Ausländer in Deutschland 4/2003, 19.Jg., 31. Dezember 2003

PARTIZIPATION

*) Dieser Beitrag wurde im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Integrations-
lotsen?

Migranten-
organisationen im Integrationsprozess


Russischer Folkloreverein beim Karneval der Kulturen in Berlin

Worin liegt das spezifische Potenzial von Migrantenorganisationen als integrationspolitische Partner für den Bund, die Länder und Kommunen? Welches Wissen ist für solche Aufgaben erforderlich? Wie können solche Kompetenzen von staatlicher Seite gefördert, gesteuert und für den Integrationsprozess genutzt werden? Zur Beantwortung dieser und anderer Fragen fand am 6. und 7. Oktober 2003 in Berlin eine Konferenz über "Integrationslotsen oder Identitätswächter - Migrantenorganisationen im Integrationsprozess" statt.

Migrantencommunities und -organisationen schlagen Brücken zwischen ihren Herkunftsländern und der neuen Heimat. Die Frage ist jedoch, in welcher Form sie dies tun und welche Wirkung ihre Arbeit auf die Integration in die deutsche Gesellschaft hat. Johannes Kandel (FES) benannte in einer bewusst polarisierenden Zuspitzung das unterschiedliche Selbstverständnis dieser Organisationen als Grundproblem. Die einen verstünden sich - bildlich gesprochen - als "Lotsen", die das Schiff mit Migranten an Bord in den Hafen leiten. Sie kennen den Weg und mögliche Untiefen und bieten Hilfe an. Wenn die Passagiere an Land sind, würden sie ihre Aufgabe als erfüllt sehen. Die anderen würden das Schiff zwar ebenfalls in den Hafen begleiten, beschrieben die Untiefen jedoch als große Gefahr und würden die Parole ausgeben, dass es wichtig sei, zusammen zu bleiben. Die Migranten würden so verunsichert, blieben an Bord, sähen das Schiff als Fluchtburg und unternähmen kaum Ausflüge an Land. Integrationspolitik sei für diese "Identitätswächter" vor allem Identitätspolitik - mit möglicherweise gefährlich segregierender Wirkung.

Die von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und dem Modellprojekt "Transfer Interkultureller Kompetenz" (TiK) der iaf-Berlin durchgeführte Konferenz beschäftigte sich insbesondere mit der Rolle von Migrantenorganisationen im Kontext der interkulturellen Öffnung kommunaler Verwaltungen. Das Ziel der mit gut 200 Teilnehmern gut besuchten Veranstaltung lag darin, zu erkunden, worin die besondere Rolle insbesondere der "Lotsen" im Integrationsprozess liegen kann und welches die dafür optimalen Rahmenbedingungen sind.

Dr. Michael Griesbeck vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge betonte die Notwendigkeit des Aufbaus eines Integrationsnetzwerkes. Migrantenorganisationen beschrieb er in einer Brückenfunktion zwischen Verwaltung und Migranten. Sie seien wichtige externe Experten und Dialogpartner, die den bestehenden Handlungsbedarf erläutern und Missverständnisse aufklären könnten. Bislang fehle staatlichen Stellen jedoch ein zentraler Ansprechpartner seitens dieser Organisationen. Unabhängig davon bemühe man sich um eine Verbesserung der interkulturellen Kompetenz der öffentlichen Verwaltung.

In Arbeitsgruppen wurden die Fragen vertieft. Insbesondere mit Blick auf islamische Organisationen wurden unterschiedliche Sichtweisen deutlich. Während die einen viele von ihnen nicht nur als "Identitätswächter", sondern gar als "Sektierer" einschätzten, betonten andere, dass es zu einer solchen Rolle vor allem durch mangelnden Dialog seitens der Mehrheitsgesellschaft gekommen sei. In einer Arbeitsgruppe zum Thema Bildung hieß es, dass die Schulverwaltung Segregation zumindest nicht verhindert hätte. Es zeigte sich hier jedoch auch, dass beispielsweise die spanischen Elternvereine erfolgreicher bei der Verbesserung der schulischen Erfolge ihrer Kinder waren, als die türkischen Elternvereine. In einer Arbeitsgruppe zum Thema Wirtschaft wurden eine anvisierte verstärkte Förderung der interkulturellen Kompetenz und der Netzwerkbildung der Arbeitsämter mit Migrantenorganisationen sowie die Umsetzung von Diversity-Konzepten seitens einiger Unternehmen als positive Entwicklungen genannt. In einer weiteren Arbeitsgruppe wurde auch die nötige Professionalisierung von Migrantenorganisationen thematisiert.

Nur am Rande angesprochen wurden Vereine von Migrantenjugendlichen. Sie sind in der Vereinslandschaft und öffentlichen Förderung noch unterrepräsentiert und in wichtigen Gremien der Kinder- und Jugendhilfe kaum vertreten. Einige Initiativen bemühen sich um die Schulung dieser Organisationen. So hat das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. (IDA) vom 5. bis 7. Dezember 2003 im Haus der Parität in Frankfurt/Main ein Seminar für aktive jugendliche Mitglieder von Migrantenvereinen durchgeführt. Ihnen soll beim Aufbau nachhaltiger Strukturen geholfen werden. Im Rahmen seines Qualifizierungsprogramms hat der Düsseldorfer Verein im November 2003 auch einen Flyer "Durch den Dschungel der Vereinsarbeit" mit wichtigen Hintergrundinformationen, Anregungen, Literatur- und Webhinweise zu verschiedenen Fragestellungen der Vereinsarbeit erstellt.

