Integration in Deutschland 2/2004, 20.Jg., 30. Juni 2004

StADTPORTRAIT

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


„Quiddjes“ an den Elbbrücken

Die Aus- und Einwandererstadt Hamburg

„Quiddje“ nennt man in Hamburg einen Neuankömmling. Irgendwann war auch Joseph Sam Sobo aus Nigeria einmal so ein „Quiddje“. Rundfunk- und Fernsehtechniker wollte er werden, heute fährt er sein eigenes Taxi. Dazwischen kam die Stelle, die ihm einen Ehrenplatz in der Ausstellung „Geteilte Welten“ im Hamburger Museum der Arbeit brachte: Joseph Sam Sobo war 1974 der erste schwarze U-Bahn-Fahrer in Hamburg. Mit seinem Gehalt konnte er die weitere Berufsausbildung finanzieren. Der Historiker Jürgen Ellermeyer hat ihn für seine Ausstellung über Einwanderer in Hamburg interviewt.

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Hamburg: Ausländer und Ausländeranteile in den Stadtteilen Ende 2002
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Auswanderung – zum Beispiel nach Amerika – ist nichts besonderes in Hamburg. Viele Menschen verbrachten ihre letzten Wochen vor der Einschiffung über den großen Teich an der „Waterkant“. Aber auch die Einwanderung hat Tradition: der Ausländeranteil in der 1,7 Millionenstadt beträgt 15,3 % (265.347 Menschen). Eingebürgert wurden in den Jahren 2000-2002 mehr als 26.000 Einwohner. Hamburg, schrieb im April 2004 die Zeitschrift „Ethnotrade“, ist die größte afrikanische Stadt Deutschlands.

Schon immer wurde versucht, in der alten Hansestadt die Zuwanderung zu regulieren. „Die Stadt ist voll“, hieß es zum Beispiel 1791 in einem Kupferstich. Holländer, Engländer, portugiesische Juden waren zugelassen. Für „Quiddjes“ musste Wohnraum geschaffen werden. Arbeitsmöglichkeiten bot die Hafenstadt reichlich. Emilie Klimek aus Masuren blieb nur kurz. Braune Augen besaß sie, vermerkt ihr Dienstbuch. Eine Gesindevermieterin hatte die 1888 geborene Ostpreußin nach Schleswig-Holstein zum „Buschhacken“ geschickt, dann arbeitete sie von 1910-1911 in einer Gastwirtschaft in Hamburg. Von dort ging sie in einen Haushalt in Berlin. 1914 wurden Russen („meist polnischer Abstammung“) als Erdarbeiter beschäftigt. Zuerst wohnten sie in Baracken, dann auf einem Wohnschiff. Später kamen die Chinesen: Musterten ab im Hafen und eröffneten Wäschereien und Restaurants in St. Pauli - bis die Nationalsozialisten die meisten von ihnen 1944 in Konzentrationslager brachten.

Südlich der Elbe liegt Wilhelmsburg, der Stadtteil Hamburgs mit den meisten Ausländern (34,7 %. Fabriken, Werften, Hafenanlagen brauchten nach dem 2. Weltkrieg Arbeiter – heute sind viele von ihnen im Ruhestand und mancher ist erwerbsunfähig. Rund um den Vogelhüttendeich wechseln türkische Rentnerclubs mit afrikanischen Frisiersalons, der Markt preist karierte dickgefütterte Hemden und Tangas für einen Euro an sowie Lebensmittel aller Art. Die Arbeitslosigkeit ist groß: viele Jugendliche haben keinen Schulabschluss. Die Wilhelmsburger Tafel im Deichhaus bietet Möbel, Kleider und Essen an. Vom Bus aus sieht man den Hafen nicht: ein hoher Deich mit einem Stacheldrahtzaun begrenzt das Wasser entlang der Harburger Chaussee. Scheinbar endlos lang gibt es keine Sicht hinüber. Die Fähren zu den Landungsbrücken in der Innenstadt verkehren nur montags bis freitags - als ob Berufstätige hier eine geregelte 5-Tage-Woche hätten! Nördlich der Elbe setzt sich die Trennung fort: Wilhelmsburg und den Südteil der Stadt findet man auf den Stadtplänen der Haltestellen rund um St. Pauli nur selten. Dabei hat man von hier den schönsten Blick nach Süden: auf Kräne, Container, Wasserstraßen in Hamburg.

