Integration in Deutschland 3/2004, 20.Jg., 28. September 2004

Arbeitsplatz Deutschland

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In Dialog treten

Migranten im Handwerk

Migranten im Handwerk sind trotz ihrer gestiegenen Bedeutung seitens der Verbände bislang vernachlässigt worden. Um diesem Missstand abzuhelfen fand am 15. Juli 2004 im Westdeutschen Handwerkskammertag in Düsseldorf eine Dialog-Auftaktveranstaltung für Unternehmer mit Migrationshintergrund, Migrantenorganisationen und Organisationen des Handwerks statt. Diskutiert wurden Wettbewerbs- und Beschäftigungsfähigkeit, aber auch das Beschäftigungspotenzial von Handwerksfirmen mit Migrationshintergrund.

Das deutsche Handwerk mit seinen knapp 850.000 Betrieben könnte als einer der wichtigsten Akteure zur Integration von Migranten in Wirtschaft und Gesellschaft beitragen. Die Probleme beginnen jedoch - dies wurde in Düsseldorf deutlich - schon bei der Datenlage. Während für einige Indikatoren der wirtschaftlichen Integration, wie die Zahl ausländischer Auszubildender im Handwerk, genaue Zahlen zur Verfügung stehen, können für andere, wie die Zahl der Meisterprüflinge oder der Existenzgründer im Handwerk, nur sehr vage Größenordnungen ermittelt werden. Etwas besser ist die Datenlage bei Ausländern, die als Handwerker in anderen Branchen beschäftigt sind. So zählen Montierer und Metallberufe, Bauberufe (v.a. Maler und Elektriker) oder Schlosser/Mechaniker zu den stärksten von ausländischen Beschäftigten in Deutschland besetzten Berufsgruppen.

Das Fehlen von Daten weist möglicherweise darauf hin, dass Migranten durch den Gründungsboom der 1990er-Jahre von deutschen Handwerkern eher als Konkurrenz, denn als Partner gesehen werden. So hat es Jahre gedauert, bis die restriktiven Zugangsvoraussetzungen der Handwerksordnung mit einer am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Reform gelockert wurden. Bislang konnten sich Nicht-EU-Ausländer nur in so genannt handwerksähnlichen Bereichen, die keine Meisterprüfung erfordern, selbständig machen. Beispiele sind Schneidereien oder Gebäudereinigung. Eine Betätigung im Vollhandwerk war ohne Meister nicht möglich. In 53 von 94 Handwerken sind nun Firmengründungen ohne Meisterbrief auch für Migranten aus dem Nicht-EU-Ausland möglich. Durch die Aussetzung der Ausbildungseignung (AEVO) wurde ferner die Schaffung von Ausbildungsplätzen in Migrantenbetrieben stark unterstützt.

Die Liberalisierung soll zu Neugründungen und der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen führen. Manche sehen dies als ungerechtfertigte Bevorzugung ausländischer Handwerker. Dass die dahinter stehenden Ängste oftmals übertrieben sind, zeigt eine 2004 erschienene Studie von Klaus Müller zur Bedeutung von Ausländern im Handwerk. Die Untersuchung zeigt den Stand vor der Reform der Handwerksordnung. In nebenstehender Tabelle ist zu berücksichtigen, dass einige Anteile wohl deshalb relativ gering ausfallen, weil Eingebürgerte nicht erfasst sind.

Müllers Daten zeigen, dass das Handwerk bei Auszubildenden und Beschäftigten einen wichtigen Beitrag bei der Integration von Migranten leistet. Hier sind %ual mehr Migranten tätig als in der Gesamtwirtschaft. Das Handwerk hat mit ihnen weitgehend gute Erfahrungen gemacht, „insbesondere was Tugenden, wie beispielsweise der Umgang mit Kollegen, Zuverlässigkeit, Fleiß, Arbeitstempo sowie Arbeitsqualität angeht“, schreibt Müller. Teilweise wurden Migranten auch besser beurteilt als ihre deutschen Kollegen. Dies gilt allerdings weniger für die Sprachkenntnisse und das fachliche Wissen. Hier sei Bedarf an zusätzlichen Weiterbildungsangeboten.

Wenn es jedoch um den beruflichen Aufstieg geht, wird die Bedeutung der Ausländer für das Handwerk geringer. Die Meister- und Selbstständigenquote fällt nicht nur gegenüber der Beschäftigtenquote, sondern auch gegenüber der entsprechenden Quote in der Gesamtwirtschaft ab. Hierzu trägt sicher bei, dass die Meisterprüfung bei Migrantenjugendlichen nur einen relativ geringen Stellenwert besitzt. Wenn sich Ausländer im Handwerk selbständig machen, dann primär im handwerksähnlichen Gewerbe oder mit relativ kleinen Gründungsvorhaben und ohne öffentliche Förderung. Wird eine Förderung in Anspruch genommen, dann meist nur bei Darlehensprogrammen, die speziell für kleine Gründungsvorhaben konzipiert worden sind. So das Startgeld und die Mikro-Darlehen der Deutschen Ausgleichsbank (DtA).

