Ausländer in Deutschland 4/2003, 19.Jg., 31. Dezember 2003

RECHT

Aktuelle Gesetze und Gerichtsurteile

*) Dieser Beitrag wurde im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Vertragsgesetz über die Staatsangehörigkeit

Berlin. Die Bundesregierung hat am 4. Februar 2002 das "Europäische Übereinkommen vom 6 November 1997 über die Staatsangehörigkeit" gezeichnet. Nun hat das Kabinett am 15. Oktober 2003 grünes Licht für das zur Ratifizierung und zur innerstaatlichen Umsetzung erforderliche Vertragsgesetz gegeben. Damit wird zur Ausdruck gebracht, dass Deutschland sich zu den darin festgeschriebenen europäischen Standards und zur europaweiten Angleichung grundlegender Prinzipien bekennt, die einen wichtigen Schritt zur Fortentwicklung des Staatsangehörigkeitsrechts auf europäischer Ebene darstellen. Dies teilte das Bundesministerium des Innern am 31. Oktober 2003 mit. Eine Änderung des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts werde dadurch nicht erforderlich, denn es entspreche diesen hohen Standards schon heute, heißt es weiter. Soweit wenige Einzelregelungen damit nicht übereinstimmen, seien bei der Zeichnung Vorbehalte und interpretierende Erklärungen angekündigt worden. Das Abkommen lasse alle Optionen offen, ob ein Vertragsstaat bei der Einbürgerung Mehrstaatigkeit hinnimmt oder vermeidet.

Das Übereinkommen haben inzwischen 10 europäischen Staaten, darunter die EU-Staaten Österreich, Niederlande, Schweden, Portugal und Dänemark, gezeichnet und ratifiziert. Wenn der Gesetzentwurf von Bundestag und Bundesrat so beschlossen wird, steht der Ratifizierung durch Deutschland nichts mehr im Wege. Weitere Informationen zum Vertragsgesetzentwurf finden sich in Bundesratsdrucksache 749/03. 

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Keine Dolmetscher-
Rechnung in U-Haft

Karlsruhe. Ausländische Untersuchungsgefangene müssen grundsätzlich nicht die Übersetzungskosten für die Kontrolle ihres Besuchs- und Briefverkehrs im Gefängnis zahlen. Das Bundesverfassungsgericht hob am 7. November 2003 eine Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg auf, das von einem Tschechen fast 5.900 Euro verlangt hatte.

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Stuttgart und München legen Entwürfe für Kopftuchverbot vor

Stuttgart. Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg ein Gesetz zum Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen auf den Weg gebracht. Das Landeskabinett beschloss am 11. November 2003 einen entsprechenden Entwurf. Ziel des Gesetzes sei, staatlichen Lehrkräften das Tragen von Symbolen zu untersagen, die auch als politische Bekundungen gewertet werden könnten, teilte Ministerpräsident Erwin Teufel in Stuttgart mit. Das Bundesverfassungsgericht hatte im September entschieden, für ein Kopftuchverbot sei eine gesetzliche Regelung nötig (vgl. AiD 3/03). Das Bundesverfassungsgericht hatte den Bundesländern ein Kopftuch-Verbot nur auf gesetzlicher Grundlage erlaubt. In Baden-Württemberg war bislang versucht worden, über die Bestimmung der Beamtenpflichten muslimischen Pädagoginnen das Tragen von Kopftüchern an den Schulen zu untersagen. Der Gesetzentwurf werde Anfang Januar 2004 in den Landtag eingebracht, kündigte Teufel an. Auch die bayerische Staatsregierung beschloss am 11. November 2003, Lehrerinnen muslimischen Glaubens zu verbieten, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen. Einen Gesetzentwurf will das Kabinett noch in 2003 verabschieden.

Nach Auskunft der Kultusministerkonferenz vom Oktober 2003 haben neben Baden-Württemberg und Bayern auch Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen und das Saarland ein Kopftuchverbot vorgesehen. Bremen sei noch unentschieden, während Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen keinen Handlungsbedarf sehen.

