Ausländer in Deutschland 1/2003, 19.Jg., 30. Mai 2003

BESCHÄFTIGUNG

Vom Teppichhandel zur Software-
Expertise

Persische Unternehmer

Während viele akademisch gebildete Iraner, die in den 1960er-Jahren nach Deutschland kamen, als Angestellte in Universitäten und Unternehmen beschäftigt sind, war es für die in den 1970er- und 1980er-Jahren gekommenen Flüchtlinge nicht immer einfach, in Deutschland beruflich Fuß zu fassen. Manch hochqualifizierter Akademiker ist als Arbeiter oder Taxifahrer tätig. Andere - nicht nur die klassischen Freiberufler wie Ärzte und Apotheker - haben den Schritt in die Selbständigkeit gewagt.

Die Versorgung der Iraner mit Lebensmitteln hatten jahrzehntelang die seit den 1920er-Jahren ansässigen Teppichhändler übernommen, erzählt der Saarbrücker Lebensmittelhändler Feri. Mit Ausnahme von Hamburg, Berlin und München wurde der Lebensmittelhandel erst Mitte der 1990er-Jahre als ökonomische Nische entdeckt. Heute bedient - wie bei anderen großen ethnischen Communities - eine stetig steigende Zahl an Betrieben spezifisch von Iranern nachgefragte Waren und Dienstleistungen. Zu nennen sind neben den Händlern auch Restaurants, Veranstalter von persischen Diskoabenden, Übersetzer oder Importeure.

Selbständig in ...

Ihre Ware beziehen die Händler von einem guten Dutzend iranischer Importeure. Die meisten haben sich in der Nähe der großen Frachtflughäfen Frankfurt/Main und Köln/Bonn bzw. des Hamburger und Frankfurter Hafens angesiedelt. In Hamburg sind das unter anderem auf Kaviar, Pistazien und Zuckermandeln spezialisierte Importeure. Die Kölner Firma "Mahyar" hat sich dagegen auf Marmeladen spezialisiert. Andere suchen eine im europäischen Verkehrsnetz zentralere Lage. So hat sich der Aachener Jenkouk-Arian auf den Import von Lebensmitteln wie Brotaufstrich, Tomatenpaste, eingelegten Knoblauchzehen, Essiggemüse und Rosenwasser spezialisiert, die auch in Westeuropa nachgefragt werden. Aus Frankreich kommen in persischer Tradition hergestellter Wodka und Wein der Firma "Bourse aux vins". Da die im Iran - einem der ältesten Weinanbauländer der Welt - angebauten Trauben nicht mehr zu Alkohol, sondern nur noch zu Rosinen verarbeitet werden dürfen, produziert die von einem Iraner begründete Firma berühmte Weine wie "Hafez Shiraz Imperial" oder "Khayyam Royal Shiraz" im französischen Languedoc. Eine Marktnische hat auch ein Betrieb in Kaiserslautern gefunden, der Eiscreme-Hersteller in den Benelux-Ländern mit tiefgefrorenen Erdbeeren und anderen Früchten aus dem Iran versorgt.

Ein typischer Berufszweig, in den schon früh Akademiker ausgewichen sind, die in ihrem angestammten Beruf keine Arbeit fanden, ist die Branche der Übersetzer und Dolmetscher. Einer der ersten war 1978 der Berliner Diplomingenieur Mohammed Schams. Sein Fachwissen wird nur manchmal von deutschen Maschinenexporteuren nachgefragt. Noch nicht lange gibt es dagegen Iraner, die sich im Bereich Vermögensberatung und Versicherungen selbständig gemacht haben. Einer der Marktführer der Finanzbranche ist die vor über 30 Jahren in Hamburg gegründete "ICM Exchange GmbH". In den Filialen in Hamburg, Frankfurt/Main, Köln und Düsseldorf können Iraner Geld in die Heimat transferieren lassen. Einige Unternehmen - wie "Homa" in München - haben diversifiziert. Sie bieten neben Geldwechsel und Finanztransfers auch Reisen und Versicherungen an.

