Ausländer in Deutschland 4/2002, 18.Jg., 30. Dezember 2002

SCHWERPUNKT: BILDUNG

Berufliche Bildung

Ausbildungsbeteiligung ausländischer Jugendlicher deutlich gesunken

Während an den allgemein bildenden Schulen die Bildungsbeteiligung der in Deutschland lebenden jungen Ausländer wieder steigt, durchlaufen immer weniger ausländische Jugendliche eine Lehre oder eine schulische Berufsausbildung. Angesichts der Tatsache, dass für eine leistungsfähige Wirtschaft und die Integration der Ausländer in die Gesellschaft Bildung und berufliche Qualifikation immer wichtiger werden, müssen junge Ausländer besser in das berufliche Bildungswesen integriert werden.


Türkische Tischlerei in Berlin

Insgesamt 211.000 ausländische Schüler besuchten im Jahr 2000 berufliche Schulen in Deutschland, 30.000 weniger als 1996. Mit 7,5% lag der Ausländeranteil 2 Prozentpunkte unter dem an allgemein bildenden Schulen, während 1996 diese Anteile gleich groß waren. Immer weniger ausländische Jugendliche beginnen im Anschluss an den Besuch einer allgemein bildenden Schule eine Berufsausbildung und schließen diese erfolgreich ab: Von den deutschen Schülern befanden sich im Jahr 2000 fast 84% in einer beruflichen Ausbildung, von den ausländischen hingegen nur 70%. Ausländische Jugendliche hingegen mussten deutlich häufiger als deutsche (9% gegenüber 3%) Einrichtungen des Berufsvorbereitungs- oder Berufsgrundbildungsjahrs besuchen. Von den rund 100.000 ausländischen Schülern, die im Jahr 2000 den Besuch beruflicher Schulen in Deutschland beendet haben, konnten 35% keinen Abschluss erzielen, bei den deutschen Schülern war die Quote lediglich halb so hoch.

Obwohl junge Ausländer in den letzten Jahren verstärkt Ausbildungsplätze in Betrieben nachgefragt haben, konnten sie nicht mehr Lehrverträge abschließen. Seit 1996 ist die Zahl der ausländischen Jugendlichen von 116.200 auf knapp 97.000 im Jahr 2000 gesunken. Bezogen auf die Altersgruppe der 18- bis unter 21-Jährigen waren damit nur noch ein Drittel der ausländischen Heranwachsenden, gleichzeitig aber fast zwei Drittel der deutschen als Auszubildende beschäftigt.

Potenziale ausländischer Betriebe erschließen

Ein Ansatz, die Ausbildungsbeteiligung der in Deutschland lebenden ausländischen Jugendlichen zu erhöhen und sie besser zu qualifizieren, ist die Erschließung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen in Betrieben mit Inhabern ausländischer Herkunft. In Deutschland gibt es rund 281.000 solcher Betriebe, die mehr als eine Million Arbeitnehmer/innen beschäftigen. Die Zahl der Ausbildungsplätze ist mit nur rund 3% hingegen sehr gering. Schätzungen gehen davon aus, dass in diesen Unternehmen insgesamt ein Potenzial von 11.000 Ausbildungsplätzen vorhanden ist. Ursache für die geringe Ausbildungsbeteiligung ist vor allem ein großes Informationsdefizit der ausländischen Firmeninhaber/innen, meist Quereinsteiger, die das duale Ausbildungssystem in Deutschland selbst nicht durchlaufen haben. Hinzu kommen häufig Berührungsängste mit komplexen Vorschriften oder Behörden.

