Ausländer in Deutschland 4/2001, 17.Jg., 15. Dezember 2001

FORSCHUNG

Binationale im Visier

Diskriminierung durch Gesetze und Behörden

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Gründe für das Gefühl der Benachteiligung gegenüber deutsch-deutschen Paaren


Deutsch-jordanisches Paar in Amman, 1986

Die EU hat im Jahr 2001 auf der Grundlage des Amsterdamer Vertrages zwei Richtlinien und ein Aktionsprogramm gegen Diskriminierung verabschiedet. Im Vorfeld des Aktionsprogramms hat die EU-Kommission eine Reihe von transnationalen Projekten initiiert, die sich mit der Erforschung und Bestandsaufnahme von Diskriminierungen sowie der Entwicklung von Strategien dagegen befasst. Binationale Partnerschaften erfahren häufig eine mehrfache Diskriminierung. Die Ergebnisse des Projekts "fabienne", einer Untersuchung zur Mehrfachdiskriminierung binationaler Paare in vier europäischen Ländern, wurden Mitte November 2001 in Berlin vorgestellt.

Bei der Vorstellung des Migrationsberichts 2001 hat die Bundesausländerbeauftragte Marieluise Beck darauf hingewiesen, dass der Nachzug von Familienangehörigen aus dem Ausland noch nicht einmal zehn Prozent des Gesamtwanderungsgeschehens nach Deutschland ausmache. Dennoch bleibt der Familiennachzug eines der heiß umkämpften Themen sowohl in der deutschen als auch in der gesamteuropäischen Zuwanderungsdiskussion.

Eine der Personengruppen, die die negativen Auswirkungen dieser Diskussion deutlich zu spüren bekommt, sind binationale Ehen und Lebensgemeinschaften. Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., und seine Kooperationspartner haben seit Dezember 2000 ein von der Europäischen Kommission und dem Bundesfamilienministerium unterstütztes transnationales Projekt "Binationale Familien und Lebensgemeinschaften in Europa/Strategien gegen Diskriminierung (fabienne)" durchgeführt. Das vom isoplan-Institut wissenschaftlich begleitete Projekt beschäftigte sich mit der Frage, ob und in welchem Ausmaß die binationalen Paare in Deutschland, Frankreich, Österreich und den Niederlanden durch Gesetze und Behördenpraxis diskriminiert werden.

Dabei zeigte sich zunächst, dass die Diskriminierung teilweise schon in Gesetzen angelegt ist und durch sie gefördert wird. So empfinden die Betroffenen etwa das Gesetz zur Verhinderung von Scheinehen in den Niederlanden, wonach jede Eheschließung mit einem außereuropäischen Partner im Vorfeld einer Überprüfung unterzogen wird, einerseits unmittelbar als diskriminierend. Andererseits hat die Verabschiedung des Gesetzes vor drei Jahren die rassistisch aufgeladene Scheinehen-Diskussion weiter verstärkt. Umgekehrt hat die Entschärfung des Ausländergesetzes in Frankreich erheblichen Druck von den binationalen Paaren genommen, die sich nun nicht mehr einem generellen Scheinehenverdacht bei den Behörden ausgesetzt sehen. Am Beispiel Österreichs konnte u.a. aufgezeigt werden, dass das Fehlen von gesetzlichen Regelungen - hier die fehlende Möglichkeit der Eheschließung oder Vertragspartnerschaft für schwule und lesbische Paare, die es vielen Paaren nahezu unmöglich macht, ihre Partnerschaft mit aufenthaltsrechtlicher Absicherung zu leben - zu einer massiven strukturellen Ungleichbehandlung führt.

In Deutschland wurden von April bis September 2001 rund 650 Paare über ihre Erfahrungen bei Eheschließung und Familiennachzug befragt. Weitere 230 Paare wurden in Frankreich, den Niederlanden und Österreich befragt. Etwa die Hälfte der deutsch-ausländischen Paare nannte als wichtigsten Diskriminierungsgrund die Tatsache, dass sie nicht selbst über Zeitpunkt und Ort der Eheschließung entscheiden konnten. Viele fühlten sich zur schnellen Heirat genötigt, weil der/die PartnerIn sonst kein Bleiberecht in Deutschland gehabt hätte; in zahlreichen Fällen waren die Paare zur Eheschließung im Ausland und komplizierten Wiedereinreiseverfahren gezwungen. Gleichzeitig wurde ihnen die überhastete Heirat häufig zum Nachteil ausgelegt, da sie als ein Indiz für den Scheinehenverdacht gilt.

Beklagt wurden daneben intransparente Verfahren, bei denen die Betroffenen immer wieder neue, teilweise nur schwer oder gar nicht zu beschaffende Dokumente vorlegen mussten, und sich ein undurchschaubares Hin und Her zwischen Standesämtern, Ausländerbehörden und Botschaften entwickelte. Die Paare, die im Ausland geheiratet hatten, waren mitunter länger als ein Jahr getrennt, bis der ausländische Partner nach Deutschland einreisen durfte. Bei der Frage nach dem Verhalten der BehördenmitarbeiterInnen schnitten die Standesämter noch am besten ab. Die Ausländerbehörden wurden von einem Drittel der Befragten als unfreundlich bis sehr unfreundlich bewertet, bei den deutschen Botschaften hatte sogar mehr als die Hälfte der Paare schlechte bis sehr schlechte Erfahrungen gemacht.

"Selbst schuld..."

Rund ein Drittel fühlte sich durch Bemerkungen diskriminiert, wie etwa "Wie viel Geld haben Sie denn dafür bekommen?", "Selbst schuld, wenn Sie sich unbedingt einen Neger aussuchen mussten", oder "So wie Sie aussehen, hätten Sie doch auch einen Deutschen kriegen können". Die Untersuchung hat deutlich gemacht, dass Binationale unter einer mehrfach diskriminierenden Mischung aus Rassismus und Sexismus zu leiden haben; bei schwulen und lesbischen Paaren kommt noch die Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung hinzu. Diese Mehrfachdiskriminierung wird - so ein Ergebnis der Untersuchung - insbesondere durch den politischen und medialen Einwanderungsdiskurs genährt.

Als positives Projektergebnis wurde bewertet, dass zahlreiche, durchaus offene und konstruktive Gespräche mit BehördenleiterInnen möglich waren. Darin liegt ein wichtiger, konkreter Schritt zum Abbau von Diskriminierung.

Kontakt:
Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., Ludolfusstr. 2-4, 60487 Frankfurt a.M., Tel.: 069-7137560, Fax: 069-7075092, verband-binationaler@t-online.de, www.fabienne-iaf.de


Autorin: Veronika Kabis, Projektleiterin

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