Ausländer in Deutschland 3/1999, 15.Jg., 30. September 1999

EDITORIAL

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

 

entsetzliches Leid ist über die Menschen in der westlichen Türkei gekommen. Bis heute weiß keiner genau, wieviele Opfer des verheerenden Erdbebens im August zu beklagen sind: 20.000? 30.000? Mehr? Das Ausmaß der Zerstörung ist unbeschreiblich, die Existenzgrundlage unzähliger Menschen in einer ganzen ehemals wirtschaftlich blühenden Region vernichtet.

Aber schon jetzt, gerade ein paar Wochen nach dem Tag X, dem 17. August, sind die Meldungen über die Situation in Izmit, Yalova, Gölcuk und andere Orte, die dem Erdboden gleichgemacht wurden, aus den Nachrichten verschwunden. Sind wir müde geworden von all den Bildern von Kriegen, Terror, Katastrophen, die uns täglich durch die Medien serviert werden? Sagen wir nicht allzu schnell: "Das haben die selbst zu verschulden ..., hätten sie bessere Häuser bauen müssen ..., sollen sie sehen, wie sie klar kommen ..." Aber Kriege, Terror, Unglücke jeder Art, selbst nicht wenige Naturkatastrophen, sind von Menschen verursacht - sie sind vermeidbar: Katastrophen dieser Art nicht. (Wer die Situation vor Ort kennt, weiß, welche Hilflosigkeit und welches Ausmaß an Verdrängung in der wohlfeilen Schuldzuweisung an korrupte Bauherren und blinde Behörden liegt.) Auf Seite 12 bieten wir Ihnen einen Hintergrundtext.

Die Türkei ist ein tüchtiges und ein stolzes Land. Und sie hat ein Recht darauf, stolz zu sein: Sie wird auch diese Krise, wenn es sein muß, aus eigener Kraft bewältigen. Ich hatte in diesen Tagen Gelegenheit, in der Türkei zu sein und das bewundernswerte Ausmaß an Solidarität und ganz individueller Hilfe zu sehen, die den Menschen in der Katastrophenregion zukommt. Aber Katastrophen dieses Ausmaßes verlangen mehr. Wenn die viel beschworene Freundschaft zwischen Deutschland und der Türkei einen wirklichen Gehalt hat, wäre es jetzt Zeit, Zeichen zu setzen.

In diesem Sinn grüßt Sie

Ihr

Dr. M. Werth, Herausgeber


Autor: Dr. Manfred Werth, isoplan

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