Ausländer in Deutschland 3/1999, 15.Jg., 30. September 1999

STADTPORTRAIT

Nippons Hauptstadt bleibt am Rhein

Japaner in Düsseldorf

 

Ausländer in Düsseldorf
(Stand: 01.01.1999)

Einwohner:

568.400

davon Ausländer:

100.909

darunter aus:

Türkei

16.969

Ehem. Jugoslawien

16.752

Griechenland

10.994

Italien

7.158

GUS-Staaten

6.290

Marokko

5.575

Japan

4.673

Spanien

3.041

Polen

2.871

Ausländeranteil 17,8 %

Quelle: Amt für Statistik und Wahlen der Landeshauptstadt Düsseldorf.

Düsseldorf ist nicht nur für den Karneval, die "Kö" und die Altstadt ("längste Theke der Welt"), sondern auch für seine japanische Kolonie bekannt. Doch ab 1990 ereilte den wichtigsten Standort japanischer Unternehmen in Deutschland eine Abwanderungswelle nach Berlin. Die neue Hauptstadt drohte die japanische Gemeinde zu schlucken. Bis 1998 sind jedoch nahezu alle 70 japanischen Unternehmen, die es nach der Deutschen Einheit nach Berlin gezogen hatte, zurückgekehrt. Heute leben 4.700 Japaner im Stadtgebiet Düsseldorf und rund 6.100 im Großraum. Das waren 85 % aller Japaner in Nordrhein-Westfalen (7.200) und 22 % der rund 28.100 Japaner in Deutschland. Die Region Düsseldorf bleibt damit nach London und Paris die größte japanische Stadt in Europa.

Die Japaner unterscheiden sich wesentlich von anderen Migrantengruppen in Deutschland. Vor ihrer Ausreise zählten die meisten Migranten zu den Etablierten in Japan. Auch in Deutschland verfügen sie mehrheitlich über gesicherte Positionen mit hohem sozialem Status. Zudem unterliegen sie einem rechtlichen Sonderstatus durch die "Meistbegünstigungsklausel" - diese erleichtert die Niederlassung japanischer Unternehmen. Manager, ein Großteil der Japaner in Düsseldorf, benötigen keine Arbeitserlaubnis. Ihre Migration ist vor allem durch berufliche und Karrieregründen motiviert. So nennt sie ein Mitarbeiter des Presseamtes - in Abgrenzung zu anderen -"Edelmigranten".

Japans Tor zum deutschen Markt

Für den japanischen Außenhandel ist Deutschland ein wichtiger Partner und aufgrund der zentralen Lage in Europa auch ein bevorzugter Standort für Unternehmen. In Düsseldorf haben sich mehr als 520 japanische Firmen niedergelassen. Die erste war schon 1955 gekommen. Es folgten vor allem Unternehmen der Stahl- und Chemiewirtschaft sowie des Maschinenbaus. Düsseldorf als "der Schreibtisch des Ruhrgebietes" bot sich mit seiner zentralen Lage als idealer Standort an. In den 60er Jahren begann die große Zeit der Handelshäuser, die Japans Exportindustrie vertraten. Mitsubishi, Mitsui, Marubeni und viele andere faßten in Düsseldorf Fuß. Ihr Erfolg zog in den 70er Jahren auch japanische Industrieunternehmen an, die hier Vertriebs- und Servicegesellschaften aufbauten. Ihnen folgte im Laufe der 70er- und 80er-Jahre die gesamte Palette der Dienstleistungen: von Banken über Versicherungen, Transportwesen und Werbeagenturen bis hin zu Ärzten. Während sich die Büros und Verbände in der Stadt konzentrieren, sind die Fabriken im weiten Umkreis verstreut. Doch nicht alle japanischen Werke hatten auf Dauer Erfolg. Nicht nur in der Unterhaltungselektronik wurden die Kosten zu hoch. Sony gehört zu den wenigen, die nach wie vor in Deutschland herstellen. Noch ist deren Hauptverwaltung in Köln ansässig, bald zieht sie an den Potsdamer Platz nach Berlin. Generell ist die Hauptstadt für Düsseldorf zu einem ernsthaften Standort-Konkurrenten in Bezug auf ansiedlungswillige japanische Firmen geworden. Bislang war Düsseldorf das Wirtschaftszentrum, Hamburg das Handelszentrum und Frankfurt das Bankenzentrum.

