen, die die Rechte und Verantwortlichkeiten in den Vorstufen vor dem Erreichen der neuen Staatsbürgerschaft definiert.

Wann die verschiedenen Entwürfe einer neuen europäischen Integrationspolitik einen verbindlichen Status in Form einer Verordnung oder Richtlinie erreichen, ist noch nicht bekannt. Der nötige Abstimmungsprozess mit den nationalen Regierungen wird jedenfalls nicht einfach werden. Viele betrachten das Thema noch immer als nationale Angelegenheit.


Autor: Martin Zwick, isoplan

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EU-Programme im Bereich Integration

 

Die Europäische Union fördert über eine Vielzahl von Programmen Projekte, die zur Integration von Migranten beitragen sollen. Es ist jedoch nicht bei allen Programmen unmittelbar erkennbar, dass diese Möglichkeit besteht. Die Europa-Kontakt Informations- und Verlagsgesellschaft mbH hat daher im Januar 2006 unter dem Titel "FörderKompakt Migration & Integration" wieder eine 90-seitige Sammlung aller EU-Programme für Projekte zu diesem Thema zusammengestellt. Erläutert werden neben den aktuellen Brüsseler Förderprogrammen, von denen viele 2006 auslaufen, hauptsächlich jene, die 2007 gestartet werden. Geliefert wird FörderKompakt als sog. eBook per E-mail im PDF-Format, das es ermöglicht, über aktivierte Links fortlaufend auf die neuesten Internetinformationen zu den einzelnen Programmen zuzugreifen. Die Publikation kostet 90 Euro. (esf)

Bezug: Europa-Kontakt Informations- und Verlagsgesellschaft mbH, Breite Str. 29, 10178 Berlin, Tel.: 030/20308-4070, Fax: -4077, mail: eu.kontakt@t-online.de, www.europa-kontakt.de 

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EU-Erweiterung und Migration

 

Weimar. Vor dem Hintergrund der EU-Erweiterung und zunehmender Globalisierung spielt das Thema Migration eine bedeutende Rolle. Die Mitgliedstaaten verzeichnen seit langem internationale Wanderungsströme, deren ökonomische und demografische Aspekte von besonderer Bedeutung sind. Der weiter andauernde Erweiterungsprozess beeinflusst Niveau und Struktur des Arbeitsmarktes wie die Entwicklung der sozialen Sicherungssysteme. Über die Herausforderungen und Chancen für die EU diskutierten am 7./8. Mai auf einem internationalen Symposium "Migration im Zuge der EU-Erweiterung und Globalisierung" in Weimar rund 250 Führungskräfte der Wirtschaft und namhafte Vertreter von Wissenschaft, Politik und Migrationsbehörden.

Mit Bezug auf die Entwicklung seit der legendären Figur des Odysseus betonte Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble, dass die europäischen Wanderungsbewegungen immer schneller und komplexer geworden sind und einen immer größeren Umfang angenommen haben. In Europa stehe man heute vor ganz ähnlichen Problemen, betonte Schäuble und schloss daraus auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Politik. Als wichtige Themen einer stärkeren Kooperation nannte er Kriminalität, Regularisierungskampagnen und Rückkehrförderung. Für Bereiche wie Arbeitsmarkt und Integration sollte dagegen weiter das Subsidiaritätsprinzip gelten. Dr. Albert Schmid, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, betonte die Notwendigkeit pragmatischer Antworten für Veränderungen in der Entwicklung der Hauptzuwanderergruppen von Arbeitsmigranten über nachziehende Familienangehörige bis irreguläre Migranten und Auswanderern. Der Vorstellung, demografische Defizite durch Zuwanderung auszugleichen, erteilte Schmid jedoch eine deutliche Absage.

In einem ersten Plenum des vom Europäischen Informations-Zentrum in der Thüringer Staatskanzlei, dem Bundesamt und der Europäischen Kommission organisierten Symposiums dominierten Fragen der ökonomischen Auswirkungen von Migration sowie der Unterbindung von Schleuserkriminalität und Menschenhandel am Beispiel von Polen und Österreich. Aktuelle Migrationstendenzen in den europäischen Beitrittsländern kamen in einem zweiten Plenum zur Sprache. Fragen der Integration und politischen Partizipation bei Migranten in Deutschland beherrschten das dritte Plenum unter Mitwirkung unter anderem von Gari Pavkovic (Integrationsbeauftragter von Stuttgart), Dr. Michael Griesbeck (Bundesamt) und Eckehard Peters (Ausländerbeauftragter von Thüringen). (esf)

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Migrations- und Asylpolitik der EU

 

Auf europäischer Ebene haben sich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl neuer Entwicklungen ergeben. Hierzu zählen Maßnahmen zur Beseitigung der Binnengrenzkontrollen, Maßnahmen im Bereich Asyl, Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Einwanderungspolitik der EU, Schaffung von Instrumenten zur Steuerung der Migration, eine begleitende europäische Nachbarschaftspolitik sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Dr. Iris Schneider vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat Anfang 2006 unter Mitarbeit von Sergo Mananashvili eine 69-seitige Publikation erstellt, in der diese Entwicklungen beschrieben werden. Die Publikation "Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen Union" ist beim Bundesamt erhältlich. (esf)