Anfang Mai hat das „Tor zur Welt“ über alle Toppen geflaggt: „Hafengeburtstag“ wird gefeiert. Eine Wasserparade mit bunten Fahnen, Musik, „Open Ship“-Besichtigung von Dreimastern, Ausfahrten, Bratwurst und Karussells. Sie hat eine junge Tradition im Vergleich zur lang andauernden wechselvollen Geschichte der Kais und Ankerplätze, Umschlagstationen und Passagierterminals, Fruchthöfe und Speicher. Der Hafengeburtstag ist ein Festival, das auch Koffivi Lolo nicht missen mag: „Natürlich gehen wir auch zu Veranstaltungen, die typisch für Hamburg sind,“ bekennt der Geschäftsführer des Africa-Club e.V. Der Togoer lebt seit zehn Jahren an der Elbe, hat zwei Pässe, darunter den deutschen. Er ist stolz darauf, dass sich sein Verein mit vier Mitarbeitern als anerkanntes Projekt der Jugendhilfe für benachteiligte Afrikaner einsetzt. Der „Africa-Club“ offeriert in einer ehemaligen Fleischerei im Schanzenviertel Deutsch- und Computerkurse, Beratung und Betreuung, organisiert Ausflüge und Picknicks. Die Räume sind nicht ideal, wirken eng und haben wenig Licht. Und doch strahlen sie eine kämpferische, aktive und selbstbewusste Stimmung aus. Fotos von Fußballturnieren hängen an der Wand. „Wir treffen uns wöchentlich, sind aber auch gern draußen in Parks, weil die Atmosphäre da oft entspannter ist,“ sagt Lolo. Dass Schill und seine Partei inzwischen weg sind aus dem Hamburger Senat, freut ihn. Er hat eine Ausbildung in präventiven erzieherischen Tätigkeiten und arbeitet mit den jungen Besuchern daran, ein positives Selbstwertgefühl zu entwickeln. Zu häufig würden Afrikaner pauschal als Drogendealer diffamiert. „Oft wird uns das Gefühl vermittelt, ‚du bist gar nichts‘, beklagt Lolo. „Schwarz sein gilt als ‚doof‘ sein. Aber wenn ich Weißen begegne, dann mit positivem Aspekt! Mit dem, was ich gut kann. Was wir beide gut können. So können wir uns beide besser begegnen.“

Wie Lomé und Lagos

Die Großstadt Hamburg erinnert Lolo an Lomé, die Hauptstadt Togos mit den Hafenanlagen, an denen auch deutsche Kolonialherren gebaut haben. Obwohl in Hamburg, anders als in der Küstenstadt Lomé, das offene Meer noch etwa 70 Kilometer weit weg liegt. Aber das Wasser an den Elbbrücken und der Blick auf den Hafen hilft beim Vergleichen. „Vielleicht versuchen wir damit, unsere Sehnsüchte zu dämpfen, dass wir sagen, das ist genau wie bei uns. Aber es gibt eben doch Unterschiede.“

Unterschiede, die auch der Nigerianer Kenneth Gbandi wahrnimmt. Fragt man den studierten Stadtplaner nach Ähnlichkeiten zu anderen großen Städten, erinnert ihn Hamburg natürlich eher an „seine“ Hafenstadt Lagos und die vielfältigen Geschäftsverbindungen, die zwischen dieser bedeutenden Metropole Westafrikas und der Hansestadt bestehen: Import- und Exportabwicklung, Verschiffung von Elektroartikeln, Autos und Ersatzteilen, Handel mit Lebensmitteln und Haarpflegeprodukten, Transfer von Geld und Know-how. Daran hat Gbandi Anteil, indem er nicht nur als Business Consultant auftritt, sondern seit einigen Monaten mit einem ambitionierten Team von Hamburg aus auch die Zeitschrift „African Heritage“ herausgibt: eine Hochglanz-Illustrierte auf Englisch, Auflage 10.000, die den afrikanischen Lifestyle in seiner ganzen Größe zeigen soll. Korrespondenten in Düsseldorf, Berlin oder Lagos halten die Leser auf dem Laufenden. Mit Gesellschaftsklatsch, Fotos von Baby-Parties („Child Dedication“), Filmproduzent und Schönheitskönigin (Miss „Schleswig-Holstein 2002“), dazu werden erfolgreiche Geschäftsleute und WohltäterInnen vorgestellt. Die ersten Nummern sind vergriffen, die dritte kommt. Kenneth Gbandi: „Wir wollen zeigen, wie Afrikaner nicht nur in Hamburg, sondern in Deutschland und Europa leben, und Freude und Festlichkeiten gehören dazu.“

