Ausländer in Deutschland 3/2001,17.Jg., 30. September 2001

POLITIK

Zuwanderung und Integration

Die Vorschläge der Zuwanderungs- kommission und der Parteien im Überblick

Aus der Fülle der bundespolitischen Vorschläge der Zuwanderungskommission dokumentieren wir diejenigen zur Arbeitsmigration und Integration und stellen ihnen die Auffassungen der Parteien gegenüber, wie sie vor der Sommerpause vorlagen. Spätere Änderungen der Parteienstandpunkte konnten nicht eingearbeitet werden.

Arbeitsmigration

Mit Blick auf die Zuwanderung im Bereich unselbständige Erwerbstätigkeit schlägt die Zuwanderungskommission im ersten Jahr insgesamt 50.000 Kontingente für vier Gruppen vor: erstens 20.000 gut ausgebildete Zuwanderer nach einem Punktesystem, sie erhalten sofort einen Daueraufenthalt; zweitens 10.000 befristete Zuwanderer für Engpässe auf dem Arbeitsmarkt (zwei Modelle); drittens Spitzenkräfte der Wirtschaft und Wissenschaft mit Daueraufenthaltsoption (keine Kontingent-Obergrenze); viertens 10.000 junge Ausländer über 18 Jahren zur Ausbildung im dualen System nach freien Kapazitäten. Die Vorrangprüfung soll sich hierbei nicht mehr am konkreten Arbeitsplatz, sondern an Teilarbeitsmärkten orientieren, das doppelte Genehmigungsverfahren soll abgeschafft werden. Bei einer dauerhaften Zuwanderung soll eine Abschlussentscheidung durch eine zentrale Zuwanderungsbehörde erfolgen, während für die Letztentscheidung bei befristeter Zuwanderung die Arbeitsverwaltung zuständig sein soll.

Die SPD fordert die Anwerbung von Hochqualifizierten mittels eines Punktesystems und eine (nicht bezifferte) Kontingentlösung. Geregelt werden soll das Verfahren durch Rechtsverordnungen alle 2 Jahre. Vorrang haben soll die Aktivierung des inländischen Potentials. Nach 2010 soll die Anwerbung einen größeren Umfang erhalten. Plädiert wird für einen alleinigen Bescheid für die Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung. Über die Arbeitsmigration soll die Bundesanstalt für Arbeit entscheiden.

Bündnis 90/Die Grünen plädieren für eine bedarfsorientierte Zuwanderung mit systematischer Regelung des Zugangs, insbesondere: einheitliche Rechtsgrundlage, Einführung von (Teil-) Quoten für bestimmte Wirtschaftsbereiche und eine Vereinheitlichung ("Entbürokratisierung") der Verfahren (im Vergleich zur derzeitigen Prüfung durch Ausländer- und Arbeitsamt).

Die CDU befürwortet ein Kontingent für Fachkräfte, die Gewährung eines befristeten Aufenthaltsrechts und eine Auswahl über ein Punktesystem (keine Vorrangprüfung). Bei Hochqualifizierten tritt sie für die Gewährung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts ein. Ferner plädiert sie für die Beibehaltung der Regelungen für Saison-Arbeitnehmer (Vorrangprüfung). Die CSU befürwortet eine Zuwanderung unselbständig Tätiger nach wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen. Bei Saisonarbeitern plädiert sie für eine Beschäftigung bis 7 Monate, ohne betriebsbezogene Befristung. Bei hochqualifizierten Fachkräften tritt sie für eine Flexibilisierung des Ausländer- und Arbeitserlaubnisrechts ein.

Die FDP setzt sich für eine Neuregelung des Rechts zur dauerhaften Arbeitsaufnahme im Wege eines Zuwanderungsverfahrens (Zuwanderungsbescheid) ein. Möglich werden soll eine Einreise zur vorübergehenden Arbeitsaufnahme nach dem Ausländergesetz.

Bei Studenten empfiehlt die Zuwanderungskommission eine bewusste Anwerbung. Nach Studienabschluss soll für zwei Jahre eine befristete Erwerbsmöglichkeit eröffnet werden, ein Wechsel zum Daueraufenthalt soll dann aber nur über das Punktesystem ermöglicht werden. Die SPD betont, dass Studenten nach ihrem Abschluss gute Chancen im Punktesystem haben. Bei Bedarf wünscht die CSU eine Bleibemöglichkeit für besonders qualifizierte ausländische Uni-Absolventen. Bündnis 90/Die Grünen, die CDU und die FDP äußern sich zu diesem Thema nicht.

