Ausländer in Deutschland 1/2003, 19.Jg., 30. Mai 2003

FORSCHUNG

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Neue Erkenntnisse aus der PISA-Studie

Beeinflusst die Nationalität wirklich den Schulerfolg?


Kopfschmerzen - nicht nur wegen PISA

Die Ergebnisse der PISA-Studie ("Programme for International Student Assessment") wurden und werden äußerst kontrovers diskutiert - einen besonderen Aspekt stellt hierbei die Frage nach dem Einfluss der Nationalität auf den Schulerfolg dar.

Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPI) hatte aus einer Analyse der PISA-Daten den Schluss gezogen, dass ein Ausländeranteil von mehr als 20 % zu einer sprunghaften Verringerung des Lernniveaus führe. Verglichen mit Schulen, an denen der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei lediglich 5 % liegt, betrage der Lernnachteil - zeitlich bemessen - etwa vier Monate. Weiterhin wurde festgestellt, dass mit einem weiteren Anstieg des Migrantenanteils auf 40 % und mehr keine weitere Verringerung des mittleren Lernniveaus einhergeht. Daraus wurde geschlussfolgert, dass Schulen einerseits Schwierigkeiten hätten, mit ethnischer Heterogenität umzugehen, es andererseits aber bei einer großen Anzahl ausländischer Schüler gelingt, verstärkt auf diese einzugehen.

Nach PISA wurde demnach vor allem die Forderung laut, ausländische Kinder bereits vor Beginn der Schule sprachlich so zu fördern, dass sie den Lernfortschritt einer Klasse nicht behindern. Diese Forderung war jedoch nicht neu - bereits 20 Jahre vor PISA haben Experten immer wieder auf die schulischen Probleme junger Migranten, deren Bildungsbenachteiligung und die Notwendigkeit einer gezielten Bildungsoffensive hingewiesen.

Einfluss der sozialen Herkunft

Neue Ergebnisse bringt hingegen eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), die bisherige Interpretationen relativiert. Ihr zufolge hat die Staatsangehörigkeit eines Kindes als solche keinen Einfluss auf dessen schulische Leistung. Während das Max-Planck-Institut die Analyse zusammengefasster Daten betrieb, wurden durch das RWI einzelne Schülerdaten genauer betrachtet, um den Einfluss bestimmter Einzelfaktoren auf das Testergebnis herausfiltern zu können. Zu den Faktoren mit Einfluss auf das Abschneiden der Testteilnehmer gehörten demzufolge Geschlecht, Nationalität, Klassengröße, Lehrermangel sowie Zugang zu Computern und Internet. Diese Betrachtung zeigt, dass die Nationalität für den Erfolg in der Schule irrelevant ist - entscheidend ist vielmehr der Ausbildungsstand der Eltern, insbesondere der Mutter. Es wird geschätzt, dass die durchschnittlich erzielte Punktzahl um 30 verringert wird, wenn der Schüler eine nur gering qualifizierte Mutter hat. Ein weiterer entscheidender Einflussfaktor für den Lernerfolg wird darin gesehen, inwieweit im Elternhaus neben der Muttersprache Deutsch gesprochen wird. Entscheidend an diesem Ergebnis ist der neue Blickwinkel: Die bisherige Schlussfolgerung, dass Kinder aus ausländischen Familien schlechter abschneiden als Deutsche muss insoweit relativiert werden, als dass die PISA-Ergebnisse im Wesentlichen die Einwanderungspolitik der 60er und 70er Jahre widerspiegeln, als Deutschland vor allem niedrig Qualifizierte als Gastarbeiter angeworben hat. Die Kinder ausländischer Eltern sind, da die Einwanderer der 70er Jahre überwiegend aus einfachem sozialem Milieu mit geringem Bildungsstand entstammen, von dem Zusammenhang Bildungserfolg und soziale Herkunft besonders betroffen.

Positiv an den Ergebnissen der RWI-Studie ist vor allem der Versuch, die Problemursachen für die Bildungsbenachteiligung junger Menschen mit Migrationshintergrund nicht ausschließlich bei den Defiziten wie mangelnder Sprachkompetenz zu lokalisieren. Die ersten Analysen der Testergebnisse hatten zuweilen zur Folge, dass junge Ausländer hauptsächlich als Problem für den Bildungserfolg der Schüler angesehen wurden. Die neuen Ergebnisse könnten dazu beitragen, dieser Tendenz entgegenzuwirken.