Hinweise / Kontakt:

Zeitschrift African Heritage,
siehe: www.kenconsult.de/heritage

Africa Club e.V., Margaretenstr. 68, 
20357 Hamburg, Tel. / Fax: 040-40185113,
Africa-club@web.de 

Arbeitsloseninitiative Wilhelmsburg/
Wilhelmsburger Tafel,
 
Vogelhüttendeich 55, 21107 Hamburg,
Tel. 040-75665934,
aiw–Deichhaus@t-online.de, www.ai-w.de 


Autorin: Marianne Lange

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Chinesen in Hamburg

 

„Hanbao" - wie Hamburg in China heißt - ist heute der wichtigste deutsche Standort für chinesische Unternehmen. Rund 300 chinesische Unternehmen sind in der Hansestadt ansässig, China-Restaurants und chinesische Lebensmittelläden nicht mitgezählt. Zum Vergleich: 1985 hatten erst drei chinesische Firmen ein Büro an der Elbe. Hamburg ist damit der wichtigste Standort für die chinesische Wirtschaft in Deutschland geworden. Der Senat möchte Hamburg zum China-Kompetenzzentrum Nr. 1 in Europa machen. So steht es im Leitbild "Metropole Hamburg - Wachsende Stadt". Bereits heute besitzt die Stadt eine China bezogene Infrastruktur, die europaweit ihresgleichen sucht. So gibt es bei der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) und der Handelskammer Ansprechpartner für chinesische Unternehmer. Die Chinesisch-Deutsche Gesellschaft und die Hamburger China-Gesellschaft sowie die Abteilung Sprache und Kultur Chinas der Universität Hamburg stärken die Beziehungen nach China auch in wissenschaftlicher und kultureller Hinsicht.

Um die vielfältigen Aktivitäten zu koordinieren und Hamburgs China-Kompetenz weiter auszubauen hat der Senat im Sommer eine Kooperationsstelle in der Senatskanzlei eingerichtet. Auch soll ein China-Zentrum in der HafenCity künftig China-Kompetenz und Beratungsangebote bündeln. Im Rahmen der Städtepartnerschaft mit Shanghai möchte Hamburg die Austauschprogramme in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft ausbauen. Wie bereits 2002 wird es auch 2005 wieder "China-Wochen" in Hamburg geben. Ein Institut für traditionelle chinesische Medizin soll helfen, diese Heilform in Hamburg zu etablieren - auch das ist ein wichtiges Element, damit sich Menschen aus China in Hamburg wohl fühlen. Und nicht nur die: Auch immer mehr Deutsche interessieren sich für diese Alternative zur westlichen Medizin. (esf)


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Adressbuch „Willkommen in Hamburg

 

In einem Adressbuch "Willkommen in Hamburg" hat die Freie und Hansestadt Hamburg - Behörde für Soziales und Familie im März 2004 sämtliche Integrationsangebote für Zuwanderer zusammengestellt. Es führt Zuwanderer auf 200 Seiten zu Institutionen und Beratungseinrichtungen, die sich entweder gezielt an Zuwanderer wenden oder die oft von Zuwanderern in Anspruch genommen werden. Unter den einzelnen Stichworten finden sich staatliche und nichtstaatliche Einrichtungen. Neben aktuellen Kontaktadressen der Einrichtungen bietet das Adressbuch Kurzbeschreibungen der angebotenen Leistungen sowie Hinweise auf Beratungssprachen und Informationsmaterialien. Das Adressbuch kann gegen Einsendung eines mit 1,44 €Euro frankierten Rückumschlages (Größe: B5) bestellt oder kostenlos abgeholt werden. Ferner ist ein Internet-Portal für Zuwanderung und Integration eingerichtet worden, das der Information von Zuwanderern und Multiplikatoren in der Integrationsarbeit dient. (jh)

Bezug:
Freie und Hansestadt Hamburg,
Behörde für Soziales und Familie,
Amt für Soziales und Integration (SI 2516),
Winterhuder Weg 29, II.OG, Zimmer 208,
22085 Hamburg,
Tel.: 040/42863-2953 / -2843, Nimla.Heplevent@bsf.hamburg.de , www.zuwanderung.hamburg.de 


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