Ausländer in Deutschland 2/2001, 17.Jg., 30. Juni 2001

ARBEITSPLATZ DEUTSCHLAND

Multikulturelles Rüsselsheim

Jeder vierte Einwohner der Autostadt ist Ausländer

Es gibt Marken, die drücken einer Stadt ihren Stempel auf. So wie Volkswagen und Wolfsburg untrennbar zusammengehören, so wird die Stadt Rüsselsheim mit dem Namen Opel nahezu gleichgesetzt. "Wenn Opel niest, kriegt Rüsselsheim die Grippe", ist ein geflügeltes Wort am Mainspitzdreieck. Es ist aber nicht allein die wirtschaftliche Lage des Hauptarbeitgebers, von dem das Wohl und Wehe dieser Städte abhängt; auch die Geschichte der Unternehmen und ihr Wachstum über Jahrzehnte haben die Entwicklung und das Gesicht der "Autostädte" mit geprägt.

Das gilt ganz besonders für die Beschäftigung von ausländischen Mitarbeitern in den Werken - und damit für das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in der Stadt. Was die Italiener für Wolfsburg bedeuteten - nämlich die weitaus stärkste Gruppe der Zuwanderer in den 50er und 60er Jahren -, das waren für Rüsselsheim neben Türken, Griechen und Italiener vor allem auch Zuwanderer aus dem Maghreb: Marokkaner und Tunesier bildeten von Beginn an relativ starke Gruppen, und so kommt es, dass von den rund 80.000 Marokkanern in Deutschland allein 1.500 in Rüsselsheim leben.

Das kulturelle Leben in der Stadt wird spürbar durch Aktivitäten ausländischer Vereine geprägt: Spanier und Kroaten, Marokkaner und Tunesier, Griechen und Türken (um nur wenige Gruppen zu nennen) haben sich zu unterschiedlichen Zwecken zusammengeschlossen, um ihre Kultur und Religion zu pflegen, aber auch um ihren Mitbürgern praktische Lebenshilfe zu bieten: in Erziehungsfragen, im Gesundheitswesen, durch Freizeitangebote für Jugendliche, im Sport. Ein sehr aktiver Ausländerbeirat trägt das Seine dazu bei, dass Rüsselsheim nicht nur als Autostadt gesehen wird, sondern auch als Gemeinwesen, in dem Angehörige vieler Nationalitäten friedlich miteinander leben. "Multikulturelles Rüsselsheim" - hier ist es mehr als ein hohles Schlagwort, hier ist es seit vielen Jahren Realität.


Interview:

Gebetsecken und Fließbandproduktion

Vor mehr als 100 Jahren (1899) begannen die Gebrüder Opel mit der Automobilproduktion. In den 3 Werken des Autoherstellers Opel - in Rüsselsheim, Bochum und Kaiserslautern arbeiten heute rund 42.000 Beschäftigte, davon rund 5.000 Ausländer. Ein großer Teil von ihnen ist türkischer oder arabischer Herkunft. Dr. Birgit Overwiening, Pressesprecherin der Adam Opel AG, stellte sich den Fragen von AiD, was die Firma unternimmt, um die Bedürfnisse ausländischer Mitarbeiter mit der High-Tec-Produktion in Einklang zu bringen.

AiD: Seit wann beschäftigt die ADAM OPEL AG in größerem Umfang ausländischeMitarbeiter?

Overwiening: Opel beschäftigt seit 1964 ausländische Mitarbeiter in größerem Umfang.

Wie viele ausländische Mitarbeiter aus wie vielen Nationen sind heute im Unternehmen beschäftigt? Welches sind die größten Nationalitätengruppen?