 

 

Zukünftig dürften die Ausländer für das Handwerk nicht nur durch die Reform an Bedeutung zunehmen. Auf der Angebotsseite wird sich durch den demographischen Wandel die Zahl der gut ausgebildeten Arbeitskräfte erheblich reduzieren. Um dieses Manko zu beseitigen, bedarf es dringend einer noch besseren Integration. Insbesondere sind bessere Informationen über das deutsche Ausbildungssystem notwendig, gerade für Eltern. „Dabei sollte versucht werden, den Stellenwert der Meisterprüfung besser zu vermitteln“, so Müller.

Aber auch auf der Nachfrageseite sollten Migranten stärker beachtet werden, denn bislang fragen sie relativ selten Handwerksleistungen nach. Bei zunehmendem sozialem Aufstieg könnte sich dies ändern. „Die Handwerksunternehmen müssen aber auch selbst Anstrengungen unternehmen, damit Migranten als Nachfragefaktor an Bedeutung gewinnen“, schreibt Müller. Er fordert deutsche Handwerksbetriebe auf, mehr Migranten zu beschäftigen, auch weil diese die speziellen Präferenzen und Bedürfnisse ihrer Landsleute am besten einschätzen können.

Zu den auf der Düsseldorfer Tagung genannten Gründungsproblemen gehören die schwierige Finanzierungssituation, mangelnde betriebswirtschaftliche Kenntnisse, administrative Hindernisse, eine mangelnde Ausbildung und - bislang - die Handwerksordnung. Einige Projekte betreuen Betriebe bei der Bewältigung dieser Probleme. Allein in NRW zu nennen sind zunächst die BQN-Projekte, die spezielle Vorbereitungskurse für die sprachlich und inhaltlich komplizierten Ausbildereignungsprüfung vor den Kammern bieten (vgl. Seite 17). Unterstützung bei der Akquise von Ausbildungsstellen bieten das KAUSA-Projekt, die Regionalen Transferstellen für ausländische Existenzgründer und Unternehmer (ReTra) sowie die IHK Essen. Das Projekt FATIMA schließlich bemüht sich um die Förderung deutsch-türkischer Kooperationen.

Bei der Präsentation dieser Projekte und erfolgreicher von Migranten betriebener Handwerksbetriebe war man sich in Düsseldorf einig, dass man noch zu wenig voneinander weiß und mehr kommunizieren sollte. Aber auch Beratung - und zwar generationenspezifisch - wurde als nötig erachtet. Schließlich seien auch die Banken zu sensibilisieren, für bessere Kreditmöglichkeiten zu sorgen. Insgesamt fehle es noch an einem „Wir-Gefühl“ und dem Ausnutzen möglicher Synergien. Ausländische Handwerker sollten raus aus ihrer Inselökonomie, mehr den Zugang zur deutschen Wirtschaft suchen - zum Beispiel durch Veranstaltungen wie diesem Dialog-Auftakt. Aber auch den Handwerkskammern wurde empfohlen, unter anderem bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse flexibler zu werden und sich interkulturell zu öffnen.

Literatur: 
Klaus Müller: Die Bedeutung von Ausländern im Handwerk
,
Göttinger Handwerkswirtschaftliche Studien,
Band 71, hg. vom Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen, 124 Seiten (ISBN: 3-936617-26-0), Duderstadt 2004


Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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Migranten-
unternehmer veröffentlichen Appell für Ausbildung

 

Berlin. Die wachsende Wirtschaftskraft von Betrieben ausländischer Unternehmerinnen und Unternehmer soll verstärkt zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze genutzt werden. Vertreterinnen und Vertreter von 14 deutsch-ausländischen Unternehmervereinen vereinbarten Mitte September 2004 in Berlin Initiativen für mehr Lehrstellen. Gemeinsam mit der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, und dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, verabschiedeten sie einen Appell für mehr Ausbildung in Betrieben von Migranten.