Bezug: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Referat 212, Frankenstraße 210, 90461 Nürnberg, info@bamf.de, www.bamf.de

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Integration von Muslimen in Österreich

 

Frankfurt/Main. Die in Österreich lebenden Muslime sind weniger integrationswillig als bisher angenommen. In seiner für das Wiener Innenministerium erstellten Studie über die Integration von Muslimen in Österreich konstatierte der Islamwissenschaftler Mathias Rohe (Universität Erlangen-Nürnberg) eine "Integration auf niedrigem Niveau". Die am 19. Mai 2006 im Rahmen der EU-Konferenz "Dialog der Kulturen und Religionen" präsentierte Studie relativiert die bisher vorherrschende Sicht, es gebe aufgrund der seit 1912 staatlich anerkannten und gleichberechtigt neben christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften stehenden Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich weniger Integrationsprobleme als in anderen Ländern. Rohes Studie basiert auf einer Befragung von 505 muslimischen Türken und Bosniern. Mit 100 von ihnen führte er zudem ausführliche sog. Leitfadeninterviews. Haltungen zur Vereinbarkeit von Koran und österreichischen Gesetzen sowie zu Zwangsehe und "Ehrenmorden" dienten ihm als Indikatoren für "Integrations(un)willigkeit", berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z. vom 20.05.2006). Ihm zufolge halten 11 % der befragten Bosnier und 25 % der Türken die Muslime für schlecht integriert. Am häufigsten genannte Gründe für schlechte Integration waren bei den befragten Türken Sprachschwierigkeiten und das Ausleben der Religion im Alltag (zum Beispiel das Tragen des Kopftuchs). Über ein Drittel der befragten Muslime stimmte der Aussage zu, dass die Türken eher schlecht integriert seien und sich nicht anpassen wollten. Während bei Bosniern hinsichtlich Kultur und Religion allgemein kaum Probleme erkennbar seien, bestünde unter Türken verbreitete Identitätsunsicherheit und eine deutlich stärkere Distanz zur Mehrheitsgesellschaft. Rohe hat ferner 1000 Österreicher ohne Migrationshintergrund zum Thema befragt. Drei Fünftel stehen Muslimen neutral oder positiv, zwei Fünftel eher negativ gegenüber. Insgesamt bestehe weitgehend ein friedfertiges, aber kontaktarmes Nebeneinander bei verbreiteter gegenseitiger Distanz. (esf)

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Paris verschärft Einwanderungs-
recht

 

Paris. Die französische Nationalversammlung hat am 17. Mai 2006 im Eilverfahren das von Innenminister Sarkozy eingebrachte neue Einwanderungsgesetz gebilligt. Von Juni an hat sich der Senat damit zu befassen. Das Gesetz verschärft die Bedingungen für den Zuzug von Ausländern und erweitert die Kontrollmöglichkeiten der Behörden. Staat und Einwanderer sollen sich mit einem "Empfangs- und Integrationsvertrag" zu Angbeot und Nutzung von Kursen in Staatsbürgerkunde ("formation civique") und - falls dies individuell nötig ist - französischer Sprache verpflichten. Bedingungen für den Erhalt einer für zehn Jahre gültigen Aufenthaltsgenehmigung sollen Französischkenntnisse, das Bekenntnis zu den republikanischen Prinzipien und der "tatsächliche" Respekt für diese sein. Ferner soll unter anderem der Nachzug von Familienangehörigen erschwert und untersagt werden können, falls sich der Antragsteller nicht an diese Prinzipien hält. Sarkozy begründete den Gesetzentwurf damit, Frankreich müsse von "erlittener" zu "gewählter Einwanderung" übergehen. (esf)

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EU-Jahr der Mobilität der Arbeitnehmer

 

Brüssel. Die Mobilität in Europa ist relativ gering: Nur etwa 2 % der Europäerinnen und Europäer leben in einem anderen EU-Land - ein Anteil, der sich in den vergangenen 30 Jahren kaum verändert hat. Mit einer Konferenz in Brüssel und der Präsentation der neuen Website "EURES-Jobportal" wurde nun am 20. Februar 2006 ein "Europäisches Jahr der Mobilität der Arbeitnehmer" offiziell gestartet, mit dem für mehr Mobilität geworben werden soll. Den Startschuss zum Mobilitätsjahr, wie auch zur Nutzung der Website (http://europa.eu.int/eures/home.jsp?lang=de), gaben der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, und der zuständige Kommissar Vladimir Spidla auf einer Konferenz "Mobilität der Arbeitnehmer: ein Recht, eine Möglichkeit, eine Chance", an der rund 450 Personen aus Wirtschaft und Politik teilnahmen. Das Mobilitätsjahr ist mit 10 Millionen Euro ausgestattet, die für Projekte, die für das Thema sensibilisieren, sowie Veranstaltungen eingesetzt werden. Unter anderem finden auf lokaler, regionaler, landesweiter, grenzüberschreitender und europaweiter Ebene "Mobilitätsabende", Informationskampagnen, eine Preisverleihung für den besten Mobilitätsslogan und am 29./30. September 2006 in über 70 Städten Jobmessen statt. (esf)

Infos: http://europa.eu.int/workersmobility2006 

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