Ausländer in Deutschland 1/2000, 16.Jg., 31. März 2000

PORTRAITS

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Massihollah Bozjeloye

"Ich würde ja gerne ausbilden, aber..."

 

Schon von der Straße aus sieht man Massihollah Bozjeloye (Foto) bei der Arbeit. Zwischen meterhoch gestapelten antiken Teppichen sitzt er über einem 70 Jahre alten Kashan-Teppich. Das wertvolle Stück ist ziemlich ramponiert: Löcher, lose Fäden, ausgefranste Ränder. Massi, wie der 45ährige gebürtige Iraner von seinen Freunden gerufen wird, erklärt anhand vieler "Vorher-Nachher-Fotos" sein Handwerk: Manche Teppiche haben tellergroße Löcher - Brand- oder Wasserschäden. "Teppichknüpfer Massi" heißt die von ihm ins Leben gerufene Freizeitkicker-Mannschaft. Doch seine wirkliche Berufsbezeichnung ist Teppichrestaurateur und -begutachter. Spezialisiert hat er sich auf alte Teppiche aus Aserbaidschan, doch ein guter Restaurator muss in der Lage sein, alle Teppicharten zu flicken - das heißt neu zu knüpfen. Die Kunden bringen verschiedenste Arten - vom chinesischen Seidenteppich über französische Gobelins bis zu türkischen Kelims. Zuweilen sind es auch Maschinenteppiche oder künstlerisch wenig ansprechende und eintönig gemusterte Modeware aus Nepal. Mehr als 100 Teppichsorten werden allein im Iran produziert.

In Teheran hat Massi sechs Jahre sein Handwerk gelernt. Als Meister kam er 1972 ins Saarland. Er begann bei einem Großhändler, bemühte sich aber bald um eine Genehmigung, sich selbständig zu machen. Es dauerte bis 1979, bis er nebenberuflich als Restaurateur anfangen konnte. Erst 1983 erteilten ihm die Behörden eine Genehmigung zur Existenzgründung - vielleicht, weil der Beruf hier kaum bekannt ist. Aber er hat Zukunft. "In jedem Haushalt gibt es heute Teppiche, irgendwann müssen sie restauriert werden". Massi ist der einzige Restaurator mit eigenem Betrieb im südwestdeutschen Raum. Da er sich aufwendige Werbung nicht leisten kann, gehen viele Kunden zum Großhändler. Dort arbeiten zwar gelegentlich auch Restaurateure vom Fach, oft seien das aber "Leute, die gerade mal zwei Monate in irgendeinem Basar gelernt haben". Weil man die Reparaturkosten niedrig halten will und es schnell gehen soll, lässt man sie machen. "Ein Khorassanteppich muss aber in Khorassan-Art restauriert werden". Eine billige, aber unfachmännische Reparatur schade dem Teppich sehr und reduziert seinen Wert. "Da kriegt der Kunde dann eine pakistanisch geflickte Stelle in einen Teppich, der vorher 50 bis 60.000 Mark wert war", sagt er. Und vergleicht: "Sie möchten doch auch nicht Ersatzteile von Lada in ihren BMW eingebaut bekommen?"

Massi sitzt manchmal fast einen Monat an einer Reparatur. Wie er das genau hinkriegt, dass die guten Stücke gleich welcher Herkunft und verwendeter Knüpftechnik wieder wie neu aussehen, ist sein Berufsgeheimnis. Es beginnt mit der Wahl der richtigen Wolle. Die handelsübliche Wolle muss er erst bearbeiten und färben - oft mit Pflanzenfarben. Es gebe wenig junge Menschen, die Lust auf diese zwar kunsthandwerklich interessante, aber auch mühsame und viel Geduld erfordernde Arbeit hätten. Aber gelegentlich kriegt er Anfragen. Gern würde er Lehrlinge ausbilden, sagt er, aber das erlaube seine finanzielle Situation nicht. Der Laden ist zu klein, die Eigenkapitaldecke zu dünn für die Kosten der Ausbildung. "Die Handwerkskammern und Arbeitsämter sollten an die Berufschancen für junge Ausländer denken und Ausbilder auch in selteneren Berufen unterstützen", regt er an. "Es wäre schade, wenn ich als Meister und Perfektionist in diesem Beruf mein Wissen nicht weitergeben könnte".


