Integration in Deutschland 1/2004, 20.Jg., 15. April 2004

INTERVIEW

"Fördern und Fordern"

Gespräch mit dem Aussiedlerbeauftragten, Jochen Welt

Jochen Welt wurde am 14. Februar 1947 in Essen geboren. Nach einer Ausbildung als Industriekaufmann studierte er von 1967 bis 1971 Sozialarbeit und von 1971 bis 1975 Sozialwissenschaften. Als Diplom-Sozialwissenschaftler leitete er von1983 bis 1987 die Schulverwaltung und Verwaltungsdirektor der Fachhochschule Bergbau in Bochum. Seit 1987 ist er Abteilungsleiter bei der Deutschen Montan Technologie und Geschäftsführer der Gesellschaft für Energietechnik. Von 1987 bis 1998 war Welt ehrenamtlicher Bürgermeister von Recklinghausen. Seit 1990 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages. Am 2. Dezember 1998 wurde er zum Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen berufen, am 20. November 2002 zum Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten in Deutschland. Jochen Welt hat eine Tochter. (esf)

 

Aufgaben

Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedler und nationale Minderheiten nimmt im Wesentlichen folgende Aufgaben wahr:

Für die Spätaussiedler:

- Zentraler Ansprechpartner auf Bundesebene

- Koordination der aussiedlerbezogenen Maßnahmen, insbesondere:

  • des Aufnahmeverfahrens gem. § 26 BVFG einschließlich des Bescheinigungsverfahrens i.S. v. § 15 BVFG,

  • der Integrationsmaßnahmen mit Bund, Ländern und Gemeinden sowie der im Eingliederungsbereich tätigen Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und gesellschaftlichen Gruppen,

  • Betreuung der deutschen Minderheiten in den Herkunftsgebieten und Übernahme des Co-Vorsitzes bei den bestehenden Regierungskommissionen mit den Titularstaaten für die Angelegenheiten der jeweiligen Minderheit,

  • Informationsarbeit im Inland und bei den deutschen Minderheiten in den Herkunftsgebieten.

Für die nationalen Minderheiten in Deutschland:

- Zentraler Ansprechpartner auf Bundesebene,

- Vertreter der Bundesregierung in den bestehenden und möglicherweise künftig zu schaffenden Kontaktgremien,

- Informationsarbeit hinsichtlich der nationalen Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland.

 

AiD: Herr Welt, Sie sind seit dem 2. Dezember 1998 als Nachfolger von Horst Waffenschmidt im Amt als Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung. Wie ist Ihre Bilanz?

Jochen Welt: "Nach über fünf Jahren kann ich eine positive Bilanz ziehen. Die Bundesregierung hat 1998 eine Umsteuerung der Hilfenpolitik - weg von den wenig effizienten und kaum zu kontrollierenden Großprojekten und Infrastrukturvorhaben, hin zu gemeinschaftsfördernden Maßnahmen, die dem Einzelnen unmittelbar zugute kommen - vorgenommen. Seitdem unterstützt sie die Angehörigen der deutschen Minderheiten, insbesondere in den GUS-Staaten, durch breit gefächerte Bleibehilfen nach dem Grundsatz "Hilfe zur Selbsthilfe". Mit dem im September 1999 vorgestellten Förderkonzept "Aussiedlerpolitik 2000" wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein geschlossenes Gesamtkonzept zur Aufnahme von Spätaussiedlern sowie zur Hilfe in den Herkunftsländern vorgelegt. Die wesentlichen Ziele dieses Konzepts sind erreicht worden. Durch die erfolgreiche Hilfenpolitik mit den neuen Akzenten seit 1998 entscheiden sich vermehrt Angehörige der Russlanddeutschen im Herkunftsland zu verbleiben, weil sie dort eine Lebensbasis sehen. Dies zeigt sich insbesondere auch an der zurückgehenden Zahl der Spätaussiedler und den geringeren Aufnahmeantragszahlen. So ist im Jahre 2003 die Zahl der eingereisten Spätaussiedler und ihrer mit nach Deutschland eingereisten Angehörigen erneut drastisch um rd. 20 % gesunken (72.885 gegenüber 91.414 im Jahr 2002). Die Zahl der Aufnahmeanträge ist sogar um rund 32% im Vergleich zum Vorjahr gesunken (46.443 gegenüber 66.833 im Jahr 2002)."

