Integration in Deutschland 1/2005, 21.Jg., 31. März 2005

BILDUNG

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Fremde werden Freunde

Junge Flüchtlinge im Freiwilligen Sozialen Jahr

Am Anfang hatten sie alle fünf so ihre Probleme: "Ich dachte, die Arbeit mit den Kindern sei viel leichter. Es war manchmal nicht so einfach, sich da durchzusetzen. Aber mittlerweile geht es", erzählt Berat Dura. Und auch in der eigenen Familie wurde seine neue Tätigkeit mit Skepsis betrachtet: "Mein Vater hat anfangs wenig Verständnis gezeigt, er hat gesagt, wie kann man als Mann denn mit Kindern spielen?" Seit August 2004 arbeitet der 22-Jährige aus dem Kosovo im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) in der Kindertagesstätte St. Nikolaus der Caritas in der Landesaufnahmestelle für Vertriebene und Flüchtlinge im saarländischen Lebach.

So wie er sind vier weitere junge Leute in verschiedenen Einrichtungen der Caritas auf dem Gelände der Landesaufnahmestelle als FSJler beschäftigt. Das Besondere daran ist: Sie sind allesamt Migranten. Und das unterscheidet Berat, Hateme Derri (17), Natalia Schlee (21), Deniz Kiganc (17) und Gjyka Mashollay (17) ganz wesentlich von einer jungen Kollegin, die ebenfalls ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Caritas absolviert, Sabrina Alt (18) aus Eppelborn.

Auch Deniz Kiganc, der schon seit 1991 in Deutschland ist, hat eine FSJ-Stelle. Er arbeitet bei der Flüchtlings- und Aussiedlerhilfe und gestaltet dort Freizeit- und Ferienangebote für die jugendlichen Bewohner des Lagers. Deniz betreut unter anderem eigenständig eine Fußball-AG, leitet selbst einen HipHop- und Break-Dance-Tanzkurs und ist regelmäßig beim Offenen Treff dabei, der einmal wöchentlich bei der Caritas stattfindet. "Ich hatte von einem Freund von der Möglichkeit erfahren, diese FSJ-Stelle zu machen", erzählt der junge Türke. Seine Kollegin als FSJlerin ist Sabrina Alt, die mir ihm das Büro teilt. Sie hat morgens einen Deutsch-Sprachkurs mit einer einzelnen Schülerin und arbeitet mittags in der Hausaufgabenhilfe. Außerdem ist sie ebenso wie Deniz bei den Freizeitmaßnahmen der Flüchtlings- und Aussiedlerhilfe dabei. "Ich wollte Sozialarbeit studieren, da passte das ja ganz gut", sagt die Fachabiturientin.

Ganz anders sahen ursprünglich die Pläne von Berat Dura aus, der ein Wirtschafts-Fachabitur in der Tasche hat. "Eigentlich wollte ich eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich machen, hatte aber wegen der fehlenden Arbeitserlaubnis keine Chance, etwas zu bekommen." Die Umstellung auf die erzieherische Arbeit mit den Kindern des Caritas-Kinderhortes war dementsprechend schwierig, "aber ich habe mir immer mal wieder bei den Erzieherinnen was abgeschaut", erzählt Berat. Und mittlerweile hat er die Sache so gut im Griff, dass er schon nach der Hälfte der FSJ-Zeit eine positive Bilanz zieht: "Ich würde das auf jeden Fall wieder machen."

Sprachhürden überwinden

Für Natalia Schlee aus Russland stellt derzeit die Sprache eine der größten Hürden bei ihrer FSJ-Tätigkeit dar. Die 21-jährige Bürokauffrau ist erst seit Juli 2003 in Deutschland, ihr FSJ-Platz ist beim Jugendmigrationsdienst (JMD) der Caritas, wo sie neben organisatorischen Bürotätigkeiten auch sozialpädagogische Angebote wie Bastelkurse oder Internetseminare mit betreut. "Aber wenn mir irgendetwas nicht klar ist, frage ich meine hauptamtlichen Kollegen, die helfen mir dann weiter", sagt Natalia. Die Arbeit beim Migrationsdienst helfe ihr auch, die eher theoretischen Kenntnisse ihrer regulären, in Russland absolvierten Berufsausbildung als Bürokauffrau durch praktische Arbeit zu vertiefen.

