Ausländer in Deutschland 2/2002, 18.Jg., 30. Juni 2002

ARBEITSPLATZ DEUTSCHLAND

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Täglich Europa -
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Migranten bei der Bahn

Migranten und die Bahn - das ist eine lange und vielseitige Geschichte. Fast alle angeworbenen ArbeitsmigrantInnen der 1. Generation traten ihre erste Deutschlandreise mit der Bundesbahn an. Sonderzüge brachten Arbeiter beispielsweise vom italienischen Lecce direkt bis Wolfsburg zu den VW-Werken. Viele von ihnen arbeiteten später bei der Bahn. Und manche ihrer Kinder sind heute als Zugbegleiter oder im Bordrestaurant beschäftigt. Es gibt aber auch negative Bezüge zur Bahn: Im Schutz anonymer Vorortzüge sind schon viele zum Opfer fremdenfeindlicher Beschimpfungen oder Angriffe geworden, andere fühlen sich bei grenzüberschreitenden Fernzügen oder auf Bahnhöfen durch gezielte Kontrollen des Bundesgrenzschutzes diskriminiert. Die positiven Bezüge überwiegen jedoch: Immer mehr MigrantInnen sind als Fachkräfte bei der Bahn beschäftigt.

Seit der 1993 beschlossenen Privatisierung der Bundes- und Reichsbahn befindet sich die Deutsche Bahn AG (DB) in einem tief greifenden Umstrukturierungsprozess. Aus der Staatsbahn soll ein wettbewerbsfähiges Unternehmen werden. Dazu gehört der kontinuierliche Abbau von Personal von damals über 330.000 auf 214.000 MitarbeiterInnen Anfang 2002. Dennoch bleibt die Bahn einer der größten Arbeitgeber Deutschlands und mit jährlich 1,7 Milliarden Passagieren und täglich 30.500 Zügen der größte Verkehrsdienstleister Europas. Der Ausländeranteil ist mit 2,3 % zwar vergleichsweise gering, aber trotz Personalabbau konstant geblieben. Die meisten der rund 4.900 Ausländer arbeiten im Bereich Güterverkehr, gefolgt vom Bereich Personenverkehr, in dem zunehmend Migranten eingestellt werden.

Im Cargo-Bereich und bei der Bahnreinigung war der Migrantenanteil schon immer sehr hoch. So stammen über 90 % der ArbeiterInnen des Tochterunternehmens Bahnreinigung Köln GmbH (BRG) aus der Türkei. Dass die Arbeitsbedingungen hier relativ schlecht sind, zeigte 1998 ein fast achtwöchiger Streik von rund 500 BRG-ArbeiterInnen. für höhere Löhne und gegen ein Schichtmodell, das nur ein freies Wochenende im Monat garantiert. Die Züge sollen mit immer weniger Personal bei kürzeren Standzeiten gereinigt werden. Hart ist die Arbeit auch im Cargo-Geschäft. In Mannheim, Deutschlands zweitgrößtem Rangierbahnhof, wird ein Teil der täglich 6.000 Güterzüge umgeschlagen. Waggons langer Züge aus einem Dutzend Länder werden hier ge- und entkoppelt. Die Rangierer in den orangefarbenen Jacken leisten Schwerstarbeit. Einer von ihnen ist Cali Yavuz. Im Team mit vielen anderen Migranten schuftet der Türke zwischen den Puffern (Foto). Seit Jahrzehnten schon.