Es besteht heute sicherlich eine andere Situation als 1988, als das Amt eingerichtet wurde. Haben sich die Schwerpunkte der Arbeit verändert?

Die Integration der Aussiedler ist trotz zurückgegangener Zuzugszahlen schwieriger geworden. Dies gilt insbesondere für Jugendliche. Zum einen wird die Eingliederung erschwert aufgrund fehlender Sprachkenntnisse. Seit Mitte der 90er-Jahre hat sich der Anteil der Familienangehörigen, die in den Aufnahmebescheid eines Spätaussiedlers einbezogen werden können, erheblich erhöht. So liegt heute das Verhältnis der Spätaussiedler zu ihren Familienangehörigen bei 21 zu 79. Diese Familienangehörigen haben wenig oder gar keine Deutschkenntnisse und weisen oftmals auch eine andere Mentalität auf. Zum anderen haben sich die Rahmenbedingungen in Deutschland geändert. Die Probleme auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt sind größer geworden, die Akzeptanz bei der einheimischen Bevölkerung von Zuwanderern hat abgenommen.

Die Politik in den 90er-Jahren hat es versäumt, auf die Integrationsprobleme zu reagieren. Gleich nach dem Regierungswechsel ist im Jahr 1998 ein Paradigmenwechsel vollzogen worden, um hier Abhilfe zu schaffen. Er findet Ausdruck in der erstmalig entwickelten Gesamtkonzeption mit dem Titel "Aussiedlerpolitik 2000", die derzeit fortgeschrieben wird. Seitdem ist die Integration Schwerpunkt der Aussiedlerpolitik. Die neue Schwerpunktsetzung kommt darin zum Ausdruck, dass die Mittel des BMI zur gesellschaftlichen Integration von Aussiedlern trotz aller Sparzwänge stufenweise erhöht wurden, und zwar von umgerechnet rund 16 Mio. €Euro im Jahr 1998 auf 28,08 Mio. Euro€ im Jahr 2003. Es ist gelungen, die Mittel im Bundeshaushalt 2004 trotz Einsparungen in anderen Bereichen zu halten.

Sie sind zudem zuständig für nationale Minderheiten in Deutschland. Welche besonderen Probleme haben diese Gruppen?

Die Bundesregierung hat mich am 20. November 2002 auf Vorschlag des Bundesministers des Innern zum "Beauftragten der Bundesregierung für nationale Minderheiten" berufen. Damit ist mein Mandat um die Angelegenheiten der nationalen Minderheiten erweitert worden. Mit der Zustimmung des Deutschen Bundestages am 22. Juli 1997 zum Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten hat die Bundesrepublik vier nationale Minderheiten anerkannt. Dies sind die dänische Minderheit, die Friesen in Deutschland, die deutschen Sinti und Roma sowie das sorbische Volk. Das Rahmenübereinkommen ist am 1. Februar 1998 in Kraft getreten. Die Sprachen dieser Minderheiten werden durch die Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarates geschützt, die in Deutschland seit dem 1. Januar 1999 gilt.

Mit der Benennung eines Beauftragten der Bundesregierung steht den nationalen Minderheiten damit in Deutschland ein zentraler Ansprechpartner auch auf Bundesebene zur Verfügung, der es ihren Verbänden angesichts der vertikalen und horizontalen Aufgabenverteilung auf Bund, Länder und Gemeinden und auf verschiedene Ministerien in der Bundesrepublik Deutschland erleichtert, ihre Anliegen an die zuständigen Stellen zu bringen.