Im Kinderhort Francesca Caprini der Caritas ist Hateme Derri eingesetzt. Ihre junge "Kundschaft" ist älter als die von Berat, und sie teilt sich je hälftig auf in Migranten-Kinder aus dem Lager und deutsche Kinder aus dem Stadtgebiet von Lebach. "Vor allem die Kinder aus dem Lager sind sehr anhänglich, sie nehmen mich als ihre beste Freundin und schreiben mir Briefchen", erzählt die 17-Jährige, die 1993 als Bürgerkriegsflüchtling aus dem Kosovo nach Deutschland kam. Sie wisse manchmal nicht, wie sie mit ihrer Rolle umgehen solle, gesteht Hateme. "Es ist schwierig, die Distanz zu wahren, ohne die Kinder zu sehr vor den Kopf zu stoßen."

Mittlerweile haben aber die meisten FSJler ihren eigenen Stil gefunden, urteilt Sylvia Leick, die Leiterin der Kindertagesstätte: "Es ist in verschiedenen Bereichen schon eine deutliche Verbesserung eingetreten." Leick sieht einen doppelten Nutzen in der Einrichtung der FSJ-Plätze für Migranten: "Neben der Sprachmittlerrolle gegenüber ihrer ausländischen Klientel nehmen sie auch eine Kulturmittlerrolle gegenüber den hauptamtlichen Mitarbeitern ein." Die bekämen durch die tägliche Arbeit mit den Migranten "Einblicke und Impulse, die sie in einer Schulung oder ähnlichem nie bekommen hätten". Damit füllen die Migranten zwei wesentliche Leitziele der Caritas-Einrichtung mit Leben, nämlich die Integration unterschiedlicher Kulturen sowie die Sensibilisierung für das Denken und Handeln von Menschen, die aus diesen unterschiedlichen Kulturen stammen.

Die europäische Gemeinschaftsinitiative EQUAL, über die drei der fünf FSJ-Stellen für Migranten bei der Caritas in Lebach finanziert werden, hat das allgemeine Ziel, Arbeitslosigkeit zu verhindern und zu bekämpfen sowie lebenslanges Lernen und die berufliche und soziale Integration von benachteiligten Gruppen zu fördern. Das Programm verfolgt einen experimentellen Entwicklungs-Ansatz zur Beseitigung von Ungleichheiten und Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt. Hinzu kommt in EQUAL ein Schwerpunkt zur Unterstützung von Asylbewerbern. Im Saarland beteiligt sich an der Initiative der EU die Saarländische Entwicklungspartnerschaft (SEPA), ein Zusammenschluss von Wohlfahrtsverbänden, Bildungsträgern, Forschungseinrichtungen sowie einschlägigen Landesministerien und Vertretern der Arbeitsverwaltung im Themenfeld Asylbewerber und Flüchtlinge.


Autor: Christian Beckinger, Saarbrücker Zeitung

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Sprachkurse für Asylbewerber/
innen

 

Bei der aktuellen Diskussion in den Medien über die Integration von Ausländer/innen und die deutsche Leitkultur sind sich alle Politiker/innen einig, welch enorm wichtige Bedeutung die Sprache für die Integration hat. Die Sprache ist der "Schlüssel zur Integration". Politiker/innen fordern die Verpflichtung (=Zwang) zur Teilnahme an Sprachkursen. Dabei meinen sie, wenn sie von Migrantinnen und Migranten sprechen, stets nur die Gruppe der Bleibeberechtigten. Asylbewerber/innen, deren Verfahren in vielen Fällen oft mehrere Jahre dauert, haben häufig keine Möglichkeit und auch kein Geld, einen Sprachkurs zu besuchen.

