Ausländer in Deutschland 3/1999, 15.Jg., 30. September 1999

FORSCHUNG

Sprachförderung

Unverzichtbares Instrument zur sozialen und beruflichen Integration von Migranten


Dr. Franz Dormann

Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels, der sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland vollzogen hat, ist der Anspruch an die Voraussetzungen, die zur sozialen und insbesondere zur beruflichen Integration von Migranten erfüllt sein müssen, erheblich gestiegen. In der Konsequenz daraus werden qualitativ höhere Anforderungen an die Vermittlung von Deutschkenntnissen als Schlüsselqualifikation für die Integration von Zuwanderern und in Deutschland lebenden Migranten gestellt. Daher gab das Bundes-ministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Studie in Auftrag, um Organisation, Konzeption und Erfolg des bestehenden Sprachkursangebots zu untersuchen. Das Bonner Forschungs- und Beratungs-unternehmen Social Consult hat die Studie"Evaluation der Sprachförderung Deutsch für ausländische Arbeitnehmer" erstellt und dabei auch Empfehlungen für die künftige Sprachkursarbeit entwickelt.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen nicht nur, daß die Sprachkursarbeit ihrem wesentlichen Ziel, der Vermittlung von Deutschsprachkenntnissen, nachkommt. Sie machen ebenso die Notwendigkeit einer gesteuerten Sprachbeschulung (möglichst kurz nach Einreise) deutlich: Im Rahmen von Sprachtests hat sich gezeigt, daß Kursteilnehmer, die bereits längere Zeit in Deutschland leben, zu Beginn des Kursbesuches über geringere Deutsch-sprachkenntnisse verfügen als Personen mit kürzerer Aufent-haltsdauer. Damit bestätigt sich die Theorie der Fossilisierung von Sprachkenntnissen, die besagt, dass der ungesteuerte Spracherwerb ohne gesteuerte Sprachbeschulung meist nach einem Zeitraum von etwa zwei Jahren stagniert.

Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse der Sprachtests, daß die Fossilisierung des Spracherwerbs im Rahmen der Kurse aufgebrochen wird, da die Aufenthaltsdauer keinen Einfluss auf den Sprachzuerwerb der Teilnehmer im Verlauf eines Kurses hat. Personen mit längerer Aufenthaltsdauer lernen im gleichen Maße dazu wie Personen mit kürzerer Aufenthaltsdauer. Durch den Kurs und das systematische Lernen wird eine deutliche Verbesserung der Sprachkenntnisse auch bei solchen Personen bewirkt, die in einer ungesteuerten Spracherwerbssituation auf einem Niveau stagnieren würden.

Wesentliche Problembereiche bei der Durchführung der Sprachkurse zeigten sich bezüglich der Heterogenität der Teilnehmer hinsichtlich ihrer Deutschsprachkenntnisse, bezüglich der (Un-)Verbindlichkeit der Kurs-teilnahme und der Transparentmachung der gewonnenen Sprach-kenntnisse gegenüber Außenstehenden (Verwertbarkeit des Kurs-besuches). Mit Blick auf eine klarere Außenwirkung des Kursbesuches, die wesentlich zum sozialen und beruflichen Integrationserfolg beiträgt, sind höhere Verbindlichkeit und mehr Stringenz bei der Kurskonzeption und -durchführung anzustreben.

Empfehlungen

Zur Erreichung dieses Ziels sind Veränderungen der Kurskonzeption in folgenden ausgewählten Punkten wünschenswert:

1. Alle Personen, die beabsichtigen, an öffentlich geförderten Deutsch-Sprachkursen teilzunehmen, sollten an einem Einstufungstest teilnehmen. Mit Hilfe des Testergebnisses soll die Angemessenheit des Lernniveaus für die Teilnehmer festgestellt werden.

2. Die Einstufungstests dienen als Instrument zur Entwicklung einer stärkeren bedarfsgerechten Sprachförderung. Diese sollte möglichst in Kursen mit relativ homogenen Lernergruppen umgesetzt werden, so dass Teilnehmer mit ungleichem sprachlichem Kenntnisstand nicht in einem Kurs unterrichtet werden müssen. Hiermit wird eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, dass bestimmte Lernziele von einem Großteil der Kursteilnehmer erreicht werden können.

3. Die Verwertbarkeit des Abschlusses des Sprachverbandskurses sollte verbessert werden. Hierzu dienen Tests und Zertifikate. Diese verbessern zudem die Transparenz über den Sprachfortschritt für andere mit Blick auf die soziale und berufliche Integration wichtige Akteure. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass sich eine klare Mehrheit der Kursteilnehmer für Prüfungen zum Ende der Kurse aussprach. Damit keine Zugangsbarrieren für Migranten zu den Sprachkursen aufgebaut werden, sollten diese als freiwillige Prüfungen ausgestaltet sein.

4. Erstmalig nach Deutschland einreisende Zuwanderer bedürfen - in Abhängigkeit von ihren mitgebrachten Sprachkenntnissen - zur gesellschaftlichen Eingliederung eines grundlegenden deutschen Spracherwerbs. Hierzu ist eine Sprachförderung im Rahmen eines Intensivsprachkurses anzustreben.

5. Hinsichtlich der bereits in Deutschland lebenden Migranten ergeben sich in zwei Beziehungen besonderer Förderbedarf: Zum einen ist die Vermittlung deutschsprachlicher Kenntnisse zur arbeitsmarktlichen Eingliederung von arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Migranten in vielen Fällen notwendig. In diesem Zusammenhang sind auch berufsorientierte Deutschsprachkurse anzubieten. Zum anderen sollten vor dem Hintergrund der Zunahme des Anteils älterer Migranten in Deutschland und den spezifischen Zugangsbarrieren dieser Gruppe zu öffentlichen Einrichtungen und Hilfsangeboten Sprachfördermaßnahmen für ältere Migranten angeboten werden.

6. Im Interesse einer zukunftsfähigen Sprachkursarbeit für Migranten sollte dafür Sorge getragen werden, dass die Qualität der Arbeit sichtbar gemacht und systematisch gesichert werden kann. Hierzu bedarf es einer dauerhaften Umsetzung der Sprachkurse nach bestimmten Qualitätskriterien und der Mitwirkung der Träger an einem umfassenden Qualitätsentwicklungs- und -sicherungs-prozess für die Sprachförderung "Deutsch als Zweitsprache". Für die Ebenen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Sprachförderung "Deutsch als Zweitsprache" sollten Kriterien entwickelt (mit ausgewählten Trägern und weiteren Akteuren) und festgelegt werden. Ziel der Qualitätsentwicklung wäre die Verleihung eines Qualitätssiegels "Deutsch als Zweitsprache". Um dieses Siegel zu erreichen, sollten die Träger die zu definierenden Qualitätskriterien erfüllen. In regelmäßigen Abständen wäre eine Überprüfung der Einhaltung der Qualitätskriterien vorzunehmen.

Der Forschungsbericht "Evaluation der Sprachförderung Deutsch für ausländische Arbeitnehmer" ist gegen eine Schutzgebühr von 9,- DM erhältlich (254 Seiten; Reihe Sozialforschung Nr. 274). Der Band integriert die Ergebnisse des Projektverbunds Social Consult,Infratest Burke Sozialforschung und Fachbereich Deutsch als Fremdsprache, Universität Essen:

Bestellungen beim Herausgeber:
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Pressestelle,
Postfach 080162,
10001 Berlin


Autor: Dr. Franz Dormann, Social Consult

Foto: privat

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.