Ausländer in Deutschland 1/2002, 18.Jg., 31. März 2002

STADTPORTRAIT

Dimitri kickt, Leila tanzt

Migranten in Ludwigshafen

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Seit 40 Jahren arbeiten im BASF-Werk in Ludwigshafen deutsche und ausländische Kollegen zusammen. Heute sind es rund 2.400 Mitarbeiter aus 77 Nationen, die 6,3% der Belegschaft stellen. Bei einem Fest im Sommer 2000 übergab der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Carrara, Dr. Lucio Segnanini, der BASF zur Erinnerung an die ersten Gastarbeiter aus Italien eine Statue aus Marmor, die in der Parkanlage Karl-Müller-Straße aufgestellt wurde. Der Marmor, aus dem die Skulptur des griechischen Künstlers Stomatopulos gefertigt ist, stammt aus dem gleichen Ort, aus dem sich die ersten Männer in Italien aufmachten, um bei der BASF in Ludwigshafen zu arbeiten.

 

Über 60 ausländische Vereine sorgen in Ludwigshafen am Rhein für ein breites multikulturelles Angebot. Ob klassischer türkischer Gesang, koreanische Trommelmusik oder griechische Folklore, die rund 33.000 Ausländer brachten im Verlauf der 40-jährigen Migrationgeschichte die Kultur ihrer Heimatländer mit an den Rhein.

Wer sich heute von dem breiten Sport-, Kultur- und Sozialangebot überzeugen will, kann entweder die "Internationale Woche" der Stadt Ludwigshafen oder eine der vielen Einzelveranstaltungen ausländischer Vereine besuchen. Allein von den 2.500 Griechen in Ludwigshafen werden sieben Vereine mit etwa 1.000 Mitgliedern organisiert. Besonders stolz ist man auf den G.S.V. Ellas 91 e.V., der fünf Fußballmannschaften stellt und schon einmal die Kreisliga hinter sich gelassen hat. Im Sommer, bei den Straßen- und Hoffesten, finden vor allem türkische Tanzgruppen oder asiatische Kochkünste breiten Zuspruch.

Der Hemshof wird zur neuen Heimat

Begonnen hat alles mit den ersten "Gastarbeitern", die in den 1960er Jahren nach Ludwigshafen kamen und in großen Industrieunternehmen wie der BASF als dringend benötigte Arbeitskräfte eingesetzt wurden. 1964 zählte man im Arbeitsamtsbezirk Ludwigshafen ca. 7.000 ausländische Arbeitnehmer; 1971 wurde die Stadt in der Presse bereits als "Hochburg" der Gastarbeiter bezeichnet. Die Mehrzahl von ihnen ließ sich in der nördlichen Innenstadt nieder, wo es günstigen Wohnraum in alter Bausubstanz gab. Der "Hemshof" wurde somit zur neuen Heimat von Italienern, Griechen und Türken. 1969 lebten hier bereits 15% Ausländer. Die Altbevölkerung siedelte um in die damals neu erbaute "Pfingstweide" am Stadtrand. Heute ist im Hemshof jeder zweite Bewohner ohne deutschen Pass; an eine Rückkehr wird häufig nicht mehr gedacht. Einige haben sogar Hauseigentum erworben, als die Stadt in den vergangenen 10 Jahren Altbauten im Hemshof unter der Auflage der Sanierung preisgünstig veräußerte.

Kulturell manifestierte sich der Zuzug von Ausländern nach Ludwigshafen zunächst eher zögerlich, so Dr. Stefan Mörz, Leiter des Stadtarchivs in Ludwigshafen: 1963 entstand das "Centro Italiano" und erst in den 70er Jahren kamen langsam weitere öffentliche Einrichtungen hinzu, zum Beispiel 1972 der italienische Kinderhort oder eine Begegnungsstätte für Türken sowie die erste städtische Beratungsstelle für Ausländer im Jahr 1974. Ein Jahr später startete die VHS in Ludwigshafen ein Programm, das den Zugezogenen die Integration in erster Linie über Sprachprogramme erleichtern sollte. In den 1980er Jahren konnte man ein weiterhin wachsendes soziales und kulturelles Angebot für und von Migranten in Ludwigshafen beobachten - mehr und mehr auch zur Integration der Ehefrauen und Kinder der ehemaligen "Gastarbeiter". Ein Beispiel ist der "Internationale Frauentreff" der Stadt Ludwigshafen, der 1986 ins Leben gerufen wurde und bis heute für ausländische und deutsche Frauen ein vielseitiges Angebot an Weiterbildung, Informationsveranstaltungen und Kreativkursen bereitstellt.

Doch der Problemdruck auf die ausländischen Familien sowie die "aufnehmende Gesellschaft" in Ludwigshafen wächst. Steigende Arbeitslosigkeit und Armut betreffen heute gerade auch die Migranten in hohem Maße und machen das Zusammenleben insgesamt nicht leichter. Die Schlagzeilen der regionalen Presse brachten in den 1990er Jahren immer häufiger Spannungen zwischen Deutschen und den unterschiedlichen Nationalitäten in Ludwigshafen zum Ausdruck.

Kulturelle Herausforderung

Viele der ausländischen Vereine in der Stadt bieten daher weit mehr als nur Kultur und Sport. Sie beraten ihre Landsleute in sozialen Fragen, leisten gemeinsam mit karitativen Trägern wichtige Integrationsarbeit. Weil jedoch die Vielzahl derjenigen, die Ausländerarbeit in Ludwigshafen betreiben, einen hohen Koordinierungsaufwand mit sich bringt, denkt man bei der Liga der Sozialverbände, so Klaus Fett, Leiter der Koordinationsstelle für die Arbeit mit ausländischen Vereinen, derzeit über ein neues Konzept nach: Ein Dachverband könnte Angebote und Trägergesellschaften in Zukunft noch besser aufeinander abstimmen.

Wichtig bei allen Bemühungen bleibt, Integrationsarbeit als "Hilfe zur Selbsthilfe" zu verstehen. Die Bereitschaft, sich ein Stück weit an der Gestaltung der neuen, eigenen Lebenswelt zu beteiligen, muss auch von den Migranten erwartet werden. Umso ernüchternder daher die Wahl zum Ausländerbeirat im Jahr 2000, die scheiterte, weil die erforderlichen 10 Prozent Wahlbeteiligung nicht erreicht wurden. Die Wahlberechtigten konnten sich offenbar häufig nicht auf eine gemeinsame Liste ihres Herkunftslands einigen oder sahen ihre Volkgruppe von den aufgestellten Kandidaten nicht ausreichend repräsentiert. Neben der nationalen Identität stellen daher auch religiöse, politische und kulturelle Eigenheiten eine große Herausforderung für das Zusammenleben der Ausländer und der Deutschen in Ludwigshafen dar. In Zukunft wird es darum gehen, einen Konsens zu entwickeln, der die unterschiedlichen Alltagskulturen in der Stadt toleriert und ein lebendiges urbanes Leben ermöglicht. Die Hoffnung liegt dabei insbesondere auf den vielen jungen Migranten, die als aktive Mitglieder in den ausländischen Vereinen ihre soziale Kompetenz immer wieder unter Beweis stellen.


Autorin: Delia Schröder, isoplan

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