Ausländer in Deutschland 4/2002, 18.Jg., 30. Dezember 2002

Mobilität und Integration

Wunschträume und Realitäten

Informationsreise nach Kroatien und Bosnien


Sarajewo

Das isoplan-Institut hat vom 19. - 24. September 2002 eine Informations- und Qualifizierungsreise für Mobilitätsberater und Führungskräfte der Bundesanstalt für Arbeit nach Kroatien und Bosnien-Herzegowina durchgeführt. Bei der im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung organisierten Reise kamen die Berater in Zagreb, Banja Luka, Zenica, Visoko und Sarajevo in Kontakt zu zahlreichen für Rückkehrfragen relevanten Institutionen.

In der noch sehr mitteleuropäisch geprägten kroatischen Hauptstadt Zagreb besuchte die 20-köpfige Gruppe unter Leitung von Ekkehart Schmidt-Fink und Zeljko Taras die deutsche Botschaft und die kroatische Arbeitsverwaltung. Schon am Folgetag ging es auf der Autoput in Richtung Kraina und über die neue Grenze zur Hauptstadt der bosnischen Republika Srbska, Banja Luka. In wenigen Stunden Fahrtzeit durch die noch immer von Kriegszerstörungen, Auswanderung und Flucht betroffenen ländlichen Gebiete entlang der Sava zeigte sich überdeutlich das starke Stadt-Land-Entwicklungsgefälle des künftigen EU-Mitgliedstaates. Nach Überquerung der Sava verstärkte sich das Gefühl der Überschreitung kultureller Grenzen noch durch den nunmehr verstärkt spürbaren serbisch-orthodoxen Einfluss. Die unsichtbare Grenze von Mitteleuropa zum "Balkan", verläuft - so wurde deutlich - schon innerhalb der christlich dominierten Region, nicht erst dort, wo die jahrhundertealte muslimische Prägung sichtbar wird.

Die wichtigste Anlaufstelle zur Beratung, Qualifizierung und Stellenvermittlung von Rückkehrern in der Republika Srbska ist die mit der Caritas Banja Luka kooperierende AGEF gGmbH. Zum Gespräch der Mobilitätsberater mit Prof. Dr. Hans Jürgen Möller stößt mit Katja Jentzsch von der MEB-Bank die Leiterin eines Mikrobank-Projektes zur Finanzierung kleinerer Existenzgründungsvorhaben. Als funktionierende Branchen nennt sie nur den Handel und die Holzproduktion. An Ideen und Mitarbeitern mangelt es Gründern nicht, hat die Bankerin festgestellt: "Was hier wirklich fehlt, sind Möglichkeiten, an Geld zu kommen".

Im Herzen Bosnien-Herzegowinas - aufgeteilt in die zwei Entitäten bosniakisch-kroatische Föderation und Republik Srpska - erstreckt sich nach Durchquerung der ersten "Schluchten des Balkan" zwischen Jajce und Sarajevo eine stark von Muslimen bewohnte Region. Hier in der bosniakisch-kroatischen Föderation reiht sich ein Dorf mit zerstörten Häusern an das nächste, wenige Vertriebene - welcher Ethnie auch immer - sind zurückgekehrt. Noch immer herrscht hier Minengefahr. Sehr betroffen macht der Besuch des Ausbildungs- und Therapiezentrums für Frauen, die im bosnischen Bürgerkrieg durch Gewalt und Vergewaltigungen traumatisiert wurden, Medica Zenica, sowie eines weiteren Büros in Visoko. Mit unzureichenden finanziellen Mitteln und hohem ehrenamtlichem Engagement wird hier nach wie vor unschätzbar wichtige Arbeit zur Heilung der Langzeitwirkungen des Krieges geleistet.

Auch in Sarajevo sind die Kriegswunden noch lange nicht geheilt, wie ein Besuch bei den SFOR-Truppen und eine Rundfahrt durch die Vororte zeigen. Institutionen wie das Delegiertenbüro der deutschen Wirtschaft, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und das Goethe Institut Inter Nationes bemühen sich um den wirtschaftlichen und kulturellen Wiederaufbau des Landes.

Zum Abschluss des Aufenthaltes zeigt ein Besuch bei der bosnischen Arbeitsverwaltung zwar, mit wie viel Energie das Land an den Wiederaufbau geht, mit wie vielen - auch bürokratischen - Hemmnissen aber noch zu kämpfen bleibt. Das liegt auch an den nach wie vor unsicheren politischen Verhältnissen im Lande. Wenige Tage nach Ende der Reise standen am 6. Oktober 2002 in beiden Entitäten Bosnien-Herzegowinas alle Parlamente und das Staatspräsidium zur Wahl. Der Empfehlung der Staatengemeinschaft, den moderaten Kräften den Vorzug gegenüber den etablierten nationalistischen Parteien (von muslimischen) Bosniaken, Serben und Kroaten zu geben, folgten die mehr als 2,3 Millionen Stimmberechtigten nicht. Treffend analysierte die Wiener Tageszeitung "Die Presse" das Wahlergebnis, indem sie schreibt: "Der Westen träumt von einem multiethnischen Bosnien und Herzegowina; einem Land, in dem es keine Rolle spielt, ob jemand Bosniake, Serbe oder Kroate ist. Dieser Traum entpuppt sich aber auch sieben Jahre nach dem Ende des Krieges als Wunschtraum...".

Ein kurzer Reisebericht kann beim isoplan-Institut angefordert werden.


Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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