Integration in Deutschland 2/2004, 20.Jg., 30. Juni 2004

PORTRAITS

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Dr. Chong-Sook Kang

Wenn sich Frau Dr. Chong-Sook Kang mit Genüssen aus der heimatlichen Küche verwöhnen möchte, geht sie zum besten Koreaner Münchens in der Nymphenburgerstraße. Hier schmeckt alles authentisch und nicht allzu sehr dem europäischen Gaumen angepasst. Die seit 1969 in Deutschland lebende, promovierte Sozialwissenschaftlerin will beides: ihre koreanischen Wurzeln gelegentlich aufleben lassen ebenso wie sich deutschen Themen und Eigenheiten widmen. Dies ist im Laufe ihrer wechselvollen Biographie allmählich zu einem persönlichen Grundsatz geworden.

Weil das deutsche Volk der "Dichter und Denker" in intellektuellen Kreisen Koreas recht angesehen und das Studium in Deutschland gebührenfrei war, setzte sich die junge Frau eines Tages ins Flugzeug und landete 24 Stunden später in München. Schon bei dem ersten, unverständlichen "Grüß Gott" merkte sie, dass ihr das Germanistikstudium wenig Alltagstaugliches mit auf den Weg gegeben hatte. In München und später in Heidelberg studierte sie Politikwissenschaft und Soziologie. Doch in den ersten Jahren musste das Studium oft hinter dem einen oder anderen Job zur Lebenssicherung und hinter ihrem großen politischen Engagement zurücktreten. Aufgrund ihres Einsatzes für die Demokratisierung Koreas durfte Kang viele Jahre nicht mehr in ihre Heimat reisen. Familie und Freunde blieben zurück. Erst mit dem Ende der Militärdiktatur gab es ein Wiedersehen und viel zu berichten aus einem Europa, das seit Ende der 1960er-Jahre durch eine starke soziale Bewegung geprägt war.

Nach Studium und Promotion folgten für Kang befristete Verträge an Hochschulen sowie bei der Fraktion der Grünen im Bundestag. Als erste Ausländerbeauftragte der Stadt München wurde Kang in den 1990er-Jahren sehr viel Überzeugungsarbeit abverlangt. Im politischen Spannungsfeld der Parteien gab sie immer ihr Bestes, um der Prämisse einer multikulturellen Gesellschaft den Weg zu ebnen. Auch heute noch fordert sie bessere Rahmenbedingungen für die Integration von Migranten. Aber auch die Einwanderer selbst sollten sich mental auf ihre neue Heimat einlassen und öfter mal die Presse aus dem Herkunftsland gegen eine Ausgabe der Süddeutschen Zeitung eintauschen. So könnte man ein Stück Tragik aus dem Migrantendasein verbannen - Frau Kang spricht aus eigener Erfahrung.

Mittlerweile leitet die 57jährige den Arbeitsbereich "Politische Bildung und gesellschaftliche Schlüsselthemen" des Pädagogischen Instituts der Stadt München. Ihre Aufgabenfelder reichen von der Eine-Welt-Arbeit über Antirassismus bis hin zu Theaterpädagogik und Suchtprävention. Vor allem neue Formen des Interkulturellen Lernens, Schule ohne Rassismus und die Familienarbeit mit Migranten liegen ihr am Herzen. Denn die Kinder der eingewanderten Türken, Nordafrikaner oder Asiaten müssen bestmöglich auf ihr Leben in Deutschland vorbereitet werden, um nicht dauerhaft deklassiert zu werden. Wie ein roter Faden zieht sich dieser unaufhörliche Wille durch das Leben der engagierten Frau, die sozialen Belange von Migranten ernst zu nehmen und gesellschaftliche Veränderungen bestmöglich zu gestalten.

Weil in Korea heute eine sehr lebendige Aufbruchstimmung herrscht, hätte Frau Kang große Lust, zurückzukehren und die recht bedrückte Stimmung der Deutschen gegen den sozialen und wirtschaftlichen Reformwillen ihrer Landsleute einzutauschen. Aber zu lange schon liest sie die Süddeutsche Zeitung, arbeitet mit Deutschen und Migranten an einer multikulturellen Gesellschaft. Und außerdem möchte sie ihrem Mann die Erfahrung ersparen, bereits an dem ersten wohlgemeinten Gruß in einer koreanischen Provinzhauptstadt zu scheitern.

