Ausländer in Deutschland 1/2002, 18.Jg., 31. März 2002

EUROPA

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Integrationspolitik in Finnland

Persönliche Integrationspläne bei strengen Kontrollen

Mit einer Ausländerquote von 1,8 % und einer Zahl von rund 90.000 ausländischen Mitbürgern steht Finnland, gemessen an der Zahl der Ausländer, an letzter Stelle der EU-Mitgliedstaaten. Eigentlich sollte damit, wie man meinen könnte, die Frage der Integration von Ausländern in einem Land, das mit 338.000 km2 zwar das sechstgrößte in Europa ist, aber gerade einmal 5,1 Mio. Einwohner zählt, keinen sonderlich hohen Stellenwert haben. Dennoch wurden 1999 der Anspruch und die Instrumente der Integration gesetzlich geregelt.[1]

"Minderheiten" in Finnland

(Stand: Anfang 2000)

1. Ausländische Staatsangehörige

90.000

mehrheitlich aus Russland, Estland, Schweden

Flüchtlinge

20.000

darunter aus:

Somalia

4.900

Irak

2.800

ehem. Jugoslawien

2.600

Vietnam

1.900

Iran

1.800

2. Eingebürgerte ausl. Herkunft

ca. 90.000

3. Ethnische Minderheiten

ca. 50.000

Gesamt

230.000

 

Migration von und nach Finnland

Finnland, wie alle europäischen Staaten, war im Verlauf seiner Geschichte sowohl ein Einwanderungs- als auch ein Auswanderungsland. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wanderten zahlreiche Finnen vornehmlich nach Nordamerika aus. Zurzeit wird die Zahl der "Expatriates" auf etwa 1,3 Millionen geschätzt. Zugleich wanderten, wenn auch in kleinem Umfang und aus sehr unterschiedlichen Gründen, Menschen nach Finnland ein. Vor dem ersten Weltkrieg waren es primär Immigranten aus Deutschland, Norwegen, Russland, Schweden und Schottland, die als Unternehmer und hochqualifizierte Fachkräfte mit dazu beitrugen, dass Finnland bis heute an der Spitze der Hochtechnologieländer steht. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts kamen etwa 34.000 Flüchtlinge aus der früheren Sowjetunion ins Land. Nach dem 2. Weltkrieg versiegte der Einwanderungsstrom bis Anfang der 70er Jahre, in denen das Land Flüchtlinge aus Chile und Vietnam aufnahm. Danach, in den 80er und frühen 90er Jahren, empfing das Land Flüchtlinge aus Asien und Afrika. Eine sprunghafte Zunahme der Flüchtlingszahlen erfolgte schließlich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Gegenüber 20.000 Ausländern 1990 hat sich deren Zahl bis heute mehr als vervierfacht (rund 90.000).

Aktionsplan gegen Diskriminierung

Mit der Zunahme der Zahl der Ausländer nahm in den vergangenen Jahren trotz des immer noch vergleichsweise geringen Ausländeranteils an der Gesamtbevölkerung offensichtlich auch das Ausmaß fremdenfeindlicher Vorfälle deutlich zu. "Die Finnen", so ist in einem Papier des Arbeitsministeriums zu lesen, "sind es nicht gewohnt, Menschen zu treffen, die anders aussehen und eine andere Kultur, Religion oder Sprache haben ... daher können sie manchmal ein wenig misstrauisch sein gegenüber Ausländern ... Aber die Reserviertheit beruht nicht nur auf Misstrauen. Auch untereinander reden die Finnen nicht sehr viel."

Diskriminierungen und Vorurteile richten sich jedoch, wie in einem im März 2001 durch die finnische Regierung verabschiedeten "Aktionsplan zur Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus" festgestellt wird, nicht nur gegen Flüchtlinge oder Immigranten im engeren Sinn. Betroffen ist auch die nahezu gleich große Gruppe der naturalisierten Ausländer und deren Kinder sowie weitere im Land lebende ethnische Minoritäten.