Autorin: Vanessa Franz, isoplan

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Schlechtes Deutsch bei der Einschulung

 

Berlin. Fast die Hälfte der in Deutschland geborenen türkischen Kinder spricht bei der Einschulung nicht ausreichend Deutsch. Das ergab eine Studie zur gesundheitlichen Lage von Berliner Kindern, die im März 2003 vorgestellt wurde. Zugrunde liegen die Ergebnisse der Einschulungsuntersuchung von 28.000 Kindern, die sich auf wenige Fragen beschränkte. Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ vom 21.03.03) wurden insbesondere bei der Sprachbeherrschung signifikante Unterschiede festgestellt: 55 % der in Deutschland geborenen Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache, die in einen Kindergarten gegangen waren, sprachen sehr gut Deutsch; nach dem Besuch einer Vorklasse sprachen 38 % dieser Kinder gut Deutsch, 20 % Prozent derjenigen, die zu Hause betreut worden waren, beherrschte die Unterrichtssprache. Untersucht wurde auch die gesundheitliche Situation: Lediglich 12,6 % der eingeschulten Kinder hatten Übergewicht; auch die Impfrate ist gut; sie liegt für Diphtherie, Tetanus und Polio bei 97 %. (esf)

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Türkische Jugendliche kapseln sich stärker ab

 

Düsseldorf. Bei der Integration türkischer Jugendlicher und ihrer Eltern zeigen sich offenbar gegenläufige Trends. Unter jungen Türken seien seit rund sieben Jahren stärkere Abkapselungstendenzen zu beobachten. Deren Eltern dagegen würden deutlich mehr Wert auf gute Deutschkenntnisse und eine Berufsausbildung ihrer Kinder legen. Dies seien zentrale Ergebnisse einer neuen Studie des Zentrums für Türkeistudien (ZfT), berichtete ZfT-Direktor Faruk Sen Mitte Februar 2002 in Düsseldorf. Die Abkapselung junger Türken sei auf Diskriminierungserfahrungen zurückzuführen, so Sen. Vor allem die Terroranschläge 2001 hätten das Verhältnis zwischen Deutschen und Muslimen spürbar belastet. Rund zwei Drittel aller Befragten gaben an, mehrmals Diskriminierung als Ausländer erfahren zu haben. Als "sehr religiös" bezeichneten sich jetzt knapp 11 Prozent der Befragten, nach 7,2 Prozent im Vorjahr. (esf)

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Ohne Zuwanderer würde Arbeitslosigkeit steigen

 

Brüssel. Einwanderer tragen nach einem EU-Bericht nicht zu höherer Arbeitslosigkeit bei. Zuwanderer seien häufiger als Einheimische bereit, geringfügige Beschäftigungen anzunehmen, teilte die Europäische Kommission Mitte März 2003 in Brüssel mit. Vielmehr sei davon auszugehen, dass bei rückläufiger Einwanderung die Arbeitslosigkeit ansteige. Arbeitslosigkeit und fehlende berufliche Qualifikation stellten das größte Problem für zahlreiche Zuwanderer dar, so die Studie. In deutschen und französischen Großstädten seien bis zu 50 % der ausländischen Jugendlichen erwerbslos. Gleichwohl biete die Schattenwirtschaft ärmeren Zuwanderern einen hohen Anreiz, sich in der EU niederzulassen. Dies könnte dazu führen, Migranten "als kriminelle Gruppe" zu diskriminieren. Der Studie zufolge leben Einwanderer zumeist unter schlechteren Bedingungen als EU-Bürger. Die Schulleistungen von Einwandererkindern seien zumeist schlechter. In Deutschland verfügten 78 % der arbeitslosen Ausländer über keine Berufsausbildung. Bei den arbeitslosen Deutschen liege dieser Anteil bei 37 %. (esf)

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Wie zufrieden sind türkische Frauen im deutschen Krankenhaus?