Dabei verfügen gerade sie über unendlich viel Zeit. Viele klagen über Langeweile und Leere in ihrem Alltag. Sie dürfen im ersten Jahr nach Asylantragstellung nicht arbeiten und auch danach ist es für sie auf Grund der arbeitsrechtlichen Bestimmungen schwierig, eine Arbeit zu finden. Vor allem fehlen ihnen die Deutschkenntnisse.

Die Caritaseinrichtungen in der Landesaufnahmestelle für Vertriebene und Flüchtlinge in Lebach bieten seit mehr als 15 Jahren jugendlichen und erwachsenen Asylbewerber/innen die Möglichkeit, Deutsch zu lernen und sich mit Deutschland und der deutschen Kultur vertraut zu machen. Im Rahmen eines Teilprojektes von SEPA (Saarländische Entwicklungspartnerschaft für Asylbewerber und Flüchtlinge/EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL) konnte dieses Angebot noch intensiviert werden. Asylsuchende nehmen täglich in Anfänger- und Fortgeschrittenenkursen die Möglichkeit wahr, sich Deutschkenntnisse anzueignen bzw. zu verbessern.

Die Teilnehmer/innen in den Sprachkursen zeichnen sich, trotz aller Schwierigkeiten, durch ein hohes Maß an Motivation und Integrationsbereitschaft aus. Dies gilt es zu fördern und zu erhalten.

Majit (45 Jahre, alleinerziehender Vater, 1 Sohn, 10 Jahre alt) aus dem Iran berichtet: "Ich bin vor neun Monaten nach Deutschland gekommen und besuche seit fünf Monaten den Sprachkurs der Caritas hier in Lebach. In Teheran habe ich Landwirtschaft studiert und viele Jahre im Ministerium für Landwirtschaft gearbeitet. Weil ich im Iran politisch verfolgt wurde, bin ich mit meinem Sohn nach Deutschland gekommen. Ich möchte in Deutschland leben, dafür brauche ich die deutsche Sprache. Deutsch ist wichtig für meine Zukunft. Das Leben hier im ‚Lager' ist schwierig, man hat einen Asylantrag gestellt und dann kann man eigentlich nur warten. Seit ich den Sprachkurs mache, geht es mir besser als vorher. Ich habe mich oft deprimiert gefühlt. Der Sprachkurs hilft mir, meine Zeit sinnvoll zu verbringen. Morgens besuche ich den Deutschkurs. Danach koche ich das Mittagessen. Wenn mein Sohn aus der Schule kommt, essen wir zusammen. In meiner Freizeit gehe ich mit meinem Sohn oft schwimmen.

Die erste Zeit in Deutschland habe ich kein einziges Wort verstanden. Ich habe ausschließlich Englisch gesprochen. Jetzt verstehe ich schon viel auf Deutsch und kann etwas Deutsch lesen, schreiben und sprechen. Aber es reicht noch nicht. Ich möchte noch mehr lernen. Ich brauche auch mehr Kontakt zu Deutschen, um besser sprechen zu lernen.

Wenn ich in Deutschland bleiben kann, möchte ich gerne ein Geschäft eröffnen und weiter Deutsch lernen. In den Iran zurückzukehren, kann ich mir nicht vorstellen. Deutschland ist ein demokratisches und freies Land. Ich möchte, dass mein Sohn in Freiheit und Demokratie erzogen wird. Er soll sein Leben selbst bestimmen und auch seine Religion frei wählen dürfen. Im Iran ist das nicht möglich."

Ob Herr Majit in den Caritaseinrichtungen Lebach weiter Deutsch lernen kann, ist zurzeit ungewiss. Das EU-geförderte EQUAL-Projekt SEPA läuft zum 15.05.2005 aus. Ob und inwieweit eine sprachliche Qualifizierung auch danach angeboten werden kann, ist noch nicht gesichert.