Bulmahn begrüßte die Initiative und sicherte ihre Unterstützung zu. Das große wirtschaftliche Potenzial der Migranten in Deutschland drücke sich auch in den steigenden Zahlen von Auszubildenden in ihren Betrieben aus. „Über die Chancen der betrieblichen Ausbildung für die Rekrutierung von Personal sind die ausländischen Unternehmerinnen und Unternehmer oft noch zu wenig informiert“, sagte die Ministerin. Die Bundesregierung habe mit der Aussetzung der Ausbildungseignungsverordung im vergangenen Jahr eine Hürde für mehr Lehrstellen in Betrieben von Migranten beseitigt. „Besonders für die auf dem Ausbildungsmarkt benachteiligten Jugendlichen ausländischer Herkunft gibt es hier zusätzliche Chancen mit ihren besonderen sprachlichen und kulturellen Kenntnissen.“

DIHK-Präsident Braun verwies auf die praktische Bedeutung der gemeinsamen Initiativen. „Ich freue mich, dass sich die ausländischen Unternehmervereine aktiv mit am Pakt für Ausbildung beteiligen. Wir brauchen vor allem noch Chancen für ausländische Jugendliche. Deshalb werben die IHKs und Unternehmervereine verstärkt bei den Vertretern der ausländischen Herkunft. Hier besteht ein großes Potenzial. Rund 50.000 Betriebe könnten erstmals ausbilden, viele andere zumindest Einstiegsqualifikationen anbieten.“

Der Präsident der Türkisch-Deutschen IHK, Kemal Sahin, stellte in diesem Zusammenhang sein gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gestartetes Projekt für „1.000 neue Ausbildungsplätze" in Betrieben türkischstämmiger Inhaber vor. Der Vorsitzende des italienischen Unternehmervereins „ciao italia“, Salvatore Condipodaro, verwies auf die guten Ausbildungschancen in der Gastronomie. Ein gemeinsames Programm mit einem deutsch-kroatischen und einem deutsch-italienischen Verein werde in dieser Branche Unternehmer und Bewerber früher als bisher zusammen bringen, sagte Condipodaro.

Gleichzeitig wollen sich Vereine von ausländischen Unternehmern, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland tätig sind und das hiesige Ausbildungssystem deswegen noch nicht so gut kennen, neue Lehrstellen schaffen. Die russischstämmige Medienunternehmerin und Geschäftsführerin von Russkij Berlin, Irina Bernstein, will hier mit einer Kampagne Aufklärung schaffen. „Unternehmer, die aus Russland stammen, stehen noch ganz am Anfang ihrer Integration in die deutsche Wirtschaft. Das Ausbildungssystem ist ihnen völlig unbekannt und wir wollen dazu beitragen, dass russischsprachige Unternehmer darüber besser informiert werden."

Von 1991 bis 2003 ist die Zahl der Betriebe mit ausländischen Inhabern in Deutschland von 169.000 auf rund 280.000 gestiegen. Sie beschäftigen rund eine Million Menschen und sind in über 90 Branchen tätig, darunter besonders stark im Lebensmittelhandel, Speditionsgewerbe, Gastronomie sowie Touristik vertreten. Unter den Betrieben mit ausländischen Inhabern sind rund 38,4 % ausbildungsberechtigt (Deutsche: West rund 60,5 %; Ost rund 54,8 %). Der Anteil der ausbildenden Betriebe an allen Betrieben beträgt bei ausländischen Inhabern rund 17,5 % (Deutsch: 26,5 % West und 21,3 % Ost). Die Ausbildungsquote (Verhältnis Auszubildender zu Beschäftigten) liegt bei 3,2 % (Deutsch: 6,1 % West und 8,2 % Ost). (BMBF)

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Türkische Unternehmer bevorzugen Kanal D und Hürriyet

 

Essen. Nach der Befragung von 1.000 türkischen Unternehmern in Deutschland durch die Stiftung Zentrum für Türkeistudien (ZfT) vom Juni 2004 ist in dieser Gruppe mit 58,2% der meistgesehene türkische Fernsehsender der über Satellit empfangbare Kanal D. Die meistgelesene Zeitung ist mit 72,2% die Hürriyet. „Diese Zahlen erlauben zukünftig eine zielgenauerere Programmierung von Maßnahmen für die Ansprache dieser Gruppe", so ZfT-Direktor Faruk Sen zur Bedeutung dieser Zahlen. Damit liegen erstmalig repräsentative Daten zur Mediennutzung der türkischen Unternehmer in Deutschland vor, die sich, auch ein Ergebnis der Befragung, von der türkischen Durchschnittsbevölkerung in Deutschland nicht maßgeblich unterscheidet.

Ein verstärktes Bemühen um die türkischen Unternehmen auch durch Öffentlichkeitsarbeit in den türkischen Medien sei dringend erforderlich, so Sen weiter. Dies gelte ganz besonders für das Ziel der Erhöhung der Ausbildungsbeteiligung. Insbesondere sei es lohnend, Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe stärker über die Möglichkeiten der Ausbildung aufzuklären. Aber auch für die Wirtschaftsförderung der Städte und Informationsangebote der Kammern könne der Weg über die türkischen Medien lohnend sein, so Sen. Nur 14,2% der Befragten lesen keine türkischen Zeitungen, 11,1% schauen kein türkisches Fernsehen.

Dr. Dirk Halm, ZfT

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