Ausländer in Deutschland 1/2001, 17.Jg., 30. März 2001

Medien


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Zweisprachige Zeitungen

Wenige Türken in Deutschland lesen regelmäßig eine deutsche Tageszeitung. Die meisten lesen die Deutschlandausgaben der türkischen Tageszeitungen. Viele sind unzufrieden, weil diese überwiegend aus der Türkei berichten und ihnen die Tiefe in der nationalen sowie regionalen Berichterstattung aus Deutschland fehlt. Eine Vielzahl deutsch-türkischer Migrantenzeitungen versucht, diese Lücke zu schließen. Fast ausnahmslos handelt es sich um monatlich erscheinende Regionalblätter, die durch Anzeigen aus der Community und lokalen deutschen Firmen finanziert und über Anzeigenkunden kostenlos verteilt werden. Obwohl die Leserschaft zweisprachig ist, sind diese Zeitungen immer einsprachig. Drei Ausnahmen wollen wir vorstellen.

Vorreiter ernsthaft mehrsprachiger Zeitungen war ab 1992 das "Reutländer Blatt", in dem alle Texte in fünf Sprachen - von Türkisch bis Italienisch - gedruckt wurden (vgl. AiD 4/96). Auch die eine oder andere türkische Migrantenzeitung druckt ab und zu deutsche Texte. In der Regel jedoch möchte man damit potentielle deutsche Leser auf bestimmte Themen aufmerksam machen. Der ernsthafte Versuch, eine rein deutsch- oder zweisprachige Leserschaft zu gewinnen wird jedoch kaum unternommen. Die seit 1999 erscheinende Offenbacher Monatszeitung "TürkisNEWS" - ein relativ einseitig religiös und national ausgerichtetes Blatt - druckt nur wenige Texte in Deutsch: ab und zu Kochrezepte, auf der Kinderseite auch einmal Anekdoten aus dem Leben des Propheten Mohammed, häufig aber auch anti-kemalistische Texte, die sich gegen das Kopftuchverbot in der Türkei, die Bildungsreform oder Urteile gegen islamistische Parteien richten. TürkisNEWS, deren Auflage von 10.000 Exemplaren kostenlos verteilt wird, bietet auch hessischen CDU-Politikern eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung - in türkischer Übersetzung. Zielgruppe sind potentielle CDU-Wähler, denn TürkisNEWS richtet sich vor allem an konservativ denkende türkische Arbeiter der ersten Generation.

Der Impuls zum Abdruck auch deutscher Texte in einer ansonsten türkischen Zeitung ging bei der im Mai 2000 gegründeten saarländischen Monatszeitung "Kilim" von den neuen Möglichkeiten aus, die das Internet bietet: Kostenlos und ohne großen Zeitaufwand wurden Texte für jeweils ein bis zwei Kilim-Seiten aus der AiD-homepage heruntergeladen und in die ansonsten türkischsprachigen Seiten eingesetzt. So bot Kilim nicht nur den saarländisch-türkischen Lesern Informationen, die sie sonst kaum erhalten würden - vor allem rechtliche Änderungen. Auch der eine oder andere deutsche Kunde türkischer Geschäfte, in denen Kilim auslag, wurde angeregt, sich in Migrationsthemen hineinzudenken - als umgekehrter Beitrag zur Integration gewissermaßen. Nach sieben, mit viel ehrenamtlichem Einsatz produzierten Ausgaben in einer Auflage von 5.000 Stück, die durch Sonderkonditionen finanzierbar waren, wurde Kilim im Februar eingestellt.

Die mit der Herausgabe der Zeitung verfolgten Ziele der Redakteure liessen sich nicht mehr umsetzen. Zwei Mitglieder des Saarbrücker Ausländerbeirates wollten zum einen die türkischen Migranten im Saarland mit regionalspezifischen Texten versorgen. Zum anderen hatten beide eben erst eine türkische Buchhandlung eröffnet und wollten die Zeitung zu Werbezwecken nutzen. Letzteres war auch für einen weiteren der fünf Redakteure eine der Hauptmotivationen für das aufwendige Engagement einer Zeitungs-Neugründung. Er hat sich mit dem Verkauf von PC-Systemen, Webdesign und Computerkursen selbständig gemacht. Für Kilim schrieb er Computertipps und warb für seine Firma. Da der Buchladen kürzlich hat schließen müssen, fehlte ein Gutteil Motivation und Zeit für Kilim. Der Motor stotterte, im Januar erschien das 16-seitige Blatt zum letzten Mal.

Tabus brechen

Anders als Kilim enthält sich eine weitere Neugründung vom vergangenen Sommer keinesfalls politischer Zielsetzungen und Kommentare. "Deutschland ist ein Einwanderungsland und wird auch von konservativen Kräften zunehmend als solches begriffen. Ein günstiger Zeitpunkt, nun den lang erwünschten jedoch selten umgesetzten unverkrampften Dialog mit MigrantInnen und Deutschen konstruktiv voranzutreiben", hieß es forsch zum Start einer neuen Wochenzeitung, die sich ausdrücklich an Migranten und Deutsche richtet. Unter dem Namen "Persembe" (türkisch: Donnerstag) erscheint die Zeitung seit September 2000 als Donnerstags-Beilage der überregionalen Berliner Zeitung "die tageszeitung/taz", von der man unabhängig bleiben will. Die Vielfalt der politischen, sozialen, kulturellen und religiösen Identitäten in Deutschland soll durch die 8-seitige Wochenzeitung ein Forum bekommen, "das einseitiger Abbildung und stereotyper Wahrnehmung entgegentritt". Persembe will über Entwicklungen und Stillstände in Deutschland und der Türkei debattieren, mit deutschen und türkischen Tabuthemen brechen und die Entwicklung der Demokratie und der Menschenrechte reflektieren. So wurden bislang Themen wie der Armenierpogrom, die Situation von Juden in der Türkei oder der Einfluß des türkischen Militärs auf die Politik aufgegriffen - Themen, die auf den Internetseiten (www.per-ga.de) sehr bissig und kontrovers diskutiert werden. Umgesetzt wird das ehrgeizige Programm durch Beiträge von türkisch- und deutschsprachigen Journalisten und Redakteuren aus Deutschland und der Türkei. Die Zweisprachigkeit ist hier Programm: "In Anerkennung und Umsetzung einer existierenden bikulturellen Realität" sind deutsche und türkische Texte in Persembe gleichrangig.