Dass bei den Nichten und Neffen von Frau Kang in Korea mittlerweile Brot und Käse zum kultigen Gaumenschmaus zählen, zeigt wie offen hier mit den westlichen Einflüssen umgegangen wird. Und es zeigt, dass die Globalisierung für die jungen Menschen weltweit durchaus ihre genüsslichen Seiten hat - wenn's der Völkerverständigung dient! (ds)

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Zwischen PC und Basketball

Die Eltern von Michael Guiao waren als medizinisches Personal aus den Philippinen gekommen, um in den Krankenhäusern der damaligen Bundeshauptstadt zu arbeiten. Später übernahmen sie einen Asia-Shop, den sie bis heute führen. Aber ihrem in Bonn geborenen Sohn war der elterliche Laden zu wenig. Da der Junge mit 9 seinen ersten PC bekommen hatte und zwischen Computer und Spielkonsole aufwuchs, war es dann auch klar, dass er sich einen modernen Beruf sucht: irgendetwas mit IT, Wirtschaft und Gestaltung. Nach Abschluss des Berufskollegs in Bonn folgte eine Lehre bei der Deutschen Telekom. "Hier in Deutschland ist die Ausbildung kostenlos und man wird als Azubi sogar bezahlt", vermerkt er. Anders als auf den Philippinen, wo man bezahlen muss, um lernen zu dürfen. Als fertiger IT-Systemkaufmann soll er bei Firmenkunden die ganze Bürokommunikation digital einrichten und sie bei der Auswahl der Technik beraten.

Das sah noch vor 3 Jahren nach einem sicheren Arbeitsplatz oder zumindest nach sehr guten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt aus. Inzwischen ist es auch für junge IT-Spezialisten eng, so dass der 23jährige überlegt, sich selbständig zu machen. Eine Geschäftsidee hätte er schon, nur die berüchtigte deutsche Bürokratie schreckt ihn noch ein bisschen ab. "Aber ich bin risikofreudig", sagt er, "mache immer vieles gleichzeitig und glaube an meine Selbständigkeit". Aber ob ihm dann noch Zeit für sein Hobby bleibt? Seit er 14 ist, trainiert Guiao Basketball und trifft sich mit den Freunden, meist Deutsch-Philippinos wie er, zum Mannschaftsspiel. In der Heimat ihrer Eltern sei das der Nationalsport, sagt er. Inzwischen gebe es "philippinische" Basketballturniere, für die Spieler aus ganz Deutschland sowie aus Frankreich, Belgien und Italien zusammenkämen. (mjd)

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"Karajan des Volleyballs"

 

"Neun Buchstaben - zehn Finger" lautet der Spitzname des in Seoul geborenen Volleyballers Hee Wan Lee (48). 1981 holte sein Landsmann Dai Hee Park, damals deutscher Frauen-Bundestrainer, den Südkoreaner mit den filigranen Fähigkeiten nach Paderborn. Der Mittelblocker avancierte bald zum dominierenden Zuspieler Deutschlands ("Karajan des Volleyballs") und wurde 1986 als Spielertrainer mit Fortuna Bonn erstmals Pokalsieger. Seine größten Erfolge feierte der Diplomtrainer (seit 1995) mit Bayer Wuppertal: 1994 deutscher Meister, 1995 Pokalsieger. In den Play-offs 1997 sprang Spielertrainer Lee als 41-Jähriger und bis heute ältester Bundesliga-Akteur für den verletzten Daniel Reitemeyer ein - Bayer wurde nochmals Meister. 1999 übernahm Lee vom heutigen Sportdirektor Siegfried Köhler das Bundestrainer-Amt. Deutschland wurde prompt EM-Vierter und belegte bei Olympia 2000 Rang sechs. Im Januar 2004 gelang ihm mit dem Turniersieg im aserbaidschanischen Baku die Qualifikation für die Olympiade 2004. "Unglaublich, unglaublich" murmelte der Trainer des krassen Außenseiters immer wieder - schließlich hatten die Mädchen unter anderem den Europameisterschaftszweiten Türkei besiegt. (esf)