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Zuwanderungs-
gesetz im Vermittlungs-
verfahren

Berlin. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat eine 20 Mitglieder umfassende Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich am 25. Oktober 2003 erstmals inhaltlich mit dem Zuwanderungsgesetz befasst hat. Dabei ging es zunächst um Fragen des humanitären Rechts. Die unionsregierten Bundesländer hatten das Gesetz mit ihrer Mehrheit im Bundesrat abgelehnt. Sie haben etwa 130 Änderungsanträge gestellt. Gefordert wird insbesondere, Regelungen für die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt aus dem Gesetz zu streichen. Umstritten ist auch der Umgang mit Flüchtlingen, die einer nichtstaatlichen oder geschlechtsspezifischen Verfolgung unterliegen, sowie eine Härtefallregelung. Die Arbeitsgruppe unter Vorsitz des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller sollte bis Ende 2003 Kompromissmöglichkeiten ausarbeiten. Die Gespräche haben am 5. Dezember 2003 jedoch nicht zur Einigung geführt. Sie wurden stattdessen auf den 16. Januar 2004 vertagt. Näher gekommen ist man sich in Punkten wie dem Nachzugsalter für Kinder und dem Aussiedlerrecht. Strittig sind aber weiter die Bereiche der humanitären Zuwanderung und der Arbeitsmigration. Ob es 2004 eine Einigung gibt ist noch offen.

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Perspektiven für langaufhältige Geduldete gefordert

Berlin/Stuttgart. Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, fordert im Vermittlungsverfahren über das Zuwanderungsgesetz auch eine Lösung für die Gruppe der so genannten Geduldeten. Von den 220.000 Geduldeten, die aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden können, lebten 100.000 schon mehr als sieben Jahre in Deutschland. Sie dürften aber nicht arbeiten, Jugendlichen werde eine Berufsausbildung verwehrt, erläuterte Beck Mitte Oktober 2003 in Berlin.

Mit zwei Gegenstimmen hat auch die am 22. und 23.10.2003 in Stuttgart tagende Bundeskonferenz der Ausländer- und Integrationsbeauftragten der Länder einen Antrag des Berliner Integrationsbeauftragten angenommen, in dem eine Integrationsperspektive für langaufhältige Geduldete gefordert wird. Der Beschluss mit dem Titel „Flüchtlinge, die sich integriert haben, sollen bleiben dürfen“ hat folgenden Wortlaut:

Neuregelung des Problems langaufhältiger Geduldeter eingefordert

Aus Anlass der Beratungen des Zuwanderungsgesetzes im Vermittlungssausschuss erneuert die Bundeskonferenz der Ausländer- und Integrationsbeauftragten ihre Forderung, das Problem langaufhältiger Geduldeter grundsätzlich neu zu regeln.

In Deutschland leben heute über 260.000 Flüchtlinge, die nur über eine Duldung verfügen: Abgelehnte Asylbewerber, die wegen Abschiebehindernissen hier bleiben; Staatenlose ohne Heimatstaat, und traumatisierte Kriegsflüchtlinge sowie Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien. Duldung heißt nach unserem Ausländerrecht, dass diese Flüchtlinge nur vorübergehend bleiben dürfen, obwohl sie zur sofortigen Ausreise aufgefordert sind. Dies gilt selbst dann, wenn Abschiebungen nicht durchgeführt werden können, weil zum Beispiel das Herkunftsland die Aufnahme ablehnt.

Duldungen sind keine rechtliche Grauzone, es ist eine veraltete Norm, die zur Überbrückung kurzfristiger Probleme dient. Es widerspricht daher der Intention des Gesetzgebers, dass heute mehr als 150.000 Flüchtlinge bereits länger als fünf Jahre mit einer Duldung bei uns leben. Denn geduldeten Flüchtlingen wird verwehrt, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Wenn sich auch viele mit ihrem unsicheren Rechtsstatus arrangiert haben und bereits dabei sind, sich zu integrieren, so sind geduldete Flüchtlinge von grundlegenden Integrationsmöglichkeiten ausgeschlossen: von der Sprachförderung und vom gleichberechtigten Zugang zu legaler Arbeit.