Die Migration des japanischen Personals wird in den meisten Fällen von den japanischen Firmen organisiert - inklusive Wohnungssuche - und erfolgt fast ausschließlich mit der Familie. Bei über 50 % ist der Deutschlandaufenthalt auf höchstens fünf Jahre begrenzt. Nur jeder sechste hat hier seinen festen Wohnsitz. Dies liegt an der Entsendepraxis der Unternehmen, aber auch an dem mit rund 20 % recht hohen Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahren. Da sie nach dem Deutschland-Aufenthalt wieder in das sehr leistungsorientierte japanische Schulsystem eingegliedert werden müssen, sind die Eltern sehr darum bemüht, daß sie in Deutschland eine Schulbildung erhalten, die sie nicht allzusehr von der japanischen entfernt. In Düsseldorf gibt es zwei japanische Kindergärten und seit 1971 im Stadtteil Niederkassel auch eine "Japanische Internationale Schule", eine Ganztagsschule mit über 700 ausschließlich japanischen Kindern. Diese größte japanische Schule in Europa unterrichtet nach japanischen Lehrplänen und mit japanischen Schulbüchern. Sie hat nur neun Jahrgangsstufen - denn die meisten Kinder gehen zur Oberschule zurück nach Japan. Dort erwarten sie schwere Prüfungen. Schüler und Eltern sind daher eine der wichtigsten Kundengruppen der beiden Buchläden "Takagi" und "Japan Book Center" in der Immermannstraße.

Hauptziel des "Japanischen Clubs" war es schon bei der Gründung 1964, Probleme und Sorgen im Zusammenhang mit der Ausbildung der Kinder zu reduzieren. Der exklusive Club - dem mit 360 Firmen und 5.680 Mitgliedern 80 % der japanischen Gemeinde angehören - vereint die japanische Wirtschaftselite Düsseldorfs und hilft Neuankömmlingen als Mittler zwischen den Kulturen bei Eingewöhnungsschwierigkeiten. Aus einem Mittagstisch, der deutsche und japanische Geschäftsleute zu wirtschaftspolitischen Informationen zusammenführte, entstand die "Deutsch-Japanische Gesellschaft". Besonders vielfältig ist die japanische Kulturszene mit anderthalb Dutzend Vereinen und Einrichtungen. Im Stadtteil Niederkassel verfügen die Japaner mit dem "EKO-Haus der Japanischen Kultur" über ein Kulturzentrum mit integriertem buddhistischem Tempel, Teeraum, Gartenanlagen, Ausstellungsräumen, einer Bibliothek und seit April 1999 auch über einen integrativen Kindergarten. Vertraute Gebräuche der eigenen Kunst und Kultur können Japaner auch auf Vereinsebene pflegen: Zwei Einrichtungen bieten Kurse in japanischem Trommeln, eine Gruppe beschäftigt sich mit Koto-Musik, auch ein Schüler- und Frauenchor existiert. Ferner gibt es eine Ikebana-Schule, einen Go-Club, einen Origami-Treff, eine Bonsai-Werkstatt, eine Watanabe-Tanzgruppe und einen Golfclub. Nicht fehlen dürfen eine eigene Samuraigruppe namens Takeda und fünf Karaoke-Bars.

Während jeder dritte Japaner in Ober- und Niederkassel auf der linken Rheinseite lebt, haben die meisten Unternehmen, Einrichtungen und kleinen Geschäfte ihren Sitz rechtsrheinisch rund um die Immermannstraße, im Geschäftsviertel zwischen Hauptbahnhof und Königsallee. Das in Nr. 41 ansässige Hotel Nikko ist mit 600 Betten nicht zufällig das zweitgrößte und zudem teuerste Hotel am Platz. Es gehört zum 1978 entstandenen achtstöckigen Komplex des "Deutsch-Japanischen Centers", in dem sich 33 Firmen-Niederlassungen und Institutionen, von Japan Airlines, The Bank of Tokyo-Mitsubishi, dem Japanischen Generalkonsulat (seit 1965 in Düsseldorf), der Japanischen Industrie- und Handelskammer (seit 1966 in Düsseldorf) bis zu einer Filiale des berühmten japanischen Kaufhauses Mitsukoshi angesiedelt haben.