Eine Zusammenführung der Aufgaben des Beauftragten für Aussiedlerfragen und des für nationale Minderheiten in einer Person soll neben Synergieeffekten dokumentieren, dass der hohe Umsetzungsstandard des Minderheitenrechts in Deutschland zu Gunsten der nationalen Minderheiten gleichzeitig auch die Richtschnur für die Umsetzung der Forderungen des Europarates für die Behandlung von nationalen Minderheiten - damit auch den deutschen Minderheiten - in den Herkunftsländern, die von mir stets angemahnt wurde, darstellt.

Die nationalen Minderheiten befinden sich in einer besonderen Situation, da sie fast überall in ihren Siedlungsgebieten und Wohnregionen eine zahlenmäßig kleine Minderheit im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung sind. Zur Bewahrung der eigenen Identität und Minderheitensprache müssen durch den Staat die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Dies ist das Ziel des Schutzes nationaler Minderheiten.

Auf europäischer Ebene setzen Sie sich für eine Aufnahme des Schutzes der nationalen Minderheiten in die europäische Verfassung ein. Warum ist das so wichtig?

So wichtig die nationale Minderheitenpolitik ist, so entscheidend sind auch die Entwicklungen des Minderheitenrechts auf europäischer Ebene. Gegenwärtig müssen wir feststellen, dass innerhalb der EU, die sich gegenwärtig ja stark erweitert, minderheitsbezogene Bestimmungen im Unions- bzw. Gemeinschaftsrecht fehlen. Die Entwicklung einer Europäischen Verfassung bietet die Chance, dies zu ändern und eine verfassungsrechtliche Absicherung des Minderheitenschutzes zu erreichen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die - allerdings nicht rechtsverbindliche - Europäische Grundrechtscharta aus dem Jahre 2000. Sie enthält das Verbot von Diskriminierungen wegen Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit und das Gebot zur Achtung der Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen.

Bei der Erarbeitung der Europäischen Verfassung hat sich die Bundesregierung für die vollständige Übernahme der Grundrechtscharta in die Verfassung eingesetzt. Wie sie wissen, gelang es am 12./13. Dezember 2003 in Brüssel noch nicht, sich in einigen zentralen Fragen zu einigen. Damit kam es auch nicht zu einer abschließenden Beschlussfassung über den Grundrechtsteil der Verfassung. Die irische Ratspräsidentschaft wurde beauftragt, bis zum Europäischen Rat am 25./26. März 2004 Vorschläge für das weitere Vorgehen der Regierungskonferenz zu machen.

Nicht zuletzt abhängig von den Ergebnissen des europäischen Verfassungskonvents wird sich die verfassungsrechtliche Absicherung der nationalen Minderheiten in den einzelnen Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene - auch in Deutschland - weiter entwickeln bzw. diese möglicherweise beeinflussen. Ich darf bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass der Vorstoß zu einer verfassungsrechtlichen Absicherung der nationalen Minderheiten im Grundgesetz im Jahre 1993 auf Initiative der damaligen Oppositionsparteien nicht die erforderliche verfassungsändernde Mehrheit im Bundestag erzielen konnte.

Meine Aufgabe als Minderheitenbeauftragter sehe ich deshalb auch darin, den europäischen Entwicklungsprozess zugunsten der nationalen Minderheiten weiter zu unterstützen, denn Minderheitenrechte sind Menschenrechte, die nicht an Staatsgrenzen halt machen und universell gelten müssen.

Bei der Weihnachtsfeier im Aussiedler-Aufnahmelager Friedland haben Sie im Dezember 2003 betont: "Integration gibt es nicht zum Nulltarif". Können Sie erläutern, worauf Sie mit dieser Aussage hinweisen wollten?

Damit wollte ich zum Ausdruck bringen, dass Integration Geld kostet. Dies gilt insbesondere für die im Entwurf des Zuwanderungsgesetzes vorgesehenen Sprachkurse für alle Neuzuwanderer mit einem auf Dauer angelegten Aufenthaltsstatus. Gerade in Zeiten leerer Kassen werden aber staatliche Förderprogramme bei der Integration allein nicht zum Erfolg führen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Integration nur unter der Voraussetzung gelingen kann, wenn auch die Zuwanderer selbst hierzu ihren Beitrag leisten. Integration ist keine Einbahnstraße! Die aktive Mitwirkung der Zuwanderer an dem Prozess der Integration kann umso mehr verlangt werden, als der Staat die Integration mit nicht unerheblichen Mitteln unterstützt. Wer fördert, kann auch fordern.