Vor diesem Hintergrund wurde im Juni 1999 die Kölner "Koordinierungsstelle Ausbildung in ausländischen Unternehmen - KAUSA" gebildet, die sich das Ziel gesetzt hat, Ausbildungspotenziale in ausländischen Unternehmen zu erschießen. KAUSA ist ein Gemeinschaftsprojekt der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer zu Köln und wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit sowie das Bundesministerium für Forschung und Bildung. Ziel von KAUSA ist es, auf Bundesebene Informationen aus regionalen Aktivitäten und Projekten zu bündeln, sie zentral bereit zu stellen, Ansprechpartner zu nennen, den Erfahrungsaustausch zu fördern sowie Unternehmer/innen zu beraten, um auf diese Weise Ausbildungsplätze in ausländischen Unternehmen zu erschließen. Ermöglicht wird das durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit. Hauptmedien sind der vierteljährlich erscheinende Infobrief "Kompetenz und Weiterbildung", den KAUSA gemeinsam mit der Koordinierungsstelle PRO QUALIFIZIERUNG herausgibt, sowie die Internetseiten www.kausa.de als laufend aktualisierte Informationsplattform. Sie geben Auskunft über die Aktivitäten von KAUSA, aber auch über einschlägige Fachtagungen, Seminare, Vorträge, stellen beispielhafte Ausbildungsbetriebe vor und berichten über Initiativen und Institutionen. Darüber hinaus führt KAUSA Fachtagungen durch, um die Vernetzung der einzelnen Projekte und den überregionalen Erfahrungsaustausch zu fördern. Neuestes Produkt von KAUSA ist eine CD-ROM "Ausbilden - Na klar!", die wichtige Informationen zum Thema Ausbildung für Betriebsinhaber ausländischer Herkunft und zahlreiche gute Beispiele von ausländischen Ausbildungsbetrieben enthält. Sie dient insbesondere den rund 25 Partnerprojekten bei den Beratungsgesprächen. Außerdem wurde ein Fachglossar mit spezifischen Vokabeln der beruflichen Bildung erstellt, das bei Seminaren zur Ausbilder-Eignung eingesetzt wird.

Seit Juni 1999 konnten mit Hilfe der verschiedenen Aktivitäten rund 2.500 Ausbildungsstellen in Unternehmen mit Inhabern ausländischer Herkunft bereitgestellt werden.

Gezielte Ansprache von Migrant/innen

Häufig ist die geringe Ausbildungsbeteiligung ausländischer Jugendlicher auch auf mangelnde Information der Jugendlichen oder ihrer Eltern zurückzuführen. Sie benötigen eine gezielte Ansprache, um an eine Berufsausbildung herangeführt zu werden. Das 1999 ins Leben gerufene "Zentrum für interkulturelle Berufs- und Beschäftigungsförderung" (ZIBB) der Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg hat sich daher zum Ziel gesetzt, durch besondere zuwanderungsspezifische Ansprache unter Einbeziehung der türkischen Community (Selbstorganisationen und Elternhäusern) die Integration ausländischer Jugendlicher in Ausbildung sowie ausländischer Arbeitsloser ins Arbeitsleben zu fördern. Das Projekt hilft, Hemmschwellen gegenüber Einrichtungen der Arbeitsverwaltung abzubauen und regt zur Wahrnehmung von Berufsberatungs- und Qualifizierungsangeboten an. Es erschließt Beschäftigungsangebote, vermittelt in Qualifizierungsmaßnahmen und bietet Kurse für unterschiedliche Zielgruppen an. Darüber hinaus initiiert ZIBB neue Modellprojekte und berufliche Bildungsmaßnahmen.

Mit dem Ziel, niedrigschwellige Angebote zur Orientierung und Integration von Migrantinnen in den Arbeitsmarkt zu entwickeln und zu erproben, fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit das Modellprojekt "AORA". Träger des Projekts ist der BENGI e.V., ein von türkischen Frauen gegründeter Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, Frauen - unabhängig von ihrer Nationalität - Wege aufzuzeigen, wie sie durch berufliche Integration ihre Selbständigkeit und finanzielle Unabhängigkeit langfristig sichern können. Das Projekt umfasst Information und Beratung über Berufstätigkeit und Berufsfelder sowie die erforderlichen Zugangsvoraussetzungen, Qualifizierungs- und Finanzierungsmöglichkeiten und rechtliche Rahmenbedingungen. Darüber hinaus bietet der Verein auch Informationen über Hilfen bei Krisen, Kinderbetreuungsangebote, Treffs zum Erfahrungsaustausch, Angebote im Gesundheitsbereich und offene Angebote, die die Fähigkeit zur Selbstorganisation von Frauen unterstützen, an.

Kontakt:

BENGI e.V.- Projekt AORA
Kurt-Schumacher-Str. 13
34117 Kassel
Tel.: 0561/50958
Fax: 0561/57 84 94

Türkischer Bund 
in Berlin-Brandenburg e.V.
Projekt ZIBB

Waldemarstr. 29
10999 Berlin
Tel.: 030/6140-3140
Fax: -3267
e-mail: zibb-ibb@t-online.de

KAUSA
Unter Sachsenhausen 10-26
50667 Köln
Tel.: 0221/1640-666, Fax: -667, inmfo@kausa.de, www.kausa.de


Autorin: Hanne Johé-Kellberg, isoplan

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