Die Bundesländer und Gemeinden kennen die Folgen:

- Finanziell: Wer mit einer Duldung auf Dauer hier lebt, hat Anspruch auf Hilfen zum Lebensunterhalt, darf aber kaum Chancen zu seinem Unterhalt beizutragen.

- Rechtspolitisch: Viele Verwaltungsgerichte sind noch immer mit Klagen überlastet, und damit wird die lange Verfahrensdauer zu einem Anreiz zum Klagen.

- Sozialpolitisch: Immer mehr Kinder und Jugendliche, sogar diejenigen, die hier geboren und aufgewachsen sind, stehen auf der Kippe zur Desintegration, zu Schulverweigerung und dauerhafter Arbeitslosigkeit, zur Unselbständigkeit oder zur Kriminalität.

Wir erinnern daran, dass auch die so genannte Süßmuth-Kommission eine großzügige Überführung der Gruppe der langaufhältigen Geduldeten in eine Bleibeperspektive gefordert hat.

Die Bundeskonferenz der Ausländer- und Integrationsbeauftragten setzt sich daher dafür ein, dass mit dem neuen Zuwanderungsgesetz eine Lösung gefunden wird. Die jahrelangen Duldungen von Flüchtlingen sollten zu einem Aufenthaltsrecht führen, wenn der Integrationsweg erfolgversprechend ist – ebenso, wenn ohne Verschulden des Flüchtlings eine Abschiebung nicht durchgesetzt werden kann. Der Vermittlungsausschuss wird gebeten, diesen Weg zu prüfen.“

John Röhe 
Büro des Beauftragten für Integration und Migration des Senats von Berlin

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Islamistischer Lehrer suspendiert

Düsseldorf. Die König-Fahd-Akademie im Bonner Stadtteil Mehlem, eine 1995 eingerichtete Ergänzungsschule für etwa 400 arabischstämmige Kinder und Jugendliche, hat den Lehrer, der in einem Freitagsgebet zum Heiligen Krieg aufgerufen hat, vom Unterrichtsdienst suspendiert. Dies teilte die Schule am 23. Oktober 2003 dem Regierungspräsidenten als Aufsichtsbehörde mit, nachdem dieser sie zweimal ultimativ dazu aufgefordert hatte. Die maßgeblich vom saudischen Königshaus finanzierte Schule steht unter Beobachtung des Regierungspräsidenten, da es Hinweise gebe, dass sie für einen radikal-islamistischen Islam eintrete. Bevor weitere Schritte, die - wie es zunächst hieß - bis zu einer Schließung führen könnten, ergriffen werden, sollen die Lehrinhalte und die Unterrichtspraxis noch eingehender geprüft werden. Zwischenzeitlich kam es jedoch in Gesprächen mit einem Vertreter der saudischen Botschaft zu einer Lösung, durch die eine Schließung nicht mehr in Frage kommt. Ein deutsch-arabisches Komitee soll künftig verhindern, dass die Schule zur Anlaufstelle für Radikale wird. Die Einflussnahme der Behörden ist bei Ergänzungsschulen begrenzt. Da jedoch etwa die Hälfte der Schüler die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, sieht sich die Schulaufsicht zu besonderer Aufmerksamkeit verpflichtet.

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Kein Anspruch auf Islam-Unterricht

Münster. Islamische Dachverbände haben keinen Anspruch auf Einführung von islamischem Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an öffentlichen Schulen. Das Oberverwaltungsgericht Münster wies Anfang Dezember 2003 in zweiter Instanz eine Klage des Zentralrats der Muslime und des Islamrats gegen das Land Nordrhein-Westfalen mit der Begründung ab, die klagenden Verbände seien keine Religionsgemeinschaften (Az.: 19 A 997/02).

