Ausländer in Deutschland 2/2000, 16.Jg., 30. Juni 2000

stadtportrait

T bis U und Little America

Amerikaner und andere Ausländer in Mannheim

Ein großer Teil des Stadtbezirks Käfertal hebt sich ab von der übrigen Physiognomie der Stadt Mannheim: So fährt man vorbei an Kasernen, einem gewaltigen Stacheldrahtzaun, bewaffneten Posten und unzähligen amerikanischen Autos. In der Innenstadt dagegen finden sich Viertel mit größtenteils türkischer oder italienischer Bevölkerung. Die 326.000 Einwohner zählende Großstadt am Rhein weist Segregationstendenzen ganz unterschiedlicher Ausprägung auf - mit Vor- und Nachteilen.

Der Vorort Käfertal besteht aus zwei deutlich getrennten Wohnbereichen: dem alten Ort und der Benjamin Franklin Village mit ihren amerikanischen Familien, die zum Großteil Angehörige der US-Amerikanischen Streitkräfte sind. Die Wohnviertel zwischen Lincoln Avenue und Monroe Street bieten ein Leben und einen way of life wie in den USA: mit eigenen Kindergärten, einem eigenen Schulsystem, eigener ärztlicher Versorgung, eigenen Geschäften und eigenen Institutionen von Kultur und Freizeit bis hin zum drive-by-shooting . Selbst mit eigenen Tankstellen sind sie ausgestattet. Amerikaner haben allerdings auch die Option, in naheliegenden Tankstellen und Fast-Food-Ketten außerhalb der Siedlung in Dollar zu bezahlen. Des Weiteren haben sie die Möglichkeit, das Verkaufssortiment beliebig zu wählen; das heißt sie entscheiden selbst, ob sie in ihrer eigenen "kleinen Stadt" oder der Mannheimer City zum shopping gehen.

Anderen Mannheimern ist es allerdings nicht erlaubt, die Angebote in "little America" zu nutzen. Überall amerikanische Preise, Benzin unter DM 1,00 in Hülle und Fülle - doch nur "den Amis" gewährt. Diese infrastrukturelle und kulturelle Autonomie wurde geschaffen vom European Command, dem im nahen Heidelberg gelegenen Oberkommando der US-Streitkräfte in Europa. Die vertrauten Annehmlichkeiten der Heimat mildern in gewisser Weise manch subjektiv empfundenen Nachteil des ehemaligen Besatzungslandes. So wird der Aufenthalt insgesamt erträglicher, zugleich wird die Administration durch den klar abgegrenzten Raum der "Village" vereinfacht. Die Amerikaner können Kontakt aufnehmen mit Angehörigen unserer Multikultur, aber sie müssen es nicht. Dazu kommt, daß sie - obwohl "Ausländer" - keine Meldepflicht bei deutschen Behörden haben. Diese juristische, wirtschaftliche und anderweitige Autonomie im Gastland ist bedingt aufgrund eines im Völkerrecht fixierten Status: Liegenschaften ausländischer Nationen wie zum Beispiel Konsulate, Botschaften oder auch Kasernen gelten als "exterritoriales Gebiet".

So ist es zum Beispiel nur Behördenangehörigen und wenigen Einzelpersonen mit Sondergenehmigung gestattet, auf bundesdeutschen Straßen halb- und vollautomatische Waffen mitzuführen, wie es die US-Boys dürfen. Zweimal im Jahr findet ein deutsch-amerikanisches Freundschaftsfest statt, an dem Einheimische und Amerikaner Kontakte knüpfen können. So bleibt es natürlich nicht aus, dass die Mannheimer Vokabeln wie "cool", "hype" und "bitch" in ihren Sprachgebrauch übernommen haben. Umgekehrt haben auch die Amerikaner Worte wie "Volksfest" und "Kindergarten" in ihr Vokabular integriert - wie das andere Migranten auch tun. US-Soldaten, aber auch Franzosen oder Kanadier sind in vielen Städten und Gemeinden Deutschlands stationiert. Jahrzehntelang lebten sie und die Deutschen eher neben- als miteinander. Welche Bedeutung das Militär für das Wirtschaftsleben ganzer Regionen hatte, wurde erst Anfang der 90er-Jahre schmerzhaft deutlich: Nach dem Ende des "Kalten Krieges" wurden viele Kasernen geschlossen. Viele Beschäftigte angegliederter deutscher Betriebe waren von Arbeitslosigkeit betroffen. In Mannheim droht das nicht.