 

Berlin. Bei zunehmendem Wettbewerb der Krankenhäuser um Patienten wird deren Zufriedenheit mit dem Aufenthalt dort - als ein Maßstab der Qualitätssicherung - die Belegung des Hauses mitbestimmen. Was aber bestimmt Zufriedenheit? Bei Kranken ausländischer Herkunft, zum Teil auch aus anderen Kulturkreisen, wie sie in Großstädten vielfach anzutreffen sind, könnte Zufriedenheit sich aus anderen Quellen speisen als bei der deutschen Bevölkerung.

Tatsächlich stellte eine Studie an der "Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe" der Berliner Charité erhebliche Unterschiede zwischen Deutschen und Migrantinnen türkischer Herkunft fest. Frau Dr. Theda Borde (MPH) und ihre Arbeitsgruppe nutzten als Instrument zur Feststellung der Patientenzufriedenheit einen ausführlichen, 27 Seiten umfassenden Fragebogen. Er wurde von 320 Frauen deutscher und 262 türkischer Herkunft in wahlweise deutscher oder türkischer Sprache am Tag der Aufnahme und - in kürzerer Form - am Tag der Entlassung von gynäkologischen Stationen ausgefüllt. Die Fragen bezogen sich auf acht so genannte Kernbereiche der Zufriedenheit (medizinische Versorgung, Unterbringung, Pflege, Verpflegung, Aufklärung, psychosoziale Betreuung und die Berücksichtigung migrationsspezifischer Bedürfnisse sowie Tagesablauf). Miterfasst wurden aber auch soziodemographische und migrationsspezische Daten (Migranten in erster oder zweiter Generation), Schulbildung und deutsche Sprachkenntnisse, Grundwissen um Gesundheit, psychische Befindlichkeit oder Kontakte zu niedergelassenen Gynäkologen.

Die Auswertung der Untersuchung, die in der Fachzeitschrift "Das Gesundheitswesen" 2002 publiziert wurde, ergab, dass in allen acht Kernbereichen der Krankenhausaufenthalt von Migrantinnen schlechter beurteilt wurde als von deutschen Patientinnen, dass die Zufriedenheit umso geringer ausfiel, je geringer die Sprachkenntnisse und je niedriger der Bildungsgrad waren, und dass Frauen jüngeren Alters mit gutartigen Krankheiten die Versorgung kritischer beurteilten als ältere Frauen mit bösartigen Krankheiten. Unter den acht Kernbereichen wurden die medizinische Versorgung, die Pflege und der Wohnkomfort von Patientinnen deutscher wie türkischer Herkunft am positivsten bewertet. Im Vergleich zu Deutschen zeigten sich die Migrantinnen aber deutlich unzufriedener mit der Information und ärztlichen Aufklärung sowie mit der psychosozialen Betreuung während des Klinikaufenthaltes. Frau Dr. Borde sieht in beiden Bereichen dringenden Handlungsbedarf und betont, dass Krankenhäuser in Deutschland bisher unzureichend auf die Versorgung von Kranken unterschiedlicher soziokultureller Herkunft eingestellt seien. Da bei sprachlichen Kommunikationsproblemen nicht auf qualifizierte Dolmetscher, sondern auf Familienangehörige oder zufällig anwesende Laien zurückgegriffen werde, würden Informationen über die Erkrankung und die Therapie verzerrt und zum Teil gar nicht vermittelt. Eine psychosoziale Betreuung entfalle nicht selten gänzlich.

Ein weiterer Faktor hoher Unzufriedenheit, übrigens auch bei deutschen Patientinnen, war die Krankenhausverpflegung, obwohl auf Besonderheiten der Bedürfnisse islamischer Patientinnen zumindest in Form von vegetarischen Gerichten Rücksicht genommen worden war. Hier, so könnte man meinen, ließen sich Patientinnen über die Kunst des Kochs gewinnen.