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Keine Abschiebung von Eltern deutscher Kinder

Saarlouis. Nicht jeder Ausländer, der sich illegal in Deutschland aufhält, darf abgeschoben werden. Ein Ausländer, der nachweisen kann, Vater eines Kindes mit deutscher Staatsangehörigkeit zu sein, darf nicht abgeschoben werden. Das urteilte das Oberverwaltungsgericht Saarlouis am 2. Dezember 2003. Zwar gebe es ein öffentliches Interesse an der Abschiebung von Ausländern, die sich illegal in Deutschland aufhalten, erklärten die Richter, jedoch sei in diesem Falle der Schutz der Familie wichtiger, hieß es in der Urteilsbegründung. Mit seiner Entscheidung wies das Gericht die Aufforderung der Ausländerbehörde an einen illegal eingereisten Ghanaer zurück, er solle Deutschland wieder verlassen und sich in seinem Heimatland um ein Visum bemühen. Der Mann hatte darauf verwiesen, Vater eines deutschen Kindes zu sein, weshalb er in Deutschland bleiben wolle. (Az.: 1 W 1/03).

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Volljährige können durch Adoption Deutsche werden

Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 14. Oktober 2003 deutlich gemacht, dass auch ein Volljähriger durch Adoption noch die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben kann. Voraussetzung ist aber, dass der Adoptionsantrag vor seinem 18. Geburtstag gestellt worden ist. Die Leipziger Richter entschieden damit zugunsten einer Frau, die ursprünglich die Staatsangehörigkeit der Bahamas besaß. Ihr deutscher Stiefvater hatte noch vor ihrer Volljährigkeit die Adoption beantragt, das Verfahren war aber nicht weiter betrieben worden. Als die Frau volljährig war, stellte der Stiefvater einen erneuten Antrag. Nach Ansicht der Behörden war das zu spät. Das Bundesverwaltungsgericht befand jedoch, der erste Antrag sei weder abgelehnt, noch zurück genommen worden. Mit der nachfolgenden Adoption sei die Frau daher Deutsche geworden (Az: 1 C20.02).

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Nötige Sprachkenntnisse für Aussiedler-
bewerber

Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 4. September 2003 in zwei Revisionsverfahren die Anforderungen an die Beherrschung der deutschen Sprache durch Spätaussiedler als Vorraussetzung für ihre Aufnahme in die Bundesrepublik Deutschland näher geklärt. Ein Bewerber muss sich demnach über einfache Sachverhalte aus dem familiären Bereich, über alltägliche Situationen und Bedürfnisse oder seine Berufsausbildung äußern können. Unschädlich sind aber Fehler in Satzbau, Wortwahl und Aussprache - wie zum Beispiel stockendes Sprechen. Mit dem Urteil gab das Gericht einer deutschstämmigen Frau aus Kasachstan Recht, deren Aufnahmeantrag mit der Begründung der Behörde abgelehnt wurde, sie hätte in einem Gespräch über ihre Aufnahme nicht alle Fragen sofort verstanden und in zum Teil fehlerhaften Sätzen geantwortet. Bei einem solchen „nicht einfachen Gesprächsinhalt“ hätte die Behörde nach Auffassung der Leipziger Richter nicht erwarten dürfen, dass alle Fragen sofort verstanden werden (BVerwG 5 C 33.02 und 5 C 11.03).

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Wohnortzuweisung von Spätaussiedlern

Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat sich am 5. November 2003 mit der Frage befasst, ob so genannten Spätaussiedlern ein Wohnort zugewiesen werden darf. Ein Deutscher, aus Russland und seine Mutter wehren sich dagegen, dass ihnen nach einem weisungswidrigen Umzug Sozialhilfeleistungen gestrichen werden. Die Zuweisung der Spätaussiedler an die Länder ist mit dem Ziel einer gleichen Verteilung gesetzlich geregelt (Wohnortzuweisungsgesetz). Wer zuweisungswidrig umzieht, erhält nur noch die unabweisbar gebotene Hilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z. vom 06.11.03) kamen die Beschwerdeführer 1996 nach Deutschland und wurden der Stadt Elze in Niedersachsen zugewiesen. 1998 zogen Mutter und Sohn nach Hildesheim um. Die Stadt lehnte den Antrag der arbeitslosen Mutter und des Schülers auf Sozialhilfe ab.