Auffällig neu ist dagegen seit Ende der 90er-Jahre die starke Zunahme von DB-MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund beim Zugpersonal - früher eine urdeutsche Domäne. Ob Zugchef, Zugbegleiter oder Mitarbeiter der MITROPA, dem gastronomischen Tochterunternehmen der DB: Auf den Namensschildern des heutzutage in feinem Tuch gewandeten Personals stehen zunehmend Namen wie Altintas, Beschastni, Ferraro, Kocak oder Tunc. Viele treten rollenbewusster und zurückhaltender auf, als manch altgedienter deutscher Eisenbahner. Manchem Berufsanfänger fehlt vielleicht noch ein wenig die Lockerheit in diesem Beruf, der geprägt ist von täglich hunderten menschlicher Kontakte. Und manchem Ärger: Stellvertretend für den Konzern haben sie immer wieder die Launen mancher Kunden zu ertragen, die aufgrund von Verspätungen erbost sind. Stets freundlich bleibend die Rolle des Blitzableiters auszuhalten - das ist nicht einfach. Da hält im April 2002 beispielsweise der ICE nach Hamburg-Altona plötzlich auf offener Strecke. Zugchef Enzo Ferraro muss eine Durchsage machen: "Meine Damen und Herren, wegen spielender Kinder auf den Bahngleisen verzögert sich die Weiterfahrt unseres Zuges um wenige Minuten. Wir bitten um Ihr Verständnis." Ein Stöhnen geht durch die Abteile. Termine können nicht eingehalten werden, Anschlusszüge werden verpasst. Am Ende sind es 25 Minuten, aber Ferraro versöhnt die Fahrgäste, weil er bei der Verabschiedung so nett "Ciao und Auf Wiedersehen" wünscht.

Am stärksten ist der Migrantenanteil beim ambulanten Service der MITROPA in den Fernverbindungen gestiegen. Mitarbeiter wie Herr Kocak können mit ihren Wagen voller Getränke und kleiner Snacks fast alle kleinen Wünsche zwischendurch erfüllen. Und im Sommer lockt das Speiseeis aus Frau Beschastnis Bauchladen. Herr Kocak schiebt seine mobile Minibar durch die Gänge des ICEs nach Hamburg. Charmant und humorvoll preist er sein Warenangebot an. Beim Kaffee warnt er: "Ich muss Ihnen vorab sagen, dass das Wasser nicht mehr sehr heiß ist". Macht nichts. Es wurde vor Stunden in Frankfurt aufgefüllt. Der junge Mann türkischer Herkunft hat den Slogan vom "freundlichen Team der MITROPA" verinnerlicht, obwohl dies erst sein erster Arbeitstag ist. Herr Kocak und Frau Beschastni ersparen einem den zuweilen langen Weg ins Bordrestaurant. Der Job hat Zukunft, denn die Speisewagen werden abgeschafft.

Transnationale Ausbildung

Vor einigen Jahren hat man bei der Bahn auch die Notwendigkeit einer Internationalisierung der Ausbildung erkannt. Seit 2000 wird die interkulturelle Kompetenz ausgewählter MitarbeiterInnen des Managements über Internationale Assessment Center eingeschätzt. Auch ein reger und regelmäßiger Erfahrungs- und Informationsaustausch mit MitarbeiterInnen ausländischer Bahnen wurde initiiert. Nachholbedarf besteht jedoch beim Zugpersonal. Gerade in puncto Mehrsprachigkeit. "Wir schulen unsere Mitarbeiter kontinuierlich, bieten Englisch- und Französischkurse an, unterrichten sie in Verkehrsgeografie, schicken sie auch auf fremde Gleise" sagt Robert Reuter, Chef des DB-Reisezentrums in Köln. Hier war dies besonders nötig. Täglich über 220.000 Menschen fahren von Deutschlands internationalstem Bahnhof in 1.000 Zügen nach Euskirchen und Koblenz, Paris und Moskau. Eine solche Ausbildung ist jedoch noch eine Ausnahme. Werden Bahnmitarbeiter anderswo auf Italienisch oder Russisch angesprochen, verstehen sie meist nur "Bahnhof". Aber man kann davon zu träumen beginnen, dass das Personal einmal multilingual sein wird. Warum sollten nicht Franzosen an Grenzbahnhöfen Fahrkarten verkaufen und Deutsche als Zugbegleiter nach Paris fahren? Barbara Killich vom DB-Dienstleistungszentrum Bildung in Frankfurt/Main macht sich an die Umsetzung dieser Utopie. "Go Europe" heißt das von ihr betreute transnationale Ausbildungsprogramm. Auf der Karte in ihrem Büro markieren Stecknadeln alle Orte, an denen Azubis international geschult werden: von Saarbrücken und Straßburg bis Frankfurt/Oder und Warschau. Am Anfang stand vor fünf Jahren eine Vereinbarung zwischen der DB und der französischen SNCF, wobei auf einer über 50-jährigen Austauschtradition aufgebaut werden konnte. 1998 startete das transnationale Projekt. "Europass" heißt das europaweit anerkannte Abschlusszertifikat, das Eisenbahner mittlerweile in neun Ländern erwerben können. Es hat sich ein munterer Austausch von Azubis entwickelt, die als Grenzgänger in "Tandem-Teams" interkulturelle Kompetenz erwerben. Zum Beispiel Nancy Philipp aus Berlin und Katarzyna Trefler aus Posnan (Foto). Sie haben zusammen am Servicepoint gearbeitet, gemeinsam die Schule besucht, Sprachen gelernt und bei Auslandspraktika viel über die jeweils andere Kultur erfahren. Nach zweieinhalb Jahren haben sie im Februar 2002 ihre Ausbildung abgeschlossen. Im November 2001 erhielt das Projekt den Deutschen Arbeitgeberpreis für Bildung, weil es - so die Jury - "beispielhaft ist für die Internationalisierung der beruflichen Ausbildung in Deutschland durch die systematische Integration von Auszubildenden sowie die vielfältige Ausbildungskooperation mit strategischen Partnern im Ausland". Darauf lässt sich aufbauen.


Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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Bahn aktiv gegen Fremden-
feindlichkeit

 

Frankfurt am Main/ Berlin. So manche rechtsextreme oder fremdenfeindliche Gewalttat hat sich in den vergangenen Jahren in den Zügen und S-Bahnen der Deutschen Bahn AG (DB) ereignet. Aber auch innerbetrieblich ist die Zusammenarbeit nicht immer spannungsfrei. Seit einigen Jahren geht der Konzern aktiv dagegen vor. 1999 schloss man eine Konzernbetriebsvereinbarung ab, die fremdenfeindliche und antidemokratische Verhaltensweisen sanktioniert. So will man die Beschäftigten vor Diskriminierungen im Betrieb schützen. "Nationalität, Religionszugehörigkeit und ethnische Zugehörigkeit dürfen in der Zusammenarbeit bei der Bahn keine Rolle spielen", heißt es. Gleichzeitig will man die Sicherheit der Kunden vor fremdenfeindlichen und neonazistischen Übergriffen gewährleisten. Zugbegleiter und Lokführer erhalten entsprechende Handlungsanleitungen. Eine Hotline zur DB-Abteilung Konzernsicherheit und zum Bundesgrenzschutz soll ein schnelles Reagieren in Krisensituationen ermöglichen.

Unter dem Motto "Bahn-Azubis gegen Hass und Gewalt" wurden 2001 auch rund 2.000 Jugendliche im ersten Ausbildungsjahr aufgerufen, sich in Team- und Projektarbeit mit dem Thema Rechtsextremismus auseinander zu setzen. Die Bahn beteiligt sich zudem als Förderer in Aktionen gegen Rechtsextremismus: Mit über 50.000 Euro beteiligte sie sich beim Verein "Gesicht zeigen! Aktion weltoffenes Deutschland e.V."; Für die Plakataktion: "Du willst Respekt. Ich auch" unter dem Dach des "Bündnisses für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt" stellte man Werbeflächen im Wert von 255.000 Euro zur Verfügung.

