Ausländer in Deutschland 1/2000, 16.Jg., 31. März 2000

INTEGRATIONSPOLITIK

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Neuer Dialog nötig

Anregungen der Ausländer-
beauftragten


Im Dialog voneinander lernen: Ausbilder aus Benin mit deutschem Lehrling bei der Visolux Elektronik GmbH in Berlin

Vor mehr als zwanzig Jahren eröffnete der erste Ausländerbeauftragte Heinz Kühn den Diskurs über die Notwendigkeit von Integration. Die realistische und ehrliche Auseinandersetzung über Zuwanderungs- und Integrationspolitik ist noch längst nicht abgeschlossen. Marie-Luise Beck, die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, schlägt deshalb einen neuen integrationspolitischen Dialog vor, der von emotionsgeladenen Zahlendebatten wegführen und die Anstrengungen vorwärts lenken will, hin zu den Zielen der Integrationsförderung.

Seit Kühns Denkschrift von 1979 haben Fachleute in den Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden sowie Wissenschaftler und Ausländerbeauftragte zahlreiche Integrationskonzepte erarbeitet, Praktiker der Migrationssozialarbeit unterstützten erfolgreiche Integration auch ohne offizielle Zuwanderungspolitik. Seit den neunziger Jahren jedoch gestaltet sich die Integration der Spätaussiedler und ausländischen Migranten zunehmend schwieriger. Was wurde aus den Konzepten, und wo stehen wir im Jahr 2000?

Die Notwendigkeit von Integration ist heute unbestritten. Die politischen Leitbilder als Handlungsrahmen für die am Integrationsprozess Beteiligten brauchen den breiten Konsens. Um die Akzeptanz der Zuwanderung und ihrer Folgen zu fördern, sind, so Beck, zwei Dinge notwendig: Erstens das Eingeständnis, dass ein unumkehrbarer Zuwanderungsprozess stattgefunden hat; zweitens die Definition der Integration als gesellschaftlicher Austauschprozess, in dem beide Seiten geben und nehmen, und der beide Seiten verändert. Es geht also um eine gemeinsame Verständigung über die Regeln des Zusammenlebens aller. Dieses Integrationsverständnis setzt voraus, dass alle Akteure mit gleichen Rechten und Chancen in den Dialog eintreten. Woran sollen sich nun die Beteiligten orientieren, wenn sie sich über die gemeinsamen Ziele verständigen wollen? Die wesentlichen Eckpunkte stellen wir Ihnen im Folgenden kurz vor.

Erste Schritte zu einer neuen Integrationspolitik

Mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts hat die Bundesregierung eine wesentliche Voraussetzung für Integration geschaffen. Wichtig ist nun die schnelle und unbürokratische Umsetzung der Einbürgerung.

Gruppenübergreifende Sprachförderung steht seit vielen Jahren ganz oben auf der Wunschliste der Praktiker. Durch die Bündelung der Fördermittel soll einer erweiterten Zielgruppe der Zugang zu Sprachkursen ermöglicht werden, die alle Zuwanderer mit dauerhafter Aufenthaltsperspektive umfasst.

  • Qualitative Verbesserungen bei bundesfinanzierten Maßnahmen und Länderprogramme zur Sprachförderung können die Chancengleichheit fördern. Gedacht ist hierbei an vorschulische und schulbegleitende Sprachförderung, Akzente liegen ferner auf interkulturellem Lernen, muttersprachlichem Unterricht und der Förderung zweisprachiger Kompetenz.
     

  • Der gleichberechtigte Zugang zum Arbeitsmarkt ist eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass Distanz zur Aufnahmegesellschaft gar nicht erst entsteht. Die Bundesausländerbeauftragte schlägt in diesem Zusammenhang Vereinfachungen im Arbeitsgenehmigungs- und Anwerberecht vor, die an die Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen gekoppelt sein können.
     

  • Über einen - noch zu entwickelnden - Aktionsplan zur beruflichen Bildung soll ferner die Aus- und Weiterbildungsbeteiligung von Migranten erhöht werden.
     

  • Altfallregelung: Im Interesse von Betroffenen, Behörden und Gesellschaft könnte längere Zeit in Deutschland lebenden Flüchtlingen die Möglichkeit eröffnet werden, ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Die Altfallregelung ist Bestandteil des Koalitionsvertrags.
     

  • Antidiskriminierungsmaßnahmen, z.B. im Privatrechtsverkehr, sind ein weiterer zentraler Schritt zur Gleichstellung dauerhaft in Deutschland lebender Migranten und Migrantinnen.