Kontakte:

TiK - Transfer interkultureller Kompetenz, Oranienstr. 34, 10999 Berlin; Tel: 030 - 616 515 90, hartmann@TiK-iaf-berlin.de, www.TiK-iaf-berlin.de

IDA e. V., Volmerswerther Str. 20, 40221 Düsseldorf, Tel: 0211/159255-5, Fax: -69, info@IDAeV.de


Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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20 Jahre Verein für türkische Kultur

Freiburg. Mit einem Freundschaftsfest hat der Verein "Türk.HOG - Verein für türkische Kultur" am 13. Dezember 2003 sein 20-jähriges Jubiläum gefeiert. Die Gruppe wurde 1983 in Freiburg von jugendlichen Arbeitern, Studenten und Schülern aus der Türkei gegründet. Die heute aktiv tanzenden 20 Mitglieder treffen sich seitdem einmal in der Woche. Zum Repertoire gehören Tänze aus sechs türkischen Regionen. Ziel der bislang über 100 Auftritte ist es, Brücken der Völkerverständigung zu bauen und den Deutschen, den in Deutschland lebenden Nationalitäten und den Türken die traditionellen türkischen Volkstänze nahe zubringen. "Wir geben den Jugendlichen die Möglichkeit, sich in ihrer Freizeit sinnvoll zu beschäftigen und mit ihren Auftritten einen Beitrag für die Völkerverständigung zu leisten. (esf)

Kontakt: 
Türk.HOG, Verein für türkische Kultur, c/o Ali Demirbüker, Rennweg 49, 79106 Freiburg, Tel:0761-5564434, turk.hog@arcor.de

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10 Jahre LTD

Berlin. Mit einer "Türkischen Nacht" hat die "Liberal-Türkische Vereinigung" Mitte November 2003 in Berlin ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert. LTD steht für bzw. unterstützt unter anderem das politische Engagement und die Kandidatur von "Deutsch-Türken" innerhalb der Parteien und Institutionen, den muttersprachlichen Pflichtunterricht bis einschließlich der 6. Klasse, die Einführung eines für ale offenen türkischen Sprachunterrichts als 2. und 3. Fremdsprache, auf Wunsch auch abiturrelevant, die Mehrstaatlichkeit im Rahmen der europäischen Integration, eine Stärkung der Bedeutung der Ausländerbeiräte und eine rechtliche Besserstellung von Deutschen in der Türkei. (esf)

Infos: www.ltd-ev.de

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Partizipation von Kurden

 

Bonn. "Die Integration von Migranten findet in der Kommune statt - oder gar nicht. Kommunen und Gemeinden sind der Boden, auf dem sich Verständnis und Interesse zur Integration entwickeln". Diese Gedanken sind grundlegend für ein Projekt "Politische und soziale Partizipation von MigrantInnen" des kurdischen Vereins NAVEND. Ziel ist, bestehende Ansätze zur Förderung der Integration und gesellschaftlichen Partizipation insbesondere kurdischer Migranten in die bundesdeutsche Gesellschaft weiterzuentwickeln. Das Projekt richtet sich an kurdische Migranten wie auch an die deutsche Gesellschaft mit ihren Institutionen. Am Beispiel der Kurden möchte NAVEND e.V. beide Seiten stärker für kommunale Problemfelder sensibilisieren und die aktive Teilnahme von Migranten am kommunalen Leben fördern. Zum einen sollen mit Hilfe von Multiplikatoren kurdische Migranten und ihre Selbstorganisationen für die Möglichkeiten der verstärkten Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben in Deutschland sensibilisiert werden. Vorhandene Möglichkeiten zur Integration sollen transparent gemacht werden. Zum anderen soll Mitarbeiter von Kommunen, Beratern in sozialen Diensten sowie Multiplikatoren Kenntnisse über die Situation der Migranten vermittelt werden. NAVEND e. V. bietet daher sowohl Fortbildungsveranstaltungen für MitarbeiterInnen von kommunalen Einrichtungen und Sozialverbänden, Fachtagungen wie auch Motivations- und Sensibilisierungsveranstaltungen für kurdische MigrantInnen an. Die Ergebnisse einer ersten Tagungsreihe hat der Verein unter dem Titel "Politische und soziale Partizipation von MigrantInnen" veröffentlicht (ISBN 3-933279-19-4). Eine zweite Tagungsreihe "Kommunalpolitische Ratschläge" mit Terminen in Hamburg (27.11.2003), München (8.12.2003), Köln (20.1.2004), und Berlin (Februar 2004) läuft zur Zeit. (esf)

Kontakt: 
NAVEND - Zentrum für Kurdische Studien e.V., Bornheimer Str. 20-22, 53111 Bonn, Tel.: 0228/652-900, Fax: -909, info@navend.de, www.navend.de

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Öger will für türkischen EU-Beitritt kämpfen

 

Hamburg. Sein geschäftliches Glück hat der türkischstämmige Touristik-Unternehmer Vural Öger in Deutschland gemacht, seit 1990 ist er Deutscher. Politisch schlägt das Herz des 61-jährigen weiterhin für die Türkei und die türkischen Migranten in Deutschland. Öger ist ein vehementer Verfechter eines Beitritts der Türkei in die Europäische Union (EU) und einer zügigen Aufnahme der Beitrittsverhandlungen. Nach seiner Nominierung im November 2003 für den aussichtsreichen Platz zehn der SPD- Liste zur Europawahl könnte der Hamburger ab 2004 in Straßburg und Brüssel für dieses Ziel streiten. (esf)

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