Vor dem Erste Senat in Karlsruhe rügte der Anwalt der beiden, ihr Recht auf Freizügigkeit, das Sozialstaatsprinzip und der Gleichheitsgrundsatz seien verletzt. Die in ihrer Existenz bedrohten Beschwerdeführer hätten ein Grundrecht darauf, im gesamten Bundesgebiet ihren Wohnsitz zu nehmen wie andere Deutsche auch. Die Bundesregierung hob dem gegenüber hervor, dass sich das Gesetz bewährt habe. Die Lasten für die Allgemeinheit würden in dieser Weise gleichmäßig verteilt. Das Recht auf Freizügigkeit gebe keinen Anspruch auf Sozialhilfe an einem bestimmten Ort. Ein Urteil zu diesem Fall steht noch aus.

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Karlsruhe bestätigt Verbot des „Kalifatstaats“

Karlsruhe. Das von Bundesinnenminister Otto Schily Ende 2001 verfügte Verbot der islamistischen Organisation "Kalifatsstaat" ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) rechtens. Die Karlsruher Richter verwarfen in einem am 17. Oktober 2003 veröffentlichten Beschluss eine Verfassungsbeschwerde des Kölner Vereins, der eine Verletzung seiner Religionsfreiheit gerügt hatte. Schily hatte die Gruppierung unter Führung des so genanten „Kalifen von Köln“, Metin Kaplan mit der Begründung verboten, die Organisation bedrohe die innere Sicherheit. Schily hatte das Verbot in Folge der Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 verfügt. Zur Begründung hieß es, von dem Verein gehe eine Bedrohung für die innere Sicherheit Deutschlands aus. Zuvor wurde das Religionsprivileg aus dem Vereinsrecht gestrichen. Gegen das Verbot hatten bereits der „Kalifatsstaat“ und mehrere Unterorganisationen ohne Erfolg vor dem BVG geklagt. In Karlsruhe machte der Verein geltend, dass durch die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz der Staat unzulässig in das Grundrecht der Religionsfreiheit eingegriffen habe und deshalb das Vereinsverbot unverhältnismäßig sei.

Die Verfassungsrichter folgten jedoch der Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der „Kalifatsstaat“ in kämpferisch-aggressiver Weise die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetzes untergraben wolle. Die Organisation wolle die Grundsätze der Demokratie und des Rechtsstaates notfalls gewaltsam auch in Deutschland durch eine „mit diesen Grundsätzen unvereinbare staatliche Herrschaftsordnung“ ersetzen. Dem „Kalifatsstaat“ gehe es nicht nur um abstrakte Kritik am Verfassungssystem der Bundesrepublik. Der Verein beabsichtige vielmehr, die eigenen Vorstellungen erforderlichenfalls mit Gewalt durchzusetzen. Dies belegten die Vorgänge um die Verurteilung Kaplans.

Das Verbot ist aus Sicht des BVG auch verhältnismäßig. Weniger einschneidende Mittel stünden nicht zur Verfügung, weil die verfassungsmäßige Ordnung durch die Ziele und die Organisation des Vereins und nicht nur durch bestimmte Tätigkeiten von einzelnen Funktionären gefährdet werde. Karlsruhe wies auch darauf hin, dass „weder Strafverfahren noch behördlich Verbote zu einer Eindämmung der Aktivitäten“ des Vereins geführt hätten (AZ: 1 BvR 536/03 - Beschluss vom 2. Oktober 2003). Bundesinnenminister Otto Schily begrüßte das Urteil und gab seiner Hoffnung Ausdruck, „dass jetzt auch bald im Fall Kaplan über Ausweisung und Abschiebung im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland entschieden wird.“

Am 11. Dezember 2003 haben Beamtinnen und Beamte des Bundeskriminalamts und der Länderpolizeien in 13 Bundesländern mehr als 1.170 Objekte von Personen, die als Anhänger des verbotenen "Kalifatsstaat" gelten, untersucht. „Mit den heutigen Durchsuchungen haben wir verbotene Nachfolgeaktivitäten erfolgreich unterbunden“, sagte Schily. „Den Anhängern die sich neu organisiert haben und die verfassungsfeindlichen Ziele des verbotenen Vereins weiterhin propagieren wird mit dieser bundesweiten Aktion unmissverständlich klar gemacht: Jeder Verstoß gegen das Verbot wird mit aller Härte und Konsequenz strafrechtlich verfolgt.“ „Islam und Islamismus sind nicht dasselbe. Der nordrhein-westfälische Innenminister Dr. Fritz Behrens betonte: „Der Islam ist eine friedliche Religion, den islamistischen Extremisten und ihren Sympathisanten zeigt unser demokratischer Rechtsstaat entschieden klar ihre Grenzen auf“.