In den Aktionsplan eingebunden sind alle für Integrationsfragen wichtige Ministerien und sonstige Institutionen wie die Arbeitsverwaltung, vor allem aber auch die Kommunen, denen eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von integrationsfördernden Maßnahmen zukommt.

Integrationsgesetz

Grundlage der Integrationsförderung ist ein am 1. Mai 1999 in Kraft getretenes Integrationsgesetz, das sowohl die Bedingungen und Formen der Integration von Einwanderern als auch von Asylbewerbern regelt. Drei Aspekte des Gesetzes sind dabei besonders interessant:

a) das Anrecht, aber auch die zwingende Erfordernis der Aufstellung eines individuellen Integrationsplans, der spätestens fünf Monate nach Erhalt von Sozialhilfemitteln erstellt sein muss und für eine Dauer von bis zu drei Jahren regelt, welche Integrationsmaßnahmen zu durchlaufen sind (Sprachkurse, Weiterbildung etc.).

b) Die Integrationspläne (besser: Integrationsvereinbarungen) sind zwingend vorgeschrieben für Einwanderer im Alter von 17 bis 64 Jahren, die permanent in Finnland wohnen und arbeitslos sind oder Sozialhilfe beziehen. Der jeweils persönliche Integrationsplan basiert auf der Grundlage von Integrationsprogrammen, die durch die jeweils zuständige Kommune in Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung und weiteren Institutionen vor Ort erarbeitet werden.

c) Neben weiteren Ausführungsbestimmungen beinhaltet das finnische Integrationsgesetz eine klare Verpflichtung des Einwanderers zur Kooperation (Sect. 15 Duty to cooperate) sowie sehr pragmatisch die Nachweispflicht, dass der Integrationsplan tatsächlich erfüllt wird (Sect. 16 Duty to notify).

Für die Zeit der Integrationsförderung erhält der Einwanderer eine finanzielle Unterstützung in Form eines so genannten "Integrationszuschusses" (integration allowance). Dieser besteht aus zwei Teilen, einem Zuschuss zum Lebensunterhalt und einer Eingliederungsbeihilfe am Arbeitsmarkt (labour market support).

Zentrales Planungs- und Kontrollinstrument der Umsetzung ist ein so genanntes "Integrationsbuch", in dem die einzelnen Schritte des Plans festgehalten sind und das gleichzeitig dazu dient, Teilnahmebestätigungen für die einzelnen Maßnahmen zu sammeln. Das Buch umfasst drei Rubriken (allgemeine Bildung, berufliche Bildung, sonstige integrationsfördernde Aktivitäten).

Versäumt ein Immigrant einzelne im Integrationsplan vorgesehene Maßnahmen oder schlägt er sie ganz aus, so kann dies zu einer teilweisen oder sogar völligen Streichung der finanziellen Unterstützung führen.

Ob dem finnischen Ansatz der Verknüpfung sehr aufwendiger persönlicher Integrationspläne mit einem relativ strengen Kontrollverfahren Erfolg beschieden sein wird, bleibt abzuwarten. Bei Teilnehmerzahlen von wahrscheinlich nur wenigen Tausend mag dies durchaus möglich sein. Ob der Ansatz aber übertragbar ist auf große Einwanderungsländer wie Deutschland kann angesichts knapper Staatskassen sicher bezweifelt werden.


[1] Act on the Integration of Immigrants and Reception of Asylum Sectors, Number 493/1999

Autor: Dr. Manfred Werth, isoplan

[ Seitenanfang ]


Europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik

 