Seit Anfang der 1980er-Jahre gibt es eine Reihe von auf Iranreisen bzw. iranische Kunden spezialisierte Reisebüros. Schon 1980 gründete ein Iraner in Köln die Aeroplan Reise GmbH. Das Unternehmen ging neue Wege in der Reisebranche, indem es freie Flug- und Hotelkapazitäten aufspürte und an Reisebüros vermittelte. Heute bietet Aeroplan die ganze Bandbreite an Flügen an, ein iranischer Bezug ist kaum mehr erkennbar. Ein solcher dominiert noch bei Büros der "Persischen Reiseagentur" in Stuttgart. "Caspian-Flugreisen" in Hannover und "Pars Travel" in Frankfurt bieten neben preiswerten Flügen in den Iran und die USA auch die Abwicklung meist aufwändiger Frachtaufträge für Auswanderer und Importeure.
Erst in den letzten Jahren - mit der Etablierung der seit 1979 gekommenen Flüchtlinge - haben sich einige Iraner mit Restaurants, Konditoreien und Partyservice oder als Hochzeitsveranstalter selbständig gemacht. Das Bedürfnis nach iranischer Literatur, Zeitungen und Zeitschriften befriedigen seit den 1970er-Jahren auch einige Buchhändler, Druckereien und Verlage. Dr. Djafar Mehrgani beispielsweise, der Ende der 1950er-Jahre zum Germanistik-Studium nach Deutschland kam, dann aber eine Deutsche heiratete und blieb, ist heute Inhaber der Buchhandlung "Mehr". Er hat als erster deutschland- und europaweit Schulbücher für iranische Kinder herausgegeben (vgl. Porträt in AiD-online).

... und außerhalb der Ethno-Nische

Seit einem halben Jahrhundert haben viele Iraner auch außerhalb der ethnischen Ökonomie eine Beschäftigung gefunden. Neben iranischen Ärzten, Architekten und Ingenieuren gibt es seit langem in fast allen deutschen Städten auch Teppichhändler. Ihre Zahl ist unüberschaubar. Eine Homepage listet allein 85 Firmen auf, bei denen man seinen Teppich reinigen lassen kann. In Bonn beispielsweise finden sich 13 Teppichhändler, unter anderem "Gitizad", dessen Inhaber in den 1950er-Jahren in Bonn studierte und nach 1979 zurückkehrte. Er belieferte unter anderem den Deutschen Bundestag.

Iraner sind freilich nicht nur in Sachen Teppiche im Dienstleistungssektor tätig. Zunehmend machen sie sich auch als Rechtsanwälte und Psychologen selbständig. Auch Selbständige im Bereich Mode und Körperpflege - wie Mehran Poursharifi, der in Fuldatal das Haarstudio "Figaro Mehran" betreibt - haben keineswegs nur iranische Kundschaft. Bei Iranerinnen beliebt sind auch Modeboutiquen. Von seiner Mutter hat der in Berlin geborene Oleg Ilyapour den vielleicht ältesten persischen Stoffladen übernommen. Als eine der frühesten Migrantinnen aus dem Iran hatte sie den Laden Ende der 1920er-Jahre aufgebaut. Das "Fichu" ist heute vor allem für Requisiteure vom Theater und Modedesigner eine Fundgrube ungewöhnlicher Stoffe. Die seit 30 Jahren in Hamburg lebende Hourvash Pourkian hat sich 1988 im Verkauf ökologisch produzierter Textilien mit eigenem Marken-Label "Shamo" selbständig gemacht.

Iraner sind heute in vielen Branchen vertreten. Auffällig ist, dass gute Ideen schnell viele Nachahmer finden. Im Rhein-Main-Gebiet, aber kaum anderswo, sind beispielsweise viele Apotheken in persischem Besitz, zum Beispiel die von Nasrin Jafari Parast geführte Frankfurter "Apotheke am Hainer Weg". Es gebe "eine immer wiederkehrende, periodische Inflation bestimmter Geschäftsideen", schildert ein ehemaliger Botschaftsangehöriger. Aktuell zeigt sich das im Bereich Telekommunikation und Fernsehtechnik.

Wirklich erfolgreiche Ideen lassen sich freilich selten kopieren, setzen sie doch einen Knowhow-Vorsprung oder große finanzielle Mittel voraus. Ein Beispiel für ersteres ist die Steuerung der Informationsströme von Großkonzernen. Hier ist der 32jährige Gründer der "Pironet AG", Mehrdad Piroozram, erfolgreich. 1996 hat sich der Software-Spezialist in Köln selbständig gemacht. Heute ist Pironet Marktführer im "Business Relationship Management". Im Bau- und Immobilienbereich ist dagegen vor allem Kapital nötig. So saniert die Bauträger-Gesellschaft Dr. Habibi zur Zeit einen 120 Jahre alten Kölner Wasserturm. Ardeschir Habibi, der den Bau 2001 kaufte, läßt dort Wohnungen und Büros einbauen. Groß investiert hat auch ein Frankfurter Hotelier. Sechs der mindestens neun Frankfurter Hotels in persischem Besitz gehören einem vor 30 Jahren als Händler gekommenen Iraner - vom "Anna" in Griesheim bis zum altehrwürdigen "Paris" am Hauptbahnhof. Auch bei Finanzinvestments ist freilich Knowhow nötig, will man erfolgreich sein. In diesem Fall ist es die besondere persische Höflichkeit, die sich schon beim Empfang zeigt.


Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.