Autoren: Waltraud Spaniol, Helmut Selzer, Caritas Lebach

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Chancen-
gerechtigkeit für Migrantenkinder

 

Berlin. Am 16. Februar 2005 hat die Bundesregierung einen "Nationalen Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010" verabschiedet. Nach Einschätzung der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marieluise Beck, liefert der Aktionsplan "wichtige Ansätze, um die Chancengerechtigkeit auch und gerade für Migrantenkinder zu verbessern". Immerhin komme ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland aus Migrantenfamilien. "Ihre Zukunftschancen hängen", so Beck, "in hohem Maße von verbesserten Bildungsangeboten ab". Benachteiligungen aufgrund der sozialen Lage und der ethnischen Herkunft müssen nach ihrer Auffassung im Bildungssystem ausgeglichen werden, wenn alle Kinder gleiche Chancen haben sollen. Frühe und individuelle Förderung im Elementarbereich und in der Schule seien daher ebenso von Bedeutung wie eine durchgehende und bildungsbegleitende Sprachförderung, die frühzeitig im Kindergarten beginne und bis zur Berufsschule reiche. Der Ausbau der Kindertagesbetreuung und von Ganztagsschulen schaffe hierfür notwendige Rahmenbedingungen. Aber auch die verbesserte Ausbildung und Stärkung der interkulturellen Kompetenz von Erziehern, Lehrern und Fachpersonal in der Kinder- und Jugendarbeit seien wichtige Ansätze. Dazu müssten die Eltern unterstützt und die Erziehungskompetenz in Migrantenfamilien gestützt werden. "In unserer alternden Gesellschaft sollte uns eines klar sein", betonte Beck: "Wir brauchen in Zukunft jedes Kind und jeden Jugendlichen." (esf)

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Auswahl an Unis und Studenten: 

Herkunft zählt mehr als Leistung

Seit 2002 dürfen die Hochschulen ein Viertel der Bewerber selbst aussuchen: über schriftliche Tests, persönliche Eignungsgespräche oder beides. Ab dem Wintersemester 2005 werden sogar 60 Prozent der Bewerber in den Numerus Clausus-Fächern (Fächer mit beschränkter Zulassung) durch die Unis ausgewählt. Dadurch hoffen die Unis, die sehr hohe Abbrecherquote zu senken und die Motivation der Studierenden zu erhöhen, die sich dann mit ihrer Hochschule mehr identifizieren würden. Bisher verteilte die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) in Dortmund die Kandidaten aus ganz Deutschland nach Abiturnote und Wartezeit. Für Sport, Kunst und an den privaten Hochschulen gab es schon immer Auswahlverfahren.

Michael Hartmann ist Professor für Soziologie und Eliteforscher. 2002 ist sein Buch "Der Mythos von den Leistungseliten. Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft" erschienen, in dem er nachweist, dass bei gleichem Bildungsabschluss die soziale Herkunft und nicht die persönliche Leistungsfähigkeit über das berufliche Fortkommen entscheidet: Für Führungspositionen werden Angehörige des gehobenen und - noch lieber - des Großbürgertums ausgewählt. Keine Frage der Beziehungen, sondern des richtigen Habitus. Sie strahlen das Signal "Ich gehöre dazu" aus. Das können Leute, die aus den unteren Gesellschaftsschichten stammen, nicht. Dieser Mechanismus wird sich auch bei den Auswahlverfahren an den Hochschulen auswirken. Untersuchungen aus den USA zeigten, so Hartmann, dass an den guten Unis 80 bis 90 Prozent der Studenten aus den oberen 10 Prozent der Bevölkerung stammen. Trotz Stipendien für arme, aber hochbegabte Jugendliche. Die Auswahlkomitees seien eben mit Bankern und Professoren besetzt.

