Ausländer in Deutschland 2/2003, 19.Jg., 25. Juli 2003

SEGREGATION

Das Programm "Soziale Stadt"

Erfahrungen zur Halbzeit

Seit Jahren ist zu beobachten, dass die soziale Ungleichheit in den deutschen Städten und Gemeinden wächst. Ehemals bedeutende Zentren der industriellen Produktion stagnieren oder erleiden einen Niedergang. Eine ausgeprägte Polarisierung des städtischen Sozialgefüges ist die Folge. Hiervon sind in besonderem Maße die Arbeitsmigranten betroffen, die sich in der Vergangenheit vielfach in unmittelbarer Nähe von Industriebetrieben angesiedelt haben.

Die skizzierten negativen Entwicklungen haben in vielen besonders benachteiligten Quartieren eine Abwärtsspirale aus sich gegenseitig verstärkenden sozialen, ökonomischen und städtebaulichen Problemen zur Folge. Vereinfacht stellt sich der Teufelskreis so dar: Vergleichsweise einkommensstärkere Bewohner ziehen aus den Quartieren fort. In die frei werdenden Wohnungen ziehen (insbesondere in den alten Bundesländern) vor allem Haushalte mit Migrationshintergrund und einkommensschwache deutsche Haushalte. Durch die fortschreitende soziale Entmischung verstärken sich soziale Konfliktpotenziale. Die Eigentümer investieren nicht mehr in die Gebäude, der lokale Einzelhandel leidet und das Image der Quartiere verschlechtert sich.

In 20 Jahren Städtebauförderung hat man erkannt, dass sich die skizzierten Probleme in solcherart benachteiligten Quartieren nicht allein mit dem Bagger lösen lassen. Aufbauend auf Erfahrungen aus NRW und Hamburg haben Bund und Länder 1999 das Bund-Länder-Programm "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die Soziale Stadt" (kurz: Soziale Stadt) aufgelegt. Rechtliche Grundlage des Bund-Länder-Programms war die Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung aus dem Jahr 1999, die seither jährlich aktualisiert wird. 2003 läuft das Programm zur Förderung benachteiligter Stadtteile vier Jahre. Grund genug für AiD, eine Halbzeitbilanz zu ziehen.

Die "Soziale Stadt" ist im Kern ein Programm der Städtebauförderung. Mit jeweils einem Drittel Bundes- und Landeszuschüssen soll städtischen Problemgebieten geholfen werden. Im Gegensatz zur klassischen Städtebauförderung geht die Soziale Stadt deshalb weit über die Förderung reiner Baumaßnahmen hinaus. In integrierten Konzepten werden städtebauliche Ziele mit den wirtschaftlichen und sozialen Ziele verknüpft. Ein ganz wichtiger Aspekt der ressortübergreifenden Arbeit ist ein Beitrag zur Integration von Migranten.

Die zweite Neuerung ist die bewusste räumliche Konzentration und Bündelung von Ressourcen aus unterschiedlichen Fördertöpfen. Städtebauförderungsmittel werden mit Geldern aus anderen Förderprogrammen gezielt in abgegrenzten Fördergebieten eingesetzt. So sollen trotz knapper werdender öffentlicher Finanzen wahrnehmbare Wirkungen in den besonders benachteiligten Vierteln unserer Städte erzielt werden.

Drei wesentliche Merkmale der Förderstrategie des Programms sind a) die Vernetzung lokaler Akteure, b) die intensive Beteiligung und Aktivierung der Bürger und c) die Einrichtung eines Quartiersmanagements als Brücke zwischen Bürger und Verwaltung. Ziel ist es, die betroffenen Stadtteile mit einem gebündelten Maßnahmepaket vor weiterer Abwärtsentwicklung zu bewahren und dauerhaft selbsttragende Strukturen in den Gebieten aufzubauen.

Typische Maßnahmen sind:

- Bürgermitwirkung, Stadtteilleben (z.B. Stadtteilbüros, Quartiersmanagement)

- Lokale Wirtschaft und Arbeit (z.B. lokale Jobvermittlung, B&Q, Gewerbehöfe)

- Quartierszentren (z.B. Zentrenmodernisierung, Stadtmarketing)

- Soziale und kulturelle Infrastruktur (z.B. Einrichtungen für Zielgruppen)

- Wohnen (z.B. Modernisierung, energetische Nachbesserung)

- Wohnumfeld und Ökologie (z.B. Begrünung, Freiflächengestaltung, Flächenrecycling)

Im Jahr 2002 sind bundesweit 300 Gebiete in 214 Gemeinden gefördert worden. Sie erhielten rund 76,7 Mio. Euro Förderzuschuss aus Bundesmitteln. Hinzuzurechnen ist de facto die gleiche Summe, die aus den Landeskassen an die Gemeinden gezahlt wurde, ergänzt um den kommunalen Eigenanteil in ebensolcher Höhe.

Tragendes Element der Philosophie ist eine weitreichende Bürgerbeteiligung. Mittlerweile gibt es Beispiele aus zahlreichen Städten, wie sich Bürger aktiv einbringen. Migranten in den Prozess der Quartiersentwicklung zu integrieren ist jedoch eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie ist bisher nur dann erfolgreich gelaufen, wenn muttersprachliche Mitarbeiter des Stadtteilmanagements aktiv auf die Migranten im Viertel zugehen.


Autor: Dr. Karsten Schreiber, isoplan

Weiterführende Literatur:
- ARGEBAU: Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative "Soziale Stadt", Zweite Fassung vom 01.03.2000
- Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.): Die Soziale Stadt. Eine erste Bilanz des Bund-Länder-Programms "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt", Berlin 2002
- Internet: www.soziale-stadt.de

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