Ausländer in Deutschland 3/2002, 18.Jg., 30. September 2002

PARTIZIPATION IM BETRIEB

Partizipation im Betrieb

Die Rolle der Gewerkschaften

Türkische Gewerkschaftsmitglieder in den DGB-Gewerkschaften

IG Bau

10.302

 

IG BCE

35.828

GEW

2.400

(geschätzt)

IG Metall

127.008

NGG

8.342

 

GdP

nicht erfasst

ver.di

112.500

(geschätzt)

TRANSNET

2.295

Quelle: migration online, 01.01.2002

 

Seit Beginn der Zuwanderung Ende der 50er Jahre haben sich die Gewerkschaften der Interessen ausländischer Arbeitnehmer angenommen. Ihr Ziel war und ist die Gleichstellung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Arbeitsleben - unabhängig von deren Herkunft. Dabei setzen sie besonders auf die volle Integration ausländischer Kolleginnen und Kollegen in die gewerkschaftliche Arbeit.

Gesetzliche Grundlage für die Partizipation der Arbeitnehmerschaft ist das Betriebsverfassungsgesetz, das die Aufgaben der Betriebsräte genau definiert und das im Jahr 1972 erstmals ausländischen Arbeitnehmern das passive Wahlrecht für Betriebsratswahlen einräumte.

1972 wurden erstmals ausländische Beschäftigte in die Betriebsräte gewählt, es fanden auch die ersten Lehrgänge für türkische Betriebsräte statt. Mit ausländischen Betriebsräten und Vertrauensleuten wurden in den 70er Jahren regelmäßige Konferenzen durchgeführt. Seit Ende der 70er Jahre sind zahlreiche Gremien für Ausländerarbeit entstanden, wie z.B. der Arbeitskreis Ausländische Arbeitnehmer beim Hauptvorstand der IGBCE (Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie).

Ausländische ArbeitnehmerInnen sind auf allen Ebenen der gewerkschaftlichen Arbeit und in allen Branchen vertreten:

- 7% aller Mitglieder der IGBCE haben einen ausländischen Pass; ihr Organisationsgrad im Durchschnitt aller Branchen liegt bei 65%. Die größte Gruppe stellen dabei Türken.

- Bei den Betriebsratswahlen im Jahr 1998 - Ergebnisse der letzten Wahl im Mai 2002 liegen noch nicht vor- wurden in den von den DGB-Gewerkschaften betreuten Betrieben 3.488 ArbeitnehmerInnen ausländischer Herkunft gewählt, die gleichermaßen deutsche wie ausländische ArbeitnehmerInnen vertreten. Mit 1.526 Betriebsratsmitgliedern stellen Türken vor Italienern mit 655 die stärkste Gruppe. Im Bereich der IG BCE lag der Anteil Ausländeranteil an allen gewählten Betriebsräten bei rund 5%.

- Im Organisationsbereich der IG Metall stellen ausländische Beschäftigte rund 12,2% aller Vertrauensleute. Größte Gruppe sind dabei türkische ArbeitnehmerInnen mit rund 6,5% der Vertrauensleute.

In den letzten Jahren mussten sich auch die Gewerkschaften verstärkt mit dem Thema Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auseinandersetzen, das auch vor den Betrieben nicht halt macht. Obwohl offene Fremdenfeindlichkeit und Gewalt gegen ethnische Minderheiten in der Arbeitswelt eher selten vorkommen, sind die Arbeitsbeziehungen und Hierarchien vielfach durch eine strukturelle Diskriminierung von Ausländern gekennzeichnet: sie werden beim Zugang zur Beschäftigung, Bildung und bei Beförderungen häufig immer noch benachteiligt.

Die Ende Juli 2001 in Kraft getretene Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes schafft verbesserte rechtliche Grundlagen zur Gleichstellung und zur Bekämpfung von fremdenfeindlichem Verhalten. Zu den wesentlichen Neuerungen gehören die verbesserte Förderung der Integration ausländischer Beschäftigter sowie die verstärkte Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Damit wurde dem Betriebsrat ein Mittel in die Hand gegeben, das nicht nur im akuten Falle einer Fremdenfeindlichkeit greift, sondern ihn in die Lage versetzt, präventiv geeignete Maßnahmen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf dem Weg zu bringen (§ 80, Abs. 7). Außerdem hat der Arbeitgeber mindestens einmal im Jahr in einer Betriebsversammlung über den Stand der Integration der im Betrieb beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer zu berichten. Auch der Jugendvertretung wird die Möglichkeit eröffnet, die Integration ausländischer Jugendlicher zu fördern und entsprechende Maßnahmen beim Betriebsrat zu beantragen.

Ein weiteres wichtiges Instrument, das den Sozialpartnern zur Verfügung steht, sind Betriebsvereinbarungen zur Antidiskriminierung und Gleichstellung. Im Jahr 1996 wurde bei der Volkswagen AG eine Betriebsvereinbarung "Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz" abgeschlossen, die seither für alle sechs Werksteile im alten Bundesgebiet gilt. Weitere Beispiele sind die Ruhrkohle AG, die Deutsche Bahn AG oder Aventis. Aber es sind längst nicht mehr nur Großbetriebe, die solche Vereinbarungen abschließen. In letzter Zeit sind auch kleine und mittlere Betriebe dem Beispiel gefolgt. Bei den Gewerkschaften ist eine Musterbetriebsvereinbarung erhältlich, die die Mindestnormen der EU-"Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft" aufnimmt und diese mit den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetz verbindet.


Autorin: Hanne Johé-Kellberg, isoplan

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