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Taekwondo-
Exporteur

Als der heute in Deutschland tätige Großmeister des Taekwondo Son Jong-Ho Ende des Zweiten Weltkriegs in Korea geboren wurde, war dort der Vorläufer dieses Sports, Tae Kyon, von der japanischen Besatzung noch verboten. Erst nach 1945 besann man sich wieder auf die verschiedenen traditionellen Techniken der Selbstverteidigung, kombinierte sie zu einer neuen Kunst der Kampf- und Körperbeherrschung und schuf das heutige Taekwondo. Die "Kunst des Fuß- und Handkampfes" diente dem Militär als Körpertraining, wurde aber auch wieder der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. So begann auch Son Jong-Ho mit 12 Jahren, Taekwondo zu trainieren. Mit 18 Jahren gründete er an seinem Gymnasium einen Taekwondo Club, 1968 verließ er als diplomierter Sportlehrer die Kyong-Hi-Universität in Seoul. Danach arbeitete er einige Jahre mit einer Taekwondo-Vereinigung in Pusan zusammen und war zugleich Taekwondo Ausbilder beim Militär. Mittlerweile begann sich der asiatische Selbstverteidigungssport auch über die Grenzen Koreas hinaus zu verbreiten. So kam auch Son Jong-Ho Mitte der 1970er Jahre als Taekwondo-Lehrer nach Europa, wo er zu einem Vorreiter des traditionellen Taekwondo wurde. Er eröffnete Schulen in Österreich, Italien und Deutschland und gründete 1995 die "Son Jong-Ho Classic Taekwondo Federation Europe". "Classic" Taekwondo deshalb, weil Son Jong-Ho die traditionelle Variante des Taekwondo lehrt, die ohne Körperkontakt trainiert wird. In sehr vielen Taekwondo-Schulen wird heute die Wettkampfvariante des Sports trainiert. Diese mit Körperkontakt arbeitende Richtung wurde von Korea ab Ende der 1970er Jahre propagiert, um Taekwondo als olympische Disziplin einzuführen. Dieses Ziel wurde im Jahr 2000 erreicht, als der Kampfsport sich auch schon weltweit etabliert hatte. Ums Kämpfen geht es auch bei Son Jong-Hos klassischem Taekwondo. Doch ist der Gegner hier nicht eine fremde Person, vielmehr soll durch das harte körperliche Training auch die mentale Stärke und Durchsetzungskraft geschult werden. (st)

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Langer Fluchtweg

 

Der schiitische Afghane Abbas M. (17) hat auf seinem Fluchtweg womöglich mehr Länder bereist, als es durchschnittliche Europäer jemals tun werden. Vor drei Jahren flüchtete er aus Kabul in seinem Heimatland Afghanistan, nachdem seine Eltern und seine kleine Schwester gestorben waren. Stationen auf seiner Flucht, die Norwegen zum Ziel hatte, waren u.a. Pakistan, Iran, Türkei und Griechenland. Im Iran hielt er sich ein Jahr auf. Er war immer wieder verpflichtet, in den Durchreiseländer zu arbeiten, um die weitere Flucht finanzieren zu können. So hat er beispielsweise im Iran Kopftücher genäht, in Griechenland Tomaten geerntet, Teppiche gewebt und jede Arbeit angenommen, die er kriegen konnte, um Geld für die Weiterreise zu verdienen. Als er mit dem Zug nach Hamburg unterwegs war, wurde er in Aachen von der Polizei geschnappt und nach Köln gebracht. Von dort aus wurde er vor einem Jahr in die saarländische Aufnahmestelle nach Lebach verlegt, wo er seitdem als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling lebt. Ziel seiner Flucht war es, den Verhältnissen in Afghanistan zu entkommen und in Europa die Schule zu besuchen. In Kabul hat er sechs Jahre die Schule besucht. In Lebach besucht er ein Berufsbildungszentrum, wo er seinen Hauptschulabschluss machen möchte. Um die Sprache zu lernen, hat er einen Sprachkurs absolviert. Sein Wunsch wäre es, mit Computern oder allgemein im Büro zu arbeiten. Über seinen Asylantrag wurde noch nicht entschieden. Sein Traum wäre es, endlich an einem Ort, vornehmlich in Deutschland, bleiben zu können. (vf)

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"Ringelblume" und "Santhas Weltmarkt"

 

Der Srilanker Markandu S. (48) kam 1981 als tamilischer Flüchtling erstmals nach Deutschland, kehrte zurück und kam dann 1983 mit seiner Frau und zwei Söhnen als Asylbewerber zurück. Sie waren zunächst in einem Flüchtlingslager im saarländischen Sulzbach untergebracht, wurden jedoch sehr schnell als Asylbewerber anerkannt und suchten sich eine eigene Mietwohnung. 1988, nach 5 Jahren Aufenthalt in Deutschland, während derer er nicht arbeiten durfte bzw. keine Arbeit fand, wurde Markandu in der Saarbrücker Großmarkthalle angestellt. Dort ist er bis heute beschäftigt. 1995 erzählte ein iranischer Kunde, der im Nauwieser Viertel, einem alternativ-studentisch geprägten Stadtteil seit neun Jahren ein Lebensmittelgeschäft betrieb, dass er seinen Laden aufgeben wolle und einen Käufer suche. Markandu hatte genug Eigenkapital, um diesen Schritt zu wagen. Das Sortiment des in "Santha Weltmarkt" umbenannten Geschäftes wurde seitdem schrittweise verändert hin zu einer starken Spezialisierung auf südostasiatische Lebensmittel, Gewürze und Dosenware neben frischem Obst und Gemüse hoher Qualität. Die Kundschaft des noch heute bestehenden Geschäfts ist überwiegend deutsch. Markandu hat seine angestammte Beschäftigung nicht aufgegeben, seine Frau führt das Geschäft, ihre Söhne - die sozial und schulisch sehr gut integriert sind - helfen in der Regel nachmittags aus. Sie sind wie der Vater auch mittlerweile eingebürgert.