Dr. med Silvia Schattenfroh, Medizinische Fakultät Charité der Humboldt-Universität zu Berlin

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Die freundlichsten Ausländerämter

 

Berlin. In Erlangen, Freiburg und Wismar gibt es nach einer Umfrage unter ausländischen Wissenschaftlern die freundlichsten Ausländerbehörden in Deutschland. Als Anerkennung erhielten die drei Ämter am 30. Januar 2003 in Berlin von der Alexander von Humboldt Stiftung und dem Stifterverband jeweils eine Prämie von 25.000 Euro. Neben den Siegprämien ging ein Lob für gute Arbeit an Behörden in Düsseldorf, Bochum, Dortmund, Duisburg, Kiel, Brandenburg/Havel, Kassel, Heidelberg, Mannheim und Regensburg sowie an die Landkreise Bernburg und Potsdam-Mittelmark. In die Auswertung dieser ersten entsprechenden Umfrage floss das Urteil von rund 200 ausländischen Wissenschaftlern und Studenten ein. Grundlage für die Entscheidung waren Erfahrungsberichte, die ausländische Studierende und Forscher vom 1. Juli bis 31. August 2002 einreichten. Hinzu kamen Stellungnahmen der örtlichen Hochschulen. Die Ausländerbehörden mussten darlegen, welche Projekte sie mit dem Preisgeld umsetzen würden. Abschließend prüfte die Jury ihre Entscheidung in anonymen und unangekündigten Besuchen.

Der Preis zeichnet solche Ausländerbehörden aus, die sich besonders aufgeschlossen und hilfsbereit gegenüber ausländischen Wissenschaftlern und Studierenden verhalten. "In den nicht gerade gut ausgestatteten Räumen der Behörden findet häufig die erste Begegnung mit der fremden Kultur statt. Die Beamten tragen also eine große Verantwortung", beschrieb der Präsident der Humboldt-Stiftung, Professor Wolfgang Frühwald, die Problemlage. Der Preis solle diejenigen sichtbar machen, die diese Verantwortung erkennen und durch ihr Engagement letztlich dazu beitragen, den Forschungsstandort Deutschland attraktiver zu machen. "Mit diesen positiven Beispielen wollen wir auch andere Behörden ermutigen, ihre Spielräume zu nutzen und ein positives Klima der Gastfreundschaft zu schaffen", erläuterte Frühwald. Weitere Wettbewerbsrunden für 2003 und 2004 sollen für nachhaltige Wirkung der Preisidee sorgen.

"Die großartige Resonanz zeigt, dass wir mit der Preisidee richtig liegen", sagte Dr. Arend Oetker, Präsident des Stifterverbandes. Aus diesem Grund habe der Vorstand des Stifterverbandes im Januar beschlossen, weitere Fördermittel in Höhe von insgesamt 270.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Damit können die zwei weiteren Ausschreibungen des Preises sowie weitere Maßnahmen zur Förderung der Preisidee finanziert werden. Das Preisgeld von jeweils 25.000 Euro verwenden die Behörden beispielsweise für die Anschaffung von mehrsprachigem Infomaterial, die bessere Ausstattung der Warteräume, zur Fortbildung der Mitarbeiter in interkulturellen Fragen, für Konfliktmanagement oder für Sprachkurse. "Einige Ideen der Ausländerbehörden sind zukunftsweisend", erklärte Dr. Oetker. "Vor allem, wenn sie ausländischen Studenten und Forschern den Aufwand erleichtern, indem sie die Verwaltung von Forschungseinrichtungen und Ausländerbehörden stärker verzahnen". Weitere Informationen, insbesondere zur Neuausschreibung 2003 finden sich unter: http://www.avh.de/de/aktuelles/
presse/pn/index.htm
.

Zeitgleich zu dieser Untersuchung hat das Bündnis für Menschenwürde und Toleranz gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus unter organisatorischer Leitung des DGB-Krefeld im Frühsommer 2002 eine anonyme Umfrage unter 172 "Kunden des Ausländeramtes Krefeld" gestartet. Im Dezember 2002 wurden erste Ergebnisse vorgelegt. Beanstandet wurden unter anderem lange Warte- und kurze Beratungszeiten, häufig vergebliche Behördenbesuche und Schwierigkeiten bei der Auffindung der entsprechenden Sachberarbeiter/innen? Ferner wurden die Entscheidungen des Amtes in vielen Fällen zu Ungunsten der Antragssteller erlebt. Auch werde die Rechtslage selten ausreichend erklärt. (esf)

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