Wenig Kontakte

Wegen der begrenzten Aufenthaltsdauer und der hervorragenden Infrastruktur ist es für die meisten Japaner gar nicht nötig, gut Deutsch zu lernen. Das Zusammenleben mit Deutschen wird erschwert durch Verständigungsprobleme aufgrund der Sprache und unterschiedlichen Mentalität, aber auch durch fehlende Kontakte. Durch die überwiegende Beschäftigung in japanischen Betrieben und die zum Teil isolierte Situation der Kinder - unter anderem durch das hohe Schulpensum - bleibt man eher unter sich. Aber auch die Deutschen scheinen etwas kontaktscheu zu sein. Das kann aber kaum daran liegen, daß Sushi - Roher Fisch - nicht jedermanns Sache ist. Zwar haben das halbe Dutzend japanischer Lebensmittelgeschäfte und die 18 japanischen Spezialitäten-Restaurants mehr zu bieten, Deutsche sieht man dort aber selten. Das seit 1964 bestehende "Nippon-Kan" und zwei weitere exklusive Restaurants in der Immermannstraße sowie allein fünf in der benachbarten Klosterstraße werden wohl vor allem von japanischen businessmen frequentiert. Anders als etwa zwischen Deutschen und Italienern, Griechen oder Türken, geht hier die Liebe noch kaum über den Magen. Dann schon eher über die Liebe zu Gartenanlagen: 1975 schenkte die Japanische Gemeinde der Stadt Düsseldorf den Japanischen Garten im Nordpark. Manch einem Düsseldorfer hat er seitdem Ruhe und Beschaulichkeit gegeben und ein Stück japanischer Kultur nahegebracht. Auch die Japanischen Wochen 1983 und 1993 haben die Menschen einander nähergebracht.

Konkurrenz zu Berlin

1993 zog Düsseldorf zudem mit einer beispiellosen Werbekampagne ins Land der aufgehenden Sonne - eine Antwort auf die Berliner Konkurrenz um Standorte japanischer Firmen. Als anläßlich des Wechsels der japanischen Botschaft von Bonn nach Berlin eine Veranstaltungsreihe "Japan in Deutschland 1999/2000" mit Schwerpunkt in Berlin initiiert wurde, schlossen sich Düsseldorf und andere Städte an Rhein und Ruhr flugs mit einem eigenen "Japan-Jahr" an. Seit Juni 1999 findet jetzt auch hier eine Vielzahl von Veranstaltungen statt, mit denen Japan und die japanisch-deutschen Beziehungen vorgestellt werden sollen. Den Abschluß bildet am 2. September 2000 ein Japanisches Feuerwerk - und zwar nicht am Reichstag, sondern auf den Rheinwiesen. Denn Nippons deutsche Hauptstadt ist und bleibt Düsseldorf - das hofft jedenfalls die Stadtverwaltung. Schließlich geht es in "Little Tokio" um über 10.000 Arbeitsplätze in japanischen Firmen und deren Milliardenumsatz. So wäre heute eine solche Peinlichkeit wie vor etlichen Jahren nicht mehr möglich, als humorlose Düsseldorfer Jecken die Krönung einer japanischen Karnevalsprinzessin ablehnten.

 


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

Foto: Pressedienst Landeshauptstadt Düsseldorf

Literatur: Shunzo Sanchome: diverse Artikel im Japan Forum (Hg. vom Japanischen Generalkonsulat); Thränhardt, A.M.: Die japanische Minderheit. In: Schmalz-Jacobsen, Cornelia/Hansen, Georg (Hg.):Ethnische Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland, München 1995;
Internet: www.duesseldorf.de/presse/basis/japan und www.japonet.de/asd/index;
zum Japan-Jahr: www.embjapan.de/japanjahr.

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