Integration in Deutschland 3/2004, 20.Jg., 28. September 2004

GLOSSE

Verdächtig!

 

Merkwürdige Dinge spielen sich ab, hier in Wiebelskirchen. In der Pizzeria San Marino ist nie ein zweiter Tisch belegt, wenn wir eine „Marinara“ und eine „Sorpresa“ essen. Und dann wurde letztes Jahr plötzlich das dritte italienische Lebensmittelgeschäft aufgemacht. Reichen zwei nicht? Und warum sieht man da auch nie Kundschaft? Dienen die nicht doch einfach nur der Geldwäsche? Viele alte Hüttenarbeiterhäuser wurden von Italienern aufgekauft. Woher haben die das Geld? Und was ist mit den Geschichten von Kofferräumen voller Waffen (die der sizilianische Cousin meines Mannes gesehen haben will)?

Manchmal frag ich mich ja schon, warum man eigentlich mit so wenigen der hier seit Jahrzehnten lebenden Italienern echten Kontakt hat. Man kennt sie kaum. Und irgendwie hat man das Gefühl, sie bleiben lieber unter sich. Wie die seltsame Gruppe von Männern, die sich abends, auf italienisch palavernd und fluchend, in den Schrebergärten trifft, ein Auto nach dem anderen holpert den Schotterweg entlang zum geheimnisvollen Stelldichein. Vielleicht sollte man mal vorsichtig von Weitem schauen, was da eigentlich abgeht, was für Geschäfte da laufen...

Mein Freund kennt ja ein paar Italiener persönlich, aber die sind letztens verschwunden. Alle zwei. Mario, der nette Mann mit dem Eiswagen, wurde plötzlich ausgetauscht durch einen, bei dem das Eiskaufen keinen Spaß mehr machte. Mal ganz abgesehen von diesem verregneten Sommer. Rafaele, der italienische Torwart beim TUS, kam plötzlich nicht mehr zum Training und hörte schließlich ganz auf. Was war da los? Mussten die beiden Hals über Kopf untertauchen? Dass viele schwarze Geschäftchen nebenher laufen, weiß man ja; von Michele zum Beispiel, der unseren alten Passat abends ohne Rechnung repariert. Neulich sah ich noch eine Autoreparatur in einer Seitenstraße. Da stand so ein komischer Typ mit Riesensonnenbrille im blau-weißen Hawaii-Hemd, den ich hier noch nie gesehen habe...

Ich muss doch mal die Verwandtschaft fragen (mein Mann ist Halbitaliener), die müssten das doch wissen. Oder ist das gefährlich - und die stecken alle unter einer Decke? Man kennt das ja aus Krimis: Mafia, „Omertá", das Gesetz des Schweigens. Wer dagegen verstößt, stirbt. Die Verwandtschaft aber redet: Mario hat eine neue Eisdiele im Nachbarort. Rafaele spielt jetzt bei der Borussia. Der Typ im Hawaiihemd ist der Sohn von Tante Concetta, der endlich mal wieder vorbeischaut. Tja, und der rätselhafte Männerclub im Schrebergarten? Der heckt tatsächlich kugelsichere Strategien aus: immer im Training fürs nächste Boule-Turnier...


Autorin: Stefanie Kuballa-Cottone

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