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

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Suat Mentes

 

Parallel zu seinem Soziologiestudium war der geborene Türke und "überzeugter Saarländer" Suat Mentes (34) von 1994 - 1999 Sprecher des Ausländerbeirates Saarbrücken. 1999 gründete er die türkischsprachige Monatszeitung "Saar Haber Bülteni". Mit einem Team von acht freien Mitarbeitern hat er bereits acht Ausgaben des kostenlosen Blattes produziert, das sich über Werbung deutsch-türkischer Firmen finanziert. "Es gibt viel zu tun, aber wenig Geld", sagt Mentes, der die Zeitung mit einem sozialen Anspruch betreibt: "Vielleicht klingt es naiv, aber ich möchte zur Identitätsbildung der Türken hier beitragen, indem ich ihr unmittelbares Umfeld vorstelle: türkische Initiativen und Unternehmen aus dem Saarland. Die Leser wissen mehr über Politik und Wirtschaft der Türkei, als hier vor Ort. Sie sind überrascht, wenn sie lesen, dass es hier große türkische Firmen gibt. Sie sind oft wenig gebildet und brauchen mediale Kommunikation". 


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

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Giovanni Sciurba

Giovanni Sciurba (Foto) war zunächst Angestellter einer Beratungsfirma, dann Personalmanager eines großen Verbands, ehe er sich Anfang 1999 als Unternehmensberater in Hamburg selbständig machte. In seiner Firma GS consult beschäftigt der Deutsch-Italiener vier Freiberufler. Er berät Firmen bei der Personalauswahl und bei Personalumstrukturierungen, führt aber auch Seminare und Trainingsmaßnahmen durch. Spezialisiert hat er sich auf multinationale Belegschaften. Ferner berät er bei der Produktauswahl und Installierung von computergestützten Personalmanagementsystemen.


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

Foto: Eduard Raab

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Sotiria Ekizoglou

Mit acht Jahren folgte Sotiria Ekizoglou ihren Eltern nach Deutschland, die hier schon einige Jahre als "Gastarbeiter" Beschäftigung gefunden, sich nun aber zum Bleiben entschlossen hatten. Die Griechin konnte kein Wort Deutsch, besuchte erst eine griechische Schule, dann die Hauptschule und anschließend eine Handelsschule. Die Höhere Handelsschule brach sie ab, so begann für sie mit 18 der Berufsalltag als Bürogehilfin. "Keine Sekunde" habe sie an eine ordentliche Berufsausbildung gedacht, schildert die Kölnerin ihre damalige Situation. Sie wurde Sachbearbeiterin in der Ausbildungsabteilung der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB). Bald fühlte sie sich beruflich unterfordert. 1987 bot sich eine Chance: Sie absolvierte berufsbegleitend eine 18monatige Berufsausbildung zur Personalfachkauffrau. Mit neuem Selbstvertrauen übernahm sie die Leitung der KVB-Ausbildungsabteilung. Aber auch damit gab sich die ehrgeizige junge Mutter nicht zufrieden. 1996 gründete sie die Firma pdi, Personaldienstleistungsinstitut GmbH. Neben privater Arbeitsvermittlung bietet sie auch maßgeschneiderte Personalberatungskonzepte für Unternehmen an.


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

Foto: Anita Schiffer-Fuchs

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Genadi Man

 

Auf dem Weg zum Global Player ist Genadi Man. Er ist 1956 in Gorki (damalige UdSSR) geboren, studierte in Israel und war anschließend auf allen Kontinenten als selbständiger Industriedesigner tätig. Unter anderem entwickelte er den ersten Visitenkarten-Automaten der Welt. 1995 gründete er in Köln die Telesens GmbH, die sich auf Abrechnungs-Software (Billing-Systeme) spezialisiert hat. Man ist Vorstandsvorsitzender und größter Anteilseigner eines schnell wachsenden Unternehmens mit weltweiten Niederlassungen und 400 Mitarbeitern. Das Credo "Viele Kulturen - ein Team" kennzeichnet die mutikulturelle Belegschaft des Unternehmens: "Internationale Jobrotation führt die Mitarbeiter verschiedener Kulturkreise unter dem Dach der Telesens zu einem kreativen multinationalen Team zusammen", heißt es in der Selbstdarstellung des Unternehmens, das Man dieses Jahr an die Börse bringen und bis 2003 zum weltweit fünftgrößten Anbieter von Abrechnungssystemen machen will.