Fehlende Deutschkenntnis bei der Mehrheit der neu einreisenden Spätaussiedler sind zu einem schwerwiegenden Hindernis zur Integration geworden. Lässt sich deren Zuwanderung noch rechtfertigen?

Mit Ihrer Frage legen Sie - bildlich gesprochen - den Finger in eine Wunde, die wir mit dem vom Deutschen Bundestag am 9. Mai 2003 beschlossenen Zuwanderungsgesetz heilen möchten: Wir wollen Sozialverträglichkeit und Akzeptanz des weiteren Spätaussiedlerzuzugs erhalten, teilweise auch erst wieder herstellen, die durch zunehmende Integrationsprobleme weniger bei den Spätaussiedlern selbst als vielmehr bei deren nichtdeutschen (präzise: nicht volksdeutschen) Ehegatten und Kindern gefährdet werden. Bekanntlich können nichtdeutsche Ehegatten oder Kinder eines Spätaussiedlerbewerbers nach geltendem Recht in dessen Aufnahmebescheid einbezogen werden, auch wenn sie über keinerlei Deutschkenntnisse verfügen. Trotzdem werden sie aufgrund der Einbeziehung in den Aufnahmebescheid, ebenso wie der Spätaussiedler selbst, mit ihrer Aufnahme in Deutschland eingebürgert. Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts nimmt indessen nicht nur der Anteil dieser nichtdeutschen Familienangehörigen ständig zu, sondern parallel hierzu nehmen deren Deutschkenntnisse rapide ab. Die Ursache dieser Entwicklung dürfte darin liegen, dass seit diesem Zeitpunkt vorwiegend Spätaussiedlerfamilien nach Deutschland kommen, die in einer sog. gemischtnationalen Ehe leben, das heißt einer der Ehepartner ist nicht deutschstämmig und die Abkömmlinge sind im allgemeinen nicht "deutsch" erzogen. Sie können deshalb, obwohl deutschstämmig, in aller Regel selbst nicht als Spätaussiedler anerkannt werden, weil sie über keinerlei familiär vermittelte Deutschkenntnisse verfügen.

Nachdem nunmehr der Anteil der Spätaussiedler an den jährlichen Aufnahmekontingenten auf rd. 20 % zurückgegangen ist, muss hier sobald wie möglich eine Änderung eintreten: Nach dem Zuwanderungsgesetz wird die Einbeziehung der nichtdeutschen Ehegatten und Kinder von Spätaussiedlern nur möglich sein, wenn diese unter anderem ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen können. Durch diese Regelung sollen die Integrationsvoraussetzungen dieses Personenkreises in Deutschland entschieden verbessert und gleichzeitig ihre Integrationswilligkeit vor der Aussiedlung unter Beweis gestellt werden.

Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die Opposition nunmehr ihre Blockadehaltung gegenüber dem Zuwanderungsgesetz aufgeben würde, damit hier endlich die notwendigen Änderungen umgesetzt werden können.

Wie wird gewährleistet, dass Neuzuwanderer tatsächlich Deutsch lernen?

Wie bereits erwähnt, sieht der Entwurf des Zuwanderungsgesetzes vor, dass nicht nur - wie bisher - Aussiedler, sondern auch andere Neuzuwanderer (Ausländer) mit einem auf Dauer angelegten Aufenthaltsstatus einen Integrationskurs erhalten, der insbesondere aus einem Sprachkurs besteht. Ein neu zugewanderter Ausländer ist nach dem Gesetz verpflichtet, an dem Integrationskurs teilzunehmen, wenn er sich nicht auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann. Kommt er seiner Teilnahmepflicht nicht nach, hat das negative Konsequenzen, unter anderem bei der Kürzung der Frist für die Einbürgerung.

