Ausländer in Deutschland 3/2000, 16.Jg., 30. September 2000

recht

Aktuelle Gesetzesänderungen, Urteile und Publikationen

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Asyl-Rechtsprechung korrigiert

 

Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) in Berlin zum Anspruch auf Asyl bei Verfolgung durch Bürgerkriegsparteien oder durch andere nichtstaatliche Gruppierungen korrigiert. Bislang erhielten Bürgerkriegsflüchtlinge nur Asyl, wenn sie vom Staat, nicht aber wenn sie von einer nichtstaatlichen Bürgerkriegspartei verfolgt wurden. Eine Kammer des Verfassungsgerichts hob am 10. August 2000 in einem Beschluß zwei Urteile des BVerwG auf, mit denen afghanischen Flüchtlingen ein Anspruch auf Asyl versagt worden war. Das Verfassungsgericht hält zwar daran fest, dass ein Asylanspruch grundsätzlich nur bei "staatlicher Verfolgung" besteht. Die Richter haben aber die Voraussetzungen gelockert, unter denen eine asylrechtsrelevante "quasi-staatliche" Verfolgung anzunehmen ist. Das bedeutet für Bürgerkriegsflüchtlinge und Opfer nichtstaatlicher Verfolgung, dass bei der Prüfung ihrer Asylanträge nunmehr großzügiger verfahren werden muß, als das nach der bisherigen restriktiveren Rechtsprechung des BVerwG der Fall war.

Die Richter hatten über die Verfassungsbeschwerden afghanischer Staatsangehöriger zu entscheiden, die Anfang der 90er Jahre in Deutschland Asyl beantragt hatten, weil sie in Afghanistan für das kommunistische Regime tätig gewesen waren und sich nach dessen Sturz durch die antikommunistischen afghanischen Widerstandskämpfer ("Mudschahedin"), bedroht sehen. Ihre Asylanträge waren abgewiesen worden - ein Urteil, das vom BVerwG später bestätigt worden war. Zur Begründung hatten die Berliner Richter angeführt, dass den Klägern keine quasistaatliche Verfolgung durch die Mudschahedin und somit keine politische Verfolgung im Sinne des Asylgrundrechts drohe. Die Kläger hatten zwar Abschiebeschutz erhalten, doch ist ihr Rechtsstatus nicht mit dem von anerkannten Asylbewerbern vergleichbar. So erhalten sie nur eine zeitlich befristete Duldung. Die afghanischen Kläger hatten dem BVerwG vorgeworfen, die Bedeutung des Asylgrundrechts verkannt zu haben.

Diese Auffassung hat das BVerfG nun im Wesentlichen bestätigt. Die Karlsruher Richter bescheinigen ihren Berliner Amtskollegen, die Anforderungen "überspannt" zu haben, nach denen politische Verfolgung im Sinne von Artikel 16a des Grundgesetzes zu beurteilen sei. Sie seien zu streng verfahren bei der Frage, ob die Mudschahedin als quasistaatliche Macht anerkannt werden könnten. Nach Ansicht des BVerwG ist eine Organisation nur dann staatsähnlich und damit zur politischen Verfolgung fähig, wenn sie auf einer nach innen und außen stabilisierten Herrschaftsmacht beruht. Davon könne in einem Bürgerkrieg, wie dem in Afghanistan, nicht die Rede sein. Das BVerfG vertritt zwar seit langem die Auffassung, von politischer Verfolgung könne grundsätzlich nur dann gesprochen werden, wenn sie vom Staat ausgehe. Allerdings hat das Verfassungsgericht schon 1989 in einer Entscheidung zum Bürgerkrieg in Sri Lanka klargestellt, dass auch staatsähnliche Organisationen Menschen politisch verfolgen könnten. Die Voraussetzungen hierfür wurden damals jedoch nicht weiter diskutiert. Nunmehr schreiben die Verfassungsrichter, die Frage sei maßgeblich danach zu beurteilen, ob die Bürgerkriegspartei zumindest in einem "Kernterritorium" ein Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität errichtet habe. Die fortdauernde militärische Bedrohung schließe "nicht zwingend aus", dass sich bereits eine staatsähnliche Organisation gebildet habe, die politische Gegner durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen aus der Gemeinschaft ausschließe und sie dadurch in eine ausweglose Lage bringe, der sie sich nur noch durch Flucht entziehen könnten. Nun muß sich das BVerwG erneut mit den Asylerfahren der Afghaner befassen (Az: 2 BVR 260/98 und 2 BVR 1353/98).