Als Nr. 97 des Gesprächskreises Arbeit und Soziales hat die Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Arbeit und Sozialpolitik, im März 2001 eine Publikation "Europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik" (ISBN 3-86077-887-0) herausgegeben. Es handelt sich um die Dokumentation einer Fachkonferenz des Gesprächskreises Arbeit und Soziales am 16. Oktober 2000 in Berlin, auf der das Thema im Kontext der Amsterdamer Verträge anhand einiger aktueller europäischer Initiativen erörtert worden ist. Der Vertrag von Amsterdam überführt wesentliche Bereiche der Ausländer-, Asyl- und Flüchtlingspolitik in die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft. Innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren soll der Rat europäische Regelungen erarbeiten. Die von Günther Schulze und Ursula Mehrländer herausgegebene Publikation enthält unter anderem Beiträge von Klaus Sieveking, Margot Kessler und Jan Niessen. Die Publlikation kann auch von der Homepage der FES heruntergeladen werden. (esf/FES)

Bezug: Wirtschafts- und sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Arbeit und Sozialpolitik, 53170 Bonn, www.fes.de 

[ Seitenanfang ]


Soziale Sicherung in der EU und im EWR

 

Welche Geldleistungen bekomme ich als deutscher Arbeitnehmer im Krankheitsfall in Italien? Wie lange ist die Wartezeit für den vollen Bezug einer Rente in Dänemark? Fragen dieser Art beantwortet eine vom "Gegenseitigen Informationssystem zur sozialen Sicherheit" (MISSOC) herausgegebene Übersicht "Soziale Sicherheit in den Mitgliedstaaten der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum". Ende 2001 wurde die Ausgabe 2001 des regelmässig aktualisierten Berichts vorgelegt. Auf 650 Seiten bieten vergleichende Tabellen einen guten Überblick zu Fragen der sozialen Sicherung von Krankheit über Mutterschaft, Alter und Berufskrankheiten bis hin zur Arbeitslosigkeit . (esf)

Bezug: MISSOC-Sekretariat, ISG Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH, Barbarossaplatz 2, 50674 Köln, Tel.: 0221/235473, Fax: 0221/215267

[ Seitenanfang ]


Deutsch-
Französische Tagung zur Einwanderung

 

Am 7./8. Juni 2002 findet in Saarbrücken eine Deutsch-Französische Tagung zu Einwanderung und Rassismus statt. Die von der Heinrich-Böll-Stiftung Saar organisierte Tagung bietet Beiträge und Diskussionen zu aktuellen Themen mit ReferentInnen und VertreterInnen zahlreicher deutscher und französischer Organisationen. Infos unter boell.stiftung@t-online.de, Tel. 0681/9385173. (vk)

[ Seitenanfang ]


Bilanz des Europäischen Jahres der Sprachen 2001

 

Berlin. Am 16. November 2001 hat im Rahmen der Sprachenmesse EXPOLINGUA im "Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur" in Berlin die nationale Bilanzkonferenz zum "Europäischen Jahr der Sprachen 2001" stattgefunden. Dokumente dieser von Bund und Ländern initiierten und von der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) unter dem Thema: "Sprachenpolitik in Europa: Europäische Vielfalt contra englischsprachige Einfalt?" organisierten Konferenz können über die Internetseite www.na-bibb.de/ejs/dokumente_index.htm  eingesehen und heruntergeladen werden. Informationen zum Europäischen Jahr der Sprachen allgemein sowie zu den einzelnen Programmen weiterer europäische Länder bietet www.eurolang2001.org. (esf)

[ Seitenanfang ]


Grenzüber-
greifendes Studium Interkulturelle Kompetenz

 

