Ausländer in Deutschland 4/2002, 18.Jg., 30. Dezember 2002

Europa

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Transit und mehr

Das Migrationsland Polen

Minderheiten in Polen

Deutsche

550.000

Ukrainer

400.000

Weißrussen

300.000

Litauer

30.000

Roma

30.000

Slowaken

25.000

Juden

15.000

Gesamt: 1,5 Millionen = 3,8%
(Quelle: Polnisches Innenministerium)

 

Ausländer in Polen

Legal:

50.000 = 0,1%

Schwarzarbeiter:

200.000 - 1 Mio.

Asylbewerber

3.000 pro Jahr

(Quelle: Polnisches Innenministerium)

 

Polnische Arbeitnehmer in Deutschland (2001)

Saisonarbeiter

261.133

Werkvertragsarbeiter

20.892

Sonstige SVB

59.000

Doppelstaatler

80.000

Gesamt:

421.025

(Quelle:Statistisches Bundesamt))

 

Bis zu einer Million Menschen aus den östlichen Nachbarländern suchen Arbeit auf dem Bau oder in der Landwirtschaft im "Schwarzen Paradies" Polen. Auch zunehmend mehr Frauen machen sich als Touristinnen getarnt auf den Weg nach Westen, um für zwanzigfach höhere Löhne als daheim einen Job als Putzfrau anzunehmen.

Genau wie die Polen in Berlin haben die Ukrainer und Weißrussen längst Kartelle in den polnischen Städten geschaffen, die Arbeitsplatzvergabe, Unterkunft, ja das ganze Leben der Schwarzarbeiter in der Illegalität regeln. Der Zustrom der sich illegal im Land aufhaltenden Arbeitsmigranten wird ergänzt von einer kaum quantifizierbaren Zahl von Transitmigranten, die Polen als Sprungbrett in die EU nutzen. Asiaten und Afrikaner sowie Zehntausende aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion und Südosteuropas kommen über Polens östliche und südöstliche grüne Grenze ins Land. In Polen erfolgt nun eine schrittweise Übernahme der EU-Vorgaben zur Anpassung an den Schengen-Vertrag, denn nach dem EU-Beitritt Polens wird dessen Ostgrenze EU-Außengrenze. Seit 1993 existiert das Rückübernahmeabkommen mit Deutschland, das Polen verpflichtet, illegal über Polen eingereiste Ausländer zurück zu nehmen. Bis 1996 erhielten diese Transitmigranten in Polen ein "administratives Visum", das sie aufforderte, Polen binnen einer bestimmten Frist zu verlassen. Dann erfolgte eine Verschärfung der Bestimmungen. Mitte 1998 lief die "Akcja Obcy / Aktion Fremde" an, eine Gemeinschaftsaktion von Grenzschutz und Polizei mit ständigen Razzien gegen Flüchtlinge und Migranten. Allein im ersten Jahr führte diese Aktion zu 6.000 Abschiebungen.

Asylanträge können in Polen nur direkt an der Grenze bei den Grenzschutzbehörden gestellt werden. Allerdings entscheiden diese auch über die Gewährung der Einreise und damit bereits über den Asylantrag. Über die Asylgewährung urteilt die Abteilung für Migrations- und Flüchtlingsangelegenheiten BMU des Warschauer Innenministeriums. Bei einer Negativentscheidung erfolgt die sofortige Abschiebung, ein Widerspruch kann dann nur vom Ausland aus erfolgen. So werden in Polen jährlich nur etwa 3.000 - 4.000 Asylanträge gestellt, die wenigsten mit Aussicht auf Erfolg, da auch Polens Nachbarländer mittlerweile durchweg als sichere Drittländer gelten und ihrerseits Rücknahmeabkommen mit Polen haben.

Legale Einwanderungen nach Polen gibt es kaum, eine Integrationspolitik für Ausländer ist so gut wie nicht vorhanden. Das Staatsbürgerschaftswesen orientiert sich auch in Polen am "Recht des Blutes": Pole ist, wer wenigstens ein polnisches Elternteil hat. Dieses Recht beinhaltet analog zum deutschen Aussiedlerrecht auch die Rückkehrmöglichkeit für polnischstämmige Menschen. Für wirksame Integrationshilfen fehlen den Polen aber auch hier die Mittel. Die etwa 1.500 jährlich aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion einreisenden Repatrianten sind weitgehend auf die Hilfsbereitschaft in ihren neuen Heimatgemeinden angewiesen.