Die Zuwanderungskommission empfiehlt, die Möglichkeit der Zuwanderung von Selbständigen bei Nachweis einer guten Geschäftsidee in Betracht zu ziehen. Von den Parteien äußert sich nur die SPD hierzu: Sie empfiehlt, besondere Punkte für Existenzgründer mit Eigenkapital einzuführen.

In Bezug auf den Familiennachzug schlägt die Zuwanderungskommission vor, einen Rechtsanspruch für die Kernfamilie zu gewähren, ansonsten nach Ermessen zu entscheiden. Sie plädiert für eine Anhebung des Kindernachzugsalters auf 18 Jahre. Differenziert werden soll zwischen einer Einreise im Familienverband und einem tatsächlichen Nachzug.

Die SPD empfiehlt ebenfalls eine Anhebung des Familiennachzugsalters auf 18 Jahre. Bündnis 90/Die Grünen befürworten einen Ausbau der Rechtsansprüche auf Familiennachzug und eine Zustimmung zur EU-Richtlinie. Ein Recht auf Familiennachzug soll auch für Flüchtlinge gelten. Ihnen soll auch ein gleichrangiger Zugang zum Arbeitsmarkt zugestanden werden. Die CDU spricht sich gegen eine Ausweitung bestehender Regelungen aus. Sie befürwortet eine Absenkung des Nachzugsalters für Kinder in der Regel auf 6, höchstens auf 10 Jahre. Auch die CSU ist gegen eine Ausweitung bestehender Regelungen. Als Grenze des Nachzugsalters werden 6 Jahre empfohlen. Die FDP plädiert für einen Familiennachzug von Ehegatten und minderjährigen Kindern im Wege eines Zuwanderungsbescheides.

Integration

In Integrationsfragen befürwortet die Zuwanderungskommission für bestimmte Gruppen (Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger) eine Pflicht zur Teilnahme an Integrationskursen (Sprache/Orientierung/Staatskunde). Vorgeschlagen wird ein kombiniertes System. Es soll Anreize wie frühere Aufenthaltsverfestigung und frühere Einbürgerung geben, aber keine aufenthaltsrechtlichen Sanktionen.

Die SPD schlägt Integrationsvereinbarungen und Integrationslotsen vor. Ferner soll es eine Eingangsberatung und sozialpädagogische Begleitung geben. Sie empfiehlt eine beiderseitige Mitwirkungs- und Gestaltungspflicht. Die Teilnahme soll nur bei ausreichendem Angebot obligatorisch sein. Negative Sanktionen soll es nur unter bestimmten Voraussetzungen geben. An Anreizen genannt werden schnellere Aufenthaltsverfestigung und schnellere Einbürgerung. Bündnis 90/Die Grünen wollen keine Assimilierung: Den erfüllbaren Erwartungen an Integration müssten garantierte Ansprüche gegenüberstehen wie zum Beispiel ein unmittelbarer und uneingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Sprach- und Orientierungskurse sollten nach dem niederländischen Modell umgesetzt werden. Die CDU fordert obligatorische Integrationskurse in einem kombinierten System: Neben Anreizen (frühere Aufenthaltsverfestigung/frühere Einbürgerung) soll es auch Sanktionen geben. Hier werden genannt: Verlust des Anspruchs auf soziale Transferleistungen und Verlängerung der Fristen für Verbesserungen im Aufenthaltsstatus. Das niederländische Modell solle geprüft werden. Auch die CSU fordert Integrationskurse. Die FDP empfiehlt eine Pflicht zur Teilnahme an Integrationsfördermaßnahmen innerhalb der ersten 5 Jahre, aber ohne Erfolgskontrolle/Prüfung.

In Bezug auf die Kosten veranschlagt die Zuwanderungskommission für die Erstintegration bei 220.000 Fällen zusammen 615 Mio. DM. Sie plädiert dafür, dass sich Bund und Länder zur Hälfte beteiligen, während die Kommunen von den Kosten freizuhalten seien. Die SPD schlägt eine Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern entsprechend verfassungsrechtlicher Zuständigkeit vor. Ferner sollen sich die einzelnen Zuwanderer und ihr Arbeitgeber an den Kosten beteiligen. Bündnis 90/Die Grünen machen hierzu keine Aussage. Die CDU ist der Auffassung, dass die Kosten von den Zuwanderern zu tragen seien, gegebenenfalls könnten Darlehen gegeben werden. Begünstigte Unternehmen sollten an den Kosten beteiligt werden. Bei einem besonders hohen Anteil an Zuwanderern könne eine finanzielle Unterstützung der Kommunen von Bund und Ländern erwogen werden. Die CSU plädiert für eine Beteiligung der Betriebe an den Kosten. Die FDP befürwortet eine Übertragung der Kosten auf die Zuwanderer.


Zusammengestellt von: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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