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EU-Verfassungs-
entwurf zur Asyl- und Wanderungspolitik

Brüssel. Der am 1. Mai 1999 in Kraft getretene Amsterdamer Vertrag sah vor, fünf Jahre später - 2004 - einstimmig über einen Übergang vom bisherigen Einstimmigkeitszwang zu Mehrheitsentscheidungen in der Asyl- und Visapolitik zu entscheiden. Der EU-Konvent hat im Sommer 2003 einen Verfassungsentwurf vorgelegt, in dem auch die künftige Asyl- und Wanderungspolitik geregelt wird. Er geht über den Amsterdamer Vertrag noch hinaus, indem er nicht nur für die Asyl-, sondern auch fast die gesamte Wanderungspolitik die in der Wirtschaftsgemeinschaft gängigen Entscheidungsverfahren vorschlug. Demnach sollen Regierungen und EU-Parlament auf Vorschlag der Europäischen Kommission gleichberechtigt „europäische Gesetze“ oder „Rahmengesetze“ beschließen können. Insgesamt sieht der Entwurf eine weitgehende Verallgemeinerung des Mehrheitsprinzips zur Verwirklichung einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Wanderungspolitik vor.

In Artikel III-167, Absatz 1 des Entwurfes heißt es: „Die Union entwickelt eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung gewährleistet werden soll.“ In Artikel III-168, Absatz 1 heißt es: „Die Union entwickelt eine gemeinsame Einwanderungspolitik, die in allen Phasen eine effiziente Steuerung der Migrationsströme ... sowie eine Prävention und verstärkte Bekämpfung von illegaler Einwanderung und Menschenhandel gewährleisten soll.“ 

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Freizügigkeit in Europa soll erweitert werden

Brüssel. Der EU-Ministerrat für Wettbewerb hat am 22. September 2003 einen Vorschlag vorgelegt, mit dem die Freizügigkeit für Bürgerinnen und Bürger in Europa weiter vergrößert werden soll. Der Vorschlag sieht im einzelnen eine Entbürokratisierung der Aufenthaltsgenehmigung, einen Anspruch auf ein permanentes Aufenthaltsrecht ohne einschränkende Bedingungen nach fünf Jahren Aufenthalt in einem anderen EU-Staat, eine bessere Einbindung in die sozialen Sicherungssysteme für langjährig ansässige Personen und eine bessere Absicherung von Familienmitgliedern aus Nicht-EU-Staaten vor. Mit der besseren Einbindung in die sozialen Sicherungssysteme verständigte sich der Ministerrat unter anderem auf eine entsprechende Überarbeitung einer EU-Regelung von 1971 zur Garantie und Anerkennung von Sozialleistungen. Dies soll besser absichern, dass Arbeitnehmer, die außerhalb ihres Heimatlandes arbeiten oder dort nur wohnen, keine Ansprüche auf Sozialleistungen verlieren. Dies soll nicht nur Berufstätige und ihre Familienangehörigen, sondern auch Rentner und Studenten betreffen. Arbeitsuchende Bürger sollen sich in einem anderen Mitgliedsland nicht mehr nur höchstens drei, sondern bis zu sechs Monate aufhalten dürfen.

Die EU-Kommission hat diesen Vorschlag begrüßt. Er wird nun an das Europäische Parlament weitergeleitet. Er soll noch vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode des Parlaments (Sommer 2004) verabschiedet werden, so dass er 2005 in Kraft treten könnte. 