[ Seitenanfang ]

Sozialhilfe unabhängig vom Aufenthaltsort

 

Berlin. Nach den Vorschriften des deutschen Sozialhilfegesetzes kann Ausländern, die in ein anderes Bundesland umziehen, die Sozialhilfe auf ein Mindestmaß gekürzt werden. Damit soll verhindert werden, dass Großstädten und Ballungszentren unverhältnismäßig hohe Sozialhilfekosten entstehen. Das Bundesverwaltungsgericht befand nun am 18. Mai 2000 in Berlin, dass Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention unabhängig von ihrem Aufenthaltsort in Deutschland Anspruch auf ungekürzte Sozialhilfe haben. Es sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber von völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands habe abweichen wollen. Im Europäischen Fürsorgeabkommen gebe es keinen Hinweis darauf, dass es den Vertragsstaaten erlaubt sein sollte, die Gewährung von Fürsorgeleistungen wie der Sozialhilfe auf ein bestimmtes räumliches Gebiet zu beschränken (Az: 5 C 29.98 und 5 C 2.00).


[ Seitenanfang ]

Europäische Antidiskrimi-
nierungsrichtlinie

 

Berlin. Der europäische Rat der Arbeits- und Sozialminister hat sich am 6. Juni 2000 in Luxemburg auf eine Richtlinie zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft geeinigt. Der Leiter der deutschen Delegation, Staatssekretär Dr. Werner Tegtmeier, betonte, dass einheitliche Vorschriften zur Nichtdiskriminierung Ausdruck der europäischen Werteordnung sind und alle Mitgliedstaaten noch stärkere Anstrengungen gegen alle Formen der rassischen und ethnischen Diskriminierung unternehmen werden. Der Richtlinienentwurf legt einheitliche Mindestanforderungen für alle Personen, die sich in der Europäischen Gemeinschaft aufhalten, fest. Bei den erfassten Bereichen handelt es sich unter anderem um den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit, die Arbeitsbedingungen, den Sozialschutz und die soziale Sicherheit sowie den Zugang zu Waren und Dienstleistungen. Damit werde, so Tegtmeier, ein weiterer Schritt hin zu einem sozialen und toleranten Europa getan.


[ Seitenanfang ]

Rechtliche Publikationen

 

Berlin. Die Ausländerbeauftragte des Berliner Senats hat drei neue Publikationen herausgegeben. Hinweise zum Ehe- und Familienrecht und zum Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht für binationale Paare gibt die Broschüre "Ehen zwischen Deutschen und Ausländern". Das in der 11. aktualisierten und erweiterten Auflage vorliegende Heft informiert über Fragen der Eheschließung zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen, ob im Ausland oder in Deutschland. Stichworte aus dem Inhalt sind: Ehefähigkeitszeugnis, Familienstatut, Staatsangehörigkeit der Kinder, aber auch Scheidung, Unterhalt und Versorgungsausgleich. Die Materie ist sehr kompliziert, je nach Herkunftsstaat des Ehepartners gibt es zahlreiche Sondervorschriften und Ausnahmen. Da im Einzelfall eine eingehende Beratung wichtig ist, werden auch Hilfs- und Beratungsstellen genannt. Die zweite neu erschienene Broschüre behandelt die Rechte von EU-Bürgern beim Aufenthalt in den EU-Staaten."Freizügigkeit in der Europäischen Union", heißt das Heft, das nunmehr in der 6. aktualisierten Auflage erscheint. Es informiert unter anderem über Erwerbstätigkeit in EU-Staaten, Aus- und Fortbildung, Anerkennung von Diplomen, sozialrechtliche Stellung in anderen EU-Staaten und Rente. Neu ist auch die 4. Auflage einer Broschüre "Die Arbeitsgenehmigung". Erläutert werden die Arbeitsgenehmigungsarten: Arbeitserlaubnis und Arbeitsberechtigung, die Ausländern auf dem deutschen Arbeitsmarkt sehr unterschiedliche Rechte verleihen. Die Arbeitsberechtigung eröffnet weit größere Chancen als die Arbeitserlaubnis, die nur nach Prüfung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes für eine bestimmte Tätigkeit in einem bestimmten Bereich vergeben wird.