Keine 50 Meter von "Santhas Weltmarkt" entfernt hat sich 2001 eine Landsfrau von Markandu selbständig gemacht. Nilani Printz (41) hat den alteingesessenen Bioladen "Ringelblume" übernommen. Trotz räumlichen Nähe, gleicher Branche und gleicher Herkunft leben beide in verschiedenen Welten. Nilani ist Singhalesin, Markandu Tamile. Dass sie kaum Kontakt zueinander haben, liegt nicht an den Auseinandersetzungen beider Völker in der Heimat. Eher daran, dass sie sich aufgrund der unterschiedlichen Muttersprache nur in Deutsch verständigen können und es bei Markandu hier etwas hapert. Dazu kommt, dass der Freundes- und Bekanntenkreis von Nilani fast ausschließlich aus Deutschen mit einem ganz anderen Bildungshintergrund und anderen sozialen Umfeld besteht, als dem tamilischen, in dem sich Markandu und seine Frau bewegen. Vor 20 Jahren war sie zur Heirat mit einem Deutschen, den sie über eine Brieffreundschaft kennen gelernt hatte, nach Deutschland gekommen. Das war nicht einfach, da die Mutter gegen die Verbindung war. Zwei Jahre lang verheimlichte sie daher die Heirat. Als es 14 Jahre später zur Trennung kam, war es noch schwieriger. "Man hat, egal wie, ein Leben lang zusammen zu bleiben" - so die traditionelle Auffassung in der Heimat. Eine der wenigen singhalesischen Freundinnen hier brach daraufhin den Kontakt zu ihr ab. Wie viele andere Heiratsmigrantinnen hat sie kaum Kontakt zu den Flüchtlingen, von denen - nach ihrer Auffassung - viele "Wirtschaftsflüchtlinge" seien. Die Trennung mit ihrem Mann erfolgte "in Freundschaft", sagt sie. "Als ich hierher kam, war ich ganz schüchtern und sah aus wie 14. Er war ein Student, mit langen Haaren und so. Alles was ich kann, habe ich von ihm gelernt: die deutsche Sprache, Selbstvertrauen, selbständiges Denken und wie hier alles funktioniert". Für singhalesische Frauen sei das sehr ungewöhnlich, traditionell würden die Eltern auch für Erwachsene die wichtigsten Entscheidungen treffen, sagt sie. Ihre Heimat ist ihr nicht nur in dieser Beziehung fremd geworden. Obwohl längst eingebürgert fühlt sich Nilani aber auch hier manchmal noch fremd. (esf)

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Echte Schreckensbilder und Computerspiele

 

1967 wurde Nadia Kraam-Aulenbach in Prag geboren. Ihr Heimatland Afghanistan hat sie nur kurz, während eines zweijährigen Aufenthaltes in Kabul kennen gelernt. Nach der russischen Invasion floh ihre Familie 1980 nach Deutschland. In Bonn machte sie ihr Abitur und studierte Sozialpädagogik in Köln 1986 schrieb sie das Gedicht ‚Anpassung': "Schatten meiner Selbst / Gefangen in dunkler Einsamkeit / Lege ab den vertrauten Mantel / Und mit ihm ein Stück Würde / Stehe schutzlos da, nur um mich auch anzugleichen / Dennoch durchbohren mich eure Blicke / Blicke voller Angst und Skepsis / Seht mich nicht so an, bin doch euresgleichen??"