Konstruktionsfehler?

Durch die Druck- und Vertriebskooperation mit der taz mit einer Auflage von fast 50.000 Exemplaren gesegnet, gehört Persembe zu den auflagenstärksten türkischsprachigen Zeitungen in Deutschland und wird auch inhaltlich beachtet. Konservative türkische Medien wie "Hürriyet" kritisieren und attackieren das freche Blatt gerne. Finanziell allerdings erholt sich Persembe eben erst von einer tiefen Krise im Winter 2000. Die Anzeigenerlöse liessen stark zu wünschen übrig und auch die anvisierte Abonnentenzahl ist erst zur Hälfte erreicht. Als Konstruktionsfehler erscheint, dass man das Produkt als Beilage verschenkt und die Druckkosten durch 500 zusätzliche taz-Abonnenten zu begleichen hat. Denn entweder haben türkische Intellektuelle schon die taz abonniert oder sie wissen nichts von der Existenz von Persembe, weil sie am Kiosk nicht als eigenes Blatt erkennbar ist und als Wochenzeitung zudem nur am Donnerstag erhältlich ist. So hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Beilage von Persembe zur AiD-Ausgabe 4/00 finanziell unterstützt, um das Blatt bekannter zu machen. Doch da war die Krise schon da. Der Seitenumfang mußte von 8 auf 4 Seiten reduziert werden. Aber immerhin: Dieser Tage erscheint die 30. Ausgabe.

Das Thema zweisprachiger Medien wie Persembe war auch Thema des Arbeitskreises "Integration und Medien",der im Februar 2001 zum 3. Mal getagt hat. Diese Tagungen, die das Institut für Auslandsbeziehungen in Kooperation mit dem Bundespresseamt seit 1999 durchführt, sollen den Dialog zwischen in Deutschland tätigen Medienwissenschaftlern und Journalisten fördern. Hauptthema ist die Frage, wie mit Hilfe der Medien die Integration der in Deutschland lebenden Türken gefördert werden kann. Innovationen in der Zeitungslandschaft sind hier ein Weg - allerdings kein einfacher.

Neue Wege bieten auch TV und Teletext: Im Dezember 2000 begann das ZDF ein "Pilotprojekt türkische Untertitel" und ein Teletextanbieter überlegte den Aufbau türkischsprachiger Teletextseiten.

Kontakte: 

Kilim, c/o Hakan Gündüz, Neustr. 14, 66740 Saarlouis, Tel: 06831/88-0413, Fax: -0364

Persembe, Charlottenstr. 1, 10969 Berlin, Tel.: 030/25291-230, Fax: -231, e-mail: persembe@web.de, Internet: www.per-ga.de

TürkisNEWS, c/o Temiztürk Verlag Werbeagentur, Waldstr. 45, 63065 Offenbach/M., Tel.: 069/823670-58, Fax: -59, e-mail: htemiztuerk@t-online.de


Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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7. SWR-
Medienforum "Migranten bei uns"

 

Der Südwestrundfunk (SWR) lädt vom 7. - 9. Mai 2001 zur bundesweit größten Veranstaltung über das Thema Einwanderung und Medien ein. Rund 100 JournalistInnen von ARD und ZDF, Wissenschaftler und Migranten treffen sich im Stuttgarter Funkhaus. Im Mittelpunkt der Tagung steht ein Bericht von Rita Süßmuth, der Vorsitzenden der Zuwanderungskommission der Bundesregierung. Der Migrationsforscher Klaus J. Bade spricht über historische Erfahrungen im Einwanderungsland Deutschland und geht auf aktuelle Entwicklungen ein. Über die Osterweiterung der EU und Fragen der Medien diskutiert die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Cornelia Sonntag-Wolgast, mit Vertretern der Europäischen Kommission. Untersuchungen über das Medienverhalten von MigrantInnen und die Frage nach der Rolle neuer Medien wie des Internets stehen ebenfalls auf dem Programm. Auch die Berichterstattung des Fernsehens wird beleuchtet. Entsprechend wurde das seit 1998 bestehende "Radioforum" umbenannt in "Medienforum". Das Radioforum "Ausländer bei uns" war 1988 von der Ausländerredaktion des früheren Süddeutschen Rundfunks, der jetzt mit dem SWR fusioniert ist, ins Leben gerufen worden. Dokumentationen der bisherigen Foren sind beim Nomos Verlag erschienen. (M-B)

Kontakt:
SWR International, Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun, 70150 Stuttgart, Tel.: 0711/929-3351, Fax: -3616, e-mail: karl-heinz.meier-braun@swr-online.de
Internet: www.swr.de/international .

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