Ausländer in Deutschland 2/2003, 19.Jg., 25. Juli 2003

AUSBILDUNG


Im Einsatz für mehr Lehrstellen

Integration durch Qualifikation

Berlin. Nur 23 % der Betriebe bilden aus. Schlimm genug, aber bei den Unternehmen mit Inhabern "ausländischer Herkunft" sind es nur 6 %. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn kam immer wieder auf diese Zahlen zurück. Wie auch die übrigen Redner der Medientagung "Integration durch Qualifikation" am 3. Juni 2003 in Berlin. Dazu hatten das Bundespresseamt, Bulmahns Ministerium und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Vertreter fremdsprachiger Medien eingeladen.

Seit vier Jahren gehen muttersprachliche Emissäre in die Betriebe und werben für mehr Lehrstellen. Bei rund 280.000 Migrantenfirmen bundesweit ist das jedoch ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal die Inhaber das kombinierte System aus Ausbilderbetrieb und Berufsschule meist nicht kennen. Deshalb wenden sich die Regierung und die Arbeitgeberverbände zum ersten Mal an Zeitungen, Rundfunksender und Internet-Portale, die von und für Migranten gemacht werden. Davon gibt es mittlerweile eine ansehnliche Anzahl: Über 2.500 fremdsprachige Druckerzeugnisse und Rundfunkprogramme hat die Internationale Medienhilfe (IMH) in Deutschland Ende 2002 gezählt.

Vor allem die im April 2003 gestartete Ausbildungsoffensive von Regierung, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften soll Jugendlichen, Eltern und Unternehmern näher gebracht werden. Das Bundespresseamt will helfen, Telefonaktionen zu organisieren, bei denen Experten die Fragen von Lesern und Zuhörern beantworten. Diese sollen zum Beispiel erfahren, dass eine Firma für jeden neuen Ausbildungsplatz günstige Kredite bekommen kann oder dass die Notwendigkeit einer Ausbildereignung für fünf Jahre ausgesetzt wurde. Für Despina Kazantzidou ist das besonders wichtig. Die Softwareentwicklerin griechischer Herkunft hatte schon vor drei Jahren bei der IHK Braunschweig ihren Kopf durchgesetzt: Sie darf auch ohne Ausbilderschein den Nachwuchs qualifizieren. Einer ihrer Azubis hat inzwischen beim Landeswettbewerb den ersten Platz gewonnen.

Damit keine Beliebigkeit in der Berufsbildung aufkommt, sollen die Kammern prüfen, welcher Betrieb ausbilden kann. Rund die Hälfte der ausländischen Betriebe ist dazu in der Lage, schätzt Ministerin Bulmahn. Es lohnt sich, wenn ein Unternehmer seine künftigen Arbeitskräfte heranzieht, Ausbilden über den Bedarf hinaus sei jedoch schlicht zu teuer, verteidigt Kemal Sahin die unternehmerische Sichtweise gegen politische Vorgaben. Der türkischstämmige Ingenieur, der aus einem T-Shirt-Shop einen internationalen Textil-Konzern machte, bildet in der Sahinler Holding jährlich bis zu 60 Jugendliche aus. Etwa die Hälfte davon sind Deutsche.

"Uns brennt das unter den Nägeln", sagt der Chef der türkischen Redaktion von Radio Multikulti, Cem Dalaman. "Wir sprechen sehr oft darüber mit Jugendlichen, mit türkischen Vereinen und mit Betrieben. Wir stellen auch immer, geradezu aggressiv, die Frage, warum sich türkische Unternehmer nicht mehr für Bewerber öffnen?" Mit Interviews und Reportagen aus Firmen und Arbeitsämtern versucht auch "Hürriyet", Eltern, Schüler und Firmeninhaber aufzuklären und zu überzeugen. Dass es so viele und verschiedene Migrantenmedien gibt, war für Ludwig Georg Braun, Präsidenten des DIHK, ein Aha-Erlebnis. In der Zukunft will er sie besser mit Informationen versorgen.


Autorin: Matilda Jordanova-Duda

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500 Ausbildungsplätze in 5 Jahren

 

Hamburg. Die vor fünf Jahren gegründete Arbeitsgemeinschaft türkischer Unternehmer und Existenzgründer e.V. (ATU) hat durch ihr Projekt "Ausländische Selbständige bilden aus" im Juli 2003 den 500. Ausbildungsplatz in Hamburg vermittelt. Die Mitarbeiter des gemeinnützigen Vereins akquirieren die Ausbildungsplätze vor allem bei von Migranten gegründeten Unternehmen - insbesondere bei türkischen Betrieben. Sie besuchen diese vor Ort, informieren über Ausbildungsvoraussetzungen und helfen bei der Erledigung von Formalitäten. Dabei arbeiten sie mit der Handelskammer Hamburg zusammen, aus der das Projekt 1998 hervorging und die es bis heute unterstützt. Das Erfolgsrezept des fünfköpfigen Akquise-Teams um ATU-Geschäftsführer Mehmet Keskin ist die intensive Betreuung: Bis zu fünf Besuche in einem Migranten-Betrieb sind notwendig, bis der künftige Ausbilder und sein Azubi in spe einen Ausbildungsvertrag unterzeichnet haben. 2002 hat ATU mit den Geschäftsführern von 621 Betrieben über die mögliche Ausbildung von Jugendlichen gesprochen, in 116 Fällen waren sie erfolgreich. Keskin erwartet die Vermittlung von 150 Ausbildungsverträgen in 2003. Wenn es der Betrieb wünscht, kümmert sich ATU auch um die Suche nach einem Jugendlichen, der zu dem Unternehmen passt. Dazu hat die Arbeitsgemeinschaft als externe Ausbildungsagentur einen Vermittlungsauftrag des Hamburger Arbeitsamtes, das die Arbeitsstellen des Vereins finanziert. Für die Unternehmen kann der Service somit kostenlos angeboten werden. (esf)