Autorin: Christine Müller, isoplan

Foto: Paul Glaser

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"Die soziale Stadt"

 

Über 900 Vertreter von Städten und Gemeinden, Ministerien, Trägern der freien Wohlfahrtspflege u.a. nahmen am 1. und 2. März in Berlin an der "Starterkonferenz" zu dem neuen Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt" teil, zu der das difu (Deutsches Institut für Urbanistik) im Auftrag des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Reinhard Klimmt, eingeladen hatte. Mit einem Mittelvolumen von zunächst 300 Mio. DM (davon je ein Drittel Bund, Länder, Gemeinden) zielt das Programm darauf ab, durch eine Bündelung und Vernetzung der Ressourcen, eine Aktivierung der Quartiersbevölkerung und neue Formen des Projektmanagements die bisherigen Erfahrungen mit Konzepten und Maßnahmen der sozialorientierten Stadtteilentwicklung einen neuen Weg der Städtebaupolitik für "benachteiligte" Stadtteile zu erproben.

Insgesamt werden im Programmjahr 1999 161 Gebiete mit "besonderem Entwicklungsbedarf" in 123 Städten gefördert, davon rund 25 % Altbauquartiere, 25 % funktionsgemischte Gebiete und 50 % verdichtete Großsiedlungen (Platten) der fünfziger und sechziger Jahre, in der Regel Stadtteile mit einem hohen Maß an Armut und sozialräumlicher Segregation, hohen Arbeitslosenquoten und fast immer auch einem überdurchschnittlich hohen Bevölkerungsanteil von Migranten. Das Programm greift damit Ansätze auf, wie sie in der Vergangenheit im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative URBAN in anderen Ländern, vor allem England, aber auch in einzelnen Bundesländern gesammelt werden konnten. Im Kern geht es um die Entwicklung integrativer Handlungsansätze und die ressortübergreifende Verknüpfung von baulich-räumlichen Aktivitäten mit sozial-, beschäftigungs-, umwelt- und kulturpolitischen Interventionen. In insgesamt 16 Modellgebieten soll dabei durch eine "Programmbegleitung vor Ort" eine begleitende und dokumentierende Unternehmung und Evaluierung der Programmumsetzung erfolgen. Ob die das Programm prägende geplante Vernetzung von Trägern der investiven mit denen der nicht-investiven Politik tatsächlich gelingt, bleibt abzuwarten. Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des Programms wird jedoch sein, wie Bundesminister Klimmt zu Recht in seiner Ansprache betonte, dass die Problematik der Integration und Beteiligung der ausländischen Bevölkerungsgruppen in den ausgewählten Stadtquartieren eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des Programms spielt.

AiD wird auf diesem Hintergrund in den nächsten Ausgaben ausführlich über das neue Programm "Soziale Stadt" berichten.


Autor: Dr. Manfred Werth, isoplan

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Migrationsbericht

 

Berlin/Bonn. Die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen hat im Dezember 1999 einen "Migrationsbericht 1999. Zu- und Abwanderung nach und aus Deutschland" herausgegeben." Verfasst wurde der Bericht vom europäischen forum für migrationsstudien (efms) in Bamberg unter Federführung von Prof. Friedrich Heckmann und Harald Lederer. Er knüpft an das 1998 erschienene "Handbuch Migration und Integration in Zahlen" an, wobei der Schwerpunkt jetzt deutlich im Bereich der Migration liegt. In jedem Kapitel werden die soziologisch-inhaltlichen und vor allem juristischen Grundlagen des jeweiligen Bereichs herausgearbeitet. (es)

Bezug:
Die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen
11017 Berlin
Tel.: 01888/527-2307 oder-2973 bzw. 030/2007-2307 oder -2973
Fax: 01888/527-2782 bzw. 2007-2782
http://www.bundesauslaenderbeauftragte.de 

Bonner Büro:
Postfach 140280
53107 Bonn
Tel.: 0228/527-2307 oder -2758
Fax: -2760

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Migrationsreport 2000

 

Frankfurt/Main. Beim Campus Verlag in Frankfurt am Main erscheint dieses Frühjahr die Publikation "Migrationsreport 2000. Fakten, Analysen, Prognosen" von Klaus Bade und Rainer Münz. Das Taschenbuch kostet 28 DM. (es)

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Zwischenbilanz

 

Osnabrück/Würzburg. Der Rat für Migration hat eine 45-seitige Publikation "Migrationspolitik in Deutschland. Eine Zwischenbilanz" herausgegeben. Enthalten sind unter anderem die Empfehlungen des Rates an Bundestag und Bundesregierung zur zukünftigen Migrationspolitik sowie weitere Aufsätze zur europäischen und deutschen Migrationspolitik. (es)

Bezug:
Prof.Dr.Michael Wollenschläger
Leiter des Rates für Migration
Universität Würzburg
Domerschulstraße 16
97070 Würzburg

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