Integration in Deutschland 1/2005, 21.Jg., 31. März 2005

INTEGRATION

*) Dieser Beitrag wurde im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Muss oder soll man Deutsch können?

Zu Gast in einem Integrationskurs


"Ich will schneller lernen. Ich habe keine Zeit zu verlieren, will wieder arbeiten. Habe drei Kinder und die müssen finanziert werden", betont der Türke Azziz Yilmaz (32).


"Ich bin froh überhaupt etwas zu lernen. Aber ich merke, dass ich zuerst einen Alphabetisierungskurs machen muss", sagt Yildiz Aydingöz (30) aus der Türkei.


"Ich hoffe, dass ich danach eine Ausbildung machen kann", sagt Antonio Cotti (25), dem man gesagt hat, dass er Deutsch lernen muss, um zu arbeiten.


"Es ist eine gute Chance Deutsch zu lernen, aber der Kontakt zu Deutschen fehlt, um die Sprache zu üben", bedauert Bahman Panahi (43) aus dem Iran.

 

Eintauchen, Hören, Sprechen und Lesen

Die verschiedenen Unterrichtsmethoden im Basis-Integrationskurs:

Partnerübungen: Während dieser Zeit haben die Lehrer Gelegenheit, auf einzelne Teilnehmer und ihre Probleme einzugehen (Binnendifferenzierung)

Gruppenarbeit: Im Plenum werden grammatische Phänomene transparent gemacht (Flip-Chart; Tafel; auditive Medien, wie etwa Kassetten)

Hörverständnisübungen: Lernen mit allen Sinnen

Sprechübungen: Alltagsnahe und arbeitsmarktrelevante Dialoge

Leseübungen: Globales Verstehen und Detailverstehen

Yildiz ist 30 Jahre alt, kommt aus der Türkei und hat noch nie Schreiben und Rechnen gelernt; Miriam (51) stammt aus Peru und war Sekretärin; der 32-jährige Azziz hat Jura studiert - drei Menschen mit unterschiedlichster Schul- und Ausbildung. Eines haben die Drei allerdings gemeinsam: An den Euro-Schulen Mainz büffeln sie seit einigen Wochen Deutsch. Sie sind mit die Ersten, die die im Zuwanderungsgesetz verankerten Integrationskurse, gefördert durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, besuchen. AiD war beim Start dabei.

Sollen, müssen, können: Heute beschäftigen sich Yildiz, Miriam, Azziz und die anderen 17 Schüler/innen mit Modalverben. Azziz schreitet zur Tafel und konjugiert die Verben. Miriam überprüft ihre eigenen Notizen im Delfin - dem vom Bundesamt zugelassenen Lehrbuch. "Was fällt euch hier auf?" will Lehrerin Michaela Buccolo wissen. Die ersten Zurufe kommen: "Erste und dritte Person sind gleich". Die einen Schüler haben es gleich gemerkt, die anderen verstehen es jetzt, wieder andere wissen nicht, was gemeint ist.

Kein Wunder. Während Yildiz weder schreiben noch lesen kann, hat Azziz, der aus der Türkei kommt, Jura studiert. Weshalb sind sie alle in ein und demselben Kurs? "Schon allein wegen unterschiedlicher Vorbildung sind die Gruppen generell heterogen. Der Einstufungstest hat aber ergeben, dass die Teilnehmer gemeinsam unterrichtet werden können", erklärt Marie-Yvonne Kugler, Fachbereichsleiterin Integrationskurse bei den Euro-Schulen Mainz. Und Schulleiterin Susanne Florin ergänzt: "Die Gruppe wird dennoch nicht die kompletten 600 Unterrichtsstunden zusammen bleiben. Spätestens im Aufbausprachkurs werden sie wieder unterteilt und an das Lernverhalten und das unterschiedliche Lerntempo angepasst."

Deutsch verstehen...,

Auch wenn die einen weniger schnell lernen als die anderen, ist sich die Gruppe einig, dass der Kurs wichtig ist. Alle Teilnehmer sind arbeitslos. Deutsch zu lernen heißt für sie, besser für den Arbeitsmarkt gewappnet zu sein. Doch auch für den Alltag, für das Leben in Deutschland, brauchen sie zwingend Sprachkenntnisse.