Die redegewandten und selbstbewussten Bewerber aus bürgerlichen Familien werden gegenüber Arbeiterkindern im persönlichen Gespräch immer besser beurteilt werden, sagt Prof. Hartmann. Jede(r) zweite Professor/in in Deutschland stammt aus den oberen 5 Prozent der Bevölkerung. Unbewusst gibt er/sie also dem Bewerber den Vorzug, der die gleiche Sprache spricht und sich ähnlich verhält. Bei Migrantenkindern verschärft die fremde Kultur den psychologischen Ablehnungseffekt noch zusätzlich, zumal es hier wenige Hochschullehrer ausländischer Herkunft gibt. Der Sohn des türkischen Oberarztes wird zwar besser abschneiden als der Sohn des türkischen Fließbandarbeiters, aber schlechter als das Kind des deutschen Oberarztes. Je nach Fach und Standort ist das unterschiedlich stark ausgeprägt: Dasselbe Einwandererkind wird beispielsweise kaum für ein Medizinstudium in Heidelberg zugelassen, aber für Maschinenbau in Duisburg schon. Je weniger formalisiert die Auswahlverfahren sind, desto größere Bedeutung haben solche subjektive Kriterien wie der richtige Habitus.

Clara La Terra, Mira Jovanovic und Abdurrahman Seker studieren an der Uni Bonn unterschiedliche Fächer in verschiedenen Semestern. Sie stammen aus Italien, Ex-Jugoslawien und der Türkei, sind jedoch in Deutschland zur Schule gegangen. Ihre Väter sind Facharbeiter, die Mütter Hausfrau, Erzieherin oder Krankenschwester.
Auswahlverfahren? Ja, aber nur schriftlich und anonym, sagt der Politologie-Student Seker. Sonst wird der Prüfer sich von der eigenen Vorstellung leiten lassen, wie der ideale Politikwissenschaftler auszusehen hat. Und das wird auf jeden Fall nicht er sein, meint Seker: Er, stämmig und dunkelhaarig, habe kein repräsentatives Äußeres. Natürlich sei es ein Klischee, dass der Sprecher einer Organisation blond und blauäugig zu sein habe. "Aber wenn Sie sich vor die Kamera stellen und für die Organisation sprechen müssen, dann hat das breite Publikum bestimmte Erwartungen".

Clara La Terra dagegen hat schon eine Eingangsprüfung durchgemacht. Sie ist im 7. Semester der Deutsch-italienischen Studien, eines Fachs, das seit Jahren seine Studenten selbst aussucht. Bei dem Test musste sie Texte übersetzen - ihre italienische Herkunft war für Clara von Vorteil. Bei einigen Fragen kam jedoch auch die Einser-Abiturientin ins Schleudern: "Die eine war halt: Nennen Sie 10 lebende deutsche Autoren. Ja, Günther Grass - und dann überlegt man schon, lebt der noch? Dann musste man noch italienische Opern nennen".

Wenn Fremdsprachenkenntnisse geprüft werden, können Migranten sogar punkten. Bei den meisten Tests kommt es aber auf die Kenntnisse der deutschen Sprache und Literatur und einen eleganten Schreibstil an. Die ZVS sei gerechter, weil objektiver, meint Prof. Hartmann, da spielten Vorlieben und Sympathien der prüfenden Professoren keine Rolle.

Befürworter der Auswahlverfahren wiederum sagen, so bekämen Bewerber mit schlechteren Abiturnoten aber größerer Motivation ihre Chance. Hartmann meint: Stimmt nicht. An seiner TU Darmstadt werden künftige Politikwissenschaftler in einem komplizierten Verfahren ausgesucht. Die Motivation versucht man anhand bestimmter Fragen wie "Waren Sie Schulsprecher?", "Waren Sie Gruppenleiter bei den Pfadfindern?" festzustellen. Das begünstigt ebenfalls die soziale Schieflage, denn ein Kind aus einem Arzthaushalt wird eher Schulsprecher. Das Arbeiterkind dagegen, das als erstes in der Familie das Abitur macht, ist hochmotiviert und fleißig. Es setzt aber alles dran zu lernen und gute Noten zu schreiben, für Klavierspielen, Theater-AG und Pfadfinder bleibt ihm keine Zeit. Aber gerade nach solchen Tätigkeiten wird gefragt.