Bei der Adam Opel AG waren zum Jahreswechsel rund 5.000 ausländische Mitarbeiter aus 50 Nationen beschäftigt. In Rüsselsheim sind zur Zeit u.a. 1.400 türkische Mitarbeiter, 500 Italiener, 400 Marokkaner, 290 Griechen und 160 Spanier beschäftigt. In Bochum sind rund 580 türkische Mitarbeiter, 180 Spanier, 90 Italiener, 80 Griechen und 40 Marokkaner beschäftigt. In Kaiserslautern beschäftigen wir rund 30 ausländische Mitarbeiter aus neun Nationen.

Was unternimmt OPEL zur Integration der ausländischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: innerhalb und außerhalb des Betriebs?

Opel betreut seine ausländischen Mitarbeiter und bietet Wohnraum in den Opel-eigenen Wohnheimen an. Darüber hinaus fördert und stellt Opel Wohnraum zu Verfügung in Zusammenarbeit mit der Stadt Rüsselsheim. Opel bietet Sprachkurse sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen an, beispeilsweise in Kfz-Technik oder EDV. Zur Integration Jugendlicher arbeitet Opel zusammen mit dem Jugendsozialwerk. Ferner unterstützen wir öffentliche Stellen bei administrativen Vorgängen, so z. B. die Ausländerbehörde, das Arbeitsamt, die Stadtverwaltung und Schulen.

Landläufig herrscht die Meinung vor, für Menschen aus anderen Kulturkreisen sei die wirtschaftliche und soziale Integration in Deutschland schwieriger als zum Beispiel für Italiener und Spanier. Was sind Ihre Erfahrungen mit Mitarbeitern, die dem islamischen Glauben angehören, zum Beispiel mit Türken, Marokkanern und Tunesiern?

Wenn die unterschiedliche Kultur und der "andere" Glaube respektiert werden, läuft auch die Integration in das Team reibungslos. So bietet Opel den Mitarbeitern islamischen Glaubens Gebetsecken an, das heißt sie können in den vorgesehenen Pausen ihren Gebeten nachgehen.

Inwieweit bietet OPEL türkischen oder arabischen Mitarbeitern Gelegenheit, ihren religiösen Pflichten nachzukommen, zum Beispiel Pausen, Essgewohnheiten insbesondere im Ramadan?

Wir bieten den Mitarbeitern islamischen Glaubens Gebetsnischen am Arbeitsplatz, in die sie sich in den vorgesehenen Pausen zurückziehen können. Außerdem bietet die Kantine eine große Auswahl an Essen auch ohne Schweinefleisch. In der Zeit des Ramadan wird der Urlaub bei Opel großzügig geregelt, dies um sich dem Glauben widmen zu können oder auch für Wallfahrten nach Mekka.

Kann es dadurch zu Beeinträchtigungen des Produktionsablaufs kommen?

Nein, die Urlaubsregelungen sind vorher planbar. Die Essgewohnheiten während des Ramadan haben keine Auswirkungen auf den Produktionsablauf.

Wie können ausländische Mitarbeiter ihre kulturell oder religiös begründeten Bedürfnisse artikulieren?

Sie können ihre Bedürfnisse direkt dem Vorgesetzten gegenüber artikulieren, in der Mitarbeiterzeitschrift oder auf Betriebsversammlungen.

Welche Rolle spielen ausländische Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen in Personalvertretungen und Mitbestimmungsgremien bei OPEL?

Es sind mehrere gewählte ausländische Vertreter im Betriebsrat wie auch in der Jugendvertretung. Sie vertreten dann natürlich auch deutsche Mitarbeiter.

In der letztjährigen OPEL-Anzeigenkampagne gegen Gewalt und Intoleranz, die gemeinsam mit dem FC Bayern München durchgeführt wurde, hat sich Ihr Unternehmen für "Vielfalt statt Einfalt" und damit konkret für eine offene Gesellschaft eingesetzt. Wie war die Resonanz auf diese Kampagne?

Die Aktion wurde von allen Mitarbeitern befürwortet und als sehr positiv empfunden. Auch außerhalb des Unternehmens hatten wir ausschließlich positive Resonanz, selbst der Bundeskanzler lobte die Aktion.


Interview: Martin Zwick, isoplan

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