Die nach dem Zuwanderungsgesetz vorgesehenen Integrationskurse umfassen einen Basis- und einen Aufbausprachkurs von gleicher Dauer. Darüber hinaus sollen in einem Orientierungskurs Kenntnisse der Rechtsordnung, der Kultur und der Geschichte in Deutschland vermittelt werden. Der Integrationskurs dauert bei ganztägigem Unterricht längstens sechs Monate. Organisatorische und inhaltliche Maßnahmen sollen zu einer Optimierung der Sprachförderung beitragen. Ein modularer Aufbau der Kurse sowie Einstufungs-, Zwischen- und Abschlusstests sollen die Bildung homogener Lernergruppen ermöglichen. Außerdem soll die Kursgröße auf 25 Personen und die wöchentlichen Unterrichtszeit auf einen pädagogisch sinnvollen Umfang von 25 Stunden begrenzt werden. Darüber hinaus sind einheitliche Qualitätsstandards und regelmäßige Qualitätskontrollen vorgesehen.

Welche reellen Arbeitsmarktchancen bietet sich Aussiedlern durch ihre Zweisprachigkeit?

Gerade in Bezug auf die bevorstehende EU-Osterweiterung wird die Zweisprachigkeit zum Schlüssel für Wirtschaftskontakte mit unseren osteuropäischen Nachbarstaaten werden. Hier sehe ich eine realistische Chance auch und gerade für die Aussiedler, sich einzubringen. Allerdings haben die Aussiedler bislang noch große Schwierigkeiten, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dies liegt zum einen an mangelhaften Kenntnissen der deutschen Sprache. Fehlende berufliche Kenntnisse werden durch berufliche Weiterbildungsmaßnahmen, kombiniert mit sprachlicher Schulung vermittelt. Daneben stehen für die berufliche Eingliederung jüngerer Aussiedler insbesondere die berufsvorbereitenden Maßnahmen zur Verfügung, die auf den Einstieg in eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz vorbereiten. Der Erfolg dieser Maßnahmen kann zusätzlich durch ausbildungsbegleitende Hilfen unterstützt und gesichert werden.

Mit dem "Jump plus" - Programm, das auch jungen Zuwanderern zugute kommt, beabsichtigt die Bundesregierung, bis Ende 2004 rund 100.000 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren in Arbeit oder Qualifizierung zu bringen. "Jump plus" ergänzt das Beschäftigungsprogramm "Jump", das Ende 2003 ausgelaufen ist und über eine Milliarde Euro gekostet hat. Für "Jump plus" wird die Bundesregierung weitere 300 Millionen Euro aufwenden.

Außerdem werden mit Hilfe des Europäischen Sozialfonds (ESF), einem beschäftigungspolitischen Instrument der Europäischen Union, Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung insbesondere solcher Personen gefördert, die Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden, im Arbeitsprozess zu verbleiben oder nach einer Unterbrechung in den Beruf zurückzukehren. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit lag der Aussiedleranteile in den Bereichen der berufliche Weiterbildung, berufliche Weiterbildung und Trainingsmaßnahmen seit Beginn der Förderperiode (2000 bis einschließlich 2002) stets über 10 %.

Die Durchführung der im Rahmen von ESF geförderten Programme und Maßnahmen erfolgt sowohl durch den Bund als auch durch die Länder. Letztere beschließen jeweils eigene ESF-Programme und setzen ihre Förderschwerpunkte je nach lokalen und regionalen Bedürfnissen. Die Umsetzung geschieht auf der Ebene der Länder, welche die zu fördernden Projekte auswählen, begleiten und bewerten.

Der Bund verwaltet in den alten Ländern die Hälfte der Mittel selbst. Diese werden im Rahmen eines ESF-Bundesprogramms (ESF-BA) durch die Bundesagentur für Arbeit umgesetzt, d. h., dass das jeweils zuständige Arbeitsamt über die Förderung entscheidet.

Sie haben zuletzt Probleme mit Aussiedlerjugendlichen konstatiert, die in die Kriminalität abgerutscht sind. Ist hier in der Vergangenheit versäumt worden, sozialpädagogische Präventivmassnahmen zu initiieren?