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

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Recep Keskin

 

Seine Eltern konnten weder lesen noch schreiben. Als junger Mann kam Recep Keskin in das Ruhrgebiet - und ist heute einer der bekanntesten Firmengründer türkischer Herkunft in Deutschland. Die FAZ bescheinigte ihm einen "atemberaubenden Aufstieg". 1989 hat er als Teilhaber und mit Unterstützung eines deutschen Unternehmers die Betonfertigteilewerk Mark in Gevelsberg gegründet. Heute ist Keskin Geschäftsführer einer expandierenden Firma mit über 70 Beschäftigten. 1995 bekam er zur Würdigung seines sozialen Einsatzes als Unternehmer den Ehrentitel "Bürger des Ruhrgebiets". Auf seine türkische Staatsbürgerschaft will er allerdings nicht verzichten. Das bräche seinem über 90jährigen Vater das Herz, sagt er.


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

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Jean Louis Rodriguez

Jean Louis Rodriguez (Foto) hat nicht durch Zufall einen spanisch-französischen Namen. Geboren wurde er als Sohn eines spanischen Vaters und einer französischen Mutter in Frankreich. Er studierte Medizin, lernte dann aber im Urlaub seine spätere Ehefrau, eine Spanierin aus Pforzheim kennen und folgte ihr nach Deutschland. In der "Goldstadt" Pforzheim war er zunächst abhängig beschäftigt, doch als es zur Trennung kam und er das Sorgerecht für das gemeinsame Kind bekam, musste er sich umorientieren. "Ich habe eine Ausbildung als Juwelenfasser gemacht, weil ich diesen Beruf auch zuhause ausüben und so mein Kind betreuen konnte." 1984 gründete er mit Partnern eine Fasserwerkstatt, 1988 trennte er sich von seinen Partnern und baute seine eigene Werkstatt für Schmucksonderanfertigungen auf. Seine und andere Werkstätten haben seit einigen Jahren sehr unter der Konkurrenz aus Südostasien zu leiden, die aufgrund geringerer Lohnnebenkosten viel günstiger produziert. "Es ist eine schwierige Situation, viele gehen in Konkurs", sagt Rodriguez - "auch für mich ist es nicht einfach". Doch resignieren ist seine Sache nicht, obwohl zu viele seiner Kunden Rechnungen nicht zahlen und er diese Außenstände vor Gericht einfordern muss - zu selten mit Erfolg. 


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

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Bibiana Ugarte

Die Peruanerin Bibiana Ugarte gründete 1990 das Reisebüro Al Sur (zu deutsch: In den Süden) in Saarbrücken. Sie wartete damals auf einen Studienplatz. Doch das zog sich länger hin, als erwartet. "So habe ich mich selbständig gemacht, erst mal nur für ein bis zwei Jahre - jetzt sind es zehn Jahre geworden". Sie hat sich spezialisiert auf spanischsprachige Kundschaft und Perureisen. 


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

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Dr. Ahmet Ertekin

 

Die Unternehmensberatung ATA-Consult in Stuttgart ist eine Gründung des Deutsch-Türken Dr. Ahmet Ertekin. Zusammen mit der selbständigen Tochtergesellschaft ATA Bildungsakademie "aktif" hat Geschäftsführer Ertekin mit seinen Partnern ein umfassendes Service- und Dienstleistungszentrum aufgebaut, das vor allem die türkisch sprechende Bevölkerung der Region Stuttgart anspricht. Geboten werden zum einen Serviceleistungen bei Existenzgründungen, Betriebserweiterungen oder Unterstützung deutsch-türkischer Geschäftsbeziehungen. Klein- und mittelgroßen Unternehmen werden deutsch-türkische Steuer- und Buchhaltungsexperten vermittelt. Zum anderen werden Workshops und Trainingsmaßnahmen für Arbeitslose durchgeführt. Durch den Einsatz eines interkulturellen Mitarbeiterstabes, vor allem durch den gleichen kulturellen Hintergrund, kann in der Beratung besser auf Motive, individuelle Bedürfnisse und Handlungsweisen türkischer Kunden - ob Arbeitsuchende oder Existenzgründer - eingegangen werden, als dies vergleichbaren deutschen Einrichtungen möglich wäre. 