Kontakt: 
Arbeitsgemeinschaft türkischer Unternehmer und Existenzgründer e.V., 
Nordkanalstraße 58, 20097 Hamburg

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Das EQUAL-Projekt "ProInteCra"

Die Teilprojekte

Motivierung jugendlicher Migranten für eine Handwerksausbildung
Kontakt:
Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk e.V., Dr. Ute Pascher, upascher@zwh.de, 0211/302009-0

Förderung der fachsprachlichen Kompetenzen
Kontakt: Handwerkskammer Aachen, Ingo Klusemann, ingo.klusemann@hwk-aachen.de, 0241/9674-0

Betriebswirtschaftliches Training zur Existenzgründung
Kontakt: Handwerkskammer Berlin, Manfred Löbel, loebel@hwk-berlin.de, 030/25903-01

Qualifizierung von Migrantinnen zu Führungskräften im Handwerk
Kontakt: Handwerkskammer Lüneburg-Stade, Margarethe Petersen, petersen@
hwk-lueneburg-stade.de
, 04141/6062-0

Chance 40+ - Angepasste Weiterbildung für ältere Migrantinnen und Migranten
Kontakt: Handwerkskammer Rhein-Main, Berufsbildungs- und Technologiezentrum Weiterstadt, Stefan Razus, razus@hwk-rhein-main.de, 06151/8753-0

Integration statt Ausgrenzung - Interkulturelles Training für Ausbilder
Kontakt: Aus- und Fortbildungszentrum des Baugewerbes e.V. Erfurt/Weimar, Dr. Lutz Wolter, wolter@abw-weimar.de, 03643/8265-0

 

Berlin. Das deutsche Handwerk leidet unter zu wenigen Auszubildenden. Allein in Hamburg konnten 2002 gut 1.200 Lehrstellen nicht besetzt werden, in Baden-Württemberg waren es sogar 13.000. Ein Mangel an Auszubildenden verursacht auch einen Mangel an Fachkräften - einen solchen meldet das deutsche Handwerk seit Jahren. Denn ohnehin verbleibt nur die Hälfte der im Handwerk ausgebildeten Fachkräfte dort nach ihrer Ausbildung. Gleichzeitig sind Migranten in Deutschland überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen. Im Jahr 2002 war die Arbeitslosenquote von Ausländern mit rund 18 % genau doppelt so hoch wie die der Deutschen. Diese Zahl variiert, je nach Nationalität und Bundesland. Das größte Problem arbeitsloser Ausländer ist ihre mangelnde Qualifikation. Über 75 % haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Zum Vergleich: Nur jeder dritte deutsche Arbeitslose hat keine Ausbildung absolviert.

Den Zielen, einerseits die Qualifikationsdefizite von Ausländern in Deutschland abzubauen und andererseits dem Fachkräftemangel im Handwerk entgegen zu wirken, hat sich das EQUAL-Projekt ProInteCra (Professional Integration of Immigrants in Skilled Crafts) - Berufliche Integration von Migrantinnen und Migranten ins Handwerk verschrieben. ProInteCra soll Migranten und dem Handwerk helfen, zueinander zu finden. In mehreren Einzelprojekten widmen sich sechs Handwerkskammern und ihre Bildungseinrichtungen der fachlichen Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten. Angesprochen werden jeweils verschiedene Zielgruppen: Jugendliche, Frauen, Ältere sowie Gesellen und Existenzgründer. Inhaltlich sind die Maßnahmen auf die jeweilige Zielgruppe abgestimmt. So liegen Defizite jugendlicher Migranten vor allem in mangelndem Wissen über die Ausbildungsmöglichkeiten im Handwerk; hier sind gezielte Informationskampagnen und eine Motivierung der Zielgruppe notwendig. Frauen hingegen sind oftmals mitarbeitende Angehörige, denen im Betrieb die Aufgabe der Büroorganisation und EDV zufällt - worauf sie aber oft nur unzureichend vorbereitet sind. Zugleich gibt es Handwerker/innen mit Migrationshintergrund, denen durch gezielte Qualifizierungsangebote der Weg in die Meisterprüfung und die Existenzgründung geebnet werden soll. Ein generelles Problem liegt in mangelnden fachsprachlichen Kompetenzen von Migranten. Eines der Projekte entwickelt daher ein Web-Based-Training für die deutsche Fachsprache auf der Basis der Ausgangssprachen Türkisch und Russisch. Ergänzend wendet sich eines der Projekte speziell an Ausbilder im Handwerk; sie sollen befähigt werden, sich auf Integrationsprozesse einzustellen und fremdenfeindlichen Tendenzen in der Ausbildungssituation entgegen zu wirken. ProInteCra ist eines von 109 Projekten der EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL in Deutschland (www.equal-de.de).

Kontakt: 
Gesamtkoordination ProInteCra, BGZ - Berliner Gesellschaft für entwicklungspolitische Zusammenarbeit mbH, Frau Uta Beyer, Frau Grazyna Wittgen, Pohlstraße 67, 10785 Berlin, Telefon: 030/8099410, info@prointecra.de, www.prointecra.de


Autorin: Uta Beyer, Pro InteCra

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