Minderheitenpolitik

Vorbildlich ist Polens Umgang mit nationalen Minderheiten. Das Parlament sowie die regionalen Wojewodschaftsparlamente haben Kommissionen für die Fragen nationaler und ethnischer Minderheiten eingerichtet, und Minderheitenbeauftragte ernannt. Die Rechte der nationalen Minderheiten sind nicht in einem Minderheitengesetz festgelegt, sondern in bilateralen Verträgen unter Nachbarn, die auf Gegenseitigkeit beruhen. Die mit gut einer halben Million größte Gruppe unter den Minderheiten stellen die Deutschen dar, mindestens 150.000 von ihnen sind mittlerweile auch im Besitz eines deutschen Passes, der ihnen die legale Arbeitsaufnahme in Deutschland gestattet. Man geht davon aus, dass mindestens um die 80.000 von ihnen regelmäßig in Deutschland arbeiten. Sie vergrößern das Heer der aus Polen kommenden Saisonarbeiter, Werkvertragsarbeiter und sonstigen sozialversicherungspflichtig polnischen Beschäftigten auf 421.000, wobei die illegal Beschäftigten noch gar nicht gerechnet sind, allein 50.000 vermutet man im Pflegebereich.

Polnische Arbeitnehmer in Deutschland sind also längst Realität und nicht Bedrohungsszenarium der EU-Osterweiterung. Besonders der Niedriglohnbereich und Berufe, die in Deutschland unattraktiv sind, werden dann zunächst Ziel der polnischen Arbeitsmigranten sein. Im Zuge der Angleichung der Lebensverhältnisse in Polen wird sich diese Tendenz vermutlich rasch abschwächen. In jedem Falle wird es sich überwiegend um Pendelemigranten handeln, die keineswegs vorhaben, sich auf Dauer in Deutschland niederzulassen.


Autorin: Brigitte Jäger-Dabek

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Polnische Arbeitnehmer in Deutschland

 

Berlin. Trotz des Anwerbestopps 1973 bestehen für Polen legale Beschäftigungsmöglichkeiten in Deutschland. Sie können als Werkvertragsarbeitnehmer, Gastarbeitnehmer oder Saisonarbeiter ins Land kommen. Die im Auftrag des BMA veröffentlichte Repräsentativuntersuchung 2001 zur Situation ausländischer Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen hat unter anderem Veränderungen in den Lebensverhältnissen und Einstellungen dieser Personengruppen zum Gegenstand. Die Ergebnisse können an dieser Stelle nur kurz dargestellt werden. Eine umfassende Darstellung zur Studie finden Sie in der Rubrik "Forschung".

Nahezu alle Werkvertragsarbeitnehmer und Gastarbeitnehmer haben in Polen einen Beruf erlernt (96 bzw. 94 Prozent). Bei den Saisonarbeitern liegt der Anteil mit 83 % leicht darunter. Branchenschwerpunkte der Ausbildung waren bei allen drei Gruppen das Verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe. Gastarbeitnehmer und Saisonarbeiter haben ihre Ausbildung auch oftmals im Dienstleistungssektor sowie der Land- und Forstwirtschaft absolviert. Die meisten Befragten waren in Polen zuletzt als Facharbeiter tätig. In Deutschland sind die meisten Werkvertragsarbeitnehmer im Bau- oder Verarbeitenden Gewerbe eingesetzt, die Gastarbeitnehmer schwerpunktmäßig im Verarbeitenden Gewerbe, der Land- und Forstwirtschaft, im Dienstleistungssektor sowie dem Baugewerbe, während die Saisonarbeiter zu über 85 % in der Land- und Forstwirtschaft arbeiten.

Als Hauptmotiv für die Arbeitsaufnahme in Deutschland nennen über 40 % der Werkvertragsarbeitnehmer, dass sie von ihrer Firma entsandt wurden, gefolgt von der wirtschaftlichen Lage in Polen, insbesondere der Arbeitslosigkeit. Mehr als die Hälfte der Gastarbeitnehmer nennen hingegen den zu geringen Verdienst in Polen an erster Stelle, während die Saisonarbeiter am häufigsten die Aufbesserung des Familienbudgets als Grund angeben.

