Ausländer in Deutschland 2/2001, 17.Jg., 30. Juni 2001

STADTPORTRAIT

Araber in Berlin

Integration mit Hindernissen


Späßchen für den Fotografen: Libanesischer Gartenarbeiter in Berlin

Literaturtipp

Der Text basiert zum Teil auf der Publikation "Araber in Berlin" von Frank Gesemann, Gerhard Höpp und Haroun Sweis, die in der Reihe "Miteinander Leben in Berlin" von der Ausländerbeauftragten des Berliner Senats herausgegeben wurde. In dieser Reihe sind bereits zahlreiche Publikationen über einzelne Berliner Minderheiten erschienen.

Bezug:
Die Ausländerbeauftragte des Senats von Berlin, 
Potsdamer Str. 65, 
Tel.: 030/90 17 23 51, 
Fax: 030/2 62 54 07; 
E-Mail: Ausländerbeauftragte@
auslb.verwalt-berlin.de

Internet: www.berlin.de/
auslaenderbeauftragte
 

 

Mit rund 30.000 Personen sind Araber - nach den Türken - eine der größten Zuwanderergruppen in Berlin. Dabei stellen sie keineswegs eine homogene Gruppe dar. Sie stammen aus etwa 20 Staaten und haben die unterschiedlichsten Kulturen und religiösen Einflüsse nach Berlin gebracht.

Bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es, was wenigen bekannt ist, eine aktive arabische Szene in Berlin. Es waren vor allem Geschäftsleute und Intellektuelle, die für längere Zeit in Berlin lebten und arbeiteten. In Fragen der Politik und Wirtschaft ihrer Heimatländer stark engagiert, waren viele arabische Berliner journalistisch tätig. In einer Reihe von Zeitschriften, die sie - meist in deutscher Sprache - publizierten, vermittelten sie deutschen Lesern und ihren Landsleuten in Deutschland die Situation der orientalischen Welt und warben um Interesse und Sympathie für ihre Vorstellungen. Trotz unterschiedlicher politischer Überzeugungen propagierten sie alle ein gemeinsames Ziel: die politische Unabhängigkeit ihrer Heimatländer.

Gestern...

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatte für die in Berlin lebenden Araber weitreichende Folgen. Ägypter und Araber, deren Regierungen die diplomatischen Beziehungen mit Nazideutschland abgebrochen hatten, waren als Erste betroffen: Iraker mussten sich bei den Polizeibehörden melden, Ägypter wurden auf Weisung des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, interniert.

Später, als Deutschland mit der Entsendung des "Afrika-Korps" nach Nordafrika und der Bildung der "Militärmission nach dem Irak" in die militärische Phase seiner Nahostpolitik eintrat, änderte sich die Stimmung und Hitler befahl "die Ausnutzung der arabischen Freiheitsbewegung" für die deutschen Kriegsziele. Dazu gehörten Rundfunkmeldungen in arabischer Sprache, die Einflussnahme auf arabische Zeitungen und Zeitschriften sowie die Pflege von persönlichen Kontakten zu einzelnen Arabern. Bewusst wurden dabei Araber in den deutschen Propagandaapparat eingespannt. Viele von ihnen waren erst kürzlich aus mittlerweile von Deutschland okkupierten Ländern nach Berlin gekommen, hatten in Frankreich studiert oder waren aus Syrien und dem Libanon geflohen, als britische und gaullistische Truppen diese Länder besetzten. Ein wichtiger Grund dafür, dass sie mit den Nazis kollaborierten war sicher die Illusion, dass Deutschland ihnen bei der Befreiung ihrer Heimatländer von kolonialer Herrschaft behilflich sein könnte.

...und heute

Viele der heutigen Berliner arabischer Herkunft kamen als Flüchtlinge, die der Bürgerkrieg aus ihrem Land vertrieb und die im Rahmen humanitärer "Altfallregelungen" einen festen Aufenthaltsstatus erhielten, wie z.B. Libanesen oder Palästinenser. Andere kamen als Studenten oder Geschäftsleute, einige wenige, nämlich Marokkaner und Tunesier, wurden im Rahmen der Anwerbeverträge in den 60er Jahren als Arbeitnehmer nach Deutschland gerufen.

Arabische Akzente sind überall in der Stadt zu finden. Es gibt nicht nur Restaurants oder Imbissbuden mit arabischen Gerichten, in Berlin arbeiten arabische Künstler, Journalisten, Schriftsteller, Ärzte, Wissenschaftler und Studenten.

Mit über 6.000 sind Libanesen, die im libanesischen Bürgerkrieg zwischen 1975 und 1989 das Land verlassen mussten, die stärkste Gruppe unter den arabischen Berlinern. Es sind insbesondere libanesische Schiiten aus den armen Vororten Beiruts und aus dem Süden des Landes, Kurden und Palästinenser aus den Flüchtlingslagern.

Wie aber leben diese Bürgerkriegsflüchtlinge in Berlin, wie haben sie sich in die Gesellschaft integriert? Der Berliner Wissenschaftler Ralph Ghadban[1], der mehrere Jahre in einer Beratungsstelle für Araber des Diakonischen Werks arbeitete, ist dieser Frage nachgegangen und hat im vergangenen Jahr die Ergebnisse einer mehrjährigen Untersuchung zur Integration der Libanesen in Berlin veröffentlicht. Er hatte 1988 eine repräsentative Anzahl von Familien befragt. Fast 80% von ihnen hielten sich zum Zeitpunkt der Befragung bereits länger als fünf Jahre in Deutschland auf. Dennoch lebten sie völlig isoliert von der deutschen Umgebung.

Sieben Jahre später führte Ghadban erneut eine Befragung durch, die auch soziale und kulturelle Aspekte wie etwa die Erfahrung von Diskriminierung oder die Kontakte zur deutschen Gesellschaft mit einbezog. Die befragten Libanon-Flüchtlinge hatten inzwischen einen gesicherten rechtlichen Status bekommen und häufig auch die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.

Wichtigeres Ergebnis als die Verbesserung der Lebensverhältnisse und die vielfach verbreitete positive Einstellung zur deutschen Gesellschaft war jedoch die Tatsache, dass sich das Leben der Befragten häufig innerhalb der eigenen Gruppe abspielt und dadurch ganze Lebensbereiche der deutschen Gesellschaft verschlossen bleiben. Kinder werden mit Landsleuten aus den engeren Bekanntenkreis verheiratet, im Restaurant oder Lebensmittelgeschäft werden Freunde beschäftigt, und privat herrschen oftmals so repressive Verhältnisse, wie sie im Libanon längst nicht mehr möglich wären. Alle befragten Männer haben zum Beispiel ihren Frauen verboten, außer Haus zu arbeiten.

Für Ghadban sind diese Verhältnisse eine Spätfolge der deutschen Flüchtlingspolitik in der Vergangenheit. Wenn es den Flüchtlingen nicht möglich ist, ihr Leben in der Gesellschaft zu organisieren, gestalten sie es außerhalb von ihr.

Umso wichtiger ist die Arbeit der zahlreichen Berliner Vereine und Projekte, die in vielfacher Weise die Integration arabischer Immigranten und Flüchtlinge in die Deutsche Gesellschaft fördern.


[1] Ralph Ghadban: "Die Libanon-Flüchtlinge in Berlin. Zur Integration ethnischer Minderheiten". Das Arabische Buch, Berlin 2000, 48 DM.

Autorin: Hanne Johé-Kellberg, isoplan

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