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

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Michael Karavas

Der Grieche Michael Karavas (Foto) kam 1958 zum Jura-Studium nach München und kehrte anschliessend nach Griechenland zurück. Dort war Karavas von 1967 bis 1971 selbständig tätig, ehe er 1972 eine dreijährige Beschäftigung bei der Griechischen Zentrale für Fremdenverkehr in Frankfurt und München aufnahm. 1976 gründete Karavas die Attika Reisen GmbH, einen Spezialveranstalter für Reisen nach Griechenland und Zypern. Heute, knapp 25 Jahre später, gehört Attika Reisen mit rund 130 Angestellten zu den führenden Griechenlandspezialisten Europas.


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

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Andrew Geddes

Das EURASIA Sprachen-Institut wurde 1993 von dem Engländer Andrew Geddes (Foto) gegründet und hat neben zahlreichen asiatischen und europäischen Fremdsprachen seinen Schwerpunkt im Bereich "Deutsch als Fremdsprache" für Chinesen. Das Institut verfolgt ein ganzheitliches Konzept, das heißt der Spracherwerb im Intensivkurs wird durch ein Gastfamilienkonzept unterstützt. Die jungen Chinesen können Grund- und Mittelstufenkurse besuchen und sich nach dem Bestehen der ZDaF bzw. ZMP-Prüfungen an einer deutschen Universität ihrer Wahl bewerben. Das Institut kooperiert mit der Volkshochschule Berlin-Wilmersdorf. Intention des Institutes ist der Bau kultureller Brücken zwischen den Kontinenten und somit ein Beitrag zur Völkerverständigung. Darüber hinaus bietet EURASIA interkulturelle Trainings für Manager an. Geddes studierte Sinologie und Japanologie, lehrte 3 Jahre in Japan und kehrte 1993 nach Deutschland zurück, um dieses Institut ins Leben zu rufen.


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

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Kemal Sahin
und
Dr. Metin Colpan

Unternehmer des Jahres - türkischstämmig


Kemal Sahin



Dr.Metin Colpan

An sein erstes Produkt erinnert sich Kemal Sahin noch genau: "Es war ein weißes T-Shirt, das ich vor allem an Studenten der Aachener Uni verkauft habe". Der heute 45-jährige, der 1973 mit einem Stipendium nach Deutschland gekommen war, wollte eigentlich Ingenieur werden. Als er dafür keine Arbeitserlaubnis bekam, machte er sich 1982 mit einer Geschenkboutique und einem Startkapital von 5.000 DM selbständig. Aus der Boutique wurde die Großhandelsfirma Santex Moden GmbH, die heute über 8.000 Kunden beliefert und mit rund 300 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von weit über 500 Millionen DM erwirtschaftet. Kemal Sahin ist ein Textilunternehmer mit sozialem Engagement, der unter anderem Integrationsprojekte und die Erdbebenhilfe Türkei finanziell unterstützt. 1997 wurde er vom Manager-Magazin zum "Unternehmer des Jahres" gewählt.

1998 wurde mit Dr. Metin Colpan erneut ein Migrant "Unternehmer des Jahres". Die von ihm gegründete Qiagen GmbH mit Vertriebssitz und Produktionsstätte in Hilden bei Düsseldorf ist seit 1984 in der Gentechnik in der DNA-Forschung tätig. Mittlerweile ist das Unternehmen der weltweit führende Anbieter innovativer Technologien und Produkte im Bereich reiner DNA/RNA. Die Markenprodukte von Qiagen finden vor allem in der akademischen, industriellen und klinischen Forschung Verwendung. Der große Durchbruch gelang dem Unternehmer Dr. Metin Colpan 1986, als er eine "revolutionäre Methode" entwickelte, ohne großen Kostenaufwand und ohne den Einsatz toxischer Chemikalien ultrareine DNA zu gewinnen. Heute bietet Qiagen mehr als 260 unterschiedliche Produkte an, die von 650 Mitarbeitern in den Niederlassungen in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, Australien, Kanada und den USA ständig weiterentwickelt werden. Mit dem Vertrieb in mehr als 35 Ländern konnte das Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren stark expandieren. 1997 betrug der Gesamtumsatz 74 Millionen Dollar.


Autor: Ekkehart Schmidt, isoplan

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