Fast 90 % der Werkvertragsarbeitnehmer und 85 % der Gastarbeitnehmer sind der Ansicht, dass sich ihre Lebensbedingungen seit der Berufstätigkeit in Deutschland verbessert haben, während dies unter den Saisonarbeitern nur 75 % glauben. Ebenso würde mehr als die Hälfte der beiden ersten Gruppen sowie ein gutes Drittel der Saisonarbeiter gerne dauerhaft in Deutschland leben und arbeiten. Erfreulich ist die Tatsache, dass über 90 % der Werkvertrags- und Gastarbeitnehmer ihre in Deutschland erworbenen Berufs- und Fachkenntnisse bei ihrer Tätigkeit in Polen einsetzen können. Dass bei Saisonarbeitern nur 55 % dieser Ansicht sind, zeigt, dass der fachliche und inhaltliche Aspekt hier hinter dem entscheidenden Faktor Geld zurücksteht. (vf)

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Das polnische Berlin

 

Berlin. Anfang November 2002 ist in der von der Ausländerbeauftragten des Berliner Senats herausgegebenen Reihe "Miteinander leben in Berlin" die seit längerer Zeit vergriffene Publikation "Das polnische Berlin / Polski Berlin" in aktualisierter und erweiterter Form neu erschienen. Zusammengestellt hat diesen Überblick über die wechselvolle Geschichte der polnischen Berliner der in Berlin lebende Publizist und Journalist Andrzej Stach. Wie schon in der Erstauflage (vgl. AiD 1/99, S. 5) schaut Stach nicht nur in die Vergangenheit zurück, sondern beschreibt auch die lebendige "polnische Szene" der Gegenwart, die der Stadt in Kultur, Musik, Kunst und Wirtschaft wichtige Impulse gibt. (esf)

Bezug: 
Die Ausländerbeauftragte des Senats von Berlin, Potsdamer Str. 65, 
Tel.: 030/90 17 23 51, Fax: 030/2 62 54 07; auslaenderbeauftragte@auslb.verwalt-berlin.de, www.berlin.de/auslaenderbeauftragte

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Frankreich führt Integrationsvertrag ein

 

Paris. Durch einen "Integrationsvertrag" mit 600 Stunden Französischunterricht und 30 Stunden Bürgerrechtskunde will die französische Regierung Zuwanderern eine bessere Aufnahme im Gastland garantieren. "Wir brauchen eine legale Einwanderung", sagte Sozialminister Francois Fillon Ende Oktober 2002 der Tageszeitung "Libération". Die Vorstellung von einem Immigrationsstopp sei überholt, die geschätzten 100.000 Einwanderer im Jahr müssten zu echten Integrationsbemühungen bewegt werden. Präsident Jacques Chirac hatte zehn Tage vorher erstmals von einem Integrationsvertrag gesprochen. Fillon präzisierte nun, der Vertrag solle zunächst für ein Jahr gelten und dann zweimal verlängert werden können. Auch die Möglichkeiten zur Einbürgerung sollten verbessert werden. Der Integrationsvertrag und begleitende soziale Hilfe sollen allen Neu-Zuwanderern angeboten werden, die über einen regulären Rechtsstatus verfügen. Zuwanderer ohne Papiere sollen laut Fillon ausgeschlossen bleiben. Er wandte sich auch gegen den Vorschlag, Zuwanderern das kommunale Wahlrecht zu gewähren. (esf)

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Zentralrat der Muslime Frankreichs

 

Paris. Bei einer zweitägigen Klausursitzung auf Schloss Nainville-les-Roches haben sich Mitte Dezember 2002 sieben Glaubensverbände der fünf grossen Moscheen Frankreichs und besonders qualifizierte Einzelpersönlichkeiten erstmals auf die Schaffung eines muslimischen Zentralrats geeinigt. Nach zehn Jahren Debatte, wie eine solche offizielle Vertretung der Muslime Frankreichs aussehen solle, entstand unter Leitung des Innenministers Nicolas Sarkozy der "Conseil francais du culte musulman (CFCM)". Von den sieben seit November 1999 zu Vorgesprächen geladenen Verbänden sollten manche, wie die der Muslimischen Bruderschaft nahestehende "Union des organisations islamiques de France (UOIF)" so klein wie möglich gehalten werden, um einem gemäßigten und laizistischen Islam unter Führung des Rektors der Pariser Moschee, Dalil Boubakeur, die Führung zu überlassen.