Bezug: Die Ausländerbeauftragte des Senats von Berlin, Potsdamer Str. 65, 10785 Berlin, Tel.: 030/9017-2351, Fax: 030/2625407, e-mail: Auslaenderbeauftragte@
auslb.verwalt-berlin.de
.


[ Seitenanfang ]

Broschüre zum neuen Staatsangehörig-
keitsrecht

 

Hamburg. Die Ausländerbeauftragte der Stadt Hamburg hat im August 2000 die 2. aktualisierte Ausgabe der Broschüre "Das neue Staatsangehörigkeitsrecht" herausgegeben. Sie wurde auf der Grundlage der neuen Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 07.04.2000 aktualisiert und ist gegen eine Schutzgebühr von 5 DM zu beziehen. (esf)

Bezug:
Freie und Hansestadt Hamburg, Die Ausländerbeauftragte, Projekt Integration, Barmbeker Markt 19, 22081 Hamburg, Tel.: 040/298101-0, Fax: -22, e-mail: auslaenderbeauftragte@
projekt-integration.de
 


[ Seitenanfang ]

Moderater Anstieg der Einbürgerungen in NRW

 

Düsseldorf. Nach der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts hat es in Nordrhein-Westfalen (NRW) zwar einen Anstieg bei den Einbürgerungen gegeben. Ein Ansturm von Anträgen auf die deutsche Staatsbürgerschaft von Ausländern sei jedoch ausgeblieben, erklärte Innenminister Fritz Behrens am 15. August 2000 in Düsseldorf. Im ersten Halbjahr 2000 nahmen mit 26.266 Einbürgerungen gut zehn Prozent mehr Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft an als im Vorjahreszeitraum, erklärte der SPD-Politiker. Für das gesamte Jahr rechnet er in NRW mit rund 52.000 Einbürgerungen. 1999 waren hier 47.472 Ausländer Deutsche geworden. Behrens vermutet, dass die mit einer Einbürgerung einhergehende Vermeidung einer doppelten Staatsangehörigkeit "für viele eine zu hohe Hürde" sei, ebenso wie die 500 Mark Einbürgerungsgebühr. Dies gelte besonders, wenn für mehrere Kinder die Einbürgerung beantragt werde. 6.873 Kinder haben zu ihrer angestammten Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, wobei seit dem 1. Januar 2000 Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren werden, durch die Geburt automatisch auch Deutsche sind. Behrens sieht besonders in der Einbürgerung der Kinder einen wichtigen Beitrag zur Integration und fordert die kommunalen Behörden auf, von der erlaubten Gebührenermäßigung großzügig Gebrauch zu machen. "Wir sind ein aussterbendes Volk", mahnt der Minister. Das "Blutrecht" als Prinzip für die Volkszugehörigkeit sei eine überkommene deutsche Tradition, die im zusammenwachsenden Europa nicht mehr zu halten sei. Das Weltprinzip orientiere sich am Geburtsort. "Wir sind auf dem Weg zu einer europäischen Staatsangehörigkeit". Das Einbürgerungsgesetz müsse "ein Signal sein für Ausländer, dass sie hier gern gesehen sind". Der Innenminister ermuntert die Einbürgerungswilligen, den Schritt zu wagen und versucht, die offenbar bestehende Furcht vor dem Sprachtest zu verringern.


[ Seitenanfang ]

Spätaussiedler drei Jahre auf Wohnort festgelegt

 

Der Bundesrat hat im April 2000 einer Verlängerung des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler zugestimmt. Das Gesetz ist am 1.Juli 2000 in Kraft getreten und wird - anders als ursprünglich vorgesehen - nicht unbefristet verlängert, sondern am 31.Dezember 2009 außer Kraft treten. Spätaussiedler sind nun regelmäßig drei Jahre an einen Wohnort gebunden, wenn sie staatliche Leistungen nach SGB III und dem Bundessozialhilfegesetz in Anspruch nehmen wollen. Andernfalls wird der für den tatsächlichen Aufenthalt zuständige Träger der Sozialhilfe nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe gewähren. Ebenfalls auf diese Hilfe beschränkt, ohne Integrationshilfen oder allgemeine staatliche Leistungen beanspruchen zu können, sind Spätaussiedler, die sich nicht in einer Erstaufnahmestelle des Bundes registrieren lassen. Sie können sich zum Zweck der Arbeitssuche in einer anderen Region mit besseren Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt aufhalten, ohne eine Kürzung der Sozialhilfe fürchten zu müssen.


[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.