Auf die Versäumnisse der Vergangenheit und den auf Grund dessen von mir vollzogenen Paradigmenwechsel in der Integrationspolitik habe ich bereits hingewiesen. Es ist richtig, dass ein Teil der Jugendlichen erhebliche Integrationsprobleme hat. Wir bemühen uns, dem entgegenzuwirken. Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Dies gilt für alle Zuwanderergruppen. Daher kann der möglichst rasche Spracherwerb nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Wegen der Integrationsprobleme hat das BMI die Anstrengungen zur gesellschaftlichen Integration von Zuwanderern weiter intensiviert. Die Mittel für diesen Zweck wurden nahezu verdoppelt. Außerdem ist der Integrationstitel des BMI seit 2003 für Ausländer geöffnet worden, da die Probleme bei der Eingliederung von Ausländern mit denen der Aussiedler vergleichbar sind. Dementsprechend wurden vermehrt junge Menschen in die Integrationsmaßnahmen eingebunden, die mit den Aussiedlern zusammen leben, seien es nun Deutsche oder Ausländer.

Mit den BMI-Integrationsmitteln werden schwerpunktmäßig wohnumfeldbezogene Integrationsmaßnahmen vor allem für Aussiedler und Ausländer gefördert. Hierbei ist insbesondere das Projekt "Integration durch Sport" (ehemals "Sport mit Aussiedlern") hervorzuheben, das gemeinsam mit dem Deutschen Sportbund seit nunmehr 15 Jahren durchgeführt wird. Gerade Sport ist eine regelrechte "Schutzimpfung" vor Gefährdungen jedweder Art.

Daneben wird die Bildung von Netzwerken für Integration gefördert, an denen alle Zuwanderer aktiv beteiligt werden. Außerdem werden Modellprojekte für suchtgefährdete jugendliche Zuwanderer durchgeführt. Hierbei werden durch gezielte sozialpädagogische Betreuung drogengefährdete bzw. abhängige Aussiedler und Ausländer veranlasst, die Beratungsstellen aufzusuchen und Behandlungs- bzw. Nachsorgemaßnahmen wahrzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Integration ein langjähriger Prozess ist und kurzfristig Erfolge nicht zu erreichen sind.

Ob Aussiedler oder ausländische Zuwanderer - die Probleme bei der Integration in ein fremdes Umfeld ähneln sich unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Wie unterscheidet sich die Politik von Spätaussiedlern von derjenigen zur Integration ausländischer Arbeitsmigranten?

Da Aussiedler hinsichtlich ihrer sprachlichen, beruflichen und sozialen Integration mit vergleichbaren Problemen wie Ausländer konfrontiert sind, soll die Integrationsförderung beider Gruppen in Zukunft gemeinsam organisiert werden. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Entwurf des Zuwanderungsgesetzes. Hiernach werden alle Neuzuwanderer mit einem auf Dauer angelegten Aufenthaltsstatus ein Grundangebot an Integrationshilfen in Form eines Integrationskurses erhalten, der auch für beide Gruppen gemeinsam durchgeführt werden soll. Außerdem soll die bisher für Aussiedler und Ausländer getrennte Sozialberatung zusammengefasst werden, wovon ich mir insbesondere Synergieeffekte verspreche.

Mögliche Zusatzfrage: Ein Blick in die Zukunft: Welches werden die wichtigsten Schwerpunkte der Aussiedlerarbeit im Jahr 2010 sein?

Integration ist ein langwieriger Prozess, der mehrere Generationen umfasst. In der Migrationsforschung geht man im Allgemeinen von drei Generationen bis zur vollständigen Integration in der Aufnahmegesellschaft aus. Deshalb wird bei der Integration auch künftig die Sprachförderung im Mittelpunkt stehen. Allerdings sind alle Integrationsmaßnahmen letztlich sinnlos, wenn sie nicht einmünden in den Erwerb eines Arbeitsplatzes, denn ohne Arbeit ist alles nichts. Insofern wird auch künftig die berufliche Eingliederung insbesondere junger Zuwanderer der Schwerpunkt der Anstrengungen sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stelle
Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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