2001, als es in Afghanistan wieder Krieg gibt, ist Kraam-Aulenbach wie andere Flüchtlinge stark berührt. Trotz Diktatur und Krieg ist Afghanistan für sie ein Stück Heimat. Damals, als die Medien auch Einzelschicksale dokumentieren, schreibt sie wieder ihre Gedanken auf, "weil mich die Schreckensbilder bis in meine Träume verfolgen und tiefe Ängste in mir wecken. In diesen Träumen sehe ich mich in der Rolle einer Verurteilten, die aufgrund ihrer Herkunft schuldig gesprochen wird. Wenn ich dann aufwache, weiß ich, dass es nur ein Alptraum war." Dennoch kommen diese Träume nicht von ungefähr. Verstört hat sie beobachtet, dass Menschen, die nichts mit Terrorismus zu tun haben, aufgrund ihrer Religion oder Herkunft bedroht werden. "Viele Menschen sind in ihrer Trauer emotional so aufgewühlt, dass sie nicht mehr zwischen Einzelnen unterscheiden können", sagt sie. "Deshalb sind insbesondere die Medien aufgefordert, sensibler mit diesem Thema umgehen, um keine einseitigen Emotionen zu schüren." Das Thema interessiert sie auch in ihrer Arbeit. Derzeit arbeitet die Sozialpädagogin im Forschungsprojekt "Wirkung virtueller Welten" der Fachhochschule Köln. 2002 beendete sie ihre Doktorarbeit zum Thema "Interaktives, problemlösendes Denken im vernetzten Computerspiel". "Jungs", sagt die Computerspieleforscherin, "stehen auf Action. Mädchen wollen eher Rätsel lösen und kreativ sein". Anders als ihre männlichen Altersgenossen, so ergab das Forschungsprojekt, mögen Mädchen Spiele, die komplex, aber nicht kompliziert, witzig, ästhetisch und ideenreich sind. (esf)

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Die Freude am Dienen

Über die "Servicewüste" Deutschland regen sich viele auf, Minoru Tominaga kämpft dagegen. Der Japaner lebt seit den 1970er-Jahren in Düsseldorf. Er war zuerst Vertreter von Yamaha und hat sich 1989 als Unternehmensberater selbständig gemacht. Als der studierte Volkswirt deutschen Managern japanische Arbeitsmethoden beibrachte, merkte er, dass der Kunde nicht als Geldbringer, sondern eher als Störfaktor betrachtet wird: "Die Aussage war immer: Wenn wir gute Waren haben, eine gute Qualität haben, der Kunde kommt sowieso".

Das fange schon beim Firmen-Parkplatz an: Die besten Stellplätze sind für die Geschäftsleitung reserviert. "Wo sollen die Kunden parken? Ganz hinten". Seine Erfahrungen mündeten in Büchern wie "Die kundenfeindlichen Konzerne" und "Der lästige Kunde". "Der Kunde ist für mich Gott", sagt Tominaga: "Er entscheidet über unser Leben oder unser Geschäft". In Deutschland hieße es zwar auch "Der Kunde ist König". "Aber inzwischen ist der Verkäufer Kaiser", lacht er - "oder die Monarchie abgeschafft worden". Auch im Alltag kämpft er für die Rechte der Verbraucher. Wenn der Taxifahrer keine kurze Strecke fahren will, wenn der Verkäufer muffelt und der Kellner für teures Geld eine Tütensuppe bringt, zeigt Tominaga - öffentlichwirksam - seine rote Karte. Manchmal hat das Personal Einsicht und guten Willen, oft ruft es die Polizei. Der 65jährige hat Hausverbot in vielen Geschäften und Restaurants, gegen ihn laufen Unterlassungsklagen. Als Ausländer habe er hier nichts zu kamellen, sei er mehrmals beschimpft worden. Inzwischen hat der Japaner seine Tätigkeit gen Osten verlegt und saniert Betriebe in Ostdeutschland, Polen und Russland.

In Deutschland ist es peinlich, den anderen zu dienen und sogar die Dienste anzunehmen. Das hat Tominaga in einem Selbstversuch herausgefunden. Als Schuhputzer verkleidet setzte er sich an die Düsseldorfer Kö: Keiner wollte sich die Schuhe polieren lassen. Stattdessen rieten ihm gutmeinende Passanten, zum Sozialamt zu gehen. Wenn der Kunde sich hierzulande ein teures Gerät weit und breit erklären lasse und am Ende doch nicht kaufe, explodiere der Verkäufer und beschimpfe ihn wüst, so Tominaga. Sein japanischer Kollege würde sich dagegen höflich bedanken: "dass Sie trotzdem Ihre wertvolle Zeit für meine Erklärung geopfert haben". Dieses Verhalten sei nicht geschult, sondern selbstverständlich: "Unser Leben ist so kurz. Da immer zanken, hassen... soviel Zeit haben wir nicht!" (mjd)

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