...Deutschland verstehen

"Welche Verbotsschilder kennt ihr denn?", will Buccolo jetzt wissen. Die Übung aus dem Lehrbuch, bei der die Schüler anhand von Bildern beschreiben müssen, was man wo machen darf und was nicht, ergänzt die Lehrerin mit einer "teilnehmerorientierten Übung". Miriam erzählt, wo man nicht rauchen darf. Azziz berichtet vom Parkverbot und Bahman aus dem Iran erklärt, dass man mit einem Hund nicht in den Supermarkt darf. Für jeden Deutschen das Einfachste der Welt. Für die 20 Teilnehmer etwas ganz Besonderes. "Im Unterricht geht es auch darum, Verhaltensregeln zu erkennen und zu verstehen", erklärt die Deutschlehrerin. "Unnötige Probleme, die zwischen Deutschen und Ausländern auftreten könnten, werden so vermieden", betont Buccolo.

Das Begreifen der Hausordnung und das Verstehen eines einfachen Briefes - schon jetzt stellen sich bei den Teilnehmern erste Erfolge ein. "Ich kann meine Post lesen" freut sich Miriam. Und wenn es nicht klappt, nutzen sie die Pause, um die Lehrerin oder Marie-Yvonne Kugler um Hilfe zu bitten. Wie wird welcher Antrag ausgefüllt, welche Unterlagen brauche ich noch und wie melde ich mein Kind in der Schule an?

Eigentlich ist die Beantwortung dieser und andere Anfragen nicht die Aufgabe der Lehrerin, zumal das Honorar der Fachkräfte wegen der Kürzung der Kursgebühren von den Sprachschulen drastisch reduziert werden musste. "Wir haben die Kürzung akzeptiert. Die Ideale sind in diesem Beruf einfach anders gelagert! Wir wissen, dass wir nicht viel Geld damit verdienen können", beschreibt Buccolo ihre Motivation, weiterhin Ausländer zu unterrichten - "Ich sehe es eben als Lebensaufgabe".

Trotz der hohen Motivation der Lehrenden wünscht sich die Sprachschule eine Unterstützung für die Lehrer. "Sinnvoll wäre eine sozialpädagogische Begleitung vor Ort", betont Florin. Heide Erz, Regionalkoordinatorin (Reko) des Bundesamtes in der Regionalstelle Trier führt dazu aus: "Eine derartige Betreuung ist auch vom Gesetzgeber angedacht und wird durch die Migrationserstberatung und die Jugendmigrationsdienste gewährleistet." Eines kann das Bundesamt allerdings nicht vermitteln: Den Kontakt zu deutschen Mitbürgern. Und der ist für das Erlernen einer Fremdsprache fast ebenso wichtig, wie der Unterricht in einer Sprachschule. 


Autorin: Kerstin Dillmann

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Start der Integrationskurse

Erste Prüfungen erfolgreich bestanden

 Nürnberg. Die zu Beginn des Jahres eingeführten Integrationskurse haben erfolgreich begonnen. Die 22 Migrationsaußenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge registrieren eine große Nachfrage: Mehr als 50.200 bereits länger in Deutschland lebende Ausländer haben in den ersten Wochen des Jahres einen Antrag gestellt, davon wurde über 34.500 Personen vom Bundesamt eine Zulassung zum Integrationskurs erteilt. Darüber hinaus wurden durch das Bundesverwaltungsamt über 9.200 Spätaussiedler und durch die Ausländerbehörden über 1.800 schon länger in Deutschland lebende Ausländer zu den Kursen zugelassen bzw. verpflichtet. Insgesamt erhielten somit über 45.500 bereits länger ansässige Ausländern und Spätaussiedler eine Berechtigung zur Teilnahme an den Kursen.

Seit Beginn des Jahres konnten durch das Bundesamt und seine Regionalkoordinatoren in enger Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden und den Integrationskursträgern über 1.350 Integrationskurse gestartet werden. Die ersten Teilnehmenden von Integrationskursen haben die abschließende Sprachprüfung Zertifikat Deutsch abgelegt. Bis Mitte März wurden zwölf Prüfungen angemeldet, neun Prüfungen davon durchgeführt und davon fünf ausgewertet. Nach den Auswertungsergebnissen haben alle fünf Teilnehmenden die Prüfung erfolgreich bestanden. "Entgegen aller negativen Prognosen ist die Umstellung vom alten zersplitterten Sprachkurssystem zu den einheitlichen Integrationskursen gelungen", erklärt Dr. Albert Schmid, Präsident des Bundesamtes. (VF)