Die höchsten Ausländeranteile der 23 Mannheimer Ortsteile finden sich in Neckarstadt-West mit 45 %, in Luzenberg (43 %) und in der Innenstadt (41 %), wobei das Innenstadtviertel Jungbusch 65 % aufweist. Der Stadtbezirk Käfertal hat einen offiziellen Ausländeranteil von 14 %, wobei die Amerikaner der Benjamin Franklin Village nicht in die Statistik eingegliedert wurden. Im Grundriss der Stadt ist die quadratische Aufteilung der Innenstadt und die Bezeichnung der Straßen nach Buchstaben und Ziffern von A1 bis U6 eine Besonderheit - gewissermaßen ein Wahrzeichen. Türken haben sich überwiegend in den Quadraten J bis L angesiedelt, in den Quadraten T bis U leben dagegen zu etwa 90 % italienische Bürger. In jedem Viertel, in dem der Hauptbestandteil an Einwohnern überwiegend von einer bestimmten Nationalität gestellt wird, steht eine Hauptschule, hin und wieder eine Realschule. Der Anteil ausländischer Schüler beträgt an Hauptschulen 45 %, aber nur 10 % an Gymnasien. Auch hier bleibt - angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit ausländischer Jugendlicher - noch einiges zu tun.

Ausländer in Mannheim nach Stadtteilen

 

Deutsche

Ausländer

%-Anteil

Innenstadt

18.170

12.690

41,1

Neckarstadt-W

10.866

8.879

45,0

Neckarstadt-O

26.316

8.105

24,0

Oststadt

11.854

1.631

12,1

Schwetzingen

8.203

2.679

24,6

Lindenhof

10.875

1.368

11,2

Sandhofen

10.406

1.690

14,0

Schönau

13.073

3.519

26,9

Waldhof

24.754

3.166

11,3

Luzenberg

1.496

1.120

42,8

Käfertal

14.958

2.449

14,1

Vogelstang

12.537

1.095

8,0

Wallstadt

6.146

282

4,0

Feudenheim

14.377

1.055

6,8

Neuostheim

3.650

288

7,0

Neuhermsheim

2.128

220

10,3

Hochstätt

2.278

987

30,2

Almenhof

6.408

1.045

14,0

Niederfeld

7.235

693

8,7

Neckarau

12.938

3.073

19,2

Rheinau

21.847

4.941

22,6

Seckenheim

10.437

1.124

9,7

Friedrichsfeld

5.284

870

14,1

Quelle: Stadt Mannheim
Stand: 31. Dezember 1998

Je weiter man sich vom Zentrum entfernt, desto geringer wird der Anteil der Ausländer an der Wohnbevölkerung (vgl. Tabelle). Ein wichtiger Grund für diese Konzentration ist - neben dem niedrigeren Mietpreisniveau - zunehmend die Attraktivität eines reichhaltigen Infrastrukturangebots, das den "Mannheimer Ausländern" in der Innenstadt geboten wird. Angefangen von zahlreichen religiösen Einrichtungen für die unterschiedlichsten Konfessionen - dazu gehört die neue Moschee - über die große Auswahl nationalitätenspezifischer Gastronomie bis hin zu einem eigenen Ausbildungsverbund für ausländische Jugendliche, der ihnen den Übergang von der Schule in die Ausbildung oder das Berufsleben erleichtern soll. Und natürlich wurden auch in Mannheim schon vor Jahrzehnten Beratungsstellen eingerichtet, in denen auf "die alltäglichen Problemchen" von Migranten eingegangen wird. Hier können sie sich in ihrer Muttersprache artikulieren, Rat einholen und Probleme lösen. Dazu kommen große Projekte wie "Älter werden zwischen den Kulturen (ab 1993), JUST (1996-99), QUIST (ab 1999) und das Verständigungskonzept im Umkreis der Moschee (AiD berichtete).

Auch in der zweitgrößten Stadt Badens gibt es Gewalt gegen Ausländer. Um zur Deeskalation beizutragen, hat die Mannheimer Polizei auf Initiative des Ausländerbeauftragten der Stadt, Helmut Schmitt, in den 90er-Jahren mehrere Gesprächsrunden veranstaltet. Sowohl deutsche als auch ausländische Bürger konnten hieran teilnehmen, um Erfahrungen und Ängste auszutauschen. Eingerichtet wurde auch ein spezieller Migrationsbeirat, der als Forum zur Diskussion und Meinungsbildung für ausländische Einwohner in Mannheim dient. Aus ihm werden elf Vertreter für den Integrationsausschuss delegiert. Seine Geschäftsführung liegt beim Ausländerbeauftragten. Der Ausschuss beschäftigt sich mit der Integrationsförderung und berät den Gemeinderat.

Mein Fazit als in Mannheim geborenes Kind italienischer Einwanderer: Ihren ausländischen Bürgern kann die Stadt eine Menge beeindruckender Angebote für ein angenehmes Leben bieten, kann aber der Integration und Förderung der Zuwanderer durchaus noch mehr Intensität widmen.


Autorin: Daniela Di Fabio

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