Für ihr spezielles Fach war die strenge Auswahl richtig, sagt Clara La Terra. Denn die handverlesenen 15 jungen Leute erhalten Stipendien für ein Jahr Aufenthalt in Florenz - da könnte ja sonst jeder kommen. Aber im normalen Lehrbetrieb? Die Studentin ist skeptisch: "Man kann nicht durch persönliche Gespräche herausfinden, wo wirklich die persönlichen Neigungen liegen. Erst wenn man anfängt zu studieren, merkt man nach zwei Semestern, wo man ist - ob man noch Interesse dafür hat oder nicht, oder überhaupt den Ehrgeiz, das fertig zu machen".

Da liegt sie mit dem Soziologieprofessor auf einer Linie. Anstatt Auswahlverfahren schlägt der Eliteforscher ein freies Probestudium für alle vor. Die Anfänger hätten Zeit, die Hochschule kennenzulernen - die für Arbeiterkinder ein völlig fremdes Terrain ist - und auch in benachbarte Disziplinen zu schnuppern. Nach fundierter Beratung und vielleicht schriftlicher Prüfung wüssten sie, was sie in ihrem Fach erwartet und würden zügig weiterstudieren. Die Ungeeigneten fielen dann weg. Hartmann weiß aber, dass dieses Modell zur Zeit wenig Chancen hat. So lange befürwortet er Quoten, z.B. für Migranten. Das Beispiel der Frauenquote habe positive Wirkungen gezeigt. Viel wichtiger noch sei es, das Kindergarten- und Schulsystem zu reformieren, denn da werde bereits die soziale Schieflage verfestigt.

Mira Jovanovic hatte Glück. In ihren Wunschfächern, Politikwissenschaften und osteuropäische Geschichte, gab es damals keinen Numerus Clausus. Hätte es einen gegeben, wäre sie wahrscheinlich in der Warteschleife gelandet: Ihre Abiturnote 3,0 war nicht besonders. Mittlerweile ist sie fertig und hat eine exzellente Magisterarbeit geschrieben. Vor kurzem wurde Mira Jovanovic als Doktorandin an der Uni Zürich aufgenommen. Es gab über hundert Bewerber, die in mehreren Stufen ausgesiebt wurden, erzählt sie. Am Ende wurde sie zu einem Gespräch eingeladen. Vielleicht war das Entscheidende, denkt Mira, dass es eine Professorin war - und sie ebenso aus dem ehemaligen Jugoslawien stammte.


Autorin: Matilda Jordanova-Duda

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Weltkinder

 

Bonn. "Weltkinder", ein Projekt des Verbands binationaler Familien und Partnerschaften (iaf e.V.), Landesverband NRW, unterstützt Familien, Kindergärten und Schulen bei der Realisierung interkulturellen Lernens. In diesem Kontext werden Eltern und pädagogische Fachkräfte beraten, praxisnahe Materialien, Anregungen und Publikationen entwickelt und angeboten. Nun ist auch eine umfangreiche Wanderausstellung entwickelt worden, zu der im Frühjahr 2005 ein Praxishandbuch erscheint. In ihm werden unterschiedliche Themen interkulturellen Lernens aufgegriffen. Zu ihnen gehören interkulturelle Spielmaterialien (Puppen, Spielfiguren, Puzzles, Gesellschaftsspiele, Mal- und Bastelsachen etc.), Vielfalt im Kinderalltag, Sprachen, Religionen, Rassismus im Kinderzimmer, Eltern engagieren sich. Im Rahmen des Projekts werden ferner Fortbildungen, Workshops und interkulturelle Feste organisiert. (esf)