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Dien Hong hilft bei beruflicher Integration

 

Rostock. Gut 5.000 Kilometer liegen zwischen Kokschetau im Norden Kasachstans und der alten Hansestadt Rostock. Im Juli 2004 traten die Spätaussiedler Julia Avtomonov, ihre Tochter Sabine sowie die Eltern und der Bruder die lange Reise an die Ostsee an. In der Heimat hatte die heute 28-jährige Julia Avtomonov gerade ihr Uni-Diplom als Lehrerin für russische Sprache und Literatur absolviert. Die ehrgeizige junge Frau begann in Rostock einen sechsmonatigen Sprachkurs. Sie lernte schnell und fleißig die für sie neue Sprache. Nach einigen Monaten traf sie bei einem Beratungsgespräch auf die Mitarbeiter des Integrationsfachdienstes Migration des Rostocker Vereins Dien Hong (IFDM). Elena Pewsner, beim Fachdienst unter anderem zuständig für russischsprechende Zugewanderte, zeigte der Lehrerin Wege in eine berufliche Zukunft auf. Es ergaben sich zwei Möglichkeiten: weiter studieren oder an einer Umschulung teilnehmen. Mit Julia Avtomonov haben sich innerhalb eines Jahres bis Anfang 2005 rund 1.000 Zuwanderer vom Fachdienst beruflich beraten lassen, drei Viertel davon sprechen als Muttersprache Russisch. "Mehr als die Hälfte davon befindet sich in Bildungsmaßnahmen", erklärt Michael Hugo, Projektleiter beim Integrationsfachdienst Migration. Berufliche Chancen gebe es z. B. im medizinischen und gastronomischen Bereich sowie in der Landwirtschaft."Seit Januar haben alle Zugewanderten erstmals einen Rechtsanspruch auf Deutsch-Sprachkurse", erklärt Hugo. Allerdings nur die Migranten, die seit diesem Jahr nach Deutschland kommen. Um den Qualitätsansprüchen gerecht zu werden, haben sich jetzt vier Rostocker Bildungsträger zusammengeschlossen. Am 24. Januar haben Dien Hong, die Volkshochschule, der Internationale Bund und das Institut für Datenverarbeitung und Betriebswirtschaft entsprechende Sprachtests und Kurse gestartet. Um dem Anspruch der Zugewanderten gerecht zu werden, die vor 2005 nach Rostock kamen, will der IFDM Trainingskurse anbieten.

Auf Vermittlung durch den Fachdienst bildet sich Julia Avtomonov seit Dezember bei einer Computerfirme als IT-Marketing-Assistentin weiter. Gemeinsam mit anderen Aussiedlerinnen und deutschen Teilnehmerinnen lernt sie Computerprogramme, kaufmännische Grundlagen und soziale Kompetenz - und Deutsch. "Im Umgang mit den deutschen Kolleginnen lerne ich die Sprache viel schneller als aus Büchern," sagt sie zufrieden. (esf)

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Projektatlas 2004

 

Nürnberg/Berlin. Im Januar 2005 hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Projektatlas 2004 veröffentlicht. Mit dem Projektatlas bietet das Bundesamt auch in diesem Jahr wieder eine vollständige Übersicht über die vom Bund geförderten Maßnahmen zur Integration von Spätaussiedlern und Ausländern an. Hierzu erklärt der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hans-Peter Kemper, MdB: "Ich danke den Mitarbeitern des Bundesamtes für ihre Arbeit an dieser ausführlichen Zusammenstellung. Durch den Projektatlas werden die vom Bund geförderten Projekte des vergangenen Jahres kurz und prägnant dargestellt. Darüber hinaus dokumentiert er die aktuellen und vielfältigen Bemühungen der Bundesregierung bei der Integration von Zuwanderern." Im Jahr 2004 wurden insgesamt über 900 Maßnahmen mit knapp 28 Mio. EUR unterstützt. Der Projektatlas listet diese nach Bundesländern sortiert auf und enthält neben Angaben über Ort, Laufzeit und Träger auch eine Kurzbeschreibung des einzelnen Projekts sowie die Kontaktadresse des jeweiligen Ansprechpartners. Der Projektatlas kann über die Homepage des Bundesamtes unter www.bamf.de abgerufen werden. (esf)

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