Das neue Gremium hat 16 Mitglieder, mit der theoretisch die große Mehrheit drei bis fünfeinhalb Millionen Muslime Frankreichs vertreten ist. Problematisch erscheint der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (27.12.02) das "zentralistische Verfahren von oben herab", bei dem die teilnehmenden Organisationen vom Ministerium geladen statt von der Basis der Gläubigen entsandt wurden. Die sieben hier vertretenen Glaubensverbände seien auch eher nach politisch-geografischen, denn nach theologischen Kriterien zu orten. Es dominieren die Maghrebiner der algerisch geprägten Pariser Moschee und der marokkanisch bestimmten "Fédération nationale des musulmans de France". In geringer Zahl vertreten sind auch schwarzafrikanische und türkische Verbände. Ob das Gremium für alle französischen Muslime spricht, wird sich noch erweisen müssen. Viele Gläubige in den von großen Spannungen betroffenen Vorstädten fühlen sich offenbar von Boubakeur nicht vertreten. Das Idealziel eines offenen, verweltlichten und republikverträglichen Islam erscheint im streng laizistischen Frankreich bislang nur in diesem Gremium als erreichbar. Nach Einschätzung der F.A.Z. fühlen sich die kaum integrierten Muslime der Vorstädte und der Provinz übergangen: "Ein städtischer Honoratiorenislam soll den im Glauben kompensierten Frust der Außenquartiere überstrahlen".

Nach Angaben der tageszeitung (taz vom 09.01.03) fühlt sich jedoch auch ein Teil der liberalen muslimischen Bevölkerung Frankreichs von dem Rat nicht repräsentiert. Sie kritisieren, der Innenminister habe die fundamentalistischen Muslimbrüder zu ihren Sprechern gemacht. Die muslimische Zivilgesellschaft bleibe ausgeschlossen, beklagt der Präsident der "Demokratischen Muslimischen Bewegung", Abderrahamane Dahmane. Es werde nun versucht, eine Alternative zu Sarkozys Muslimrat auf die Beine zu stellen. Sie soll "Koordination der Muslime" heißen. (esf)

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Hypotheken für Muslime in Großbritannien

 

Frankfurt/London. Die britische Regierung steht kurz vor dem Abschluss der Arbeiten an einer gesetzlichen Regelung zinsfreier Hypotheken für gläubige Muslime. Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z. vom 27.12.2002) will die Regierung damit jenen drei Millionen Muslim-Haushalten im Lande zu Wohneigentum verhelfen, die aus Glaubensgründen Schwierigkeiten haben, eine Hypothek zu bekommen, die nicht mit Zinszahlungen verbunden ist. Die Kreditwirtschaft des Landes hat ihre eigenen Arbeiten an dieser Hypothekenform abgeschlossen. Ein Ausschuss unter Führung von Andrew Buxton (Barclay's Bank) arbeitet gegenwärtig mit der Regierung zusammen, um die rechtlichen Grundlagen des neuen Hypothekarkredits zu erarbeiten. (esf)

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Eine klare europäische Perspektive für die Türkei


Ozan Ceyhun

Die Bundesregierung und alle, die die Entwicklung in der Türkei verfolgen, haben großen Respekt vor den Fortschritten im Reformprozess. Wichtig ist uns, dass dies jetzt auch intensiv fortgeführt wird. Dass diese Annäherung Zeit braucht, wissen wir alle. Das bedeutet aber nicht, dass die EU verschlossen bleibt für die Türkei. Auch in Brüssel ist dies den Politikern bewusst.

Während wir über die Erweiterung und die weiteren Schritte der Türkei auf dem Weg in die EU diskutieren, versuchten einige deutsche Konservative eine Grundsatzdebatte darüber zu führen, ob die Türkei überhaupt zur EU gehört. Das ist eine taktische Debatte. Den CSU-Vertretern geht es momentan nicht um die Türkei und die EU, sondern um die in Deutschland anstehenden Wahlen. Sowohl in Niedersachsen wie auch in Hessen sind im Februar Landtagswahlen und die Konservativen versuchen Stimmung gegen den Kanzler zu machen, der der Türkei positive Signale gegeben hat. Dabei ist für uns klar: die Kopenhagener Kriterien sind nicht verhandelbar, es wird keine politischen Rabatte geben. Gerade jetzt, wo eine neue Regierung angetreten ist, die sich als religiös-konservativ versteht, werden wir sehr genau schauen, wie die Türkei auf dem Weg nach Europa voran kommt und was von den Ankündigungen umgesetzt wird.

Eine klare europäische Perspektive für die Türkei ist dennoch von nationalem Interesse für Deutschland. Der Bundeskanzler sagte bei einem Treffen in Berlin dem türkischen Präsidenten Ahmet Sezer seine Unterstützung zu.


Autor: Ozan Ceyhun, MdEP

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