Ausländer in Deutschland 3/2001, 17.Jg., 30. September 2001

EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser,

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"Seid nicht zu euphorisch", so überschrieb K.J. Bade kürzlich einen Beitrag in der ZEIT zum Thema Einwanderung und Zuwanderungsgesetz. "Auch wachsende Zuwanderung wird die deutsche Gesellschaft nicht von ihrem Reformzwang befreien ... Einwanderung ist kein Allheilmittel für gesellschaftliche Probleme." "Die Wahrheit", so Bade weiter, "liegt in einer vernünftigen Balance zwischen geregelter Zuwanderung von außen und tiefgreifenden, schmerzhaften Reformen im Innern", in einer "Verknüpfung von Migrations- und Integrationspolitik" und einer flexiblen Regelung von Einwanderungskriterien.

Wie flexibel das in der Diskussion stehende Zuwanderungsgesetz am Ende sein wird, bleibt abzuwarten. Skepsis ist sicher angebracht, zumal, wie Bade wohl sehr zu Recht betont, "hinter der neuen deutschen Euphorie für ein Zuwanderungsgesetz ... vielfach ... die stille Hoffnung auf Zuwanderungsbegrenzung" stecken dürfte.

Eigentlich hatten wir als AiD-Redaktion gehofft, die vorliegende Ausgabe schwerpunktmäßig dem Bericht der Süssmuth-Kommission und dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur (so der offizielle Name) "Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz ZuwG)" zu widmen. Ersteres können wir einlösen und dabei eigentlich nur jedem, der sich ernsthaft mit dem Thema Migration beschäftigt, den Bericht zur eigenen Lektüre anempfehlen. Das Thema "Zuwanderungsgesetz" haben wir aus gutem Grund zunächst vertragt: Zu schnell sind die Dinge in Bewegung und so könnte es uns geschehen, dass bei der Drucklegung dieser Ausgabe von AiD die aktuelle Entwicklung uns überholt hätte. Ich habe stattdessen in den alten Ausgaben von AiD zurückgeblättert zur Ausgabe 3/1991, also zehn Jahre zurück.

Lex Lang, damaliger Referatsleiter im BMA, schrieb in dieser Ausgabe ein Editorial über unfassbare Schandtaten in Hoyerswerda und Hünxel, als Schwerpunktthema behandelte AiD "Ausländische Arbeitnehmer in deutschen Gewerkschaften" und das Thema der türkischen Arbeitsmigration (am 31. Oktober 1991 waren es exakt 30 Jahre, heute also 40, dass die ersten türkischen "Gastarbeiter" angeworben wurden). In einem zeitgeschichtlichen Beitrag "Asyl einmal anders" berichtete AiD über deutsche Flüchtlinge in der Türkei 1933 - 1945 und in einem Interview von AiD mit Edzard Reuter, damals noch Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG, sagte dieser: "Vordringlich muss der Versuch unternommen werden, eine einheitliche, kontinuierliche und glaubwürdige Politik gegenüber allen unseren ausländischen Mitbürgern zu formulieren. Dies ist eine Jahrhundertaufgabe für uns selbst. Wenn wir damit nicht fertig werden, dann werden wir uns auf Dauer noch sehr viel größere Probleme schaffen."

Nun ja (siehe Bade), "Einwanderung ist kein Allheilmittel für gesellschaftliche Probleme", das Jahrhundert, in dem Reuter diesen Appell formulierte, ist vorbei und Probleme, die uns vor zehn Jahren umtrieben, haben sich teilweise eher verstärkt. Und doch, was immer das Zuwanderungsgesetz endgültig bringen mag, wird heute endlich weitgehend akzeptiert, dass wir auf eine aktiv gestaltete Einwanderung angewiesen sind und Integrationsmaßnahmen weder Almosen noch Zwangsveranstaltungen sind.

Wie Sie voller Erwartung auf ein Zuwanderungsgesetz
grüßt Sie in diesem Sinne

Ihr

Dr. M. Werth, Herausgeber

P.S. 1 Der erste Tag danach
Ein Tag, nachdem das oben abgedruckte Editorial (ganz mit Blick auf die Zuwanderungsdiskussion in Deutschland) geschrieben wurde, verübten (heute noch?) unbekannte Täter die Terroranschläge in New York und Washington. Die Dimension der Tat ist unfassbar. Und sie wird, was immer in diesen Tagen und Wochen noch geschieht, die Welt verändern. Und leider wird auch die Angst wachsen, nicht nur vor Terroristen und Schurkenstaaten, sondern vor allem, was fremd erscheint, und damit die Bereitschaft zur Gewalt.

12.September 2001, mw

P.S. 2 Der dritte Tag danach
"Das Zuwanderungsgesetz wird auf Ende Oktober verschoben", hieß es heute in den Nachrichten. Wie hätte es anders sein können? Wir haben uns dennoch entschlossen, die vorliegende Ausgabe von AiD eben diesem Thema zu widmen.

14. September 2001, Die AiD-Redaktion


Autor: Dr. Manfred Werth, isoplan

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