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Wien einigt sich über Versorgung von Asylbewerbern

Wien/Seefeld. Der österreichische Innenminister Strasser und die neun Länderregierungschefs haben sich am 1. Dezember 2003 über die lang umstrittene Finanzierung der Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen geeinigt. Bei der Landeshauptleutekonferenz in Seefeld (Tirol) wurde für die Kosten ein Verteilungsschlüssel von 60 zu 40 zwischen Bund und Ländern beschlossen. Strasser sprach von einem „humanitären Meilenstein". Die Caritas begrüßte die Einigung. Die Regelung soll - nach der Zustimmung von Nationalrat und Landtagen - am 1. Mai 2004 in Kraft treten. Die Vereinbarung legt auch die Aufteilung der Flüchtlinge nach der Einwohnerzahl des jeweiligen Bundeslandes fest.

Die Bereitstellung von Unterkünften, die Verpflegung und medizinische Versorgung seien damit für alle schutz- und hilfsbedürftigen Fremden gewährleistet, betonte Strasser. Bei länger dauernden Verfahren übernehme der Bund die Kosten. Dadurch entstehe auch ein Zwang zur Beschleunigung. Die Finanzierung der Grundversorgung über diese Vereinbarung gilt derzeit für 10.000 Flüchtlinge und 9.000 Asylsuchende. Die geschätzten Kosten betragen 160 Millionen Euro.

Caritas-Präsident Küberl sprach von einem „großen Schritt in Richtung einer menschlich, sozial und rechtlich vernünftigeren Betreuung von Asylwerbern". Für ihn ist damit auch die umstrittene Reform des Bundesbetreuungsgesetzes von November 2003 obsolet, da laut Auskunft der Fachleute des Innenministeriums dieses durch die neue Vereinbarung "materiell derogiert" werde und damit die entscheidenden Punkte nicht mehr anwendbar seien. (esf)

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Ankara leitet Untersuchung gegen Ceyhun ein

Brüssel. Die Oberstaatsanwaltschaft der türkischen Republik in Ankara hat gegen den Rüsselsheimer SPD-Europaabgeordneten Ozan Ceyhun eine Untersuchung wegen „Beleidigung des Richtergremiums im Wiederaufnahmeprozess gegen Leyla Zana“ eingeleitet. In einer Pressemitteilung vom 12. November erläuterte Ceyhun, dass er als Beobachter des Europäischen Parlaments nach der siebten Verhandlung Kritik an den drei Richtern geäußert und deren Ablehnung einer Haftverschonung für die Angeklagte als „Schande für die Türkei“ bezeichnet habe. Die Rechtsprechung der Türkei sei nicht frei. Es sei nicht klar, nach welchen Kriterien die Richter ihre Entscheidung gefällt oder von wem sie Direktiven erhalten hätten. Seit 1994 sitzt die kurdische Parlamentarierin im Zentralgefängnis von Ankara. Angeblich hatte sie Hochverrat begangen. Die damals 33jährige Kurdin war öffentlich für die Rechte ihres Volkes eingetreten.

Ceyhun zeigte sich betroffen von der anstehenden Untersuchung: „Ich bedaure diese Entwicklung. Anscheinend sind die Kräfte in der Türkei gegen einen EU-Beitritt noch immer sehr stark“. Weiter meinte der Europaabgeordnete: „Vielleicht wird dies allerdings zu einer Wendung im Verfahren gegen Zana und die anderen führen. In jedem Fall wird sich die Europäische Öfentlichkeit jetzt intensiver mit diesem Prozess auseinandersetzen.“

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Nachtrag zum Fall „Soppelsa“

Stuttgart. In AiD 3/03 wurde unter der Überschrift "‘Gastarbeiter‘ muss Bleiberecht erstreiten“ über die erfolgreiche Klage von Nilo Soppelsa berichtet. Stand der Dinge zum Zeitpunkt der Texterstellung war, dass die Lebensgefährtin des Italieners weiter um ihren Aufenthalt bangen musste. Nach Mitteilung des Stuttgarter Rechtsanwaltes Dr. Rolf Gutmann hat auch sie am Verwaltungsgericht Freiburg obsiegt und nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis-EU mit fünfjähriger Gültigkeit erhalten (Urteil vom 24.06.2003 - 6 K 245/02).

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Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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