Ausländer in Deutschland 3/2003, 19.Jg., 15. Oktober 2003

MOBILITÄT

*) Dieser Beitrag wurde im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Grenzgänger

Die Arbeitswelt im Licht der europäischen Integration


Kochen ohne Grenzen

"Grenzen sind Narben der Geschichte" heißt es - Narben, die im Zuge des europäischen Integrationsprozesses langsam heilen. Die Überwindung der nationalstaatlichen Grenzen drückt sich in einer immer stärker werdenden Zusammenarbeit der europäischen Mitgliedstaaten in zahlreichen Politikfeldern aus. Aber es sind vor allem auch die Menschen in den Grenzregionen, die mit ihrer kontinuierlich anwachsenden Mobilität verdeutlichen, dass die persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten, gerade im Hinblick auf die Arbeitswelt, nicht an den Landesgrenzen enden.

Karin S. wohnt in Trier und fährt täglich nach Luxemburg, um dort ihrer Arbeit als Krankenschwester nachzugehen. Robert T. aus Thionville arbeitet als Elektroningenieur bei einem Automobilhersteller in Saarlouis (Saarland). Sie sind zwei von rund einer halben Million Grenzgänger in westeuropäischen Grenzregionen - d.h. Arbeitnehmer und Selbständige, die ihre Berufstätigkeit in einem Land ausüben und in einem anderen wohnen, in das sie mindestens einmal wöchentlich zurückkehren. Zu diesem Thema hat die MKW GmbH eine Studie veröffentlicht. Das attraktivste Arbeitsland ist danach die Schweiz, direkt gefolgt von Deutschland und Luxemburg. Die meisten Grenzgänger kommen aus Frankreich. Deutschland liegt auch hier - vor Belgien - an zweiter Stelle.

Die Vorteile grenzüberschreitender Mobilität liegen auf der Hand: Den Unternehmen steht ein größeres Angebot an qualifizierten Arbeitskräfte zur Verfügung, gleichzeitig bieten sich Arbeitnehmern vielfältigere Möglichkeiten der Arbeitsplatzwahl.

Seit Anfang der 1990er Jahre ist der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt kontinuierlich gewachsen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben diese Entwicklung mit der Errichtung von EURES (European Employment Services) begünstigt. Es handelt sich hierbei um ein Netzwerk, das Informationsdienstleistungen über den europäischen Arbeitsmarkt für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereitstellt. In den europäischen Grenzregionen wurden hierfür spezielle Strukturen geschaffen. Zur Zeit bestehen in der EU 21 sogenannte EURES-Transfrontalier. Dies sind EURES-Partnerschaften in Grenzregionen, die über Information, Beratung und Stellenvermittlung hinausgehend darum bemüht sind, in der Region eine Zusammenarbeit verschiedener wirtschaftlicher und sozialer Akteure zu initiieren.

Eine Modellregion ist diesbezüglich der Raum Saar-Lor-Lux-Rheinland-Pfalz. Modellcharakter hat die Region insoweit, als dass sie mit über 100.000 Grenzgängern fast ein Viertel aller Grenzpendler in Westeuropa stellt. Zudem ist Luxemburg das Land mit dem höchsten Zuwachs an Grenzgängern. Darüber hinaus zeichnet sich die Region bereits historisch gesehen durch eine im europäischen Vergleich hohe grenzüberschreitende Mobilität der Arbeitskräfte aus (weitere EURES-Grenzregionen mit einem hohen Pendlerstrom sind beispielsweise die Euregio Maas Rijn und Interalp).

Doch trotz allem ist die grenzüberschreitende Mobilität der Arbeitskräfte sowohl im Saar-Lor-Lux-Rheinland-Pfalz-Raum als auch in der EU insgesamt im Vergleich zu außereuropäischen Regionen noch relativ gering. Woran liegt das? EURES-Berater sehen sich täglich mit Fragen der Art "Welche Qualifikationen werden im Nachbarland benötigt?", "Wie ist die Anerkennung der Rente geregelt?", "Werden Sprachkurse bezahlt?" konfrontiert.

EURES Saar-Lor-Lux-Rheinland-Pfalz hat diesbezüglich in einem "Mobilitätsreport" folgende Mobilitätshemmnisse zusammengefasst:
- Mangel an Informationen / fehlende Arbeitsmarkttransparenz,
- Soziale Sicherungssysteme,
- Steuern,
- Rechtliche und administrative Probleme,
- Anerkennung von Qualifikationen,
- Kulturelle / sprachliche Probleme,
- ÖPNV und
- Berufliche Aus- und Weiterbildung.

Die Überwindung dieser Hindernisse ist ein unverzichtbarer Baustein im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Sie begünstigt die Entfaltung von gemeinsamen kulturellen, sprachlichen, landschaftlichen und geschichtlichen Bindungen. Denn eine echte europäische Integration ist erst dann erreicht, wenn sich nationalstaatliche Grenzen in neuen grenzübergreifende Verbindungen harmonisch aufgelöst haben.


Autorin: Vanessa Franz, isoplan

Literaturhinweise / Quellenangaben:

  • MKW GmbH: Scietific report on the mobility of cross-border Workers within the EEA, München 2001

  • EURES-Institut SLLR: Mobilitätsreport, Vorläufige Fassung, Saarbrücken 2003

  • Gu, Xuewu (Hrsg.): Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Regionen in Europa, Baden-Baden 2002 (Buchrezension siehe Online-Version)

  • www.europa.eu.int/eures/

[ Seitenanfang ]


Grenzüber-
schreitende Zusammenarbeit

 

Der europäische Integrationsprozess hat eine Dynamik entwickelt, die allseits mit Spannung verfolgt wird. Auch die Wissenschaft würdigt diesen Prozess, indem sie zu diesem Thema rege publiziert. Für alle, die mehr über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa erfahren wollen, hat das Zentrum für Europäische Integrationsforschung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ein wirklich lesenwertes Buch vorgelegt: "Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Regionen in Europa" lautet der Titel des von Xuewu Gu herausgegebenen und in der Nomos Verlagsgesellschaft erschienenen Buches. Es hat die Entwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Erfahrungsberichte verschiedener Regionen zum Gegenstand. Ebenso werden in dem Buch Probleme dieser Zusammenarbeit analysiert und Perspektiven für eine weitere Entwicklung aufgezeigt. Die Hauptthese des Buches lautet, dass gerade in grenzüberschreitender Kooperation der echte europäische Mehrwert gesehen werden kann. Sie sei die Grundlage für eine dauerhafte Integration in Europa und habe unterstützende Funktion für die Herstellung einer europäischen Identität. (vf)

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.