Infos: 
Weltkinder, Verband binationaler Familien und Partnerschaften (iaf e.V.), Thomas-Mann-Str. 30, 53111 Bonn, Tel.: 0228/90904-12, Fax: -14, weltkinder@netcologne.de 

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"Europass" für höhere Mobilität in Europa

 

Bonn. Seit dem 1. Januar 2005 können alle Europäer ihre Ausbildungsabschnitte und Zusatzqualifikationen in einem europäischen Bildungsausweis ("Europass") dokumentieren. Er besteht aus einem Lebenslauf sowie Auflistungen von Auslandsaufenthalten, Studienabschlüssen, Sprachkenntnissen und Ausbildungsinhalten. Damit können bei Bewerbungen im In- und Ausland Qualifikationen und Fähigkeiten in einer europaweit einheitlichen Form nachgewiesen werden. Parallel ist Ende der 1990er-Jahre durch das isoplan-Institut ein grenzüberschreitender Berufsbildungspass für die Saar-Lor-Lux-Region entwickelt worden. Er soll dazu dienen, die Berufsabschlüsse grenzüberschreitend transparent zu machen. Ziel dieser Pässe ist eine Erhöhung der beruflichen Mobilität in der EU. Bis zum Jahr 2010 sollen nach Vorstellungen der Europäischen Kommission drei Millionen Menschen in der EU den Europass besitzen. Kern des Passes ist ein nach einem bestimmten Schema abgefasster Lebenslauf und eine genaue Beschreibung der erworbenen Fremdsprachenkenntnisse. Der Pass kann im Internet ausgefüllt werden und ist somit jedem Interessenten zugänglich (http://europass.cedefop.eu.int). Nach Angabe der Kommission geht es nicht darum, die Ausbildung in der EU anzugleichen. Ebenso habe der Pass nichts mit der Anerkennung von Abschlüssen zu tun. Es gehe lediglich darum, die Transparenz zu erhöhen und Bewerbungen zu erleichtern. (esf)

Infos: 
Arbeitsstelle EU im Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), Tel.: 0228/882615, europass@daad.de 

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BQN: "Hand in Hand die Zukunft gestalten"

 

Essen. Ausländische Jugendliche absolvieren immer seltener eine Berufsausbildung. Während etwa 65 % der deutschen Jugendlichen eine Ausbildung im Dualen System durchlaufen, sind es bei den ausländischen Jugendlichen derzeit nur etwa 35 %. Dabei stellen die Jugendlichen mit Migrationshintergrund bei sinkenden Einwohnerzahlen in Großstädten und einer insgesamt älter werdenden Bevölkerung ein wichtiges Humankapital dar. Durch ihre Mehrsprachigkeit und Erfahrungen in verschiedenen Kulturen können sie zum Unternehmenserfolg beitragen. Am 4. März 2005 hat die BQN Essen in den Räumen der Industrie- und Handelskammer Essen die Veranstaltung "Hand in Hand die Zukunft gestalten" durchgeführt. Vorgestellt wurden Strategien zur besseren beruflichen Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern waren Vertreter verschiedener internationaler Migrantenvereine.

BQN - Berufliches QualifizierungsNetzwerk für Migrantinnen und Migranten - ist ein Gemeinschaftsprojekt der Kreishandwerkerschaft und der IHK zu Essen. In enger Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsorganisationen, Einrichtungen der Stadtverwaltung, den Selbstorganisationen der Migranten und anderen relevanten Akteuren soll jungen Leuten mit Migrationshintergrund der Zugang zur Ausbildung erleichtert werden. Durch den schnellen Wandel des Wirtschafts- und Arbeitsmarktes sind Eltern und Jugendliche häufig überfordert, vor allem, wenn sie mit dem deutschen Ausbildungssystem nicht vertraut sind. In Informationsveranstaltungen bietet BQN Einblicke in das Ausbildungssystem.