Im März 2002 hat die Bahn auch das deutsch-brasilianische Theater-Austauschprojekt "Der fremde Blick" unterstützt. Das Programm des brasilianischen Schauspielers und Regisseurs Marcos de Souza startete am 26. März 2002 mit einer 30 minütigen Text- und Tanzaufführung in der Empfangshalle des Berliner Ostbahnhofs. Schauspielschüler renommierter Schauspielschulen aus Deutschland und Brasilien boten mit improvisiertem Tanz, Live-Schauspielunterricht und Bewegungsübungen ein zum Teil groteskes Schauspiel für die Reisenden und Besucher des Bahnhofs. Für den aus Rio de Janeiro stammenden Marcos de Souza, der seit sieben Jahren in Deutschland lebt, sind gerade Bahnhöfe als Ankunfts-, Entdeckungs- und Begegnungsstätten Orte, die sein Deutschlandbild entscheidend mitgeprägt haben. Er hat "den fremden Blick", mit dem er immer wieder Neues und Kurioses entdeckt. Den Wartenden und Arbeitenden im Bahnhof erzählt er dies mittels Tanz, Bewegung und Improvisationsspiel als Geschichte. "Gerade auch die Idee kulturelle Begegnungen und die Zusammenarbeit junger deutscher und brasilianischer Schauspielschüler außerhalb etablierter Bühnen zu fördern", hat Bahnhofsmanager Wolfgang Borsch "überzeugt, unsere Bahnhofshallen und Bahnsteige für dieses Projekt anzubieten" (esf)

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Management der Vielfalt ist "ungleich besser"

 

Köln. Seit Mitte April 2002 erreichen Internet-Nutzer über http://www.ungleich-besser.de eine umfassende Informations-Webseite zum Thema "Diversity".Diesen Management-Ansatz nutzen führende Unternehmen wie die Deutsche Bank zur Steigerung ihres Erfolges. Dabei wird die Unterschiedlichkeit von Mitarbeitern und Kunden als strategischer Erfolgsfaktor berücksichtigt. Diversity verbessere die Kreativität, Produktivität und Kundennähe durch die Wertschätzung von Vielfalt und die Förderung von Individualität, erklärte der Betreiber der Web-Site, Michael Stuber, von der Diversity-Beratung mi.st [ Consulting. "Der Name unserer Internet-Seite ,ungleich besser' verdichte diesen Grundgedanken als Wortspiel". Anlaß des Launches war die Verleihung des Max-Spohr-Preises am 18. April 2002. Die diesjährige Diversity-Auszeichnung des Völklinger Kreis e. V. (Bundesverband Gay Manager) erhielt die Deutsche Bank AG. "Im Gegensatz zu weiten Teilen der Wirtschaft und der Politik hat dieser Konzern erkannt, wie wichtig Vielfalt für weltweiten wirtschaftlichen Erfolg und nachhaltigen Stakeholder Value ist", kommentiert Stuber, der sich über die Auszeichnung seines Kunden mit dem "schwulen Management-Preis" freut.

Die WebSite präsentiert unter anderem die Bedeutung von Diversity, den sogenannten Business Case. Weiterhin werden Erfolgsfaktoren und häufige Fehler bei der Umsetzung dargestellt. Hierzu gehört nach Erkenntnissen des Kölner Beraters die Nicht-Berücksichtigung einzelner Unterscheidungsmerkmale wie Religion oder Behinderung. "Vielfalt ist nicht teilbar und Individualität kennt keine Rangordnung", stellt der Experte fest. Die Einbeziehung von 'Sexuelle Orientierung' als eine Kerndimension von Diversity müsse ebenso selbstverständlich werden, wie die Berücksichtigung verschiedener Altersgruppen oder unterschiedlicher ethnisch-kultureller Prägungen. "Nur so wird das gesamte Potential, die ganze Vielfalt genutzt." Da gäbe es gerade in Deutschland fundamentalen Nachholbedarf ergänzt Stuber mit Blick auf die "hierzulande herrschende Einheitskultur". Folglich macht der Kölner Berater auf www.ungleich-besser.de auch Vorschläge, wie Gewerkschaften, Stiftungen, die Medien und die Politik "Vielfalt in Deutschland" für Staat und Gesellschaft besser nutzbar machen können. (esf)

Kontakt: 
Michael Stuber, Richard-Wagner-Straße 25 . 50674 Köln, Tel.: 0221/22212-50, Fax:- 51, mobil: 0171-8998998, mi.st@NetCologne.de 

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