Berlin. Die Berliner Niederlassung der "European School of Management", abgekürzt ESCP-EAP, bietet ab September 2002 neben verschiedenen postgradualen MBA-Programmen ein dreijähriges betriebswirtschaftliches Hauptstudium (Master's Programm) mit dem Schwerpunkt "Internationales Management" an. Den Studenten soll so außer fachlichem Wissen auch die für internationale Tätigkeiten notwendige interkulturelle Kompetenz vermittelt werden. Absolviert wird das Master-Programm wird in drei EU-Ländern: Man beginnt in der Regel im ersten Studienjahr in Paris, es folgt ein Jahr in Oxford und zuletzt eines in Berlin. Möglich ist auch die Variante Oxford-Madrid-Paris. Unterrichtssprache ist jeweils die Landessprache. Neben dem Studium ist in jedem Land ein dreimonatiges projektorientiertes Praktikum zu absolvieren. Als Titel erhalten die Absolventen den französischen "Diplôme de Grande Ecole de Gestion" bzw. den angelsächsischen "Master of Science". Für den Studiengang Paris-Oxford-Berlin gibt es zusätzlich den deutschen Grad "Diplom-Kaufmann/Kauffrau". Zugangsvoraussetzungen für Kandidaten aus der EU sind ein Vordiplom, ein Bachelor's Degree oder ein vergleichbarer international anerkannter Abschluss. Bewerber dürfen bei Studienbeginn das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und müssen über sehr gute Fremdsprachenkenntnisse in den drei Unterrichtssprachen verfügen. Der Bewerbungsschluss für den Beginn des ersten Kurses im September 2002 war der 1. März 2002. Die Studiengebühren betragen 6135 Euro pro Jahr, ohne Unterkunft. Für alle drei Studienjahre kann BAföG beantragt werden. (esf)

Kontakt: ESCP-EAP, Tel.: 030/32007-133, kgrimm@escp-eap.net, www.escp-eap.net

[ Seitenanfang ]


Feste feiern in Europa

 

Das erste Quartal 2002 war in den Medien - was Europa angeht - dominiert von der Einführung des Euro als gemeinsamer Währung. Das Ereignis wurde feste gefeiert. Etwas in den Hintergrund traten nicht-ökonomische Aspekte des europäischen Zusammenlebens. Allgemein das Feste feiern zum Beispiel - in allen Ausprägungen, die Europa zu bieten hat und Europa ausmachen. Daher soll hier eine zwar schon 1996 erschienene, aber nach wie vor empfehlenswerte Publikation der Edition Europa vorgestellt werden, die sich diesem eher unbekannten und vernachlässigten, gleichwohl für das interkulturelle Zusammenleben in Europa wichtigen Thema widmet. Der von Ulrich Kuhn-Hein herausgegebene 209-seitige Bildband "Feste feiern in Europa" (ISBN 3-931773-05-1) beschreibt die Festkultur der 15 Nationen der Europäischen Union. Wie beispielsweise kommt Lucia nach Schweden? Warum beißen Italiener in ein Glockenseil und was treibt die Iren auf den Berg? In sehr vielfältiger Ausprägung und mit sehr unterschiedlicher Intensität feiern die Europäer christliche Feste wie Weihnachten, Ostern oder Christi Himmelfahrt sowie private Feste wie Geburtstag oder Hochzeit. Nicht zu vergessen das sehr originelle Brauchtum der traditionellen und regionalen Feste - von der belgischen "Käsedoppelwoche" bis zu den britischen Druidenfesten. Kompetente Autoren beschreiben ausführlich die Besonderheiten der Festkultur ihrer Länder. Sie zeigen die Unterschiedlichkeiten in der Art des Feste feierns, aber auch die Gemeinsamkeiten. Gerade die religiösen und privaten Feste sind auch Ergebnis eines jahrhundertealten gegenseitigen Einflusses. "Denn wer in ein anderes Land geht, nimmt in der Regel seine Festtagsbräuche mit", schreibt Kuhn-Hein, "und lässt, bleibt er nur mit einer ausreichenden Zahl von Landsleuten eine ausreichende Anzahl von Jahren, zumindest Spuren der angenehmen Seite seiner Fremdheit, nämlich seine Art, Feste zu feiern, im Gastland". Nicht umsonst heißt es im Untertitel der lesens- und betrachtenswerten Publikation "Europa bringt uns zusammen, zusammen sind wir Europa". Denn tatsächlich bildet die Anerkennung des Wertes der eigenen Kultur - und damit auch der individuellen Art Feste zu feiern - die Voraussetzung für ein lebendiges Europa. So, wie mit der neuen gemeinsamen Währung die Voraussetzung für einen Ausbau des europäischen Wirtschaftsraumes geschaffen wurde. A propos: Der Bildband kostet 25 Euro. (esf)

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.