Mousa Othman, BQN Essen

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"Engagement macht Schule"

 

Berlin. "Vor allem in der Grundschule wird das Fundament für den Erfolg im Bildungssystem gelegt", sagte Bundesinnenminister Schily in Berlin. Der Minister hat dort zusammen mit den Botschaftern Dänemarks, der Niederlande und Österreichs am 18. März 2005 zwanzig Grundschulen bei einer feierlichen Preisverleihung im Haus der Evangelischen Akademie ausgezeichnet. Im Rahmen des Grundschulwettbewerbs "Engagement macht Schule" waren 36.000 Schulen aus Deutschland, Dänemark, Österreich und den Niederlanden dazu aufgerufen, interessante und praxistaugliche Projekte zum Thema Integration von Kindern mit Migrationshintergrund einzusenden. Die zwanzig besten Einsendungen wurden auf der Veranstaltung vorgestellt und mit Preisgeldern im Wert von insgesamt 21.000 Euro belohnt.

Die erstplatzierte Schule, die Heinrich-Zille-Grundschule Berlin, erhielt zusätzlich den Grundschulpreis "Engagement macht Schule". Ihr Konzept "ohne Eltern läuft nichts" bezieht besonders auch die Eltern der Kinder in den Schulalltag ein. Der "Kinder-Pass" ist ein Heft für Kinder und ihre Eltern, das den Schulstart begleitet. Kinder, Eltern und Lehrer notieren die Fortschritte des Kindes in Bezug auf den Lernerfolg aber auch bezüglich interkultureller und allgemeiner sozialer Kompetenzen. Den Kinderpass gibt es auf deutsch und zweisaprachig deutsch-türkisch. Die Eltern werden zusätzlich durch Elternschule, Elterncafé, Workshops und Gesprächskreise intensiv in den Schultag eingebunden.

Mit einem "Kinderpressebüro" überzeugte die niederländische Joop Westerweelschool Amsterdam die Jury. Die jungen Redakteure recherchierten dort über die gemeinsame Vergangenheit von Niederländern und Zuwanderern. Die österreichische Regenbogenschule Wien machte ihrem Namen mit einem bunten "multikulturellen Kalender" mit mehrsprachigen Informationen und Arbeitsaufgaben zu interkulturellen Fragestellungen alle Ehre. Die Weltschule Lindevangsskolen Fredriksberg aus Dänemark führte interkulturelle Projektwochen durch und wurden damit als bester dänischer Beitrag ausgezeichnet. Prämiert wurde auch die intensive Vernetzung von lokalen Vereinen und öffentlichen Institutionen mit der Jens-Nydahl-Grundschule in Berlin. Ihr Projekt "Leben am Kottbusser Tor" umfasst gemeinsame Aktivitäten in den Bereichen Vorsorge, Bewegung, Ernährung, Sprache, Bildung und Kinderbeteiligung.

"Engagement macht Schule" wurde vom Bundesministerium des Innern zusammen mit der Europäischen Kommission initiiert. Unterstützt wurde die Aktion vom niederländischen Landesbüro zur Bekämpfung von Rassendiskriminierung, der dänischen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und dem österreichischen Kulturimpuls: Impulse für interkulturelle Projekte an Schulen. Ziel der Aktion ist es, praxistaugliche Projekte aus Schule, Unterricht und Schulumfeld zu sammeln und sie in ganz Europa vorzustellen. Dazu werden die prämierten Projekte auf einer CD-Rom dokumentiert und EU-weit Lehrkräften, Erziehern und Meinungsbildenden kostenlos zur Verfügung gestellt. Durchgeführt wurde der Wettbewerb vom Zeitbild Verlag, der seit 1990 regelmäßig bundesweite Jugendwettbewerbe organisiert. (esf)

Kontakt: 
Marina Kadner, Zeitbild Verlag GmbH, Kaiserdamm 20, 14057 Berlin, Tel.: 030/320019-45, Fax: -11, marina.kadner@zeitbild.de, www.engagement-macht-schule.de

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